Bühneneingang
NACHGEFRAGT: "Wir haben ein wirkliches Problem, aber eine Katastrophe ist was anderes" - mit Rudolf Scholten
- Fotocredit: Anna-Lisa Bier
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Mit der Bestellung von Rudolf Scholten als Sonderberater für Kunst und Kultur holte der vielfach kritisierte Vizekanzler Andreas Babler zum kulturpolitischen Befreiungsschlag aus. Und tatsächlich machte sich ob der hohen Akzeptanz des ehemaligen Bundesministers Scholten so etwas wie Optimismus breit. Mittlerweile sind zwei Monate vergangen - zwei Monate, in denen der Vizekanzler weiter unter der Druck geraten ist. In Folge 73 zieht Rudolf Scholten eine kleine Zwischenbilanz aus dem Maschinenraum der Macht, spricht über die soeben erfolgte Bestellung von Sonja Hammerschmid zur Bundestheaterholding-Chefin, die Abschaffung der Möglichkeit für Kulturarbeiter:innen zum Arbeitslosengeld geringfügig dazu zu verdienen und die große Aufgabe Vermittlung, mit der Kulturpolitik endlich wieder aus Publikumsperspektive betrieben werden soll.
Fabian Burstein
Hallo und herzlich willkommen am Bühneneingang. Mein Name ist Fabian Burstein, ich bin Kulturmanager und Autor und in diesem Podcast zeige ich euch den Kulturbetrieb von innen, so wie er wirklich ist.
Mein heutiger Gast ist zum zweiten Mal Rudolf Scholten. Von 1990 bis 1997 war er als Bundesminister für das Thema Kunst verantwortlich. Nach der Regierungsarbeit folgte der Wechsel in den Bankensektor. Über Gremien und Ehrenämter blieb Rudolf Scholten der Kultur verbunden. Er gründete das renommierte Festival "Literatur im Nebel" und galt stets als mächtige Stimme im Hintergrund, wenn es um sozialdemokratische Positionen in Kunst, Bildung und Wissenschaft ging.
Im Herbst 2025 dann ein Paukenschlag. SPÖ Vizekanzler Andreas Babler bestellte Rudolf Scholten zum Sonderberater für Kulturthemen. Wir sprechen heute über die politische Verantwortung eines Ratgebers, über die Existenzängste einer Kulturszene in Krisenzeiten und über die demokratiepolitische Signalwirkung, die von einer Ikone wie Salman Rushdie bei einem Literaturfestival nach wie vor ausgeht.
Lieber Rudolf, vielen Dank für deinen abermaligen Besuch.
Rudolf Scholten
Ja, das wird zur Routine.
Fabian Burstein
Ab dreimal sagt man, wird es eine Tradition, oder?
Rudolf Scholten
Ja, Tradition ist dann verdächtig, weil dann gibt es so Jahrestage und da muss man vorsichtig sein.
Fabian Burstein
Da muss man vorsichtig sein. Lieber Rudolf, wir nehmen heute am 17.12 auf. Mich hat gestern ein Gerücht erreicht, nämlich dass Sonja Hammerschmidt die neue Chefin der Bundestheater-Holding wird. Das würde ja heute am Nachmittag bestätigt werden. Kannst du es schon vorab bestätigen?
Rudolf Scholten
Dinge, die am Nachmittag bestätigt werden, kann man meistens in der Früh auch schon bestätigen. Ich finde das eine wunderbare Entscheidung, weil ich erstens diesen Job selbst gemacht habe vor vielen Jahren und daher weiß, dass es dringend notwendig ist, dort jemanden zu haben, der oder die einen Enthusiasmus für das Thema hat, also sprich Theater, aber zugleich ihre eigene berufliche oder professionelle Funktion darin sieht, diesen Betrieb im wahrsten Sinne des Wortes zusammenzuhalten. Und diese Souveränität hat Sonja Hammerschmidt in jedem Fall. Und als Rektorin und Politikerin, und sie war jetzt lange Jahre in der Privatwirtschaft, weiß sie auch genau, wie man sehr unterschiedliche, sehr selbstbewusste Interessen so zusammenfügen kann, dass sie nicht koordiniert werden, weil das will niemand dort, sondern dass sie ein Ganzes ergeben.
Fabian Burstein
Gut, ich kann voraussehen, was die Kritikpunkte sein werden. Sie ist Molekularbiologin, also kommt jetzt nicht ursprünglich vom Fach, hat natürlich auch eine ganz klare politische Laufbahn hinter sich. Glaubst du, könnte da der Verdacht aufkommen, dass das, wie soll ich es ausdrücken, eine Postenschacher Besetzung mit parteipolitischem Hintergrund ist?
Rudolf Scholten
Ja, also Bösartigkeit kennt keine Grenzen. Das kann schon sein, aber es ist ziemlich dann auch ziemlich gleichgültig. Sie. Wenn vom Fach heißt, sie müsste aus dem Theater kommen, dann würde ich dem widersprechen, weil ich wirklich der Überzeugung bin, dass es gut ist, in dieser Funktion die inhaltliche Leidenschaft für das Thema dieses in Wahrheit riesengroßen Unternehmens und die professionelle Aufgabe, dass dass nämlich das zusammenzuhalten und sozusagen den wirtschaftlichen Gesichtspunkt dabei nicht aus dem Auge zu verlieren oder in ihrer Funktion einfach als zentrale Aufgabe zu haben, dass das extrem wichtig ist. Also ich glaube, dass jemand, der unmittelbar vom Theater kommt, dabei sogar es schwieriger hat, wenn jemand diesen zwar begeisterten, aber Außenblick hat. Das kann ein großer Vorteil sein.
Fabian Burstein
Auch vor dem Hintergrund, dass es natürlich auch mit sehr selbstbewussten Chefs der einzelnen Häuser zu tun hat, die ein klares künstlerisches Profil haben.
Rudolf Scholten
Ja, zu Recht, natürlich. Also. Die Rollenverteilung ist ganz eindeutig und ich glaube eben, dass daher eine eine dieses berühmte bisschen Distanz haben in dem Fall mehr Nähe bedeutet, als wenn man wenn man sozusagen unmittelbar aus dem Betrieb käme.
Fabian Burstein
Der Vizekanzler ist im Laufe des Jahres an mehreren Stellen erheblich unter Druck ge-.
Rudolf Scholten
Verzeihung. Dann muss ich noch einen Punkt dazu sagen. Wenn ein Vorwurf dann darin besteht, dass sie Mitglied einer Bundesregierung war, dann muss ich sagen, dann haben wir unterschiedliche Demokratievorstellungen, was ich dir nicht unterstellen möchte, aber das wird wahrscheinlich Einwand dann kommen. Aber ehrlich gesagt, dass wenn sie wenn man ihr attestieren kann, und das kann man ohne Zweifel, dass sie das gut gemacht hat, kann aus dieser Tatsache heraus kein Vorwurf entstehen. Das wäre ziemlich absurd.
Fabian Burstein
Ja gut, in dem Kontext wäre es natürlich spannend zu wissen, wie das Bewerber:innenfeld war. Davon hängt wahrscheinlich viel ab, ob dieser Vorwurf aufkommen könnte oder eben nicht.
Rudolf Scholten
Nein, das kann ich ziemlich genau beschreiben, weil ich selber in dieser Gruppe war, die diese Empfehlung abgegeben hat. Jetzt wirst du mir zugestehen, dass ich das sehr allgemein sein muss, weil ich natürlich weder Namen noch so, aber man kann das ziemlich genau beschreiben. Wir hatten 39 Bewerbungen, davon war ungefähr die Hälfte so, dass dann auch dieses Personalbüro, das dieses Verfahren betreut hat, die in eine engere Wahl gezogen hat. Und und da war schon der überwiegende Teil aus dem organisatorischen Teil von Theaterbetrieben kommend, was ja kein Vorwurf ist, das wäre ja absurd, das zum Gegenargument zu machen und und ein sehr kleiner Teil quasi neutral. Und man kann auch aus diesen Beratungen berichten, dass wir am Schluss ohne lange Diskussion, wir waren glaube ich zu fünft, uns einig waren, dass wir eine Einzelempfehlung abgeben, nämlich sie als diejenige, die wir dafür am besten geeignet hielten.
