Ganz offen gesagt
Wie verändern Klimaklagen die Gesellschaft?

Michaela Krömer, Rechtsanwältin und Gründerin des Klimarechtsvereins CLAW, spricht mit Saskia Jungnikl-Gossy darüber, was Klimaklagen tatsächlich verändern können, wann eine Klage strategisch sinnvoll ist und was sie antreibt.

Saskia Jungnikl-Gossy
Herzlich willkommen bei Ganz offen gesagt. Mein Name ist Saskia Jungniglgossi und ich freue mich sehr, dass ihr dabei seid. Und ich freue mich sehr über meinen heutigen Gast. Das ist Michaela Krömer. Sie ist Rechtsanwältin, Gründerin des Klimarechtsvereins CLAW und eine der engagiertesten Stimmen, wenn es darum geht, das Recht als Werkzeug für Klimaschutz einzusetzen. Wir sprechen heute über den Stand der Klimakrise zum Jahreswechsel und über die Frage, was Klimaklagen tatsächlich verändern können. Hallo Michi, schön, dass du da bist.

Michaela Krömer
Hallo, danke für die Einladung.

Saskia Jungnikl-Gossy
Wir beginnen immer mit unserer Transparenzpassage. Erstens, woher wir einander kennen. Wir kennen einander nicht. Nein, haben mich gerade kennengelernt. Genau. Und die zweite Frage ist, ob du bei einer Partei politisch tätig bist.

Michaela Krömer
Nein, bin ich nicht.

Saskia Jungnikl-Gossy
Dann möchte ich damit beginnen, was du eigentlich machst und wofür du stehst. Also du bist Klimaanwältin, du bist Rechtsanwältin. Aber was ist das eigentlich? Klimaanwältin sein.

Michaela Krömer
Im Prinzip ist es Rechtsanwältin sein. Was machen Rechtsanwältinnen? Rechtsanwältinnen gehen zu Gericht und fordern Rechte ein, wenn Rechte verletzt werden? Also ich bin so gesehen stinknormale Rechtsanwältin. Das, was es vielleicht besonders macht, ist, womit ich mich befasse und warum ich in den Gerichtssaal gehe. Ich verwende Recht, um mehr Klimaschutz einzufordern. Und zwar natürlich nur da, wo es möglich ist, da, wo Rechte verletzt werden. Das heißt, ich beschäftige mich tatsächlich, wie die Klimakrise, die Biodiversitätskrise und dann auch die Plastikkrise in den Gerichtssaal reinkommt. Das ist leider notwendig geworden. Warum? Weil bei diesen ganzen großen Krisen der Gesetzgeber auslässt. Also was wir da beobachten können, ist, dass aus unterschiedlichsten Gründen eine Situation entstanden ist, wo die Politik ihre Aufgaben nicht in der Form wahrnimmt, wie sie wahrnehmen müsste und das so weit geht, dass Rechte verletzt werden. Sonst hätte ich als Rechtsanwältin hier überhaupt keine Aufgabe oder keinen Auftrag. Und somit ist eine Aufgabe entstanden, die ich eigentlich ursprünglich gar nicht wollte und die ich jetzt angenommen habe.

Saskia Jungnikl-Gossy
Und gab es da irgendwie. Also du hast ja lange als klassische Juristin gearbeitet. Wann kam denn der Punkt oder wie war das, als du gesagt Ich will jetzt mein Wissen anders einsetzen. Also wo war so dieser Sprung?

