Die Dunkelkammer
Die Nonnen von Goldenstein #12: Kein Geld, kein Instagram
- hochgeladen von Edith Meinhart
Von Edith Meinhart. Die letzten drei Augustiner Chorfrauen in Elsbethen, Salzburg, schätzen sich jeden Tag glücklich, wieder in ihrem Kloster zu sein. Wäre da nicht die Sache mit dem Geld. Die finanzielle Basis ihres Lebensabends ist unsicher. Bis heute sind die Nonnen von Goldenstein auf Spenden angewiesen. Die Pensionen für Schwester Bernadette und Regina landen nach wie vor nicht auf ihren Konten, die Bankguthaben sind weiterhin gesperrt. Nun hoffen die Klosterfrauen auf eine Lösung des Konflikts in Rom - und haben als Zeichen ihres Entgegenkommens den Instagram-Account mit zuletzt fast 300.000 Followern vorübergehend eingestellt.
Wie geht es den Nonnen von Goldenstein? Eine Frage, die gar nicht so einfach zu beantworten ist. Darum soll es heute gehen.
Das Buch „Nicht mit uns!“ über die unglaubliche Geschichte der drei Ordensfrauen ist seit zwei Wochen da. Ich darf mit großer Freude vermelden, dass viele es lesen wollen. Die erste Auflage ist fast ausverkauft.
In einigen Buchhandlungen sind zwar noch ein paar Exemplare lagernd. Falls Sie jedoch zu den Menschen gehören, die keines mehr erhalten haben – die Druckmaschinen laufen schon. Sie können das Buch vorbestellen. Es ist bald wieder lieferbar. Ein Euro pro verkauftes Buch geht an die Nonnen. Das Geld können sie gut gebrauchen.
Die letzten drei Augustiner Chorfrauen in Elsbethen, Salzburg, schätzen sich jeden Tag glücklich, wieder in ihrem Kloster zu sein. Aber was die finanzielle Basis für einen Lebensabend betrifft, die ist unsicher. Schwester Bernadette und Schwester Regina haben jahrzehntelang unterrichtet, dafür ein staatliches Gehalt bezogen und, als sie sich zur Ruhe setzten, eine Pension zugesprochen bekommen. Schwester Rita war als Horterzieherin tätig und ist nicht bezugsberechtigt. Doch auch für sie war vorgesorgt, denn die Nonnen legten Ersparnisse zur Seite.
Rund 95.000 Euro auf einem Konto der Spängler Bank in Salzburg, rund 400.000 Euro auf einem Sparbuch bei der Salzburger Landeshypobank. Auf dieses Vermögen, in Summe rund 500.000 Euro, haben die Nonnen keinen Zugriff mehr, seit sie 2022 das Kloster je zur Hälfte der Erzdiözese Salzburg und dem Stift der Augustiner-Chorherren in Reichersberg vermachten – und der dortige Propst Markus Grasl im Oktober 2022 kirchenrechtlich für sie zuständig wurde.
Der Anwalt der Nonnen, Dr. Reinhard Buzek, nahm im Herbst 2024 die Spur des Geldes auf. Bisher vergeblich. Die Bankguthaben sind für die Nonnen nach wie vor gesperrt. Am 13. November 2025 also vor etwas mehr als einem Monat, nahmen die drei Augustiner Chorfrauen persönlich einen neuen Anlauf. Gemeinsam mit ihrer Unterstützerin Christina Wirtenberger suchten sie die Niederlassung der Spängler Bank in der Schwarzstraße in Salzburg auf.
Sie wiesen sich mit ihren Reisepässen und einem Kontoauszug aus, den Schwester Regina in den Klostergemächern, die während ihrer Abwesenheit durchwühlt worden waren, aufgestöbert hat. Er stammt vom März 2022 und weist eine Behebung von 6.000 Euro und ein Guthaben von rund 95.000 Euro aus.