Fabian Burstein
Dann noch einmal quasi der Start meiner Ursprungsfrage, wo wir dann wieder kurz zurückgekehrt sind zu den Bestellungsverfahren. Der Vizekanzler Andreas Babler ist ja im Laufe des Jahres relativ stark unter Druck geraten auf unterschiedlichsten Ebenen. Hat dann, würde ich sagen, an der kulturpolitischen Front schon zu einem Befreiungsschlag ausgeholt, indem er dich als Sonderberater bestellt hat. Ich habe dazu aus der Szene sehr viel Positives gehört. Also er hat das schon, glaube ich, sehr wohlwissend gemacht, dass da eine große Akzeptanz besteht, was dann wirklich bemerkenswert war zu beobachten. Berater sind ja zumeist, Berater:innen sind ja zumeist eine interne Stimme und du hast dann sofort eine sehr deutlich sichtbare öffentliche Rolle eingenommen. Hast Interviews gegeben, unter anderem für den Falter und den Standard, glaube ich, warst sehr präsent. Erstens, warum war das notwendig, diesen Schritt zu gehen, da jemanden zu installieren und wo verläuft jetzt bei euch die Grenze zwischen der internen Konsultation und einer de facto politischen Mitverantwortung für die Agenda des Vizekanzlers?
Rudolf Scholten
Das wird jetzt nach ein bisschen Unkoordiniertheit klingen, ist aber in der Tagesrealität ein großer Vorteil. Wir haben dazu überhaupt keinen Beschluss gefasst, sondern, also ich mache da nichts ohne seinem Wissen und ohne dass das mit ihm abgestimmt ist und schon gar nichts gegen seinen Einwand. Ich habe von Anfang an gesagt, die Entscheidungen trifft er und das ist richtig und gut so und das bezieht sich auch auf das, was ich so unternehme.
Aber um auf den Inhalt der Frage zurückzukommen, ich sehe ehrlich gesagt da keinen, weder einen Tabubruch noch eine große Ungewöhnlichkeit. Man beginnt eine Tätigkeit, die in einem gewissen Bereich, in dem Fall geht es um Kunstinstitutionen, Beachtung findet und dann gibt es ein Interesse daran, von dem oder der auch Näheres zu erfahren und dann erzählt man es und so endet man in Podcasts wie deinem. Ich sehe da ehrlich gesagt keine Aufgeregtheit drinnen.
Ich habe zu deiner Einführung noch einen Einwand, weil wir das alles immer so auf Kultur, auf so Funktionäre und Funktionärinnen konzentrieren. Du hast bei der Vorstellung gesagt, dass ich dem Kunstbereich über mehrere ehrenamtliche Tätigkeiten immer verbunden geblieben bin ungefähr. Und ich würde wirklich ganz laut einwenden dabei, das ist vollkommen nebensächlich. Die wahre Verbundenheit ist die, als Publikum verbunden zu sein. Ich habe, wie ich als Minister aufgehört habe, gesagt, ich steige jetzt in der Kunst in die höchste Kategorie auf, nämlich ich bin unter Anführungszeichen nur mehr Publikum. Und das ist nun einmal die höchste Kategorie dieses Bereiches. Und Publikum ist jetzt nicht ein kommerzieller ein kommerzielles Synonym im Sinne von Ticket verkaufen, sondern das Publikum heiß Menschen, die sich dafür interessieren. Das ist das, worum es geht und alles andere ist Beiwerk. Insofern sind wir hier, sagen wir laut wahrnehmbares Beiwerk.
Fabian Burstein
Wobei das schon ein bisschen Koketterie ist, weil du warst natürlich an sehr bedeutenden Stellen in Verantwortung. Du warst ja bei den Wiener Festwochen viele Jahre, ich glaube fast zwei Jahrzehnte, rund zwei Jahrzehnte, der Präsident, der ja ein gewichtiges Wort hat, zumindest den Beratungen und dann auch in den strategischen Ausrichtungen.
Rudolf Scholten
Entschuldige, dass ich unterbreche. Jeder, der dort arbeitet, hat das Publikum im Auge und nicht den Präsidenten. Und das ist jetzt keine Koketterie. Wir müssen uns wieder daran erinnern, wofür das ganze Werkl da ist. Und das ist, um Menschen anzusprechen, um Menschen zu erreichen und Menschen anzusprechen. Alles andere ist sind Zusatzräder auf dem Wagerl, das dahinfährt. Aber das eigentliche Ziel des Wagerl Wagerls ist, Menschen anzusprechen und zu erreichen. Und wir führen dann so einen Funktionäre:innen Talk und das ist ziemlich gefährlich.
Fabian Burstein
Du hast ja, das möchte ich aufgreifen, das mit dem Publikum. Du hast ja da vielfach eine Parabel so ein bisschen in den Diskurs eingeführt, nämlich mit dem Kaffee und dem Wirtshaus.
Rudolf Scholten
Ja.
Fabian Burstein
Du hast meiner Meinung nach völlig richtigerweise analysiert, dass der Erfolg von Andreas Babler ja darauf basiert hat, dass er in beiden Sphären funktioniert hat, wie er so an Popularität gewonnen hat, wie er auch natürlich dann den Parteivorsitz in der Wahl gewonnen hat. Es gibt ja auch viele, die berichten von diesem Parteitag, dass er sie auch wirklich gedreht hat mit der Rede. Also dass das keinesfalls so war, dass das klar war, dass er das gewinnt, sondern er hat eine programmatische Rede gehalten, die authentisch die Stimmung vielleicht sogar gedreht hat, substanziell zu sein Gunsten.
So, jetzt worauf will ich hinaus? Nämlich auf genau dieses Publikum. Er hätte ja oder hat er allergrößtes Interesse daran, in diesen beiden Sphären weiterhin zu funktionieren. Die Kultursphäre ist, würde ich sagen, eher die Kaffeehaussphäre. Da verliert er aber gerade ein bisschen an Zustimmung, an Rückenwind. Um es jetzt einmal positiv zu Wie kriegt er diesen Rückenwind wieder hinter sich?
Rudolf Scholten
Ich glaube, dass wir in der Realität oder dass er jetzt der Vizekanzler in der Realität auf ein Problem gestoßen ist. Und das ist sehr einfach zu beschreiben. Wie du richtig sagst, er ist mit viel Rückenwind aus beiden Sphären in diese Funktion, hat er diese Funktion angetreten und war dann konfrontiert damit, dass er das erste Mal seit längerem, also ich würde sogar sagen seit langem, einen wirklich ziemlich rigiden Sparkurs vertreten muss, weil das insgesamt Budget so ausschaut, wie es aussieht und diese Regierung richtigerweise und verantwortungsvollerweise gesagt hat, wir dürfen da jetzt nicht uns drüber schwindeln, sondern wir müssen das konkret angehen. Und angehen heißt dann, dass es alle Bereiche betrifft. Da gibt es nun einmal nur die Regel alle oder keiner. Und richtigerweise ist es alle. Das ist nun in einem so sehr mit staatlicher Finanzierung arbeitenden Bereich wie bei den Kunstinstitutionen, insbesondere bei den großen, ist natürlich einfach eine schlechte Nachricht. Und und eine neue Funktion zu beginnen in einem Bereich, der, der sich plötzlich schon mit wesentlichen Einschränkungen konfrontiert ist, ist wirklich kein angenehmer Start.