Michaela Krömer
Ich habe es eh schon gesagt, eigentlich eine Aufgabe, die ich nicht wahrnehmen wollte. Also ich habe, ich bin persönlich ein sehr ängstlicher Mensch, habe schon früh über die Klimakrise gelesen und über die Biodiversitätskrise und es macht mir wahnsinnig viel Angst und ich finde es sehr belastend und erdrückend oft Und habe mir Puh, also ja, natürlich, der gehört was gemacht, aber eigentlich, ich möchte es nicht sein. Und habe mich dann so ein bisschen herumgeschummelt, hab Ja, ich mache jetzt einfach Menschenrechtsverfahren, weil mir ist die Welt ein Anliegen, mir ist die Gesellschaft ein Anliegen und ich möchte gern was Sinnvolles tun. Und habe dann aber im Laufe meiner Arbeit festgestellt, dass ich mich selbst nicht ernst nehmen kann, weil die Klimakrise ist die größte Krise. Der Grund und Menschenrechte, wenn wir das nicht hinbekommen, dann haben alle unsere anderen Rechte an Bedeutung verloren, weil sie natürlich auch verletzt werden. Also das eine geht nicht ohne das andere. Und dann habe ich mir gedacht, okay, ich möchte nicht irgendwelche Klein Klein Dinge machen, dafür ist mir meine Zeit wahrscheinlich zu schade. Und dann habe ich meinen Mut zusammengefasst und hab entschlossen, die erste Klimaklage zu machen. Und dann hat halt die eine Klage zu vielen anderen Klagen geführt.

Saskia Jungnikl-Gossy
Magst du erzählen von dieser ersten Klage?

Michaela Krömer
Inspiriert war ich, wie wahrscheinlich viele Anwältinnen in Europa, durch das Verfahren in den Niederlanden, durch diese Offendaklage, die ja bereits 2015 vor dem ersten Gericht gewonnen wurde. Und das war so eine bestechende Logik, oder es ist so eine bestechende Logik.

Saskia Jungnikl-Gossy
Magst du es ausführen?

Michaela Krömer
Menschen sind in den Niederlanden vor Gericht gegangen, haben gesagt, die Politik tut nichts, die Klimakrise ist bedrohlich und die ist so bedrohlich, dass sie unsere Grund und Menschenrechte bedroht und verletzt ihr der Staat. Die Politik muss was tun. Und dann ist die niederländische Politik tatsächlich zu mehr Klimaschutz verurteilt worden. Es ist ganz einfach im Kern. Und das Revolutionäre war zu sagen, Klimaschutz ist ein Menschenrecht und damit vor Gericht zu gehen, das war am Anfang eine vollkommen verrückte Idee und eigentlich auch so logisch. Und diese Kombination von verrückt und logisch hat mich fasziniert. Und natürlich die Grund und Menschenrechte sind in Holland dieselben wie in Österreich. Und ja, logisch muss man das in Österreich einfordern. Und ich habe mir dann einfach auch lange gedacht, ja, das wird schon wer machen, das ist so logisch. Dann kommt man halt irgendwie drauf, okay, es macht keiner. Ja, und dann gären diese Fragen oder bei mir war das so. Und dann habe ich mir gedacht, okay gut, wenn es keiner macht, dann mache es halt ich. Dann bin ich an unterschiedliche Umweltorganisationen herangetreten. Zu dem Zeitpunkt war ich mit niemand von dem in Kontakt. Ich kannte keinen, ich war nicht in der Umweltrechtsszene gut vernetzt oder sonst irgendwie. Ich habe einfach meine Menschenrechtsverfahren gemacht.

Saskia Jungnikl-Gossy
Das war vor ungefähr zehn Jahren.

Michaela Krömer
Nein, ich habe angefangen zu reden. 2018, 2019 habe ich dann begonnen zu arbeiten und im Februar 2020 habe ich die erste Klimaklage eingebracht. Also es hat dann alles gedauert. Großes Problem nach wie vor, damals wie heute, ist auch natürlich die Finanzierung von diesen gemeinnützigen Verfahren.

Saskia Jungnikl-Gossy
Reden wir kurz über deinen Start: Du hast dann den Verein gegründet.

