Bühneneingang
Braucht Österreich einen Schwarzen Jedermann? - mit Mwita Mataro
- Fotocredit: Anna-Lisa Bier
- hochgeladen von Katharina Pagitz
"Mein Überleben als Schwarzer Mensch": In der Dokumentation "Austroschwarz" beschreibt der Musiker und Filmemacher Mwita Mataro genau das als zentrale Herausforderung seiner künstlerischen Arbeit. Es sind eindringliche Aussagen wie diese, mit denen er sich nicht nur an die so genannte Mehrheitsgesellschaft sondern insbesondere auch an die Kunst- und Kulturszene wendet. Genau hier, wo Diversität und Chancengerechtigkeit scheinbar einen Konsens darstellen, ortet er ein massives Gefälle in puncto Macht, Repräsentation und Teilhabe. Folge 70 macht deutlich, dass Kultur nur dann glaubhaft gegen Diskriminierung auftreten kann, wenn sie selbst beispielhaft vorangeht. Und sie zeigt, dass Anspruch und Realität noch weit auseinanderklaffen - egal, ob es sich um Pop, Theater, Film oder Kulturverwaltung handelt.
Fabian Burstein
Hallo und herzlich willkommen am Bühneneingang. Mein Name ist Fabian Burstein. Ich bin Kulturmanager und Autor und in diesem Podcast zeige ich euch den Kulturbetrieb von innen, so wie er wirklich ist. Mein heutiger Gast ist Mwita Mataro. Der gebürtige Salzburger arbeitet als Künstler, Filmemacher, Musiker und diese Rollenvielfalt zeigt, es geht in der aktuellen Folge um weit mehr als nur ein Genre. Mwita Mataro hat mit seinem Dokumentarfilm "Austroschwarz" ein Werk abgeliefert, das die bange Frage stellt: Was bedeutet es 2025 in der Kulturnation Österreich eine Person of Color zu sein? Wie funktioniert eine selbstbestimmte Definition von Identität? Welche Komplexität steckt hinter dem Heimatbegriff? Und was macht die Suche nach Repräsentation mit einer fragilen Künstlerbiografie?
Wir sprechen auch über die Bigotterie einer scheinbar liberalen Kulturszene, die gerne Diversität zelebriert, aber bei Macht und Budget oft die Türen verschlossen hält. Und wir fragen, was passiert, wenn man als schwarzer Musiker konsequent die Schublade World Music verweigert? Lieber Mwita, vielen Dank für deinen Besuch am Bühneneingang.
Mwita Mataro
Danke dir für die schöne Einleitung. Freut mich sehr, dass du mir ja geschrieben hast.
Fabian Burstein
Ja, ich habe vor kurzem in Vorbereitung auf unser Gespräch mir natürlich deinen Film reingezogen und ich will mit einem Zitat aus diesem Film beginnen, das mich schon sehr beschäftigt hat. Du sagst, ich hatte die Nase voll von antirassistischen Kunstprojekten, weil es mir extremst am Arsch geht, wenn ich mitbekomme, mit welchen Themen sich meine weißen Kolleginnen und Kollegen in der Kunstbranche befassen. Und du sagst das ist Galaxien entfernt von dem, was dich umtreibt. Und dann sagst du etwas Arges, finde ich, ich befasse mich in meiner Kunst über meine Existenz, über mein Überleben als Schwarzer Mensch. Ich hätte auch mal Bock, über einen fucking Garten zu schreiben oder einen Film zu drehen über Freundschaften. Das ist natürlich ein berührender Befund auch und es hat mich in ein Dilemma geschmissen.
Mwita Mataro
Ja. Ja. Okay.
Fabian Burstein
Weil ich weiß natürlich, dass authentische Diversität bedeutet, dass wir über Unterschiede gar nicht mehr reden müssen oder über äußere Merkmale. Und gleichzeitig weiß ich, wir werden heute ganz viel über äußere Merkmale sprechen, schlicht und ergreifend, weil du auch einen Film mit "Austroschwarz" über das Thema gemacht hast. Wie wie gehen wir mit dieser Ambivalenz um?
Mwita Mataro
Es sind so große Themen, oder die du auch ansprichst und die ich auch angesprochen habe im im Film halt, wo ich selber auch keine klare Antwort habe, aber eben bei "Austroschwarz" war das halt schon eine Phase in meinem Leben, wo ich mir gedacht habe, okay, jetzt habe ich die Schnauze voll. Genau, also als ich den Film, als ich diese Filmidee hatte mit "Austroschwarz", da reden wir von 2020 oder Ende 2020. Und so die der Impuls war, als ich mitbekommen habe, dass Menschen mit "White Class Matter"-Bannern den Marcus Omofuma überdeckt haben. Marcus Omofuma war ein Nigerianer, der in Österreich, in den 90er-Jahren Asyl beantragt hat, und 1999 wurde sein Asyl halt abgelehnt und musste quasi zurückgebracht werden nach Nigeria und wurde von zwei Polizisten zum Flughafen gebracht und sind auch gemeinsam geflogen und dann in Sofia war ein Zwischenstopp.
Und natürlich, wenn ein Mensch von seiner Heimat flüchtet und dann die Nachricht bekommt, dass er wieder zurückkommt nach Nigeria, ist es keine Freude, es ist keine erfreuliche Nachricht. Und natürlich wehrt man sich und versucht mit den Polizisten zu, sie zu überzeugen, dass man in Österreich bleiben möchte. Und was die Polizisten auch gemacht haben, war halt, dass sie ihn zugetaped haben im Flugzeug. Dass er mal ruhig ist so. Und auch wurde auch unter anderem noch sein Gesicht zugetaped und er ist dann an den Folgen dann gestorben in Sofia, weil er keine Luft mehr bekommen hat. Genau, und aufgrund dessen wurde dann quasi ein Denkmal für ihn gebaut und da steht quasi am Platz für Menschenrechte. Und das habe ich erst sehr, sehr spät mitbekommen, dass überhaupt dieses Denkmal am Platz für Menschenrechte so eine krasse Bedeutung hat, weil ich das nicht gehört habe, nicht gelernt habe in der Schule. Genau. Und dieses Denkmal ist für eben Menschen, die, also sagen wir, dieses Denkmal ist für Österreicherinnen und Österreicher, die jetzt quasi aus einer ja rechten Ecke kommen, nicht sehr willkommen und es wird eh jedes Mal auch beschmutzt und so, wo halt einfach Rechtspopulistinnen und Populisten halt provozieren wollen. Und eben Ende 2020 habe ich das halt so wirklich arg mitbekommen, dass eben Menschen mit "White-Lives-Matter"-Bannern dieses Denkmal überdeckt haben. Und dann habe ich mir gedacht, okay, jetzt reicht's.