Und dann kommt noch ein Punkt dazu, der über den kann man Witze machen und sich Beispiele nennen dazu, aber es ist ein ganz realer: Das ist, dass der Kunstbereich, wie manche andere professionellen Bereiche tendenziell, vor allem wenn er wenn er sich in einer Spannungssituation befindet, ziemlich hermetisch nach außen reagiert. Und da meine ich jetzt nicht das Publikum, sondern diesen professionellen Dialog hermetisch reagiert. Ich habe immer dieses Beispiel verwendet, wenn ein Kunstminister Moderne statt Neue Musik sagt, ist er schon unten durch. Das ist eine Überspitzung jetzt, aber tendenziell ist es so. Und und da ist kommt jemand jetzt gleichsam von außen ins Kaffeehaus und hat eine schlechte Nachricht, nämlich wir müssen sparen. Das ist ein blödes Entree. Also das ist nicht einfach.
Und ich glaube, dass überall dort, wo wo wo Menschen ihn dann eben auch näher kennenlernen, so sich das auch auflöst und wir vor allem belegen müssen und beweisen müssen, dass dieser Sparkurs sich im Wesentlichen darauf konzentrieren muss, dass wir die großen Institutionen das liefern müssen und wir nicht da in die Fläche zu vielen, vielen kleineren Initiativen gelangen oder gar in den Bereich von Stipendien etc. Ja, und da müssen wir durch. Ich habe jetzt schon öfters die Formulierung verwendet, bei der bleibe ich auch: Wir haben ein wirkliches Problem, aber zugleich eine Katastrophe ist was anderes.
Fabian Burstein
Ich habe die Hypothese, dass er auch deshalb gut im Kaffeehaus funktioniert hat und auch in dieser Blase, in dieser Szene, weil er ein sehr glaubwürdiger Sozialpolitiker ist.
Rudolf Scholten
Ja, das ist ja keine Schande.
Fabian Burstein
Total im positivsten Sinne ein glaubwürdiger Sozialpolitiker und ich glaube auch, dass man ihn zunächst sehr herzlich willkommen hat im kulturpolitischen Spektrum, weil man sich gar nicht erwartet hat, dass er unglaubliche Fachkenntnisse hat, sondern dass er diese sozialpolitischen Ideen gut transferieren kann, auf gerade auf das kulturpolitische Segment. Jetzt hatten wir kürzlich eine Entwicklung, die gerade für die Kunst- und Kulturszene große Konsequenzen hat. Das ist dieses berühmte Zuverdienen. Also dass man geringfügig zu einer bestimmten Versicherungs-/Sozialleistung, konkret zum Beispiel zum Arbeitslosengeld, dass man da früher geringfügig dazuverdienen konnte, das ein wirklich klassisches Überlebensmodell des Kunst- und Kulturbetriebs war, jener, die dort arbeiten. Und dass das jetzt nicht mehr geht, steht das nicht in krassem Widerspruch zu einer sozialpolitischen Agenda, die wiederum zur kulturpolitischen Agenda passt?
Rudolf Scholten
Ja, eindeutig. Das ist ein wirkliches Problem. Und und ich weiß, dass dass er da sehr gekämpft hat darum. Wir haben nur das Problem und das haben wir, ich sage jetzt noch, aber ich will da jetzt auch keine falschen Hoffnungen geben, aber aber sozusagen das ist nicht ein Punkt, den man als verloren betrachtet. Also es schaut gar nicht gut aus, aber es ist die Möglichkeit, das zu reparieren, besteht allemal noch. Wir haben das Problem, dass wir eine eine wesentliche Maßnahme, also das Sozialministerium eine wesentliche Maßnahme plant, die für viele Menschen Schutz vor Missbrauch bedeutet, Nämlich diejenigen, die wo, also das brauchen wir im Detail nicht, aber wo die Arbeitnehmer in Wahrheit das Opfer sind einer Trickserei. Ich sage es jetzt allgemein so.
Und da wird diese Maßnahme Schutz und Verbesserung bringen. Und dann gibt es eine relativ dazu gesehen kleinere Gruppe, für die aber das, was für die einen eine positive Medizin ist, ist für die anderen etwas, was ihren Zustand verschlechtert. Und da reden wir jetzt über den Kunstbereich. Also das Gleiche, was für die einen Schutz bedeutet, bedeutet für die anderen Verschlechterung. Und und in einem sozialpolitischen System sozusagen eine scheinbar eine Ausnahme. Ich meide nur den Ausdruck Ausnahme, weil es dann immer so nach Privileg klingt. Das ist in Wahrheit das Bewahren davor einer kleinen Gruppe davor, dass eben das, was für die Mehrheit gut ist, aber für sie schlecht, dass das durchschlägt zu ihnen. Und also dieses diese scheinbare Ausnahme ist, gelinde gesagt sehr kompliziert da unterzubringen und derzeit schaut es auch ehrlich gesagt nicht gut aus. Aber aber das Einzige, was ich weiß, ist, dass er sich sehr dafür einsetzt und das Reparieren da auch möglich ist. Aber ich gebe dir vollkommen recht, das ist ein wirkliches Problem.
Fabian Burstein
Bevor wir wieder zu einer klassischen politischen Fortführung dieses dieser Debatte zurückkehren, kurz ein Blick hinter die Kulissen. Wie funktioniert das dann zwischen euch? Da kommt dann so die Idee so einer Maßnahme, wo vielleicht sich schon abzeichnen die Konsequenzen für das konkrete Politikfeld und dann ruft dich der Vizekanzler an und sagt: Lieber Rudolf, wir müssen reden. Wie siehst du das? Was würdest du denken, soll ich da jetzt tun? Kannst du das ein bisschen beschreiben, wie so ein Binnenverhältnis sich darstellt?
Rudolf Scholten
Ja, auch da muss man muss man sagen, dass das in der Realität immer sehr viel sehr viel alltäglicher ist als die als die formalisierten Verfahren, die man sich dazu denkt. In dem konkreten Thema ist es überhaupt ganz einfach. Das war ja schon seit langem geplant und es war auch seit langem klar, dass das im Kunstbereich Schaden anrichtet und nicht Nutzen, wie eben gesagt, bei der Mehrheit der Menschen. Und dass man schauen muss, dass wir da irgendeine Sonderregelung finden. Also da hat es nicht sehr viel Ratschläge gebraucht: Und und wie gesagt, am Engagement liegt es mit Sicherheit nicht.
Ich glaube, dass solche, solche, nennen wir es jetzt Beratung sich absprechen etc., Wege am besten improvisiert stattfinden. Ich habe mal. Apropos, weil ich habe ja, bevor ich selber in der Politik war, in einem ähnlichen Job, wie ich ihn jetzt mach, bei Bundeskanzler Vranitzky gearbeitet, allerdings als sozusagen Juniorberater und nicht Seniorberater. Und da gab es damals das Schlagwort die Republik der Sekretäre, weil das war so eine in den Medien mystifizierte Geschichte über die Funktion und Rolle der Sekretäre. Und da habe ich einmal gesagt, mein Vorteil gegenüber allen anderen Menschen ist, ich kann mir mehr oder weniger aussuchen, wann ich mit dem Bundeskanzler spreche, weil ich halt, ich weiß nicht, im Auto mit ihm mitfahre irgendwo hin oder ich weiß, es gibt eine Viertelstunde Pause und dann gehe ich und so. Also man kennt einfach den Plan, den Tagesplan und kann sich da aussuchen, wann man, wann man mit ihm spricht, um etwas unterzubringen. Und das ist nicht unwesentlich für den Erfolg dessen, was man unterbringen will. Und ganz so ist es jetzt nicht, weil ich ja dort nicht sozusagen stationär arbeite, aber es ergeben sich oft Gelegenheiten, zwischendurch zu reden und das ist schon gut so.
Fabian Burstein
Apropos.