Michaela Krömer
Ich habe dann gemerkt, dass es tatsächlich eine Struktur braucht, um diese Dinge nachhaltig machen zu können. Also mit einer Klage ist es nicht getan, schön wär's. Und dass man dafür natürlich Fremdfinanzierung braucht und dass ich dafür auch Menschen brauche, die mich unterstützen bei der Recherche, auch bei der Kommunikation. Klimaklagen sind ein Puzzlestein einer Zivilgesellschaft. Die funktionieren nicht als Einzel Werkzeug. Die brauchen schon auch die Unterstützung. Also Klimaklagen gehören verstanden, gehören kommuniziert und es braucht eine Zivilgesellschaft, die das mitträgt. Am besten vielleicht als Beispiel für diese strategischen Verfahren ist die Ehe für alle. Die Ehe für alle wurde vom Verfassungsgerichtshof dann entschieden, positiv entschieden für alle. Aber vor diesem Gerichtsverfahren gab es schon einen ganz starken gesellschaftlichen Diskurs darüber, warum dürfen nur bisher bis dato dann damals Mann und Frau verheiratet sein? Wieso ist diese Form eines Liebesvertrags nur für Menschen von unterschiedlichen Geschlechtern möglich? Und die Gerichte reagieren schon auf gesellschaftspolitischen Diskurs, auf Werte und auf Wahrheiten, die in einer Gesellschaft kursieren. Und insofern kann man diese Klagen nicht isoliert von dem sehen, was rundherum passiert. Und der zweite Punkt, warum das so ist, Gerichte können ja nur Politik auf Verfehlungen aufmerksam machen. Also sie können ja nur dann einschreiten, wenn Rechte verletzt sind. Sie können der Politik nicht aufdoktrinieren was sie genau zu tun hat. Sie können die Rahmen vorgeben und dann braucht es natürlich politischen Druck zu sagen, so und jetzt setzt das um und macht jetzt das und das und das konkret, weil ihr habt ja unsere Rechte verletzt. Also das ist etwas, was nicht von einem Schriftsatz und von den Anwältinnen, die ihnen einbringen, alleine getragen werden kann.

Saskia Jungnikl-Gossy
Sind Klimaklagen da irgendwie ein bisschen diffuser als andere Klagen? Ist das eine Schwierigkeit oder eine Herausforderung? Also wer hat das Recht, wann worauf wen zu klagen? Ist das vielleicht bei Klimaklagen ein bisschen schwieriger zu definieren?

Michaela Krömer
Es braucht ein bisschen mehr Zeit, um rauszufinden, was möglich ist, was irgendwie logisch ist, wenn man aus einem System heraus versucht, ein System weiterzuentwickeln. Ich finde das beste Beispiel dafür ist ein bisschen Yoga. Also die Klimaklagen tragen an Gerichte heran, eine bestimmte Yoga Position etwas weiter auszuführen. Also das heißt, wenn ich jetzt eine Position habe, wo ich mich dehne, die Zehen komplett zu umfassen. Gerichte können keine andere Position einnehmen, als im Gesetz vorgeschrieben ist, aber sie können, da haben sie trotzdem einen großen Spielraum und das kennt jeder von Yoga. Auf einmal mache ich dieselbe Position und es ist komplett was anderes, aber ich habe eigentlich nicht meine Grundhaltung verändert. Und um das geht's. Und da rauszufinden, wo die Spielräume sind, wo Gerichte tatsächlich legitimerweise etwas tun können, das erfordert sehr viel Arbeit. Und deswegen braucht es eben auch so einen Verein, der als eine Art Thinktank hier agiert, um wirklich zu überlegen, wer gegen wen und warum und was macht Sinn. Weil diese Klagen und der Anspruch an diese Klagen ist, dass man, ich sage immer, nicht rot werden muss dabei. Also ich kann mich in den Spiegel schauen und das kann ich legitimerweise argumentieren, vielleicht bekomme ich nicht recht, aber es ist solide mit diesem Handwerk gearbeitet worden. Das ist der Anspruch.

Saskia Jungnikl-Gossy
Wie funktioniert denn diese Arbeit mit dem Verein quasi? Wenden sich Menschen an euch? Stoßt ihr selbst auf mögliche Klagen? Wie funktioniert das? Und wenn dann eine potenzielle Klage da ist, unterscheidet sich die Arbeit daran, also die Anfangsarbeit von einer anderen Klage oder ist das so von der Struktur her gleich?