Und da war ich 26 Jahre alt und habe mir gedacht, ich bin müde auf der Bühne mit meiner Band damals mit At Pavillon über ein Miteinander mich da auszusprechen für ein Miteinander in Österreich und zu sagen, dass wir eh gegen Rassismus sind. Und ich hab mir gedacht, dass Popmusik oder Musik an sich keine adäquate Form ist, so meine Gefühle zu verarbeiten. Und dann irgendwie aus einer puren Naivität schon fast so schon fast schon aus einem Affekt habe ich mir gedacht, okay, ich muss einen Film darüber machen und hatte das Glück gehabt, dass Helmut Karner, mein Co-Regie-Partner, quasi mir beiseite gestanden ist und geschaut hat, dass diese künstlerischen Visionen, die ich hatte, dass er das mit mir gemeinsam halt auch über die Bühne quasi bringt, filmisch halt. Und ja, und das fällt mir irgendwie auch schwer in Worte zu fassen, dass wir es auch geschafft haben, diese Geschichte zu erzählen. Und ich bin sehr froh darüber, dass auch viele Menschen damit was anfangen können. Und ich finde es auch so schön mit der Einleitung, die du auch begonnen hast, so wenn man so das rauszoomt und versucht zu analysieren, mit welchen Themen ich mich befasse, sind es halt schon orge orge Sachen. Und du merkst eine sehr, sehr lange Antwort und ich hoffe, ich kann. Ich hoffe, du kannst mir folgen.
Fabian Burstein
Das ist ja das Schöne an dem Podcast-Format, dass wir mal eben nicht Hektik haben, sondern ein bisschen da mal eintauchen können.
Mwita Mataro
Also ich wollte das nur, dieses Marcus Omofuma Ding wollte ich nur ausführlich halt erklären, weil es halt oft kommt man zu der Situation, dass viele Menschen dann denken: Hä, wer ist das? Und deswegen war es mir nur wichtig, dass wir das einmal kurz abgehakt haben. Ja.
Fabian Burstein
Es war ja auch ein neuralgisches politisches Geschehen in Österreich in viele Richtungen. Also es ist gut, das zu erwähnen, weil sich daran. Da sind viele Konflikte aufgebrochen und sichtbar geworden, die dann auch vieles teilweise zum Positiven verändert haben. Also dass man dann auch stärker darauf geschaut hat, dass das eben keine Form von, unter Anführungsstrichen legitimer Gewalt ist, dass man Menschen im Flugzeug so zutaped, dass sie ersticken.
Mwita Mataro
Ja, voll.
Fabian Burstein
Das heißt, dieses Denkmal bzw. die Schändung dieses Denkmals war für dich ein Initiationserlebnis, etwas, wo du auch wahrscheinlich stärker deine äußeren Merkmale plötzlich gespürt hast, weil du bist ja in Österreich geboren.
Mwita Mataro
Ja.
Fabian Burstein
Das heißt, wir haben wieder das berühmte Thema: Du bist ein Österreicher und wirst wahrscheinlich ständig gefragt, woher kommen Sie?
Mwita Mataro
Ja genau.
Fabian Burstein
Ja.
Mwita Mataro
Ich finde die Frage nicht so schlimm. Also ich bin geboren 1993 in Salzburg und natürlich war auch in der Zeit die Bevölkerung noch nicht sehr divers. Und ich bin jetzt 32 und mache schon sehr, sehr lange eben Kunst und so. Und befasse mich auch damit auch viel theoretisch auch. Merke ich auch so, wenn ich ein Album angehe oder eben Film, komme ich dann immer so aus einer theoretischen Beobachtungsposition und versuche das noch einmal einfacher dann umzusetzen. Und was mich halt dann halt einfach so stört, wenn ich mitbekomme von meinen Kunstkolleginnen und -kollegen, die eben aus der linken Seite quasi kommen und sich auch links positionieren und eben sei es Theater machen oder Film oder Musik und so weiter und so fort, aber ich quasi auf der Bühne zum Beispiel keine Diversität sehe. Ich rede jetzt nicht davon, dass es nur Schwarze Menschen auf der Bühne geben soll, eben Österreich, Österreicherinnen und Österreicher können eben arabischen Background haben oder asiatischen Background haben etc. Und wenn man nicht meinen österreichischen Film anschaue, wenn man sich die Kinoplakate anschaut, so in den ganzen Kinos so von österreichischen Filmen, man sieht immer nur eine Bevölkerungsgruppe und die sind einfach weiß. Und das ist etwas, wo ich mir denke, dass man die Sehgewohnheit der Menschen, die in diesem Land leben, auch bewusst trainieren kann aus der Kunst, aus künstlerischen Seite. Dass man auch bewusst sagt: Okay, wir leben in diesem Land so, ne und wir dürfen jetzt nicht davon ausgehen, dass wenn man jetzt, keine Ahnung, ein Drehbuch schreibt, dass diese Person diese Hauptrolle dann automatisch weiß ist. Ich finde, das ist dieses Denken, muss man mal aufgemacht werden so. Und das sind so Sachen, die mich extrem nerven, wenn mich jemand fragt, woher kommst du her und irgendwie. Ich komme, ich mache Gastro halt, so ist mein Brotjob und dann sagen auch Gästinnen und Gäste zu mir: Ja und du kannst das so gut Deutsch sprechen. Und das ärgert mich halt, weil ich mir denke so. Leute, wenn ihr euch einen amerikanischen Film anschaut, so da irgendwie ein Schwarzer herkommt oder asiatisch gelesene Person, denkt auch nicht: Boah, der kann irgendwie gut Englisch so, weil Amerika steht auch für kind of Diversität, so jetzt Trump, Klammer auf, mal ausgeschlossen, Klammer zu. So und ich finde Österreich ist divers und Europa ist divers, aber dieses Denken ist noch nicht, finde ich, bei meinen Kolleginnen und Kollegen in der Kulturbranche angekommen.
Fabian Burstein
Also ich meine das das darüber nachdenken und darum ringen um Repräsentation, um auch Stereotype und so weiter, das ist ja wirklich omnipräsent in der Kunst- und Kulturszene. Drehen wir es mal positiv um im Sinne eines Beratungstermins.
Mwita Mataro
Ur gerne.
Fabian Burstein
Ich bin jetzt, ich bin jetzt ein Kulturmanager, ja. Und will es gut machen und will es richtig machen, will es im Übrigen auch so machen, wie ich es am Anfang gesagt habe. Ich will nicht ständig Diversität wo draufschreiben, sondern ich will haben, dass das authentisch mitschwingt.
Mwita Mataro
Ja, genau. Richtig.
Fabian Burstein
Wo ist der Unterschied zwischen Repräsentation, die ja eigentlich nichts anderes ist als bloße Anwesenheit, ja. Und eigentlich wirklich einer selbstbestimmten Gestaltung. Wie muss man das angehen, dass wir wirklich die Chance haben, dass das gerade in dieser liberalen oder auch vielleicht manchmal ein bisschen linker geprägten Kunstszene ankommt?
