Das Orakel
Neues politisches System? Ein Land sucht Plan B.

In der 32. Folge von ‚Das Orakel‘ nehmen wir eine Umfrage von Market/Der Standard genauer unter die Lupe. Jede:r Zweite möchte ein neues politisches System in Österreich installieren. Nur, wie soll das aussehen? Was kann die Bundesregierung tun, um das bisherige System der versäulten Konkordanzdemokratie zu erhalten? Und wird die U17-Fußballnationalmannschaft Weltmeister? Fragen über Fragen, das Orakel hat die Antwort – manchmal.

Peter Hajek
Liebe Parteien, schreibt euch das ins Stammbuch. Ihr habt jetzt 2 Alternativen. Die eine ist: Ich tue das Richtige und verliere vielleicht auch da Wähler und Wählerinnen oder ich tue das Falsche und verliere aber mit ziemlicher Sicherheit die Wähler und Wählerinnen. Also – das Richtige und das Falsche – meine ich für den Staat, für die Gesellschaft. Und da gibt es für mich nur eine Alternative: Ich tue das Richtige, aber dafür mit der Aussicht, dass das der Wähler dann doch on the long run honoriert. Wenn ich das Falsche tue und das das Falsche ist, ich mache weiter wie bisher, dann werde ich auch irgendwann meine letzten Wähler und Wählerinnen verlieren, weil das auch ein biologischer Prozess ist.

Willkommen zum demoskopischen Podcast 'Das Orakel'. Mein Name ist Peter Hajek. Ich bin Meinungsforscher und Politikwissenschaftler und schaue mit Ihnen in die politische Gegenwart, immer wieder in die Vergangenheit und ab und zu auch in die Zukunft, die ja bekanntermaßen schwer zu prognostizieren ist.

Michael Stebegg
Hallo und herzlich willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, zur 31. Folge von ‚Das Orakel‘. Mein Name ist Michael Stebegg und mir gegenüber sitzt wie immer Meinungsforscher Peter Hajek. Hallo Peter.

Peter Hajek
Hallo Michael.

Michael Stebegg
Wenn man jetzt in den letzten Tagen und Wochen sich so die Nachrichten, aber auch die Kommentare zur österreichischen Innenpolitik anschaut, anhört, anliest oder durchscrollt, so bekommt man irgendwie den Eindruck, dass allerorten Pessimismus regiert. Die Wirtschaft schwächelt und schwächelt, mehr Schulden als angenommen, unser Budgetdefizit steigt wahrscheinlich auf 4,9%, mehr Sparpläne im Sozialbereich vor allem, miese Umfragewert für die Bundesregierung und quasi als i-Tüpfelchen ist in dieser Woche eine vom Standard veröffentlichte Umfrage, die das Market Institut gemacht hat, herausgekommen und dort wird von einem generell schwindenden Vertrauen der Bevölkerung geschrieben. Warum ist die Stimmung so schlecht?

Peter Hajek
Na ja, also warum die Stimmung so schlecht ist, das ist leicht. Also nichts leichter als das. Um das zu erklären: Also, es ist tatsächlich in Österreich so, dass einfach anstehende Reformen nicht durchgeführt werden. Warum das so ist, können wir nachher noch ein bisschen drüber reden. Das grundsätzliche wirtschaftliche Umfeld, insbesondere in Europa, ist auch nicht rosig. Wir haben sehr viele, nennen wir es einfach mal, militärische kriegerische Konflikte in unserem näheren und weiteren Umfeld. Und wir haben – das haben wir immer wieder besprochen – durch die Digitalisierung der Welt und die permanente Newsflutung immer das Gefühl, wir sind überall quasi direkt live dabei.

Also ich nehmen wir zum Beispiel einfach nur her, die Bürgermeisterwahl in New York mit Herrn Mandani. Und, also, zumindest jene Menschen, die politisch interessiert sind, mit denen ich spreche, haben dann alle über diese Wahl gesprochen und ich habe mir gedacht: Ich weiß nicht, haben wir vor zehn Jahren über die Bürgermeisterwahlen in New York gesprochen oder vor 20 Jahren oder 30? Ich kann mich erinnern. Der letzte Bürgermeister in New York, der Aufmerksamkeit erregt hat, war Rudy Giuliani, damals noch hochgelobter Bürgermeister mit seiner Zero Tolerance …

Michael Stebegg
… und the broken window theory.