Rudolf Scholten
Also ich würde alles tun, um zu vermeiden, dass es einen Jour fixe gibt. Das halte ich für das Gegenteil von guter Kommunikation.
Fabian Burstein
Ok. Wir können es ganz ehrlich benennen auch wir sehen uns ja regelmäßig und und schweifen bei unseren Gesprächen, die sich meistens um Kulturpolitik drehen, immer wieder ab. Und ich darf jetzt eine Geschichte erzählen aus unseren Gesprächen, die du mir mal zu Karrierewegen quasi gesteckt hast.
Rudolf Scholten
Oje. Ja.
Fabian Burstein
Ich sage jetzt nicht, wer der Quell ist. Und zwar hast du mal gesagt und hast dabei einen sehr sehr bekannten Politiker zitiert. Man kann auf der Karriereleiter ruhig ein paar Sprossen runtersteigen es darf nur nicht dieselbe Leiter sein. Jetzt frage ich mich du, der schon mal Minister warst und der dieses Geschäft kennt und den es wahrscheinlich auch an vielen Stellen kitzelt, zu sagen: So , jetzt gehe ich in den Ministerrat und werde das denen jetzt genau erklären. Wie hältst du das dann aus, dass du letztendlich als Berater ja nicht entscheiden kannst, was dann wirklich auf die politische Agenda dieser Regierung kommt. Fällt dir das schwer oder ist das eher eine Erleichterung?
Rudolf Scholten
Nein, das ist, also um jetzt anzuschließen bei dem Leiterbeispiel, ich würde behaupten, dass das, was ich jetzt da mache, ist eine neue Leiter, die ist da noch nicht gestanden. Dass auch neue Leitern an diejenigen, die schon hier schon Übung haben, dazustehen, erinnern. Mag sein, aber ich betrachte es wirklich als eine neue Leiter, also eine noch nicht benützte oder noch nicht betretene Leiter. Das ist ein guter Punkt, ob einen mehr stört, dass man dass man diese letzte letzte Entscheidung nicht selber treffen kann. Ich muss gestehen, dass mir jetzt etwas passiert, was sehr eigenartig klingt. Ich habe mir das nicht überlegt, weil für mich so selbstverständlich war, dass ich jetzt nicht in so einer exekutiven Funktion bin und er das aber schon. Diesen Rollentausch habe ich mir noch nicht überlegt eigentlich. Nein. Ich finde das jetzt angenehm so.
Fabian Burstein
Aber es ist natürlich schon auch, kann ich jetzt aus der Außensicht sagen, eine riskante Rolle. Ich habe es im Eingangsstatement schon anklingen lassen und dann auch noch mal ausgeführt. Ich habe es auch gemerkt nach unserem ersten Podcast schlicht und ergreifend, dass es einen relativ großen Konsens gibt, dass man das, was du in den 90er-Jahren als Kulturpolitiker, als Kunstpolitik auch gemacht hast, dass man das sehr schätzt und dass man sagt, wurscht, ob man jetzt mit jeder Entscheidung einverstanden war oder nicht, das war ein sachkundiger Minister, der sich was getraut hat.
So und jetzt bist du quasi im Schlepptau. Das wäre jetzt böse ausgedrückt, aber im Umfeld eines wirklich krisengebeutelten Politikers, der gerade sowohl in der Partei als auch auf politischen Feldern Schwierigkeiten hat. Hast du nicht Angst, sozusagen diesen mythischen Status irgendwie zu riskieren.
Rudolf Scholten
Nein, ich glaube, also ich will da nicht Lebensratschläge geben, aber ich glaube, dass Menschen, die so gedanklich an ihren Denkmälern zimmern, das ist hochkarätig lächerlich. Also, dass dass, diesen Gesichtspunkt sozusagen, was dem Denkmal, das finde ich total lächerlich. Also da bin ich jetzt. Außer, dass ich gerne hier bin, bin ich jetzt entrüstet über diese Vermutung.
Nein, ich finde es einen ganz simplen Punkt. Er hat, also Andreas Babler, meine ich, hat eine enorme Leidenschaft für das Thema. Das ist in Wahrheit die wesentlichste Grundvoraussetzung dafür und und holt sich dann jemanden, von dem man annimmt, dass er das handwerklich auch beherrscht, der da mittun soll. Und das ist eine eigentlich ganz einfache Angelegenheit, die die weder ein ein ein Mythos noch eine eine eine große Außergewöhnlichkeit. In der politischen Realität ist es außergewöhnlich, weil man, weil so ja so so so Berater meistens so. Da ist immer zwischen Beratenden und Beratern meistens ein Generationenabstand sozusagen im Sinne der der Mitarbeiter, die dort die dort mitmachen. Aber sonst finde ich es ehrlich gesagt nicht so außergewöhnlich.
Der entscheidende Punkt, auf den kommen wir immer wieder. Das Schlimmste für den Kulturpolitiker ist, wenn er unengagiert sein Thema sieht. Also wenn wir die ganze Geschichte umdrehen, handwerklich perfekt ist, weil in, weil alles in und auswendig kennen, aber mit wenig Begeisterung sozusagen, dann ist das miserabel. Wenn jemand umgekehrt mit großer Begeisterung, aber nicht unmittelbarer professioneller Erfahrung sozusagen im im Handwerk oder Maschinenraum des Themas herangeht, ist das ein Riesenvorteil. Man muss da nur schauen, dass die Dinge auch so landen, wie sie landen sollen, um in dieses System zu passen. Und und wie gesagt, er hat das Problem, dass er nur mit einer Furcht und Sorge auslösenden Nachricht begonnen hat. Nämlich, wir müssen sparen, da kann er aber selber am wenigsten dafür.
Fabian Burstein
Dann lass uns doch mal wirklich wieder ins politische Geschäft zurückkehren und dort anschließen, wo du, wo wir vorher aufgehört haben, nämlich mit diesem Thema der des Dazuverdienens, was ja für einen großen sozial-/kulturpolitischen Aufschrei gesorgt hat. In dieser Kombination. Sieht man nicht just an dieser Frage, vor welch grundsätzlichen Herausforderungen Kulturpolitik steht. Etwa der Frage, wie wir mit dem Thema umgehen, ob ein Künstler eigentlich eine Grundsicherung benötigen würde oder nicht. Wie wir das Verhältnis Breitenförderung und Exzellenzförderung sehen und so weiter und so fort. Ich war sehnsüchtig auf genau diese großen kulturpolitischen Antworten auf diese Fragen, die letztendlich auch eine kulturpolitische Strategie vorgeben. Kommt da noch was? Seid ihr da am Arbeiten?
Rudolf Scholten
Ich bin jetzt, es gibt diese häufig benutzte Stehformel, dass ich bin dankbar für die Frage. Das sagt man meistens bei Fragen, wo man keine Antworten kennt, um Zeit zu gewinnen, um eine Antwort dazu zu finden. In dem Fall gilt es aber wirklich. Ich bin wirklich froh, dass wir einmal aufhören dann nur. Also man muss natürlich diese ganze Budgetdebatte führen, weil es betrifft alle diese Institutionen so, dass sich halt tagaus, tagein mit diesem Thema beschäftigen müssen, wie sie damit umgehen können. Also da kann man sich nicht drüber turnen. Zugleich habe ich aber das Gefühl, dass wir dringend Diskussion brauchen zu Themen, die darüber hinausgehen, sozusagen. Nicht um abzulenken, sondern um auch uns selber erkennbar zu machen, dass es auch noch andere Fragen gibt. Und eine der wesentlichen Fragen hast du jetzt angesprochen, das ist dieses berühmte Breite gegen. Wie hast du es genannt, Exzellenz?
Fabian Burstein
Exzellenz.