Mwita Mataro
Ja, schwere Frage. Also ich glaube, während du geredet hast, habe ich auch so mir gedacht, so seitens Kulurmanage, seitens eines Kulturmanagers, es ist auch interessant, weißt du, wo ich mich auch gerade befind in meiner Karriere erscheint alles gerade aus einer Fassade von Instagram und so und Zeitungsberichten, okay. Der Mensch Mwita Mataro, der ist gerade in so einem Höhenflug so und krass, okay. 11.000 Kinobesucherinnen und Kinobesucher.
Fabian Burstein
Was wirklich viel ist in Österreich.
Mwita Mataro
Was wirklich crazy ist in Österreich, weil normalerweise haben wir haben österreichische Filme und so von 4.000, 5.000. Bei Dokus und bei Spielfilmen sind wir da bei 8.000, 9.000. Und wir sind ein Dokufilm und haben 11.000. Und das Interessante ist halt so, Fabian, dass aber trotzdem die Umstände bei mir, also als privater , so Mwita, mit Migrationshintergrund, sehr prekär sind. Also ich lebe in einer Gemeindewohnung halt. Okay, das tun viele Menschen in Österreich, egal ob weiß oder Schwarz, aber ich merke einfach, dass wenn man Kunst macht, also ernsthaft Kunst betreiben möchte, muss man auch extrem viel Vorlaufzeit auch investieren und die wird halt einem nicht bezahlt.
Und da mache ich auch einen Punkt, was ich auch irgendwie interessant finde, wenn ich auch so meine anderen Kolleginnen und Kollegen beobachte, die halt erfolgreich sind. Und die, die erfolgreich sind in Österreich, sind halt alle weiß. Und ich möchte auch keine Namen sagen und so, aber es gibt schon ein paar Menschen, die dann auch einen klaren Vorteil haben, weil sie auch eine Eigentumswohnung haben von ihren Eltern geerbt so und dadurch halt weniger Fixkosten haben. Also vielleicht haben die Fixkosten von 300, 400 Euro und bei mir sind meine Fixkosten bei ja, bei, würde man sagen bei 900 Euro. Das heißt ich muss einmal fix arbeiten nebenbei und habe es gerade wieder vor drei Wochen wieder begonnen zu kellnern. Also sprich bei meinen erfolgreichen Kunst-Friends, Kolleginnen und Kollegen, die haben, die können schon Ressourcen schöpfen, die ich mir erst erarbeiten muss.
Also auch so Menschen, die auch schon seit Kindheitsalter schon ins Theater gehen oder wo irgendwie Freundinnen und Freunde schon. Also auch, ja genau, auch Freundinnen und Freunde schon von den Eltern in der Kulturbranche sind, da hat man einen ganz anderen Startvorteil. Und das muss man, glaube ich, glaube ich, als als Kulturmanager auch beachten und berücksichtigen, dass wenn man mit Österreichern und Österreicherinnen mit Migrationshintergrund arbeitet, dass man da noch einmal mit mehr, muss man mehr sensibilisieren, weil da geht es auch oft um Privilegien, die oft auch unsichtbar sind. Weil wenn man auch aus der Kulturbranche kommt und die Familie auch, ist es für manche, für viele Menschen auch normal, dass man einfach Vorlaufzeit investiert und irgendwann kommen die Förderungen rein und dann wird es eh wieder kompensiert und so. Das habe ich auf jeden Fall herausgefunden, dieser Aha-Effekt von okay, dass viele auch in meinem Team jetzt nicht nur Filmen oder generell. Man erwartet sich, ah, okay, das du würdest sicher noch ein Album schreiben oder noch einen Film machen, aber es erfordert extrem viel Ressourcen. Ich meine, du bist da auch, du hast auch extrem viele Gäste gehabt, ich würde mir auch kurz deine Meinung dazu hören, wie du das siehst.
Fabian Burstein
Also für mich ist es. Für mich sprichst du einen extrem interessanten Punkt an, der definitiv unterrepräsentiert ist, weil die Geschichte, dass es natürlich viel Vorlauf braucht und dass dieser Vorlauf von prekären Verhältnissen geprägt ist, die würde dir wahrscheinlich so gut wie jeder Künstler oder jede Künstlerin erzählen. Aber das Interessante, was du sagst und das leuchtet natürlich ein, ist, was man weniger sieht, dass viele aus privilegierten Grundvoraussetzungen heraus starten und dass das eine Facette ist, die.
Du hast es genannt, Menschen mit Migrationshintergrund einfach nicht einbringen können. Also dieses vom Elternhaus finanziert sein oder durchgetragen werden über ein paar Jahre auf welche Art auch immer, das müssen wir definitiv zum einen am Schirm haben und wir müssen zum anderen, glaube ich, auch noch eine andere Geschichte wirklich uns mal kritisch anschauen. Das ist durchaus die Stereotypisierung in der Förderlandschaft. Also welche Rolle spielen Stereotype bei der Vergabe von Förderungen oder eben der Programmierung in der in der österreichischen Kultur? Und da gibt es viele Facetten. Wie viele Menschen in den Förderstrukturen sind denn, passen denn in dieses Bild der Diversität? Ich würde behaupten, dass die Förderstrukturen extrem homogen gestrickt sind. Extremst homogen gestrickt sind.
Mwita Mataro
Ja, voll. Also das habe ich auch gemeint so am Anfang unseres Gesprächs. Ich erwarte mir echt so von allen Gatekeeperinnen und Gatekeepern, ich rede auch so Burgtheater oder auch Salzburger Festspiele. Ich stelle mir das wahnsinnig spannend und unter Anführungszeichen mutig vor, wenn der Jedermann einmal gespielt wird von einem Österreicher mit asiatischem Background. Und klar kann man dann natürlich, klar werden sie dann alle dann argumentieren, ja, aber die ganzen Touris und so kommen ja nach Österreich, um einen unter Anführungszeichen weißen Jedermann zu sehen. Das würden sie jetzt nicht genau so benennen, aber das meine ich auch so, dass Österreich so eine gewisse Identitätskrise hat. Man möchte irgendwie zeigen, dass man liberal ist, aber trotzdem bleibt man bei so festen Strukturen oder Stereotypen so. Und da braucht es, finde ich, extrem viel.
Ja, ich meine, ich finde auch Mut in dem Kontext auch komisch, das auch zu sagen. Es fühlt sich irgendwie komisch an, aber die Menschen, die halt Kultur machen und Kultur gestalten. Ich möchte, um das einfach einfacher zu formulieren. Ich möchte, ich habe irgendwie auch keinen Bock, Fabian, mir irgendein Theaterstück anzuschauen, wo es jetzt wieder um Ungleichheiten geht und dann spielt dann die Schwarze Person irgendwie eine Rolle von den dem den armen Ausländer und tadatada. Ich möchte einfach so Geschichten hören und auch der Anspruch auch an mir selber auch als Kunstschaffender, eine schöne Liebesgeschichte, wo auch die Rollen aber halt sind jetzt nicht stereotypisch weiß, sondern die sind keine Ahnung. Einfach eben ein Österreicher mit türkischem Background, verliebt sich in eine Österreicherin mit, keine Ahnung Background. Dass man einfach so merkt, so okay, diese Diversität, die in Österreich herrscht, die wird auch widergespiegelt in Theater, Filmen etc. Und es müssen nicht immer so Leidensgeschichten erzählt werden. Das kann man auch, finde ich, sehr subtiler machen und auch so Bergdoktor oder Tatort oder Vorstadtweiber, oder Biester, wie die alle heißen. Seid ein bisschen mutig und hört auf mit euren Ausreden, dass dann die Quoten dadurch gesenkt werden, dass dann keiner mehr das anschauen möchte.