Michaela Krömer
Also wie finden wir die Fälle? Das ist sehr unterschiedlich. Es ist wirklich ein Dialog. Einerseits treten Menschen an uns heran, wobei ich sagen muss, bisher war das beschränkt erfolgversprechend aber doch immer wieder. Und wir treten an Expertinnen heran. Also wir treten, wir wissen ja, was so die heißen Themen sind und dann reden wir mit Expertinnen und Vereinen, die in diesem Gebiet schon sehr, sehr lange tätig sind. Und die Probleme sind ja bekannt. Und dann recherchieren wir und überlegen uns, wie wir einen Weg finden. Und das ist ein sehr kreativer Prozess, der oft in Schleifen geht. Sehr oft verwerfen wir etwas, greifen es wieder auf, hat sehr viel mit dranbleiben und Hartnäckigkeit zu tun. Deswegen auch klaw die Kralle nicht locker lassen. Und wenn dann eine Idee steht, wenn die Klägerinnen bekannt sind, wenn die Finanzierung da ist, dann ist es ein ganz normaler. Es ist kein ganz normaler Schriftsatz, ist ein sehr aufwendiger Schriftsatz, weil man natürlich oder weil viele Argumente das erste Mal vorgebracht werden, weil die Gerichte mit neuen Fakten konfrontiert werden, weil wir sicherstellen, dass die Gerichte tatsächlich verstehen, worum es hier geht, Was ist tatsächlich das Problem? Und da muss man sagen, die fossilen Narrative in unserer Gesellschaft sind ja viel bekannter als die Alternativen. Und auch diese Arbeit muss man dann in diesem Schriftsatz leisten. Also diese Schriftsätze sind schon länger und ausführlicher. Manchmal fühlt sich es an wie eine Doktorarbeit, aber ja, letztlich sitzt man dann vor dem Computer und schreibt und schaut, dass jeder Satz, jeder Punkt und jeder Beistrich sitzt und wie wir dann so sagen, dass es runtergeht wie Butter, dass man einfach liest und ja, okay, ja, das macht Sinn.

Saskia Jungnikl-Gossy
Vielleicht brechen wir es noch einmal kurz runter. Was ist eine Klimaklage?

Michaela Krömer
Eine Klimaklage ist ein Gerichtsverfahren, mit dem mehr Klimaschutz eingefordert wird. Da gibt es unterschiedliche Verfahren. Prinzipiell richten sich die meisten Verfahren einmal in erster Linie gegen die Staaten, was logisch ist, weil der Staat hat eine Schutzfunktion. Der Staat hat Aufgaben für die Allgemeinheit tätig zu sein, weil wir als Allgemeinheit ja Vertreterinnen gewählt haben, die bitte schaut, dass das große Ganze funktioniert. Und in zweiter Linie richten sie sich dann gegen große Konzerne und Unternehmen. Die Logik dahinter ist, dass viele Konzerne mächtiger sind als Staaten, mehr Geld, mehr Macht haben und auch einen ganz, ganz großen Anteil daran haben, dass die Welt so ist, wie sie jetzt ist. Also wenn man jetzt die großen Öl und Gasunternehmen hernimmt, die wissen schon sehr, sehr lange, spätestens seit den er Jahren, aber auch schon früher was für Auswirkungen und Konsequenzen ihre Unternehmen haben und fahren verdammt hohe Gewinne damit ein und daraus erwächst dann schon auch eine Verantwortung. Das ist auch nicht so unlogisch. Also es gibt auch in Österreich Judikatur, also Entscheidungen vom obersten Gerichtshof, der immer wieder auch besonders gefährlichen Betrieben aufgetragen hat, dass sie zwar das dürfen, wenn der Gesetzgeber das erlaubt, aber dass sie dann für den Schaden, den sie damit an Dritten verursachen, auch kompensieren müssen. Also der Gedanke, dass wenn ich ein großes Unternehmen bin mit gefährlichen Produkten Gewinne erzielen kann, dass da eine Verantwortung heraus entsteht, das ist nicht so fremd. Die Dimensionen ändern sich, Also die Dimensionen, die wir in der normalen Gesellschaft durch die Klimakrise sehen, das verändert sich natürlich auch im Rechtsbereich, dass man sagt, die Fragen sind jetzt natürlich viel größer als früher, aber die Fragen an sich sind nicht unbedingt neu.