Rudolf Scholten
Exzellenz. Also sagen wir, die Breite ist auch exzellent, dann sage ich jetzt. Ja, ist egal, das sind jetzt Wort, also dann nur so Adjektive dazu. Auf jeden Fall wissen wir, worüber wir sprechen. Und natürlich ist das ein zentraler Punkt. Die Antwort übrigens ist ganz simpel. Es geht immer nur zugleich. Es wäre jede Kulturpolitik ganz schlecht beraten, die die sozusagen, nennen wir es jetzt Spitzenarbeiten, in welcher Hinsicht, ob das jetzt kommerziell oder qualitativ gemeint ist, hervorhebt und die berühmte Breite liegen lässt. Und das Umgekehrte wäre genauso schrecklich, nämlich sich sozusagen auf die Breite zu konzentrieren und dabei zu übersehen, dass auch die Kulturpolitik unterstützen kann. Nehmen wir nur ein Beispiel. In der Kunst ist ganz essentiell, dass jemand die Chance hat, international auch wahrgenommen zu werden. Und das ist natürlich primär adressiert an diejenigen, die in dieser Hierarchie relativ weit oben stehen. Und und Das nicht zu machen wäre ganz falsch. Also das heißt, es geht nur beides. Die Frage ist nur, wie.
Fabian Burstein
Ich habe dazu eine Theorie, nämlich dass man sich da viel stärker an die Sportförderung anlehnen muss. Wo man sagt, die Breitenförderung ist dazu da, tolle Infrastruktur bereitzustellen. Und die Exzellenzförderung ist dafür, oder die, in diesem Fall Spitzensportförderung ist dafür da, dass Menschen in und mit ihrem Sport leben können, davon leben können als Beruf. Im Umkehrschluss, dass man eben keine Einlaufprämie als Amateurspieler irgendwo in einer unterklassigen Liga bekommt aber einen tollen Platz, weil das einen Wert darstellt, dass Sport stattfindet.
Rudolf Scholten
Ja, es beginnt schon bei der Terminologie. Also ich will dir jetzt keine Vorwürfe machen, aber ich habe jetzt nur aufgepasst. Allein es würde schon niemand gerne hören, der begeistert jeden Sonntag am Fußballplatz steht, nämlich als Spieler, er sei in einer unterklassigen Liga, das hört man nicht gern. Der freut sich, dass er von 4C auf 4B aufsteigt. Zu Recht, oder? Also wir sind jetzt auch nicht unbedingt Weltstars und gebärden uns aber gern so, als ob man da irgendwie in der Qualitätsliga ganz oben, also man muss da sehr vorsichtig sein in dieser Zuordnung. Der zweite Punkt ist, dass ich auch ungern, also verzeih, wenn ich jetzt den Spieß da umdrehe.
Fabian Burstein.
Gerne.
Rudolf Scholten
Aber ich wäre auch ungern als Infrastruktur bezeichnet. Das mag auch niemand. Es geht nicht darum, dass man sagt, wir haben in der Wohnung sozusagen eine Grundausstattung und dann haben wir ein paar extra Möbelstücke, auf die alle schauen. Nehmen wir mal das, was es am Ende des Tages ist, nämlich Erfolg, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und natürlich dadurch meistens auch wirtschaftliche Unabhängigkeit. Niemand will das nicht. Die Kunstwelt ist nur in den allermeisten Bereichen wesentlich brutaler oder wesentlich zugespitzt, um es neutral zu sagen, als die meisten anderen Berufe.
Also ich hatte den Vergleich, du hast darüber gesprochen, dass ich nach der Politik in die Kontrollbahn gegangen bin und dann dort Generaldirektor war. In einer weltweiten Skala von von Bankern war ich wahrscheinlich, sage ich eine Hausnummer jetzt die Nummer 7259. Ist völlig egal, aber also nicht wurscht, aber sicher nicht unter den, weiß ich nicht, Top 100 oder was immer. Und und konnte hervorragend davon leben. Wenn das Gleiche einem Lyriker passiert. Die Nummer 7259, der Lyriker wird wird wenig entspannt davon leben können.
Und und das kannst du für jeden dieser Bereiche nehmen, dass diese diese Spitzen sind schmäler als in den meisten sogenannten bürgerlichen Berufen, sind international umkämpfter. Also kurzum, es ist eine sehr, sehr zugespitzte Hierarchie und daher ist auch die Diskussion über diejenigen, die nicht davon leben können, vis à vis denjenigen, die gut davon leben können, ist immer nur gleichzeitig zu führen. Also wir müssen uns um diese nach außen wahrgenommenen besonderen, besonders erfolgreichen genauso kümmern oder uns genauso bemühen, sie auf diesem Weg zu unterstützen, wie wir umgekehrt darüber reden müssen, wie man verhindert, dass jemand diese Arbeit verlassen muss, weil er nicht davon leben kann oder sie.
Fabian Burstein
Aber ist nicht genau das die unbequeme Debatte, dass wir, dass wir das einmal auch genauer definieren müssten. Ich hatte hier zu Gast einen Künstler, den Mwita Mataro. Der gesagt hat, na gut, sinngemäß, natürlich nimmt man jetzt die freien Künstler:innen, die nicht davon leben können, quasi wie als neues Prekariat wahr, für das man kämpft. Aber in Wahrheit sind das dann ganz oft eben auch wieder Menschen, die sich aufgrund ihrer Herkunft und ihrer Elternhäuser dann halt eben leisten können, so zu leben. Also müssen wir uns nicht endlich einmal der Frage stellen, was ist unser Kunstbegriff? Welcher Kunstbegriff wird von unserem Förderwesen erfasst und auf welche Weise und wie rollen wir da eine langfristige Strategie aus? Weil Strategie ist auch so ein Wort wie Infrastruktur, das alle hassen. Aber letztendlich ist es dann doch ein ganz sinnvolles Wort.
Rudolf Scholten
Es klingt nur so militärisch und das finde ich dabei. Aber das ist jetzt eine Haarspalterei. Nein, es ist schon richtig, dass wir im Kunstbereich wahrscheinlich auch bei denjenigen, die die wirtschaftlich nicht davon leben oder nicht, also wo diese Einkommensfrage sich ganz zentral stellt, man noch immer über Menschen spricht, die so in diesem Gesamtgefüge eher bevorzugt als benachteiligt sind.
Das hat natürlich auch, und da kommen wir. Es gibt zwei einander widersprechende Prinzipien. Wenn wir diese Diskussion ernst, ernsthaft im Detail führen, laufen wir Gefahr, in eine Falle zu gehen, die man gemeintlich nicht mag, nämlich vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen. Weil der zentrale Punkt ist letztlich dann die Durchlässigkeit des Bildungssystems. Und ich war selber Unterrichts. und auch Wissenschaftsminister. Also ich rede da jetzt nicht, ich schiebe da nicht anderen die Schuld zu, sondern mir selber auch.
Wir haben in den Kategorien der Durchlässigkeit sehr wenig erreicht. Da war der der berühmte Schub in den Kreisky-Jahren und der der Firnberg und so weiter, wo enorm viel weitergegangen ist. Und seither ist relativ gesehen dafür, dass wir jetzt über 40 Jahre reden, sehr wenig passiert. Und ich habe, bin schon oft angesprochen worden auf die von dir erwähnte Geschichte mit Wirtshaus und Kaffeehaus.
Man muss jetzt wissen, das Problem dieser, dieses scheinbaren Gegensatzes besteht auch darin, dass ungefähr ein Drittel im falschen Lokal sitzen, aufgrund der Undurchlässigkeit des Bildungssystems. Also Menschen gemeintlich rechnet, betrachtet das Wirtshaus das Kaffeehaus als höher gebildet und das Kaffeehaus das Wirtshaus als weniger gebildet in diesen Bildungshierarchien, in den formellen. Und da sitzen mindestens ein Drittel der Leute im falschen Lokal, weil sie weil sie das ausschließlich der Biografie ihrer Eltern verdanken, wo dass sie im Kaffeehaus oder umgekehrt. Und wenn wir da nicht vorankommen, dann löst sich auch diese zweite Frage nicht. Das ist jetzt nicht auf ein anderes Thema schieben, aber das gehört unmittelbar zusammen.