Peter Hajek
Richtig, genau. Aber er war damit auch erfolgreich, das muss man schon sagen, das war in den 1990er Jahren. Ja, also das heißt, all das führt dazu, dass die Menschen das Gefühl haben, es wird immer schlechter, es wird immer furchtbarer und wir leider leider Gottes nicht das Gefühl entwickeln: ‚Jetzt gehen wir es wieder an, jetzt krempeln wir die Ärmel hoch.‘ Und ja, wir da und dort müssen wir halt, muss jeder seinen Teil dazu beitragen. Jeder wird eine Einsparung hinnehmen müssen. Wir schauen eh in Österreich immer drauf, dass die Schwächeren einen kleineren Beitrag als die als die Stärkeren zahlen oder beitragen können. Und dann mach ma das halt.

Michael Stebegg
Wie viele Weckrufe braucht die Bundesregierung noch?

Peter Hajek
Ich kann dir sagen, was passiert. Das Problem ist, beide Parteien, ÖVP und Sozialdemokraten, verharren in ihren Verhaltensmuster eben dieser letzten Jahrzehnte. Und sie machen nach wie vor Klientelpolitik. Sie schauen hauptsächlich auf ihre verbliebenen Wählergruppen.

Michael Stebegg
Die nicht mehr viel sind.

Peter Hajek
Und jetzt ist das große Problem: Sie haben die Sorge, dass wenn sie die auch noch vergraulen – also nur ein Beispiel: Dieselprivileg in der Landwirtschaft. Alle, alle, alle Expertinnen und Experten sagen, das gehört abgeschafft, das ist eine fehlgeleitete Steuerung. Aber die Parteien, beide Traditionsparteien, haben die Sorge, wenn sie dann ihre letzten vergraulen, dann gehen die auch noch verloren.

Und jetzt schreiben Sie sich das bitte – und liebe Parteien schreibt euch das ins Stammbuch: Ihr habt jetzt 2 Alternativen. Die eine ist: Ich tue das Richtige und verliere vielleicht auch da Wähler und Wählerinnen oder ich tue das Falsche und verliere aber mit ziemlicher Sicherheit die Wähler und Wählerinnen. Also – das Richtige und das Falsche – meine ich für den Staat, für die Gesellschaft. Und da gibt es für mich nur eine Alternative: Ich tue das Richtige, aber dafür mit der Aussicht, dass das der Wähler dann doch on the long run honoriert. Wenn ich das Falsche tue und das das Falsche ist, ich mache weiter wie bisher, dann werde ich auch irgendwann meine letzten Wähler und Wählerinnen verlieren, weil das auch ein biologischer Prozess ist. Das ist, was mich so staunend immer zurücklässt. Weil wie gesagt, es liegt alles am Tisch, ich brauche überhaupt nichts neu erfinden. Es liegt alles da. Und wenn man tatsächlich glaubt, dass der einzige … die einzige Aufgabe von Sozialdemokraten, mehr von den Sozialdemokraten, weniger von der ÖVP ist, die Freiheitliche Partei und Herbert Kickl zu verhindern, dann wird das so nicht gelingen. Es ist watschen einfach.

Michael Stebegg
Dazu passt eine Zahl aus der Market Studie, aus der Market Umfrage. Das ist nämlich …

Peter Hajek
Die Zahl der Woche.

Michael Stebegg
Die Zahl der Woche ist 47. Nämlich 47% wünschen sich eine grundlegende Änderung des politischen Systems. Das ist beinahe jeder Zweite. Ist das nicht alarmierend?

Peter Hajek
Stimmt. Also, ja stimmt. Die Fragestellung ist einerseits OK und hat aber andererseits trotzdem ein … nein, sie hat jetzt kein Problem, sondern sie gibt eine Antwort nicht und zwar, also: Wie lautet die Fragestellung konkret?

Michael Stebegg
Die Frage ist: ‚Es wird manchmal gefordert, dass das politische System in Österreich grundlegend geändert werden soll. Was meinen Sie, sollte das bestehende politische System in Österreich im Wesentlichen erhalten bleiben oder sollte es da eine grundlegende Änderung geben? Und da sagen eben 47%, ja, es sollte eine grundlegende Änderung geben und 53% sagen, nein, das bestehende System sollte erhalten bleiben.