Saskia Jungnikl-Gossy
Aber das stimmt, es ist ja schon, weiß nicht ob immer, aber sehr lange Zeit so, dass eben Unternehmen auch Abschlagszahlungen leisten dafür oder was sie, also quasi um wieder gutzumachen, was sie verursachen oder so.

Michaela Krömer
Und dann, wenn wir denken an die Tabakindustrie, ist ein tolles Beispiel, wo sehr lange sehr viel möglich war mit einem Produkt, das massiv gesundheitsschädigend ist, das aber verkauft wurde als ein Lifestyle Produkt, das so wie ein Junkfood funktioniert hat, wo jeder wusste eigentlich nein, aber ich will es unbedingt haben, weil es ist einfach wirklich geil. Und dann einfach Verfahren auch angefangen haben, diesen Diskurs zu verändern. Also das ist eine zweite Facette von diesen politischen Klimaverfahren, dass sie den Diskurs verändern können, dass sie Lobby Narrative aufbrechen können. Das ist zumindest der Anspruch.

Saskia Jungnikl-Gossy
Aber heißt das auch, dass quasi Klimaklagen jetzt auch zunehmend einen neuen Schauplatz eröffnen im Kampf gegen die Klimakrise, dass quasi der zunehmend auch vor Gericht bestritten wird? Wird sich das ein bisschen mehr verlagern oder verlagert sich schon?

Michaela Krömer
Das sind die Prognosen, ja. Also was man beobachten kann, das ist eigentlich sehr spannend, dass wir einerseits eine Phase haben, wo das Pariser Klimaabkommen und die ganzen Cops eine nach der anderen immer mehr in die Bedeutungslosigkeit versinken, wo man einfach das Gefühl hat, das ist jetzt schon so ein offenkundiges Verneinen von dem Ziel, wenn ich bei einer Klimakonferenz mehr Öllobbyisten als Klimaaktivisten habe, beispielsweise. Und parallel dazu, und das ist wirklich parallel dazu, weil es war einige Monate davor, die internationalen Höchstgerichte immer schärfer und immer klarer die Staaten daran erinnern, dass sie eine rechtliche Verpflichtung haben, Klimaschutz zu betreiben und dass diese rechtliche Verpflichtung auch ganz besonders heißt, dass fossile Energieträger kürzer als länger abgeschafft werden müssen, dass wir aus dieser Form der Energiegewinnung raus müssen, sonst funktioniert es nicht. Das ist die Wurzel des Übels. Und das ist sehr spannend. Das heißt, je gravierend offensichtlicher die politische Realität vor der Realität die Augen zumacht, also je mehr das politische System versagt, umso größer ist die Aufgabe der Gerichte, hier reinzugehen und auch noch das System zusammenzuhalten, die Balance zu kriegen. Das sind ja unterschiedliche Aspekte einer gelebten Demokratie. Und wenn der eine sehr, sehr stark auslässt, muss der andere mehr tun, damit die Balance bleibt. Das Ziel wäre natürlich von allen, die Klimaklagen machen und auch natürlich von den Richterinnen und Richtern, dass die Balance wieder hergestellt wird, dass die Politik tatsächlich wieder ihre Aufgabe macht, weil ich hätte gerne, dass die Klimakrise demokratisch gelöst wird. Das heißt, dann ist natürlich der Gesetzgeber gefragt, in einem demokratischen Prozess die Gesetze zu verabschieden, die notwendig sind. Und jetzt ist eben die Situation so, dass da Gerichte sehr, sehr stark darauf hinweisen müssen und immer massiver darauf hinweisen müssen, dass das im Moment nicht passiert. Wenn jetzt zunehmend Konzerne erfolgreich verklagt werden und es auch wirklich dann um Geld geht und um Strafen geht letztlich, dann kommt wahrscheinlich noch mal mehr Dynamik ins System. Also im Moment ist das ein bisschen so die letzte Bastion, die allen den Rücken hält und sehr, sehr viel schultert, weil man natürlich auch merkt, dass neben der Politik die Gesellschaft müde wird.