An diesem 13. November 2025 also sind die drei Nonnen und Christina Wirtenberger auf Erkundungsmission in der Spängler Bank. Sie werden in ein Sitzungszimmer gelotst. Frau M. erscheint. Sie ist Prokuristin, zuständig für Personal und Recht. Schwester Bernadette erklärt, sie und ihre Mitschwestern seien im Jahr 2022 gemeinsam mit Gottfried Laireiter, damals ihr Apostolischer Kommissar, also ihr gesetzlicher Vertreter, und der früheren Kanzlerin der Erzdiözese Salzburg, Elisabeth Kandler-Mayr, auf der Bank erschienen, um eine vorsorgliche Vollmacht zu unterzeichnen, für den Fall, dass sie geschäftsuntüchtig würden. Davon würden sie nun gerne eine Kopie erhalten. Man habe ihnen seinerzeit nämlich keine ausgehändigt.
Die Bankmitarbeiterin habe das Schriftstück verweigert und auf den Datenschutz verwiesen. Schwester Bernadette habe sich jedoch nicht abwimmeln lassen. Es handle sich um die von ihr selbst unterschriebene Vollmacht, habe sie beharrt. Die Mitarbeiterin der Bank sei auch bei ihrem Standpunkt geblieben.
Eine Kopie wurde nicht ausgehändigt, so schildert es Christina Wirtenberger, die bei diesem Termin dabei war. Irgendwann zwischen März 2022 als die Schwestern noch Geld beheben konnten, und August 2024 als dies nachweislich nicht mehr möglich war, muss diese seinerzeitige „für den Fall, dass-Vollmacht“ schlagend geworden sein. Christina Wirtenberger sagt, sie habe bei der Prokuristin nachgehakt, wie und wann das vonstattengegangen sei. Die Bankmitarbeiterin habe erklärt, Probst Markus Grasl habe ein Dekret vorgewiesen. Auch davon wollte diese auf Nachfrage keine Kopie aushändigen.
Schließlich verlassen die Ordensfrauen und Christina Wirtenberger die Bank unverrichteter Dinge. Ein Termin bei der Salzburger Hypobank, wo laut Schwester Bernadette eine ähnliche vorsorgliche Vollmacht unterzeichnet worden sei, steht noch aus.
Ich fasse zusammen: Schwester Bernadette, Regina und Rita erhalten aus Gründen des Datenschutzes keine Kopie einer vorsorglichen, von ihnen selbst unterzeichneten Vollmacht. Vor wem werden die Daten der Nonnen geschützt? Vor ihnen selbst?
Ich habe für diese Folge bei den Finanzinstituten nachgefragt. Die Prokuristin der Spängler Bank Salzburg lässt wissen: „Aufgrund des Bankgeheimnisses sind wir ausschließlich gegenüber dem Kontoinhaber berechtigt, Auskünfte zu geben oder Unterlagen auszuhändigen. Das Konto lautete in der Vergangenheit nicht auf die Nonnen oder auf eine der drei Nonnen als Person. Sollte daher in der Vergangenheit eine Vollmacht gegeben worden sein, so wäre diese Vollmacht im Namen des Kontoinhabers und nicht im Namen einer der Nonnen erteilt worden.“
Seitens der Hypobank lässt die Unternehmenssprecherin der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich, zu der die Hyposalzburg inzwischen gehört, wissen, „eine Vollmacht mit dem von ihnen beschriebenen Inhalt ist uns unbekannt. Die zivilrechtliche Vertretung des Ordens erfolgt gemäß Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und der Republik Österreich vom 5. Juni 1933 durch die gemäß kanonischem Recht dazu berufenen Vertreter.“
Offen ist zudem, warum die Schwestern ihre Pensionen nicht erhalten. Ende November hat Prost Markus Grasl den Nonnen einen Vertrag vorgelegt, der ihren Verbleib im Kloster sichern sollte, dessen Bedingungen für sie jedoch unannehmbar waren und den sie deshalb nicht unterschrieben haben.