Peter Hajek
Genau. Und wie war es in der Vergangenheit oder der letzten Welle?

Michael Stebegg
Das letzte Mal wurde das 2023 abgefragt und da war es so, dass 59% am bestehenden System festhalten wollten und 41% sich damals eine Änderung gewünscht haben. Gut, das heißt, es ist ein Shift in Richtung ‚Es muss sich was ändern‘.

Peter Hajek
Genau, also es gibt einen sanften Trend, nennen wir es mal so. Am Ende des Tages haben wir eine fifty-fifty Position. So, das ist an sich mal so ein erstes Fieberthermometer und wenn ich das über einen Zeitraum mach, ist das eine vollkommen OK-Fragestellung. Sie lässt aber die Vertiefung aus. Und jetzt 2 Gedanken dazu. Das erste ist, ich hätte eigentlich, wenn ich sage ‚das bisherige politische System‘ hätte ich zu mindestens in einem Satz beschreiben können, welches das denn ist.

Michael Stebegg
Und eine Frage drängt sich auf – was denn danach kommt.

Peter Hajek
Genau und das ist dann die zweite Frage: ‚Was ist das andere System?‘ Ja, also wie soll … also das heißt, ich muss zuerst klarmachen, wie schaut das jetzige System aus. Da könnte man sagen, politikwissenschaftlich, das System der versäulten Konkordanzdemokratie.

Michael Stebegg
Bitte noch einmal und bitte mit Erklärung.

Peter Hajek
Das System der versäulten Konkordanzdemokratie – von Anton Pelinka geprägt, wenn ich mich recht entsinne, der ja unlängst leider verstorben ist. Versäulte ist: Die Republik steht auf unterschiedlichen Säulen, wie zum Beispiel die Sozialpartner, die ja auch solche Säulen sind. Und die Konkordanzdemokratie ist eine Demokratie, die um Ausgleich und Kompromiss bemüht ist. Das ist eigentlich ziemlich eine tolle Beschreibung der zweiten Republik. Und das müsste man natürlich ein bisschen anders erklären. So und dann müsste ich aber, wenn ich jetzt sage, wie ist das andere System? Dann sollte ich eigentlich bei den Wählerinnen und Wählern nachfragen, was ist das eurer Ansicht nach? Jetzt weiß ich schon, dass man das für eine Medienumfrage nicht macht, weil das ist dann wirklich tiefergehend und das wäre spannend. Aber das ist die eigentliche Frage.

Michael Stebegg

Hast du sowas schon mal abgefragt?

Peter Hajek
Nein, haben wir nicht. Weil dafür haben wir kein Geld gekriegt von irgendeinem Auftraggeber. Vielleicht wollen sie es auch nicht wissen. Wir haben eh schon in vielen Podcasts mal darüber gesprochen, wie ich mir das vorstellen könnte. Das werden wir jetzt nicht vertiefen, das kann man gerne nachhören, aber …

Michael Stebegg
Verlinken wir eine Show Notes.

Peter Hajek
Genau. Ich hoffe, mir fällt nur ein, welcher das war, weil sonst musst du leider alle vergangenen Folgen durchhören.

Michael Stebegg
Da ein kurzer Einschub: Das ist relativ einfach, weil unsere Podcasts sind inzwischen auch transkribiert, nämlich auf Podcastradio.at kann man unsere Folgen nicht nur hören, sondern wer Podcasts auch gerne liest, dort alle Folgen auch nachhören. Und da kann man dann relativ einfach suchen.

Peter Hajek
Das ist ja super. Das ist, als hätten wir‘s uns ausgemacht, diese Werbeeinschaltung. OK, aber wie gesagt, die Frage ist: Was ist das neue politische System? Ich glaube, dass die Menschen dann einfach so, wie soll ich sagen, Standardantworten dann geben, wie: ‚Na, es ist eh nicht so schlecht, aber es soll schneller gehen und man muss auf die Bevölkerung mehr hören.‘ Und dann gibt es vielleicht die, die schon ein bisschen weiter sind, die sagen: ‚Es muss mehr Volksabstimmungen zum Beispiel geben.‘ Aber wie das dann genau aussehen soll, weiß in Wirklichkeit kein Mensch.