Fabian Burstein
Das heißt im Klartext mehr Selbstverständlichkeit in einer diversen Besetzung. Würdest du sagen, gibt es denn einen impliziten Zwang, dass man ständig authentische Geschichten über Migration oder Diskriminierung erzählen muss, damit man aus zum Beispiel deiner Situation heraus ein Fördergelder kommt. Während die, wie du sagst, die universellen Stoffe, Liebe, Tod und so weiter, den Weißen vorbehalten bleibt?
Mwita Mataro
Kannst du die Frage noch mal anders formulieren?
Fabian Burstein
Glaubst du als Filmemacher, dass du nur dann an die Fördertöpfe kommst, wenn du sagst, ich mache jetzt einen Film? Es ist auch in deinem Titel drinnen "Austroschwarz", eine ganz klare, kann ja auch eine strategische Positionierung sein, dass du sagst, das muss ich jetzt einfach genauso machen, weil nur so kann ich meinen Film machen. Glaubst du, ist das so oder hättest du dieselben Chancen, wenn du einen universellen Stoff über Freundschaft machst, wie du es ja in deinem Statement gesagt hast?
Mwita Mataro
Ich habe das noch nicht probiert, ich habe das noch nicht probiert, so weit war ich noch nicht. Aber zum Beispiel einer meiner Vorbilder im deutschsprachigen, also in Deutschland, ist halt Fatih Akin, falls du den kennst.
Fabian Burstein
"Gegen die Wand".
Mwita Mataro
"Gegen die Wand", großartiger Film, habe ich mir jetzt angeschaut am Wochenende. Und ich finde seinen Werdegang auch sehr interessant, weil eben "Gegen die Wand". Also an alle, die Fatih Akin nicht kennen: Er ist ein deutscher Regisseur mit türkischen Wurzeln und er hat sich lustigerweise am Anfang seiner Karriere mit so Ende 20, Anfang 30, hat er sich schon sehr stark mit migrantischen Themen befasst. Eben "Gegen die Wand" geht es um eine Liebesgeschichte von zwei Deutschen, also von zwei Deutschen halt, mit türkischen Wurzeln halt, aber er hat sich dann davon emanzipiert, unter Anführungszeichen und behandelt auch Stoffe, die auch sehr mit der deutschen Geschichte auch zu tun haben, was ich auch sehr spannend finde. Und da wäre es auch spannend zu wissen, ob das von ihm eine bewusste Herangehensweise war, dass er sich denkt, okay, wenn er sich bis zu seinem Lebensende mit migrantischen Themen befasst, ob er dadurch weniger Förderungen bekommt oder vielleicht wollte oder vielleicht möchte er sich als gestandener Regisseur auch zeigen. Dass er sagt, okay, er kann, er kann mit allen Themen arbeiten.
Ich habe es noch nicht probiert. Also ich arbeite gerade an einem Stoff, wo es um Freundschaft geht, so, aber ich bin noch nicht so weit. Aber das ist auch interessant, weil ich komme halt immer wieder zurück dann zu dem Thema. Ich schreibe gerade mein Album "Austrodrama", so wird es heißen und wird nächstes Jahr erscheinen für mein Soloprojekt. Und da geht es auch jetzt nicht so per se um das Anderssein in Österreich, sondern geht es eher so um Themen, wo ich versuche einfach Themen zu behandeln, die irgendwie jeder und jede in Österreich damit was anfangen kann, vor allem auch so diese gespaltene Gesellschaft in Österreich, was es bedeutet und deswegen halt "Austrodrama". Mir kommt es so vor in Österreich, wenn man sich österreichische Politik anschaut und anhört, dass da immer so Drama ist. Und da versuche ich schon mehr in universell zu arbeiten, da bin ich eh gespannt. Aber es ist halt so ein bisschen so eine schizophrenische Angelegenheit, wo ich nicht wirklich weiß, so mach. Weil oft ist es so, wenn man halt Kunst macht oder bei mir zumindest, denke ich mir so, okay, was, also was erwarte ich mir, also welche Erwartungen gebe ich mir selber und was möchte gerne die Rezipientin oder Rezipient von mir hören. Und was würden sie von mir erwarten und dann auch so mit dem Schwarzsein, was würde man von einer Schwarzen Person erwarten? Und das möchte ich auch brechen. Und deswegen positioniere ich mich auch bei meinem Soloprojekt in all meinen Musikvideos vor der Österreich-Flagge, weil ich auch so ein bisschen Irritation erzeugen möchte. Bin auch gerade abgeschweift, aber ich habe es auf jeden Fall noch nicht probiert, mich mit universellen Themen. Aber das ist einfach mein Anspruch, das möchte ich auf jeden Fall machen.
Fabian Burstein
Aber dein Abschweifen wirft einen guten Punkt auf dein Song "Austrodrama" ist tatsächlich der Grund, warum ich dich kenne.
Mwita Mataro
Ja, sehr gut.
Fabian Burstein
Meine Frau hat mich darauf hingewiesen, die hat das auf FM4 gehört. Ich habe ja ein Nahverhältnis zu Hansi Lang. Ich habe ja seine Biografie geschrieben.
Mwita Mataro
Ja, so cool.
Fabian Burstein
Sie hat gesagt: Du ich habe auf FM4 eine New Wave-Hymne gehört, die hätte auch aus der Ära Hansi Lang kommen können und ich habe mir das dann angehört und dann auch das Video angeschaut. Und natürlich war das auch eine unglaubliche ästhetische Leistung, sage ich jetzt mal, weil diese Widersprüche, die du angesprochen hast, natürlich triggern die dich sofort.
Mwita Mataro
Ja, voll. Das hast du gut zusammengefasst.
Fabian Burstein
Ja, natürlich. Und gleichzeitig möchte ich dir auch ehrlich sagen, du schämst dich ja dann auch als Seher und Hörer dafür, dass es dich triggert. Und dann hörst du zum Beispiel einen universellen Song, wo du genau diese Themen verhandelst, der heißt "Schwarzer Hase".
Mwita Mataro
Ja, genau.
Fabian Burstein
Und du denkst dir sofort, hat das was damit zu tun mit der Hautfarbe? Und dann denkst oh mein Gott, wie kannst du nur das denken? Also du verstehst, du machst das schon, glaube ich, bewusst sehr geschickt, dass du mit diesen Dingen, diesen Abgründen und diesen eigenen Stereotypen in einem selber spielst. Oder habe ich das falsch verstanden?