Darüber habe ich in Folge 263 mit dem Kirchenrechtler, Theologen und Priester Wolfgang F. Rothe gesprochen. In dem Papier heißt es wörtlich: „Die Kosten der Lebensführung und Betreuung werden von den Augustiner-Chorfrauen Beate Maria Virginis. Kloster Goldenstein unter der Leitung des Propstes getragen, an das auch weiterhin die Pensionen der Schwestern entsprechend den kirchenrechtlichen Vorschriften fließen.“
Die beiden pensionsberechtigten Ordensfrauen haben im November 2025 rund 20 Prozent ihrer Pensionen erhalten, plus Pflegegeld. Im Dezember bekamen sie nur noch Pflegegeld. Und keinen Euro Pension.
Für die Auszahlung der Pensionen ist die ehemalige Arbeitgeberin der Lehrerinnen, in diesem Fall die Bildungsdirektion Salzburg, zuständig. Sowohl Schwester Bernadette als auch ihr Anwalt Reinhard Bruzek haben sich an diese Stelle gewandt, jedoch vergeblich. Wenn die zwei Klosterfrauen die Pensionen nicht bekommen haben, wer hat sie dann? „Ich bin noch nicht fündig geworden“, sagt der Elsbethener Anwalt am Telefon.
Ich habe diese Fragen sinngemäß auch Harald Schiffel, dem Sprecher des Propstes von Reichersberg, gestellt.
Seine Antwor: „Die Fragen rund um Pensionen und die laufende Versorgung der Schwestern bewegen sich in einem komplexen rechtlichen und kirchenrechtlichen Rahmen, für den wir eine Lösung suchen. Derzeit finden intensive Beratungen und Abstimmungen mit den zuständigen Stellen statt, um eine nachhaltige, tragfähige und verlässliche Lösung zu finden. Wie bereits mehrfach von Probst Markus Grasel betont wurde, ist es sehr bedauerlich, dass die Schwestern den vorliegenden Lösungsvorschlag, der ihre zentralen, wichtigsten Wünsche aufgreift, nicht annehmen. Dieser sieht vor, dass die Schwestern weiterhin in Goldenstein wohnen können, dort professionelle 24 Stunden-Pflege und medizinische Betreuung erhalten, die gewohnte geistliche Begleitung finden und die Räumlichkeiten alters- und behindertengerecht adaptiert werden. Der von ihnen zitierte Vereinbarungsentwurf stellt dennoch keinen gültigen Rechtszustand dar, da er von den Klosterschwestern nicht unterzeichnet wurde. Es ist zu berücksichtigen, dass bei allen Orden grundsätzlich alle Einkünfte der/des Einzelne in die Gemeinschaft fließen und von den Ordensoberen treuhändig verwaltet werden. Dies galt bisher auch im Fall der Schwestern in Goldenstein seit ihrem Klostereintritt. Wohl im Namen der Ordensschwestern wurden durch ihre Helferinnen nun eigene Bankverbindungen eröffnet, auf welche bereits die Pensionen der Pensionsanstalten und die Pflegegelder der Sozialversicherung direkt überwiesen werden. Auf diese Konten und Gelder hat Probst Grasl keinerlei Einfluss. Die ordnungsgemäße treuhändige Verwaltung seitens des Propstes ist nicht mehr gegeben. Würden die Schwestern in die Sicherheit des Augustinerordens zurückkehren, indem sie die ihnen vorgelegte Vereinbarung akzeptieren, wären sie nicht auf zusätzliche Spenden angewiesen, da der Orden, wie schon oben geschrieben, für alle Kosten aufkommt. Deshalb bleibt die Einladung an die Schwestern aufrecht, den vorliegenden Vorschlag, der auf ihre Wünsche zugeschnitten ist, zu akzeptieren.“
Die Nonnen haben den Vertrag wie erwähnt nicht unterschrieben und sind – kurzum – nach wie vor auf Spenden angewiesen. Es ist noch keine vier Monate her, da verließen Schwester Bernadette, Schwester Regina und Schwester Rita das Altersheim in Oberalm in Salzburg, in dem sie eineinhalb Jahre lang festgesessen waren, und gingen zurück in ihr Kloster – nach Hause, um es in ihren Worten zu sagen.