Michael Stebegg
Dazu ein kleiner Einschub, ein Kommentar im Standardforum, den ich hiermit vorlesen möchte: ‚Es muass sie wos ändan! Wos genau? Jo, des a! Wos jetzt? Na des ned! Sunst wos? Na eh ois! Ah so? Na eh! Passt.

Peter Hajek
Ja, sehr schön. Das ist sehr österreichisch auch zu einem gewissen Grad, Wird nur noch eins drauf gesetzt – ich glaube, es war Josef Weinheber, der gesagt: ‚Wauns noch mia gingat, i schaffad ollas o.

Michael Stebegg
Sehr gut. Wenn man jetzt diese Gruppe der ‚Wir wollen es anders haben, wissen aber nicht genau, wie.‘ hernimmt – was sie schon wissen, ist: Sie wollen die Bundesregierung nicht, wenn man sich die aktuellen Zahlen anschaut. Es gab nämlich auch in dieser Market Studie eine aktuelle Hochrechnung, also zur Sonntagsfrage und da kommt die FPÖ auf 37%, das sind 8 Prozentpunkte mehr als bei der Nationalratswahl, die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ auf jeweils nur mehr 19% und die Neos sind stabil bei 10%, die Grünen sind bei 11%, KPÖ der Vollständigkeit aber würde bei 3% liegen. Ist die ÖVP jetzt tatsächlich unter die 20% Marke gefallen?

Peter Hajek
Ja, kann schon sein, dass sie jetzt durch die Wirtschaftskammer-Geschichte ein bisschen nachgegeben haben, aber ich wäre da … grundsätzlich passt der Trend, den Marktet da hat …

Michael Stebegg
Der nach unten geht.

Peter Hajek
Nein, sie werden keinen Rückenwind haben. Wie es dann am Ende des Tages ausschaut, ja, das können wir vielleicht irgendwann mal vor der nächsten Wahl feststellen.

Michael Stebegg
Es gab noch eine andere Umfrage, das war jetzt die Sonntagsfrage in der Steiermark, die kam auch am Wochenende raus. Und da liegt die FPÖ bei 42%. Ist das jetzt … es geht nur um die Steiermark, aber auch da haben sie extrem zugelegt und die ÖVP ist in der Steiermark auch auf 18% runtergerasselt, muss man fast sagen. Spiegelt das jetzt eher den Landestrend wider, weil dort auch der Landeshauptmann ja von der FPÖ gestellt wird? Oder ist das auch ein Ausblick auf die Bundesebene?

Peter Hajek
Na ja, also das sind 2 Gedanken dabei, trennen wir die bitte kurz. Erstens die Freiheitlichen in den einzelnen Bundesländern waren schon stark, bevor es zur Nationalratswahl gekommen ist und zu möglichen Koalitionsverhandlungen mit Herbert Kickl. Also das heißt ja, es wird einen Rückenwind geben aus dem Bund, aber die eigenen Landesparteien sind alle miteinander schon sehr lange Zeit sehr stark. Also zum Beispiel die Freiheitlichen in Oberösterreich sind schon in der zweiten Legislaturperiode. Sie sitzen in der Landesregierung in Niederösterreich, in Salzburg und das war schon längere Zeit vor der Nationalratswahl eben. Das ist da der eine Gedanke.

Der zweite Gedanke ist – die Umfragedaten. Und da muss man zuerst einmal sagen, es ist eine Umfrage, die zwar von der Kronen Zeitung publiziert wurde, aber nicht von der Kronen Zeitung in Auftrag gegeben wurde – in der steirischen, sondern von den Freiheitlichen in der Steiermark bei OGM in Auftrag gegeben wurde. Und wahrscheinlich war das dann so, dass gar kein Publikation geplant war. Und OGM hat halt die Zahlen geliefert und wie es dann oft so ist, halten es Politikerinnen und Politikern nicht aus, wenn sie gute Zahlen haben und die sie nicht der Öffentlichkeit kund tun.

Michael Stebegg
Das ist was sehr Menschliches.