Fabian Burstein
Gut, du warst jetzt ein bisschen selbstkritisch, jetzt bin ich auch selbstkritisch. Ich bin auch in eine Falle geraten. Ich diskutiere das, was häufig passiert bei Kunst- und Kulturpolitik, nämlich wir reden über Künstlerinnen und Künstler. Wenn wir uns aber ehrlich sind, vor circa 100 Jahren, das Phänomen der Kulturalisierung im Roten Wien war eben kein Phänomen der Künstlerinnen und Künstler, sondern ein Phänomen des Publikums, nämlich dass alle Menschen über eine Ästhetik, über ein Selbstbewusstsein, über eine gemeinsame Betätigung dazu animiert wurden, Teil einer kulturalisierten Welt zu werden. Und dann in weiterer Folge, das kam aber dann erst ganz zum Schluss, eben auch in Kultureinrichtungen zu gehen und da ganz stark mit Künstlerinnen und Künstlern in Kontakt zu kommen.
Wie werdet ihr es schaffen, und ich sage das bewusst ihr, weil das ist ja wahrscheinlich Teamwork, Vizekanzler, du hast Sonderberater, sein Kabinett, das ja auch Berater:innen beinhaltet, Kulturverwaltung etc. Wie werdet ihr es schaffen, konkret, dass diese Kulturalisierung endlich wieder beginnt zu greifen? Weil das habe ich jetzt auch mitgenommen aus deinen Wortmeldungen. Im Moment sind wir weit davon entfernt.
Rudolf Scholten
Ja, ich glaube, dass man zwei Dinge parallel gelten lassen muss. Es gibt zu diesem Thema, und das ist tatsächlich wahrscheinlich neben der ökonomischen Basis für für künstlerische Arbeit der zentrale Punkt überhaupt, es gibt für dieses Thema zwei Zugänge. Der eine ist und die gelten gleichzeitig. Der eine ist, dass es eine ganz große Zahl von von wirklich sehr, sehr engagierten und im Übrigen auch erfolgreichen Beispielen gibt, diesem liebenswerten, nicht liebenswert ist falsch, diesen im wahrsten Sinne des Wortes gut gemeinten Rat, den du gegeben hast, wahrzunehmen. Sprich Vermittlungsprojekte, die sich bemühen, in einzelnen Institutionen da genau diese Barriere zu überschreiten, weil ich vermeiden möchte, wenn wir generell darüber reden, dass die wiederum das Gefühl haben, dass man nicht sieht, was sie leisten. Also da gibt es wirklich sehr, sehr viel, ganz großartige Geschichten.
Ich glaube nur, dass, und da gebe ich dir 100 Prozent recht, wir haben dieses geliebte Puzzlestein Beispiel. Wir haben viele, viele Puzzlesteine, aber sie ergeben kein Gesamtbild. Und damit darf man den Wert des einzelnen Puzzlesteins nicht runter machen, weil das wäre ganz schrecklich, weil jeder einzelne wirklich viel wert ist. Aber das Gesamtbild brauchen wir. Und das Gesamtbild ist nicht Statistik, sondern das Gesamtbild ist ein Grundgefühl, nämlich wie viele Menschen haben das Grundgefühl. Also Statistik im Sinn von, wir wollen jetzt zusätzliches Publikum, das ist jetzt nicht der Punkt, sondern das Grundgefühl ist, wie viele Menschen fühlen sich von den Kunstinstitutionen oder künstlerischen Angebot, sagen wir mal, eingeladen. Und wie viele haben die Grundhaltung, das ist was für die anderen, aber nicht für uns. Und ich fürchte, dass ein großer Teil der Menschen in diesem Land das Gefühl hat, das ist was für die anderen und nicht für sie und fühlt sich nicht eingeladen und fühlt sich, um jetzt mich zu rächen für den Ausdruck Strategie, nicht adressiert. Und das ist tatsächlich ein. Ja, das widerspricht auch allem, was der Kunst wichtig ist. Also ich kenne keine wichtige Form von künstlerischer Äußerung, die, auch wenn sie noch so schwer zu verstehen und zu erleben ist, das Ziel hat, nicht die Menschen zu erreichen. Also das heißt, es geht ja darum, dass man sich eingeladen fühlen soll und nicht, dass man das Empfinden haben soll. Das ist was für die anderen, aber nicht für uns. Und da gibt es und davon sind wir ganz weit entfernt. Und das finde ich einen ganz wichtigen Punkt, das zentral zu sehen. Und der Vizekanzler übrigens auch, um den Kreis gleich zu schließen.
Fabian Burstein
Aber darf ich in zwei Aspekten replizieren. Erstens, ich beobachte einen Mechanismus, im Übrigen auch bei allen Amtsantritten, dass die neu bestellten Menschen und auch neu bestellte Politiker in diesem Bereich mit den immer selben Buzzwords um sich schmeißen. Wir wollen zugänglich sein, inklusiv sein, wir wollen in die Stadt hineinwirken und so weiter. Ich darf rückmelden, dass die Leute schon wirklich mit den Augen rollen im besten Fall und so einen Hals kriegen, wenn sie das hören, nämlich vor allem deshalb, weil dieses Versprechen ständig gebrochen wird. Letztendlich wird es, glaube ich, Verantwortung der Kulturpolitik sein, die in Kontrollgremien sitzt, das stärker einzufordern. Aber ich will noch eigentlich auf einen anderen Punkt hinaus. Ist nicht genau dieses Vermittlungsthema ein wunderbares Beispiel dafür, dass wir in falschen Hierarchien denken? Also sprich, dass wir denen endlich vermitteln müssen, dass sie diese und jene Kunst zu kapieren haben oder an der teilhaben können? Wäre es nicht viel wichtiger, dass die, die wir nicht erreichen, den Vermittlern vermitteln, was eigentlich wichtig ist?
Rudolf Scholten
Aber da sind wir jetzt eigentlich genau in dieser Wirtshaus-Kaffeehaus-Diskussion. Also erstens, um da nur mal zu widersprechen. Ich propagiere da überhaupt nicht, sondern ich stelle fest, dass uns das nicht gut gelungen ist und dass wir uns da dringend Wege einfallen lassen müssen, die zumindest von dem bisherigen. Also die nicht nur eine Verlängerung des bisherigen sind, sagen wir mal so. Dass es Menschen auf die Nerven geht, das immer wieder zu hören, kann sein. Das ändert aber nichts an der Richtigkeit. Also dann dann müssen diejenigen, die es nicht mehr hören wollen, sich gefallen lassen, dass es ein Thema bleibt und und und bleiben wird und es gibt. Also ich bin mit einer Ärztin verheiratet und bin gewohnt, die Diskussion darüber, dass man sich um bestimmte gesundheitspolitische Themen bemüht und gleichzeitig weiß, dass man das Ziel, nämlich einer allgemeinen Gesundheit deswegen auch nicht erreichen wird. Aber das Bemühen aufzugeben wäre fatal.
Das heißt, wir müssen uns bemühen zu diesem Thema. Und es geht mir auch nicht darum, irgendjemandem pädagogisch zu kommen und Kunst zu erklären. Ich will, wie ich vorhin gesagt habe, es geht mir nicht einmal darum, dass man alle als Publikum gewinnen muss. Ich möchte den Zustand herstellen, dass die Menschen sich eingeladen fühlen. Also jetzt reden wir dann ganz praktisch. Wir reden gerne über wer, wie oft ins Theater, ins Museum, wie viel Bücher liest, ins Kino und so weiter. Es wird Institutionen geben und die brauchen wir jetzt gar nicht benennen als Gesellschaftsspiel hier, in denen du zum Beispiel, dem man künstlerisches Interesse wirklich nicht absprechen kann, schon sehr lange nicht warst. Und niemand wird behaupten, dass es dir gleichgültig ist, weil du an diesen Häusern aber vorbeigehst und jederzeit weißt, dass du eingeladen bist, dort hineinzugehen. Und du entscheidest dich heute gehe ich lieber dahin als dorthin. Punkt.