Ein Unterstützer hat damals den Instagram Account nonnen_goldenstein ins Leben gerufen, der inzwischen fast 300.000 Follower zählt. Dieser Account gewährt Einblick in das Leben der Nonnen und hat wesentlich dazu beigetragen, dass die famosen Klosterfrauen weltweit zu Ikonen geworden sind.
Bei der Buchvorstellung am 3. Dezember in der Wiener Kulisse – deren Erlös übrigens zur Gänze an die Nonnen gegangen ist, in Summe über 3.200 Euro –, bei dieser Veranstaltung saßen die 88jährige Schwester Bernadette und die 82jährige Rita im Scheinwerferlicht auf der Bühne, die 86jährige Regina im Publikum, als die Frage aufkam, wie die Ordensfrauen zu dem Instagram Hype stehen.
Hören wir kurz rein:
Edith Meinhart
Menschen weltweit folgen euch mittlerweile auf den Sozialen Medien. Schaut ihr da ab und zu rein in den Instagram-Account?
Schwester Bernadette
Ich weiß nicht, wie man das. Ich wollte mir das immer zeigen lassen, aber es ist nie dazugekommen.
Die Veranstaltung haben wir übrigens aufgezeichnet: Episode 266 „Live aus der Kulisse Wien. Drei Nonnen und ein Buch“ gibt zwar nicht alles, aber doch einiges von der Stimmung an diesem Abend.
Wieder zurück zum Instagram Account der Augustina Chorfrauen:
Die globale Öffentlichkeit, die sie über diesen Kanal erreichen, unterstützt, stärkt und schützt sie. Salopp gesagt könnte man sie heute nicht mehr unbemerkt in ein Altersheim verlegen. Die Ordensfrauen besitzen und bespielen den Account aber nicht selbst, sondern er gehört einem jungen Mann, der zum Helferkreis der ersten Stunde gehört.
Ihrem Ordensoberen Propst Markus Grasl ist der umtriebige Social Media Account ein Dorn im Auge. In dem bereits erwähnten Vertragsentwurf, den er den Nonnen Ende November unterbreiten ließ, steht unter anderem auch, die Nonnen dürften „bis auf Weiteres“ bleiben, wenn sie sich aktiver Medienkontakte enthalten sowie sämtliche Social Media Aktivitäten sofort einstellen.
Nachdem die Nonnen nicht unterschrieben haben, worüber zahlreiche Medien berichtet haben, wurde ihr Instagram Account in der Folge auch nicht nur nicht stillgelegt, sondern ist nach der publik gewordenen Forderung, ihn umgehend abzudrehen, innerhalb kürzester Zeit regelrecht explodiert – auf mittlerweile eben fast 300.000.
Damit hat sich der Account nonnen_goldenstein endgültig in die Sphäre der Makro-Influencer katapultiert. Nach Ansicht von Social Media- Auskennen wäre dies äußerst einträglich zu nützen, wenn – ja, wenn –die Nonnen sich dafür einspannen ließen.
Doch dazu sind sie nicht bereit.
Wie die deutsche katholische Nachrichtenagentur KNA zuerst meldete, werden die Aktivitäten in den sozialen Medien ab sofort und bis auf Weiteres eingestellt. In der von den Schwestern Bernadette, Regina und Rita veröffentlichten Stellungnahme führen die Nonnen aus, sie hätten sich am 2. Dezember 2025 hilfesuchend an den Heiligen Stuhl gewandt.