Mwita Mataro
Also sehr gut auf den Punkt gebracht. Das ist auch gerade, was ich versucht habe, dir auch das zu beschreiben. Ja, das war ja auch ein Punkt. Du hast du sehr gut auf den Punkt gebracht.
Fabian Burstein
Lass mich da auch gleich einhaken. Musik. Etwas, was mir wirklich persönlich total am Zeiger geht auch. Ich habe ja viele Häuser programmiert in der Vergangenheit, dass man ununterbrochen Menschen mit Migrationshintergrund in diese World Music-Schiene reinstopfen will. Also das finde ich extrem unangenehm, weil das wirklich so einen offensichtlich folkloristischen Touch hat, dass es mich auch wirklich verstört. Beobachtest du das auch oder ist das bei dir kein Thema, weil du hast ja auch in einer Indie-Band gespielt, in einem Genre, das im Übrigen auch sehr stark weiß geprägt ist.
Mwita Mataro
Indie Rock, ja.
Fabian Burstein
Hast du das gespürt, dass alle gedacht haben, wenn du mit einer Band reinkommst, du machst jetzt World Music?
Mwita Mataro
Na, eher so, wenn ich Leuten erzähle, dass ich Musik mach, war immer so die automatische Erwartung: Aha machst Hip Hop oder? Na, ich mach nicht Hip Hop. Ich hab eine E-Gitarre und schrei ins Mikrofon rein. Ich finde das extrem spannend auch. Wir müssen uns eher privat treffen, weil ich habe so viele Fragen, aber es würde das Ganze irgendwie zersprengen. Es ist auch so, naja auch so Theater an sich ist, finde ich, im Vergleich zu Popularmusik extrem elitär. Also ich habe versucht, immer wieder versuche ich ins Theater zu gehen und ja versuche, dass ich mich für Theater begeistere. Ich habe das Gefühl, dass das Theater und die Sprache von Theater, sei es, ich glaube auch unbewusst eigentlich so eine ganz bestimmte Gruppe halt anspricht so.
Fabian Burstein
Was ist das für eine Gruppe?
Mwita Mataro
Und ich glaube, diese Gruppe sind sind sind Menschen, würde ich sagen so aus dem akademischen Kontext, ja so eine so eine mittlere Oberschicht, die einfach gerne ins Theater gehen und das irgendwie sehr interessant im Vergleich zu Popularmusik oder ja Fernsehen oder sowas. Da werden also bestimmte Codes oder Referenzen so oder ein gewisser Humor, gewisse Haltung da wo ich mir denke, okay, da muss man so reingeboren sein oder man muss sich echt aktiv damit so gescheit befassen. Und das meine ich auch so mit dieser World oder Weltmusik Geschichte so und ich glaube auch, es ist glaube ich für mich, was ich auch so beobacht habe, es ist glaube ich schwer. Ich möchte auch nicht weißen Kunst- und Kulturschaffenden auch zumuten, dass. Also ich möchte nicht irgendwie, dass alle meinen, okay, man muss irgendwie, es gibt so einen perfekten Weg. Ich glaube, man muss vor allem, wenn man zu einer weißen Meeresgesellschaft zugehört, glaube ich, muss man auch innehalten und sich denken: Okay, ich möchte, dass mein Land, in dem ich lebe, offen ist und offen bleibt und ich möchte mich auch mit Themen befassen, die nicht so in meinem gewohnten Umfeld passieren. Aber dafür muss ich mir auch Leute herholen.
Mit Leute herholen meine ich so, dass ich mich mit betroffenen Leuten treffe, mit ihnen gemeinsam an Stoffen arbeite und sie auch fördere. Weil ich denke, wir reden von Kunst und ich finde Kunst ist keine Disziplin wie Medizin. In Medizin geht es wirklich um Leben und Tod und Kunst geht es eigentlich um Inspiration und da kann man auch nicht was Falsches machen. Und da denke ich mir auch so, wenn ich jetzt eben das Glück habe, keine Ahnung. Die Regie zu machen für "Jedermann", würde ich echt behaupten, okay, dann vielleicht möchte ich da mit Laienschauspielern arbeiten. Weil ich mir denke, so wie kann es sein, dass es noch so wenige Menschen mit Migrationsbiografie gibt, die auch sich für Schauspielschulen bewerben oder vorsprechen. Das ist so, finde ich, so ein strukturelles Ding von man muss glaube ich auch, bevor man auch sein eigenes Haus so kritisiert oder die Institutionen wie Burgtheater oder wie die auch alle heißen, muss man auch wissen: Okay und wer bewerben sich alle an Schauspielschulen? Warum ist es immer so, dass die meisten halt weiß sind so. Und warum ist da so wenig Migrationsanteil? Vielleicht kann man da auch schon ansetzen Schulen, dass man sich denkt, okay, vielleicht muss man schon auch in Schulen auch scouten. Und damit klar ist, das benötigt extrem viele Ressourcen. Aber eben zu deiner, zu deiner Thematik, glaube ich, glaube ich, ich hatte das Glück gehabt, so in meiner, mein Werdegang, dass ich schon in der Unterstufe schon im Gymnasium war und mich schon mit Stoffen befasst habe, mich schon mit Stoffen befassen konnte, wie Goethe oder Stefan Zweig oder wie die alle heißen.
So das heißt, ich habe schon, ich hatte schon irgendwelche Berührungspunkte gehabt von aha, so Sturm und Drangzeit und so. Ah Okay, habe ich so mein Lehrer gefragt, kann es wirklich sein, dass diese Menschen sich wirklich dabei was gedacht haben oder ist es so eine Analyse von Sprachwissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Und ich glaube, diese lange Erklärung ist wichtig uns einfach zu zeigen, dass wenn man mitspielen möchte, so in der Kunstlandschaft, glaube ich, muss man auch von Anfang an, auch in den jungen Jahren noch gefüttert werden. Ich glaube, es ist extrem schwer, wenn man jemanden mit 20 oder 25 so aus seinem gewohnten, also aus seinem Umfeld so rausreißt, der die Person, die sich noch nie mit Kunst befasst hat und dann meint, okay, jetzt spielst du mal vor der Kamera und es ist irgendwie weird so. Kannst du das zusammenfassen, was ich da meine? Ich merke gerade so.
Fabian Burstein
Ich wär grad so, nein, ich spüre, dass du natürlich stark über Symbolismus und auch über symbolische Politik im weitesten Sinne sprichst ja. Und symbolische Politik heißt, dass es starke Rollenbilder braucht. Du kreist jetzt immer wieder, das fällt mir auf, rund um eine quasi um die Urklischeefigur der Theaterlandschaft Jedermann.
Mwita Mataro
Ja, ja, das ist das Einzige, was ich mit Theater assoziiere.
Fabian Burstein
Ich meine, stellen wir mal die wirklich die Frage braucht brauchen die Salzburger Festspiele endlich einen Schwarzen als Jedermann?