Die Menschen, über die wir da sprechen, gehen aber an den gleichen Häusern vorbei und sagen, das ist was für die anderen und nicht für uns. Und das ist meines Erachtens nach, das ist auch nicht sehr originell, aber das ist das Problem. Dass es geht um dieses eingeladen sein und sich eingeladen fühlen. Ob dann jemand die Einladung annimmt oder nicht, ist nahezu sekundär, wenn man, wenn das Grundgefühl darin besteht, das ist auch was für mich und für uns.
Fabian Burstein
Gut, aber jetzt möchte ich mit einem anderen politischen Buzzword um die Ecke kommen, nämlich die Menschen erwarten sich Lösungen. Was sind denn jetzt die Lösungen? Was ist der kulturpolitische Ansatz, dass wir es schaffen, dass genau das passiert? Da würde dir ja keiner widersprechen. Also dass dieses Eingeladenheitsgefühl kommt und darüber hinaus, wann bekommt Österreich, und jetzt sage ich wieder das böse Wort als preußisch, mit einem preußischen Gemüt, wann kommt die Flottenstrategie für die Bundesmuseen? Wann kommt eine Strategie für die Bundestheater? Wann wird der kulturelle Raum in Österreich vermessen?
Rudolf Scholten
Also da möchte ich nur preußisch widersprechen. Wenn ich jetzt historisch richtig liege, war die Flottenstrategie eine Vorbereitung für den 1. Weltkrieg. Das ist sicher nicht unser Ziel. Ich glaube, dass man, dass die Politik. Und das ist ein sehr guter Punkt, den man an so einem Beispiel sichtbar machen kann, dass die Politik auch gewissen Stereotypen widersprechen muss. Es gibt nicht den Punkt, wo wir sagen, wir beginnen jetzt hier mit einer Strategie und haben ein 10 Punkte Programm und das Arbeiten wir jetzt ab. Und am Schluss.
Fabian Burstein
Schade.
Rudolf Scholten
Und am Schluss liefern.
Fabian Burstein
Ich liebe das.
Rudolf Scholten
Nein, schrecklich. Stell dir vor, ich würde dir erzählen eines Tages, das Projekt ist abgeschlossen. Es darf nicht abgeschlossen sein.
Ich sage ja auch nicht, dass es nicht schon wesentliche Arbeiten dazu gibt. Ich sage nur, dass wir da eher im Hintertreffen sind und und gleichsam aufholen müssen. Von überholen rede ich gar nicht.
Ich finde, dass diese Vereinfachung, die man in der Übersetzung von von von von irgendwie scheinbar komplizierten politischen Vorgängen in eine allgemeine Verständlichkeit, diese Vereinfachung, die man da macht, meistens dazu führt, dass das in so simple Kasteln dann fällt. Wie mir. Wie ich ich in der Politik begonnen habe, hat mich eine sehr engagierte Journalistin angerufen und gesagt, sie möchte mit mir heute am Abend ein Gespräch machen zu meinem 3 Punkte Programm.
Und und ich habe gesagt, ich habe im Wesentlichen zwei ganz wichtige Themen. Und das war Integration und und das zweite war sozusagen Selbstständig. Ist egal jetzt. Aber jedenfalls ging es um zwei Themen. Und sie hat mir hat mir gesagt: Das geht nicht. Ich kann Ihnen nur einen guten Ratschlag geben: Suchen Sie sich ein drittes. Jeder Mensch braucht ein 3 Punkte Programm. Und das war. Und wir leben vielleicht in einer Welt, die gerne hat, die Dinge in so Kasteln zu stecken und dann sage ich, dann machen wir neue Kasteln. Dann kann man sie wieder reinstecken. Aber aber aber es geht nicht, dass wir diesen. Wie heißt das so Setzkastenmäßig: In jedem Kastl muss ein Mandl rauswinken, oder oder er oder sie rauswinken oder was immer rauswinken und hier bin ich. Um das geht es nicht. Also zumindest mir nicht.
Fabian Burstein
Ich habe meine Ohren auch an vielen unterschiedlichen Stellen und ich habe gehört, dass du auch eine andere wichtige Funktion hast. Du kannst widersprechen oder sagen, das stimmt. Ähm nämlich eine gewisse Schnittstelle zur Verwaltung zu sein tatsächlich, Nämlich, dass wo so Probleme aufploppen, die auch auf Missverständnissen oder wo sich Leute nicht kennen im Betrieb oder gewisse Funktion, Funktionsweisen nicht kennen, dass du dir die zur Seite nimmst und quasi ein bisschen versuchst, da die Barrieren aufzulösen. Stimmt das? Oder?
Rudolf Scholten
Oder du meinst es zwischen dem Kulturministerium und und der und der Kunstwelt oder innerhalb des innerhalb des Apparats?
Fabian Burstein
Innerhalb des Apparats.
Rudolf Scholten
Naja, natürlich kann das auch entstehen. Es sind. Das passiert in jedem Unternehmen. Das ist, das ist in der Kommunikation, in der Vermittlung von Nachrichten etc. Zu Punkten kommen kann, wo wo Dinge irgendwie, wie man so schön sagt, hängen bleiben. Also wenn man, wenn man da etwas befördern kann, tue ich das sehr gerne. Generell gilt, dass diese die Kunstsektion ein wunderbarer Bereich ist. Wenn man. Also ich glaube, dass die wirklich großartige Arbeit liefern und auch die Kommunikation mit dem Büro des Vizekanzlers gut ist. Also ich glaube nicht, dass das sozusagen unser Hauptfeld ist. Wenn im Einzelnen da irgendwo ein ein Thema entsteht, tue ich das natürlich. Das wäre ja ganz unsinnig. Also ich habe einmal gesagt, dass.
Fabian Burstein
Entschuldige, ich habe das Wort Geheimdiplomat mal gehört.
Rudolf Scholten
Also penetranter Scheinwerferdiplomat will ich mit Sicherheit keiner sein. Ich habe. Ich weiß überhaupt nicht, ob ich also Diplomatenlaufbahn habe. Das habe ich mir nie gestellt, diese Frage. Aber ich werde darüber nachdenken, da ich schon zweimal da war, werde ich ja hoffentlich ein drittes Mal noch eingeladen werden.
Fabian Burstein
Im Sinne der Tradition. Ich muss mit dir noch zwei wichtige Fragen klären. Zunächst: Es ist etwas Erwartbares um die Ecke gekommen, nämlich es gibt eine parlamentarische Anfrage zu deinem Engagement. Von der FPÖ vom zuständigen Kultursprecher Wendelin Mölzer. Und er stellt ein paar so eher technische Fragen. Wirst du bezahlt für deinen deinen Engagement?
Rudolf Scholten
Nicht mit Geld.
Fabian Burstein
Hast du, ich schaue gerade, hast du Personal zur Verfügung?
Rudolf Scholten
Ich arbeite mit allen, die im Haus tätig sind, aber unmittelbar jetzt auf mich zugeschnitten, nein.
Fabian Burstein
Das heißt, du hast jetzt nicht einen Assistenten oder eine Assistentin, die rund um die Uhr dir zugeordnet ist.
Rudolf Scholten
Ich habe ausschließlich Menschen, die mit mir Podcasts machen.
Fabian Burstein
Erhältst du materielle Ausstattung, Büro, Arbeitsplatz, Kommunikationsmittel?