Wörtlich heißt es: „Von dort wurde uns zu unserer großen Freude bereits am 11.Dezember 2025 mitgeteilt, dass man daran arbeite, eine gerechte, menschliche und nachhaltige Lösung zu finden, die sowohl unsere Rechte als auch die kirchliche Sorge berücksichtigt. Zugleich hat uns das Dikasterium eingeladen, die verbleibende Adventszeit und die kommende Weihnachtszeit in innerer Ruhe und Besinnung im Geist der Klausur zu verbringen und unsere Außenaktivitäten angemessen zu reduzieren. Dieser Einladung kommen wir sehr gerne nach“, so schreiben die Nonnen.
Und weiter: „Wir werden darum unsere Aktivitäten in den sozialen Medien näherhin auf den Plattformen Instagram und Facebook ab sofort und bis auf Weiteres einstellen.“
Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Die Ordensfrauen danken all jenen, „die uns und unseren Anliegen in den letzten Monaten über die sozialen Medien Gehör verschafft. Ohne die Unterstützung durch die mediale Öffentlichkeit wären wir der Rücksichtslosigkeit und Willkür unseres Oberen Schutz und hilflos ausgeliefert gewesen.“
Gleichzeitig stellen sie klar, dass, „insbesondere die Instagram Accounts nonnen_goldenstein und auf Facebook zu keinem Zeitpunkt „von uns betrieben wurden. Alle dort veröffentlichten Posts und Kommentare wurden uns weder vorab zur Kenntnis gebracht noch im Nachhinein von uns abgesegnet. Insofern sind wir für den Inhalt der Posts und Kommentare, die in unserem Namen auf den genannten Plattformen veröffentlicht wurden, in keiner Weise verantwortlich. Sollten die genannten Accounts weiterhin aktiv betrieben werden, geschieht dies ausdrücklich gegen unseren Willen.“
Der vorläufige Rückzug aus den sozialen Medien sei, so schreiben die Nonnen weiter, „bewusst als Zeichen des Entgegenkommens gegenüber dem Heiligen Stuhl zu verstehen, von dem wir uns weiterhin erhoffen, dass er unseren kirchlichen wie staatlichen Rechten Geltung verschafft und uns eine friedliche Zukunft in unserem Kloster ermöglicht.“
In der Geschichte der Nonnen von Goldenstein ist das letzte Kapitel noch nicht geschrieben.
Fortsetzung folgt.
Zum Schluss möchte ich noch auf das Feedback eines Hörers eingehen. Johannes hat zur Geschichte der Nonnen eine Frage aufgeworfen, die mich als Journalistin schon ein berufliches Leben lang begleitet.
Sie lautet:
„Besteht nicht manchmal die Gefahr, die perfekte Geschichte zu haben und neue Entwicklungen, die diese Geschichte gefährden könnten, unbewusst schwächer einzuordnen. Einige neue Fakten zeigen, dass auch die Nonnen nicht immer ganz fair gespielt haben. Auch der offenbar zu keinem Zeitpunkt akzeptable Erziehungsstil wird von Ihnen (damit bin ich gemeint, Anmerkung) eher heruntergespielt, vermutlich um das Image der Nonnen zu wahren.“
Und: „Wenn eine Journalistin bei einer Geschichte zum Schluss käme, dass es keine Geschichte gibt, können sich klassische Printmagazine in Österreich überhaupt leisten, beträchtliche Mittel für Recherchen zu investieren, nur um dann festzustellen, dass es gar keine Geschichte gibt und nichts zu publizieren ist? Oder druckt man lieber eine hatscherte Geschichte ab, die einigermaßen klagesicher ist?“
Lieber Johannes, vielen Dank.