Mwita Mataro
Ja, muss auch nicht Schwarz sein, aber ich denke mal so, es kann einmal andere Hautfarbe am Start sein. Aber ich glaube schon, ich glaube schon, es wäre auf jeden Fall ein aktives Zeichen gegen, für ein Miteinander. Ich muss auch versuchen, Sachen auch positiver zu formulieren. Ich kann nicht ständig auch sudern.
Fabian Burstein
Du hast etwas gesagt in einem eigentlich in einem Nebensatz, aber an dem bin ich hängen geblieben
Mwita Mataro
Ja, bitte,
Fabian Burstein
Und ich kann es jetzt nicht mehr Wortwörtlich wiedergeben. Da müsste man zurück spulen jetzt in dem Podcast. Du hast gesagt, quasi in der Kunst, man kann ja eigentlich nichts falsch machen.
Mwita Mataro
Genau.
Fabian Burstein
Und genau das treibt die Leute um. Die würden nämlich das Gegenteil behaupten. Man kann nur noch extrem viel falsch machen, nämlich gerade in identitätspolitischen Fragen. Das ist der klassische Vorwurf. Es ist alles so mega woke geworden und hinter jeder, hinter jedem Move, hinter jeder Strategie steckt ein riesen Shitstorm von links oder von rechts. Ist das eine Schutzbehauptung?
Mwita Mataro
Ich glaube, wir haben es verlernt, auch wegen den Umständen natürlich. Und ich weiß nicht, wie es früher war, aber mir kommt es vor, man verlernt auch Spaß zu haben an Kunst. Kunst soll Spaß machen. Kunst soll es nicht irgendwie leiden. Eine gute Freundin von mir, die Ute, hat immer so das Wort so: Kunst muss lustvoll sein. Es muss so Aha-Momente so geben. Und das finde ich auch so. Deswegen auch so der Move auch von mir mit "Schwarzer Hase", das ist sowas komisches. Aber ich habe mir gedacht, ja, das ist irgendwie kam das mit dem schwarzen Hasen nicht aus dem Kopf. So muss ich das irgendwie einen Song drüber schreiben und ist auch live. Live ist "Schwarzer Hase" auch eine der letzten Nummern, wo ich mich auch dann anmale zum schwarzen Hasen. Da haben wir so ein Break und dann male ich mich einfach an. Ja, also so will ich deine Frage beantworten. Klar, es tut weh zu sehen, dass kein Prozess stattfindet, aber ich finde, es passiert eh viel. Aber es ist halt langsam, so ein Marathon. Und ich glaube, wenn ich mit dir darüber reflektiere und darüber spreche. Ich glaube, wir dürfen halt Spaß und lustvoll lustvolle Themen nicht vergessen oder die Haltung und die kann auch, finde ich, auch oberflächlich sein. Also auch "Austroschwarz" ist auch ein sehr emotionaler Film und auch ein sehr chaotischer Film. Also auch sehr viele Themen wir versucht haben zu thematisieren.
Fabian Burstein
Wobei er ist schon noch, also um die Hörerinnen und Hörer, er ist schon noch ein sehr. Also er hat schon noch sehr berührende und sehr tiefe Momente dahingehend. Du spielst ja quasi nach ein Szenario zwischen den Blues und den Greens mit Kindern. Und das sind schon Momente, wo einem die Gänsehaut runterläuft, weil ohne, dass man ausgesprochen über Unterschiede und die eigene, die eigene Lebenssituation spricht, wird darüber gesprochen und das macht etwas mit einem auch wenn man selber Kinder hat.
Mwita Mataro
Genau, und das meine ich eben mit dem lustvoll sein und find lustvoll und Spaß bei der Sache erlebt man auch im spielerischen halt. Genau, weil "Austroschwarz" beginnt da quasi, mein Dokumentarfilm beginnt da quasi mit einer Märchengeschichte, wo ich eben Schwarze Kinder einlade, gemeinsam mit mir eine Geschichte zu schreiben. Und ich beginne halt so mit der Geschichte von okay: Die Geschichte beginnt mit Blue Kid, eine blauen Figur mit einer blauen Familie, die in einem Land leben, das Greenland heißt und die Mehrheitsbevölkerung sind alle grün. Und in dem Blue Kid sich anpassen kann oder dass sie quasi willkommen sind, müssen sich grün anmalen. Das ist der Plot. Und dann frage ich die Kinder so, wie steht ihr zu diesem Thema, voll.
Fabian Burstein
Aber ohne dass du ihnen suggerierst, dass es was mit ihnen zu tun hat.
Mwita Mataro
Richtig.
Fabian Burstein
Tatsächlich war es auch bei mir so ein Initiationsmoment, wie Samy Deluxe in seinem Lied "Superheld" über ein Gespräch mit seinem Sohn gerappt hat und wo er gesagt hat, wo es eigentlich nur darum geht, dass sein Sohn ihn gefragt hat, wo sind eigentlich die die Superhelden, die meine Hautfarbe haben. Und da hat es mir irgendwie eben auch eben wenn man Kinder hat, kennt man solche Gespräche. Warum und weshalb? Das hat mich total beweget. Da habe ich keine akademische Herleitung gebraucht, sondern in dem Gespräch habe ich einfach gespürt, was das Thema ist, was der Kern des Themas ist.
Mwita Mataro
Ja.
Fabian Burstein
Es gibt jetzt in unserer Kunst und Kulturszene ein anderes Phänomen, nämlich den sogenannten Tokenismus.
Mwita Mataro
Ja.
Fabian Burstein
Schlicht und ergreifend die Taktik, Quoten herzustellen, künstlich in den Produktionen.
Mwita Mataro
Ja.
Fabian Burstein
Damit man sagen kann, ja, ich habe da eh einen Schwarzen Künstler oder eine Schwarze Künstlerin drin oder jemanden mit Migrationshintergrund. Wie wehrt man sich gegen eine Reduktion mal? Das ist ja eigentlich auch nicht wünschenswert, oder?
Mwita Mataro
Ja, du, ich versuche das einfach mal ganz klar runterzubrechen. Ich habe keine Eigentumswohnung, meine Eltern können mich jetzt nicht so gut finanzieren und wenn jetzt irgendwer daherkommt und sagt: Hey bitte, wir brauchen dich für so und so, bin ich jetzt nicht in einer finanziellen Lage, wo ich sagen kann: Oh, ich betreibe mit mir Tokenismus so und voll. Also ich bin halt finanziell auf jeden Fall noch nicht zu einem Punkt gekommen, wo ich jetzt liberal oder wo ich irgendwie frei entscheiden kann, wo ich zusagen kann, wo ich nicht zusagen möchte. Und da muss man auch immer aufpassen, weil es gibt auch so eine lustige Haltung in der Kunst- und Kulturbranche, wenn dann Leute sagen, ich bin das nicht käuflich. So ich finde, man kann das kann man erst sagen, wenn man ein gewisses Niveau erreicht, so finanziell. Aus meiner Sparte. Ich würde schon sagen, dass ich schon ein bisschen käuflich bin, weil ich denke mir so, diese diese diese coole Haltung können sich halt eher Leute leisten, die halt eben aus finanziell besseren Verhältnissen kommt so.