Rudolf Scholten
Nein, ich habe gegen meinen Willen ein Diensthandy bekommen.
Fabian Burstein
Gegen deinen Willen?
Rudolf Scholten
Ja, man muss ein Diensthandy haben. Und ich habe gesagt, das ist eher sinnlos, weil kennt ja niemand die Telefonnummer von. Ist egal. Nein, ich habe keine Ausstattung.
Fabian Burstein
Okay, gut. Also das heißt, da werden sehr viele schnell zu beantwortende Fragen kommen?
Rudolf Scholten
Ich nehme an, der Fragesteller hat das gern, wenn man sie schnell beantworten kann, oder?
Fabian Burstein
Na gut, es ist ja. Diese Ja-Nein-Antworten sind im Parlament nicht ganz zu Unrecht ein bisschen unbeliebt. Ich schaue gerade, was noch interessant ist. Gibt es eine Evaluierung oder Beurteilung deiner Tätigkeit?
Rudolf Scholten
Ja, gerade jetzt, oder?
Fabian Burstein
Stimmt, medial quasi.
Rudolf Scholten
Ja.
Fabian Burstein
Und auch wahrscheinlich der Vizekanzler wird dir sagen, ob das jetzt ein guter Rat war oder nicht. Wobei der ist ja sehr höflich wahrscheinlich zu dir, oder?
Rudolf Scholten
Er ist sehr freundlich und höflich und alles Gute, aber natürlich beurteilt er das. Aber formalisiertes Verfahren gibt es keines dazu.
Fabian Burstein
Okay, ich schaue jetzt gerade noch weiter durch. Ich habe es mir nämlich vorher durchgelesen. Das waren so die wichtigsten Fragen, die ich noch mit dir klären wollte, so diese technischen, weil das ist ja tatsächlich auch interessant. Also muss man auch wirklich sagen. Welche Infrastruktur kriegt man da? Hat man da ein Büro? Hast du ein Büro?
Rudolf Scholten
Nein, ich habe eine Wohnung und Kaffeehäuser.
Fabian Burstein
Ah ja, okay, gut, gut.
Rudolf Scholten
Also die habe ich nicht, um gleich zur der nächsten Anfrage da vorzukommen. Die besuche ich.
Fabian Burstein
Alles klar. Ich möchte jetzt abschließend noch wirklich zu einem Coup kommen, den du gelandet hast mit "Literatur im Nebel". Lass uns jetzt mal dieses Sonderberater-Thema abschließen. Lass uns zur Literatur kommen. Wir haben nicht mehr so viel Zeit. Du hast Salman Rushdie zum zweiten Mal zu deinem Festival geholt. Wie ist dir das gelungen?
Rudolf Scholten
Man muss zuerst die Frage stellen, warum zum zweiten Mal? Weil wir sonst ein Prinzip verfolgen, das zwar einigermaßen anstrengend ist, aber sehr sinnvoll. Nämlich, dass wir nie jemanden zum zweiten Mal einladen. Auch die vielen, die als Lesende kommen, sind immer nur einmal. Die ganz große Ausnahme war Elisabeth Orth. Die haben wir, ohne sie zu fragen, im ersten Jahr zur Doyenne von !Literatur im Nebel" gemacht und sie daraufhin gebeten, jedes Jahr zu kommen, was sie liebenswerterweise auch bis auf die allerletzten Jahre, wo es ihr nicht gut ging, gemacht hat. Aber sonst niemand. Also sonst ist jeder und jede nur einmal da gewesen.
Und wir haben allerdings vor 20 Jahren begonnen mit Salman Rushdie als Hauptgast. Und jetzt haben wir 20-jähriges Jubiläum, womit wir auch nicht gerechnet haben. Im Gegenteil, ich habe sogar am Anfang gesagt, wir gründen da jetzt ein Literaturfestival. Unsere Absicht ist nicht, eines Tages 20-jähriges Jubiläum zu feiern. Weil alle, die was gründen, immer das gleich so epochal in die Wiese setzten oder in die Landschaft setzen. Und ich wollte unepochal einfach einmal was beginnen, was ungewöhnlich ist, weil man das an diesem Ort nicht vermuten würde. Und aber jetzt sind wir 20 Jahre geworden und dachten uns daher, dass diesen Bogen zu schließen eigentlich Sinn macht. Und außerdem würden wir uns freuen, wenn er wieder nach Österreich kommt. Und daher haben wir ihn eingeladen, wieder zu kommen.
Ich habe ihm vor 20 Jahren versprochen, dass er eines Tages stolz sein wird, die Liste unserer Gäste angeführt zu haben. Das war ein bisschen vollmundig damals, weil ich habe keine Ahnung gehabt, wie das funktionieren wird. Und jetzt, wenn er jetzt kommt, werden wir einen Bericht erstatten, dass er stolz sein kann. Wir haben Gäste gehabt von, ich weiß nicht, von Semprún bis Margaret Atwood und von Hertha Müller bis John Coetzee. Also wird ihn schon freuen, was wir damals mit ihm gestartet haben. Und jetzt kommt er eben um diesen Kreis zu schließen.
Fabian Burstein
Ganz pragmatische Frage: Ich habe mal Pussy Riot in eines meiner Häuser eingeladen, was ein unfassbares Sicherheitsrisiko war und auch mit den entsprechenden Aufwänden verbunden war. Ist es bei euch wahrscheinlich ähnlich, oder?
Rudolf Scholten
Das weiß ich noch nicht, wie wir das im Detail machen. Wie. In den Jahren, wo er ja häufig in Wien war, wo noch diese Fatwa buchstäblich geherrscht hat über ihn, haben wir damals mit den Beamten der Cobra. Das war großartig, diese Zusammenarbeit. Er, also Salman Rushdie selber hat gesagt, dass er wirklich schon viel mit Sicherheitsdiensten auf dieser Welt zu tun hatte. So gut wie in Österreich ist es ihm noch nie gegangen. Die haben dann bei seiner Abreise sich von ihm Bücher signieren lassen, was ihm noch nie passiert ist, dass das von den Sicherheitsbeamten so drängend ihm vor-, vorgeschlagen wurde. Also kurzum, ich hoffe, dass wir das gleich machen und dann wird es a) sicher sein, b) für das Publikum nicht störend und c) für ihn beruhigend.
Fabian Burstein
Aber er hat ja wirklich auch wirklich noch was zu sagen, muss man sagen. Also es ist ja auch wirklich jetzt jenseits des Namens, auch künstlerisch extrem wertvoll.
Rudolf Scholten
Ja absolut. Er hat inklusive einer Autobiografie jetzt drei neue Bücher geschrieben, die alle wirklich ganz großartig sind. Also ich freue mich sehr drauf, und und. Also um dem gleich zu widersprechen. Es ist natürlich für jedes Festival wunderbar, wenn es große öffentliche Aufmerksamkeit bekommt. Es geht nicht um ein Spektakel. Wir sind ein Literaturfestival und kein im herkömmlichen Sinn, also in dem populären Sinn des Wortes Spektakel.
Fabian Burstein
So und jetzt wirklich die letzte Frage: Abgesehen davon, dass wir geklärt haben, dass du unter Umständen noch ein drittes Mal kommst. Wann kommt denn jetzt der Babler endlich zu mir? Er hat mich schon dreimal abblitzen lassen.
Rudolf Scholten
Das ist eine gute Frage. Ich werde sie weiter tragen. Ich dachte, dass du eigentlich die wesentlichen Punkte, die du mit ihm besprechen konntest, wolltest, jetzt mit mir schon besprechen kannst. Aber wenn wenn du mir diese Fragen nicht stellst, die du eigentlich stellen würdest, dann muss ich mich darum kümmern.
Fabian Burstein
Vielen Dank. Danke, dass du da warst.
Rudolf Scholten
Gerne.
Autor:in:Fabian Burstein |