Peter Hajek
Ja, und man muss sagen, die Kronen Zeitung hat das auf 3 Seiten auch sehr breit ausgewalzt. Jetzt würde ich das mal so einschätzen, dass ich sag: Ja, dass die Freiheitliche Partei von ihrem letzten Wahlergebnis vor einem Jahr von 35% sich weiter nach oben entwickelt, ist nicht unplausibel. Dass sie bei 42% hält – da wäre ich mal sehr vorsichtig. Weil ich auch in diesem Fall haben wir es mit einer reinen Online-Umfrage zu tun. Auch das schon sehr oft hier erklärt: Online Umfragen sind nicht schlecht, aber wir haben einfach in den Online-Panels einen positiven blauen Bias und einen negativen schwarzen oder türkisen Bias. Und dementsprechend würde ich rein vom Gefühl her die Freiheitlichen tendenziell eher vielleicht nur an der 40% Marke sehen und dafür die ÖVP etwas höher. Aber der Trend, der passt schon. Also das klingt sehr plausibel.

Michael Stebegg
Kurz zurück zur ÖVP, also die jetzt … wo der Trend eher nach unten geht. Liegt es auch am Bundeskanzler Christian Stocker oder auch seiner Absenz, er war ja die letzten Wochen krankheitsbedingt …

Peter Hajek
Nein, das liegt nicht an Stocker. Es liegt einfach daran, dass die Menschen in dem Land das Gefühl haben, es geht nichts weiter. Und die – jetzt bin ich wieder bei dem, was ich vorher gesagt hab – Koalitionäre drehen immer hier ein Schräubchen, da Schräubchen, dort am Schräubchen. Jetzt wie gesagt – also wir kommen ja jetzt am Donnerstag raus – jetzt morgen, Freitag, soll es ja möglicherweise eine Einigung beim Stabilitätspakt geben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Und genau das wird dort passiert sein: Wir machen hier ein Schräubchen, da Schräubchen, dort ein Schräubchen. Aber es wird dort wahrscheinlich nicht entschieden werden: ‚Ja, okay, der Bund übernimmt das gesamte Gesundheitssystem, währenddessen die Länder von mir aus die Bildung übernehmen, außer die inhaltliche Bildungshoheit, die dann beim Ministerium bleibt.‘ Sowas wird es nicht spielen.

Michael Stebegg

Aber warum nicht?

Peter Hajek
Ja, weil dann jeder wieder auf seine Einflussbereiche schaut und dann kommt jedes Mal das typische Österreichische: ‚Jössas na, das geht nicht, weil das ist ja so kompliziert.‘ Und man muss mal hergehen und sagen: Ja dann entflechten wir es und machen es halt weniger kompliziert. Das ‚Geht ned, gibt's ned‘ ist zwar ein Slogan, den Sepp Schellhorn in Salzburg verwendet hat, aber er ist halt richtig. Das ist ja kein Zugang. Aber dadurch verliert die Bevölkerung … das ist der größte Vertrauensverlust. Es geht nicht darum, dass man mal politisch eine Fehlentscheidung trifft. Aber die Menschen haben einfach nicht das Gefühl, dass die Reformen, die angegangen gehören werden müssen, einfach nicht gemacht werden. Und das haben wir letzte Woche schon gesagt …

Michael Stebegg
… und vorletzte Woche und vor 3 Monaten. Kurz noch – ich möchte gern beim Politiker-Ranking bleiben. Du hast nämlich die Performance der Spitzenpolitiker:innen in den letzten 2 Wochen abgefragt für die Tageszeitung Heute. Und eine Zahl, die ich da hervorheben möchte – weil wir eben davon reden, dass wenn du unpopuläre Maßnahmen triffst, sofort irgendwie negativ abgestraft wirst – ist der Herr Markus Marterbauer. Der nämlich der einzige von der Regierung ist, der ein ausgeglichenes Saldo hat. Also der hat 22% positive Nennung und 22% negative Nennung. Und sticht damit, ich nehme jetzt ein Beispiel heraus, den Herrn Babler, der mit 18% positiven Nennung zu 50% negativen Nennung hat …

Peter Hajek
Da hast du dir genau das schlechteste Beispiel genommen, weil der Babler damit noch schlechtere Werte hat als der Kickl.

Michael Stebegg
Gut, aber gleiche Partei, immerhin, ja sogar selbe Partei. Nein, aber du hast ja schon mal gesagt, dass der Herr Marterbauer ein möglicher Politstar werden könnte oder ist. Und ich mein, er kommuniziert ja unpopuläre Entscheidungen, ja. Er muss den Sparkurs, das Sparpaket präsentieren, aber die Leute goutieren das ja auch doch. Warum übernehmen das dann nicht andere Politiker:innen auch?