Ich habe zum Glück, glaube ich, noch nicht so krassen Tokenism gespürt. Vielleicht gibt es Leute, die mich da auch kritisieren können. Naja, du warst bei dem und dort und so. Aber die Sachen, wo ich halt sehr, also die Kunstsachen, wo ich halt immer involviert bin, da hatte ich immer das Glück gehabt, dass ich da schon der letzte Entscheidungsträger war. Zum Glück halt. Und ich glaube, das ist etwas, wo was man unterscheiden muss mit Tokenism. Ich glaube auch bei "Austroschwarz" habe ich auch gesagt, ich mache jetzt die Regie und schreib das Drehbuch gemeinsam mit Helmut Karner, um quasi selbstbestimmt halt meine Arbeit zu machen. Ich glaube, schwer wird es dann halt, wenn ich glaube, schwer wird es natürlich dann, wenn ich dann, keine Ahnung, wenn ich Glück habe, dann Tatort anklopfen sagt: Hey, wir hätten für dich eine Rolle. Hättest du Lust und da sind, keine Ahnung, 5.000 Euro, 5 Drehtage, das ist die Rolle. Spiel den Drogendealer. So, okay.
Fabian Burstein
Aber eine interessante Hypothese. Ja. Was würdest du da, was wäre die Reaktion? Würdest du das vom Drehbuch abhängig machen? Würdest du nein, ich will beim Tatort spielen und mir ist völlig wurscht aus welchen Motiven raus, gerne auch als Tokenism.
Mwita Mataro
Ja, ja. Ich finde, es ist cool, dass wir darüber reden. Ich glaube, ich habe nicht das Privileg, dass ich Nein sagen kann. Ich denke mir so, okay, dann mache ich halt mit. Und dann lerne ich die Leute kennen, noch nicht beim fiktionalen Ding halt mitgemacht, habe das in meinem Portfolio drin. Und wenn das Schicksal so möchte, dass ich, keine Ahnung, 70 werde, so. Dann werde ich noch viele andere Rollen spielen und vielleicht noch Möglichkeit haben, noch einen weiteren Film zu machen. Ich glaube so, bei mir geht es so darum, ich möchte das gesamte Konzept quasi sehen so und wenn ich dann nicht so lange leben sollte, ja, dann habe ich halt die Rolle gespielt und dann habe ich halt diese 5.000 Euro bekommen oder whatever, diese X-Zahlung. Konnte mir dann dadurch was finanzieren. So. Ja, also so hätte ich diese Frage beantwortet.
Ich denke mal so, ja. ;an kann sich, man kann sich ärgern und denken so, boah, okay, irgendwie ist da kein Prozess etc. Aber ich würde meinen, dass Menschen, ich habe immer so, ich sehe was das Gute an den Menschen und ich glaube es nicht, dass viele aus Böswilligkeit Sachen machen. So und ich glaube, man muss auch, also ich lerne auch für mich selber den Anspruch an mir selber, dass ich Menschen aus aus aus ja Liebe begegne und mir nicht denke so ja, die Person möchte mich irgendwie degradieren und so weiter, weil ich habe das Glück eben, dass ich eben Kunst machen kann und hab das Glück, dass ich das eh noch verarbeiten kann, so quasi.
Fabian Burstein
Das heißt, du hast eigentlich einen radikal pragmatischen Anspruch? Ja?
Mwita Mataro
Ja schon.
Fabian Burstein
Ja. Ich meine, dass wir noch nicht so weit sind, wie wir alle denken, dass auch gerade was unter Anführungsstrichen gewisse Quoten betrifft, das merkt man ja im Tagesgeschäft. Also ich kenne das zum Beispiel klassisch aus Stellenbesetzungsverfahren, dass wenn ich dann begegne mehreren Bewerberinnen und Bewerbern, die da auch mitgemischt haben seinerzeit, man unterhält sich in der Branche darüber, wie war das und so weiter, dass das dann immer wieder kommt, wenn es eine Frau geworden ist. Naja gut, das war halt der Quote geschuldet. Also das ist selbst in unserer liberalen Kunst. und Kulturbranche, dass das immer wieder rausbricht, natürlich auch bei vielen aus Enttäuschung. Also es ist ja auch nur menschlich, aber diese Themen, die sind noch nicht aufgelöst. Das merkt man an solchen Dingen. Wie würdest du denn die Kritikfähigkeit und die Empfindlichkeit der Kunst- und Kulturbranche einordnen? Gibt es da ein offenes Ohr für solche Analysen, die du triffst oder sagen dann die Leute, das ist doch eine Schweinerei, wir sind doch jetzt eh schon so weltgewandt und offen und es muss und jetzt muss es immer mehr sein?
Mwita Mataro
Ja, also es ist extrem spannend, weil genau, ich bin jetzt eben 32 und bin jetzt schon seit über 14 Jahren in dieser Musikbranche halt tätig. Es ist, es ist, es ist schwer. Es ist, es ist schwer. Also ich versuche da jetzt schon, wenn ich irgendwo eingeladen werde, wo: Hey, bitte hast du dein Statement zu dem? Kannst du bitte. Versuche ich schon konkret zu sein und auch versuche auch konkreter auch Sachen anzusprechen.
Fabian Burstein
Position beziehen?
Mwita Mataro
Ja, voll. Ich weiß, die Menschen meinen es alle gut und meinen: Hey, wir schauen eh, dass wir irgendwie Diversität pushen und so und Sichtbarkeit machen. Aber ich glaube, durch meine Arbeit mit "Austroschwarz" habe ich auch so eine, muss ich auch ehrlich sagen, ist auch so mein Selbstbewusstsein dadurch auch besser geworden, dass ich mir denke, okay, oder andersrum gesagt, wenn ich jetzt irgendwo eingeladen werde und mich Leute dazu fragen, ist es okay: Erstens einmal ist da überhaupt eine Bezahlung da könnt ihr überhaupt das kompensieren, so finanziell die Zeit, wo ich jetzt bei euch bin, so genau. Und ich glaube, ich habe für mich einfach gelernt, dass ich einfach so meine Erfahrungs Erfahrungen, dass ich das auch einfach begonnen habe, das doch zu monetarisieren halt so, weil es bringt mir jetzt nicht auch in tollen Veranstaltungen gratis über meine Erfahrungen zu sprechen, so. Vor allem, wenn es um Ungleichheiten geht und Repräsentation geht, weil eben ich habe das auch am Anfang des Gespräch gemeint, so ich komme aus einer ganz anderen Situation heraus. Ich kann es einfach so nicht. Ich kann es nicht einfach so Larifari nach irgendwo fahren und halt irgendwie Hände schütteln mit tollen Menschen und dann gratis irgendwo dabei sein. Es geht sich halt bei mir finanziell halt nicht aus und da muss ich auf jeden Fall halt auf mich schauen. Und.
Fabian Burstein
Ich muss auf mich schauen. Das ist ein schönes.