Die Gefahr, dass man sich eine perfekte Geschichte nicht kaputt machen lassen will, lauert tatsächlich immer. Als Journalistin kann man sich diese nicht oft genug in Erinnerung rufen. Ich nehme für mich in Anspruch, mich um einen unvoreingenommenen offenen Blick redlich zu bemühen, die eigene Rolle und die eigenen Erwartungen zu reflektieren und mich auch gezielt Fragen, etwa jenen von meinem Kollegen Michael Nikbakhsh auszusetzen, um nicht in die Irre zu gehen. Das hat man im Idealfall im Laufe der Jahre geübt und gelernt.
Natürlich sind Fehler menschlich und deshalb nie auszuschließen. Leider, auch da haben Sie Recht, wird der Raum für kritisches Hinterfragen der eigenen Position tatsächlich enger, je finanziell ausgehungerter Redaktionen und journalistische Formate werden.
Auch das kann man nicht oft genug betonen: Wer unabhängigen, sorgfältigen Journalismus will, muss ihn verteidigen, fördern und finanzieren.
Zu ihrer konkreten Frage: Ja, bei weitem nicht alle Internatsschülerinnen haben gute Erinnerungen an Schwester Bernadette und auch andere Nonnen. Manche haben sogar ausgesprochen schlechte und wollten später mit dem Kloster Goldenstein nichts mehr zu tun haben. Ich habe das in dem Buch „Nicht mit uns!“ auch beschrieben.
Schwester Bernadette selbst räumt ein und bedauert es, sehr streng und womöglich zu streng gewesen zu sein. Das hat sie mir für das Buch erzählt und hat sie seither mehrmals öffentlich wiederholt. Das unterscheidet sie übrigens meiner Erfahrung nach von vielen Menschen, die mit ähnlichen und oft noch viel schlimmeren Vorwürfen konfrontiert worden sind.
Ich habe mich im Zuge der Aufarbeitung des sogenannten Heimkinderskandals als Journalistin bei Profil über viele Jahre mit der Pädagogik der Nachkriegsjahrzehnte und den Verbrechen, die an schutzlosen, unmündigen Menschen verübt worden sind, beschäftigt. Die Kirche hat dabei die denkbar schlechteste Figur gemacht und schützt heute noch Täter in ihren eigenen Reihen. Wenn ich eines gelernt habe, dann das: Wie schwer es uns offenbar fällt, mit Widersprüchen erwachsen umzugehen. Uns damit meine ich nicht nur Journalist:innen.
Opfer sind in den meisten Fällen nicht perfekt, oft sogar ausgesprochen schwierige Menschen. Das relativiert aber nicht, was ihnen angetan worden ist. Und auch Täter sind in der Regel nicht nur dämonisch, sie können sogar ausgesprochen liebenswürdige Seiten aufweisen. Das schmälert nicht ihre Taten.
Die Zuspitzungslogiken der Social Media Plattformen und des medialen Boulevards, aber auch die Sehnsucht vieler Menschen nach einfachen Schwarz Weiß Plots sind nicht sehr hilfreich, wenn es um den Umgang mit diesen Widersprüchen geht. Dass jemand Fehler als Lehrerin gemacht hat, heißt für mich nicht, dass man sie im Alter würdelos behandeln darf.
Beides muss Platz haben – nebeneinander. Und es muss daneben sogar noch Platz haben, dass die schlechten, womöglich traumatisierenden Erfahrungen von Internatskindern ebenfalls instrumentalisiert werden können.
Es ist mir in dem Zusammenhang schon aufgefallen, dass sich der Sprecher des Propstes als Ansprechperson für weitere mögliche Betroffene zur Verfügung gestellt hat.
In diesem Sinne danke ich Ihnen, Herr Johannes, herzlich für Ihre kritischen, abwägenden Worte.
Liebe Hörerinnen und Hörer, ich freue mich über Ihre Gedanken zu den Nonnen von Goldenstein und zu anderen Geschichten. In einer der nächsten Folge werde ich noch auf weitere Zuschriften eingehen. Für heute: Vielen Dank fürs Dabeisein.
Autor:in:Edith Meinhart |