Peter Hajek
Na gut, also jetzt weiß ich nicht, warum es die anderen auf ihre Art und Weise machen. Marterbauer – haben wir schon auch sehr oft gesagt – ist authentisch, er hat Substanz, er kennt sich aus. Und das für die Menschen auch klar erkennbar. Also man sagt, er ist, sehr verkürzt gesagt, der linke Ökonom, whatever that means. So, dadurch hat er einen Vorteil, weil ihn die Menschen als greifbar und auch – immer gefährlich – als ehrlich erleben. Wann wird Markus Marterbauer zum Star? Wenn er nicht bei dem Schräubchen-Schräubchen-Schräubchen-Spielen mitmacht, sondern wenn er tatsächlich die anderen politischen Player insbesondere Länder und Gemeinden, aber natürlich auch die Sozialversicherung, von mir aus auch die Ärztekammer, also wenn man das Ding ein bisschen größer denkt und eine tatsächliche Reform zumindest einleitet. Wo man sagt, OK, das geht jetzt mal in die richtige Richtung. Dann wird er zum Star. Sonst würde nur ein als grundehrlicher Politiker wahrgenommen werden, Finanzpolitiker.

Michael Stebegg
Eine weitere Frage in dieser Market Studie, die im Standard erschienen ist, war: Wie wichtig – weil es heute schon ein paar Mal gefallen ist, wie wichtig die Sozialpartnerschaft für dieses System ist? Und da ist die Zustimmung in den letzten 2 Jahren von 33% auf heute 27% gesunken. Was sagt uns das?

Peter Hajek
Ja, nicht viel eigentlich. Weil auch 33% vor 2 Jahren war schon schlecht. Also from bad to worse. Die 27 müsste man sich anschauen, müsste man einen möglicherweise einen – na, ich sag jetzt nicht, welches statistische Format, sonst ruft wieder irgendwer an und sagt, das ist das falsche Format – aber man müsste sich anschauen, gibt es einen signifikanten Unterschied zwischen diesen beiden unabhängigen Stichproben? Weil es kann auch sein, dass die 33% und 27% gar nicht signifikant sind. Dann ist es eigentlich aus unserer Sicht dasselbe Ergebnis.

Es gibt aber einen zweiten interessanten Wert in dieser Umfrage, nämlich sagen – glaub ich – 45%: ‚Die leisten eine gute Arbeit die Sozialpartner.‘ Und das haben wir, glaub ich, auch schon ein paar Mal erwähnt, wir haben ja für die unterschiedlichsten Sozialpartner auch schon Umfragen gemacht. Und es ist wirklich interessant: die Menschen, die mit der Interessensvertretung Kontakt hatten – also Mitglieder der Wirtschaftskammer wollen eine Rechtsauskunft oder irgendeine Unterstützung, Förderung, was auch immer – die sind dann auffällig zufrieden. Wir sehen, dass das bei der Arbeiterkammer genauso ist, bei der Landwirtschaftskammer genauso. So, das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist: Wir sehen das auch in anderen Bereichen. Also, wir sehen, dass Menschen, die im letzten Quartal Kontakt mit dem Gesundheitssystem hatten, auffällig positiver über das österreichische Gesundheitssystem reden, als jene, die im letzten Jahr keinen Kontakt – glücklicherweise muss man sagen – keinen Kontakt hatten. das heißt, wenn du einen Touchpoint hast, dann sind die Menschen zufrieden. Und das heißt eigentlich – würde man im politischen Kampagnensprech sagen –, sie müssen hinaus zu den Menschen. Das könnte man eigentlich der Wirtschaftskammer auch nur raten. Sie haben ja genug Mitarbeiter mit 5.600. Und dann sag ich: Vielleicht gehts raus zu den Mitgliedern und redet miteinander.