Mwita Mataro
Ja, unbedingt.
Fabian Burstein
Ein schöner und simpler Satz. Ich will abschließend, unser Gespräch neigt sich schon wieder dem Ende zu,
Mwita Mataro
Ja schade.
Fabian Burstein
Will ich mit dir eine Frage klären, die sich unmittelbar aus "Austroschwarz", also aus dem Film ableitet. Ich finde, der Film ist ein Wechselbad der Gefühle. Man erfreut sich anhand der Dinge, die du beschreibst. Man sieht dich, wie du Konzerte spielst, wie du im Studio bist, wie du probst, wie du eben Teil dieser Kunst- und Kulturszene bist mit vielen anderen auch. Das sind ja sehr schöne Momente. Es gibt aber auch echt brutale Momente der Ernüchterung, eben wenn du da ziemlich basal aufgenommen in deiner Küche sitzt, in einer Wohnküche, dich selbst aufzeichnest, gerade in einem Tief. Du hast auch einen Klinikaufenthalt ein bisschen dokumentiert in dem Film. Also das sind ja extreme Gefühle auch, die man als Sehender da mitnimmt. Was würdest du sagen, am Ende überwiegt die Hoffnung oder die Ernüchterung?
Mwita Mataro
Sehr gute Frage. Ich finde das Leben ist halt schon was sehr Faszinierendes. Also vor allem, wenn man eben genau, ich habe auch somit mit 26, 27 die Diagnose bekommen, dass ich bipolar bin.
Fabian Burstein
Was bedeutet das?
Mwita Mataro
Ja quasi genau, bipolar ist halt so, wenn man so in zwei extremen Gefühlsebenen quasi ist, so. Also bipolar eben zwei. Dual heißt es quasi, man bewegt sich zwischen manisch und depressiv so. Und ich denke mir so, jetzt auch so rückblickend mit "Austroschwarz" und auch mit meiner Diagnose und so. Und ich merke, ich habe es auch gemerkt so ja, wenn man so rausschaut, das Wetter ist gerade so für den Arsch und es zwingt dich, dass du da in deinem Bett dich da verkriechst so. Ich glaube, man muss nichts, aber ich denke mal so. Es wird einem so vorgegaukelt als Kind, so alles muss positiv und perfekt sein. Und ich glaube, das war so die Ernüchterung so in meinem Erwachsenenwerden. Wo ich mir denke so: Boah, es ist schon so diese Freude, die man so hatte als Kind, die muss man sich jetzt auch, sie muss man sich vor allem als Erwachsener echt erarbeiten. Das muss man sich wirklich erarbeiten. Und ich denke mir so, ja, es ist alles extrem auch anstrengend halt so in meiner Lebensphase, okay, jetzt muss ich noch Album noch fertig machen dieses Jahr. Und jetzt bin ich wieder zurück in der Gastro, muss kellnern und so weiter. Und da kommt aber trotzdem noch so diese Hoffnung und Freude, weil ich mich auch gestern mit einer alten Freundin getroffen habe, die einen sehr linearen Weg gegangen ist so. Also eben studiert und gemeint hat, jetzt hat sie irgendwie, sucht sie seit einem Jahr nach einem Job und egal wo, Hauptsache sie kann irgendwo arbeiten. Und dann denke ich mir so die Hoffnungen. Boah, aber ich bin jetzt schon extrem dankbar und irgendwie schon glücklich, dass ich irgendwie in Wien oder in Österreich Fuß gefasst habe, dass ich mir denke, okay, da ist halt schon eine Hoffnung da. Also ich habe eine Förderung bekommen auch für mein Album vom Österreichischen Musikfonds, dass der Staat oder dass die Fördergeberinnen und Fördergeber schon noch was sehen in mir, was gefördert ist so. Und und es ist alles extrem schwierig und extrem prekär. Ich habe keine Ahnung, ob dieses Album überhaupt jemanden interessiert so. Ich habe ein gutes Team und wir geben unser Bestes.
Fabian Burstein
Wer ist dein Team?
Mwita Mataro
Also ja mein Manager ist der Stefan Redelsteiner.
Fabian Burstein
Der Wanda, auch.
Mwita Mataro
Der Wanda-Entdecker.
Fabian Burstein
Der Wanda-Entdecker, genau.
Mwita Mataro
Und mein Label ist Las Vegas Records, Andreas Jantsch. Ja und ich glaube so diese Hoffnung habe ich das Gefühl, die muss man sich erkämpfen so und erkämpfen in dem Sinne, dass ich mir echt so mir noch ein Mantra so muss man so Mantra aufbauen. Es ist eh, es ist alles so, es ist alles so relativ wegen Meinungen und wegen Erfolg und etc. Ich glaube so in meiner Situation denke ich mir so, hey, ich weiß, dass Kunst oder Musik machen oder Filme machen, dass es für mich irgendwie Sinn ergibt in meinem Leben.
Das Leben ist extrem chaotisch so und ich habe da irgendwie so meine meine Leidenschaft da für mich entdeckt und es ist. Und ich freue mich, wenn was passiert so, aber ich darf mein Glück oder die Hoffnung nicht davon abhängig machen vom vom Outcome. Und es ist extrem schwer da so ein Punkt auch zu setzen. Natürlich halt, man hat ein tolles Team und die wollen natürlich alle auch irgendwie von diesem Projekt auch leben und man spürt schon diese Verantwortung. Aber ich bin auch jetzt zu einem Punkt gekommen, wo ich mir denke so ja, aber ich habe das auch nicht die Macht. Ich kann das, ich kann ich habe da, es ist wurscht so ich könnte so extrem viel Energie hinein investieren, aber letzten Endes, und das ist so schön an Popularmusik, entscheidet das Publikum. Und das ist halt so und da muss man halt irgendwie smart sein und diese Hoffnung sich erkämpfen und keine Ahnung, dann einfach einmal die Gitarre beiseite legen und sagen okay, jetzt ist vorbei. Und jetzt treffe ich mich mit einem Freund auf einen Kaffee und haben eine schöne Zeit.
Das ist so meine meine lange Antwort zu deiner Frage. Aber die Ernüchterung ist auf jeden Fall gekommen als Erwachsener, würde ich sagen. Als Kind, als Jugendlicher spürt man extrem viel Leichtigkeit und die muss man sich erkämpfen. Leichtigkeit hat für mich, Leichtigkeit bedeutet für mich auch Hoffnung.
Fabian Burstein
Aber das ist doch ein schönes Schlussmantra, ein Plädoyer für erkämpfte Hoffnung.
Mwita Mataro
Ja voll.
Fabian Burstein
Das zeigt die Ambivalenz. Du vielen Lieben Dank für eine extrem intensive und schöne Stunde bei mir im Podcast-Studio. Ich bin gespannt auf das Album "Austrodrama". Den Link zur Single setzen wir in den Shownotes. Danke, dass du bei mir am Bühneneingang warst.
Mwita Mataro
Ja, danke euch. Danke dir für die Einladung.
Autor:in:Fabian Burstein |