Michael Stebegg

Einen haben sie nicht mehr, den Mahrer, der ist weg. Und wenn wir jetzt schon über diese politischen Reformen die ganze Zeit sprechen. Was ich das Gefühl hab, ist: Als es noch darum ging, ob er seinen Job behält, hieß es: ‚Ja, also selbst wenn er weggeht, das kann nicht das Einzige sein. Es müssen grundlegende Reformen her.‘ Et cetera. Dann war er weg. Dann glaube ich, habe ich noch einen Artikel gelesen mit, dass man da jetzt was tut. Und jetzt ist es wirklich so, getreu dem Beamtenmotto: Bei Reformen – gelesen, gelacht, gelocht, ja. Und es ist weg. Also, ich meine, gut, ja, es gibt andere Probleme, aber es ist dieses – ich finde es so typisch, weil vorher: ‚Nein, also sein Rücktritt kann nur der Anfang eines grundlegenden …‘

Peter Hajek
Ja, ja, aber natürlich ist es so. Und das ist ja das Problem an solch selbstreferenziellen Systemen, wie es zum Beispiel die Wirtschaftskammer ist, nur als Beispiel. Weil solche Systeme haben wir sehr viele in Österreich und genau diese Systeme sind ja auch zumindest der Bremsklotz für Reformen. Weil wenn sich die Wirtschaftskammer intern verändern würde, würde sich vielleicht auch nach Extern etwas verändern. Der Punkt ist einfach: Das System funktioniert seit Jahrzehnten so. Und jetzt ist der Präsident gegangen, aber du hast noch immer die Landespräsidentinnen und Präsidenten und du hast die … es ist einfach ein wahnsinnig komplexes System, weil du hast die Sparten und die Fachgruppen, du hast die Vollversammlung …

Michael Stebegg
Mir wird schon ganz schwindelig

Peter Hajek
… die Länderparlamente, ja. Es ist wahnsinnig komplex. Und die Menschen, die in diesem System ihr Engagement und ihre Arbeit auch einbringen – das wollen wir denen gar nicht in Abrede stellen – aber leben auch ganz gut davon. So und jetzt musst du einem System sagen, pass auf: Verändert euch von innen und das könnte aber durchaus zur Folge haben, dass es den einen oder anderen vielleicht nicht mehr braucht. Ja, das wird schwer. Und dementsprechend verwundert mich die derzeitige noch immer Schockstarre der Wirtschaftskammer: Jössas‚ was machen wir jetzt?‘ Und natürlich ist der Satz richtig. Der Rücktritt von Mahrer ist vielleicht gerechtfertigt, aber das kann maximal der erste Dominostein gewesen sein, den man umgestoßen hat.

Michael Stebegg
Ja, nur ist er daneben gefallen.

Peter Hajek
Genau richtig. Er ist schräg umgefallen, die anderen stehen noch da.

Michael Stebegg
Bei uns ist es so, dass der Dominostein in die richtige Richtung geflogen ist und alle jetzt umfallen sind. Ich habe alle Themen abgehandelt, die ich auf meinem schlauen Spickzettel gehabt habe. Damit sind wir nämlich am Ende der 32. Folge angelangt – fast am Ende! Weil einen habe ich noch: Diese Episode erscheint am Donnerstag, den 27.11. um 06:00 Uhr früh. Ziemlich genau 11 Stunden später findet das Finale der U 17 WM, eine der wenigen Lichtblicke in dieser sonst so trostlosen Zeit, statt. Und zwar sensationeller Weise mit Österreich gegen Portugal. Und jetzt frage ich das Fußballorakel – und alle, die dann erst danach diese Sendung, diese Episode hören, können überprüfen, ob das Orakel recht hatte. Was ist der Fußball-Orakel-Tipp für das Finale Österreich gegen Portugal der U 17 WM?

Peter Hajek
Es wird das bessere, möglicherweise auch das glücklichere Team gewinnen. Aber natürlich hoffe ich, dass das Österreich ist.

Michael Stebegg
Was ja dann passen würde mit 'Tu Felix Austria' – wir haben ja das Glück …

Peter Hajek
‚Nube‘?

Michael Stebegg
OK, dann ‚Bella gerant alli.“ – jetzt sind wir wirklich am Ende. Wir sagen vielen Dank fürs Zuhören. Die nächste Folge erscheint dann am Donnerstag, den 11. Dezember. Wenn Sie die Folge nachhören möchten, dann bitte gehen Sie auf dasorakel.simplecast.com oder überall dorthin, wo es gute Podcasts gibt. Wenn Sie uns eine Frage stellen wollen oder etwas anderes aus dieser Folge hören, oder mit uns reden möchten, schreiben Sie bitte sehr gern an frag@dasorakel.at Wir sagen: Vielen Dank fürs Zuhören, bis zum nächsten Mal.

Peter Hajek
Das Orakel.

Autor:in:

Michael Stebegg

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