Saskia Jungnikl-Gossy
Bleiben wir kurz bei der Politik, zur Gesellschaft kommen wir auch noch. Aber wie kann ein Urteil tatsächlich politische Dynamiken verändern? Weil das ist das, was viele Menschen ja auch sagen oder glauben, dass Klagen eine Art Symbolpolitik sind, also dass sie im Kern dann doch nicht viel ändern.

Michaela Krömer
Da kommt die klassisch juristische Antwort. Das kommt darauf an. Es kommt darauf an, bei welchem Gericht ich was einfordere. Also es gibt Gerichtsverfahren, die sind sehr, sehr unmittelbar. Denken wir an Strafverfahren. Ich bin verurteilt, ich muss ins Gefängnis, zack, ich muss was zahlen, zack. Dann gibt es die Verfahren vor den Höchstgerichten, die unterschiedlich gelagert sind, also der Europäische Gerichtshof, der Gerichtshof der Union, der hat natürlich noch viel mehr Auswirkungen, weil der interpretiert die Gesetze, die unmittelbar anwendbar sind. Das hat sehr, sehr konkrete Gestaltung. Das heißt, selbst wenn der österreichische Gesetzgeber etwas nicht schreibt, aber der EuGH sagt, nein, das ist ganz klar Unionsrecht, dann passiert das. Dann haben auf einmal Umweltorganisationen ein Recht, Naturverträglichkeitsprüfungen zum Beispiel zu beantragen. Das ist so ein Fall, den ich kürzlich gewonnen habe, deswegen erwähne ich ihn, aber mir gerade einfällt. Und dann gibt es die Situation, die wir eben auch erleben, das ist beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Das haben wir beobachten oder beobachten wir jetzt bei den Schweizer Klimaseniorinnen. Hier wurde die Schweiz verurteilt, ganz klar. Und jetzt gibt es eben diesen Diskurs mit dem Ministerkomitee des Gerichtshofs, aber die Schweiz macht eigentlich nichts wirklich, sie wehrt sich dagegen. Und das ist jetzt so ein Fall, wo man ihm sagt, Klimaklagen sind keine isolierte Insel, sondern die müssen natürlich von einer Zivilgesellschaft jetzt stark mitgetragen werden, denn die muss das tatsächlich einfordern. Was aber schon auch passiert, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das klar entschieden und die Schweiz klar verurteilt. Man könnte natürlich jetzt schon noch einmal mit dieser Entscheidung in der Schweiz neue Verfahren führen, die dann noch unmittelbarer wirken würden. Also es kommt wirklich darauf an, welcher Gerichtshof hat welche Kompetenzen und was fordere ich ein. Das Traurige ist, dass wir in einer Situation sind, wo Entscheidungen wie vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Frage gestellt werden. Das war lange Zeit nicht der Fall.

Also man hat gesagt, wir haben diese Grundrechte, wir wollen die haben, wir wollen sie einhalten und wenn ich verurteilt werde, dann nehme ich das ernst. Hat dann aber begonnen. Und das ist leider auch oft, glaube ich, etwas, was man beobachten kann. Bei marginalisierten Gruppen hat es angefangen, dass man es nicht mehr so ernst nimmt im Asylbereich. Diese Entscheidungen wurden oft nicht wirklich umgesetzt, hat niemanden so gejuckt, weil die Mehrheit der Bevölkerung keine Asylwerberinnen sind, sondern eine Minderheit. Und jetzt sieht man, dass das natürlich bei Mehrheitsthemen auch mehr und mehr der Fall ist. Und das ist beängstigend.
Das ist sehr beängstigend, wie sehr die Grund und Menschenrechte und ihre Bedeutung in der Gesellschaft in Frage gestellt werden, nicht mehr ernst genommen werden, vielleicht auch, weil wir sie alle als so selbstverständlich wahrnehmen, dass wir uns gar nicht vorstellen können, dass man das verlieren kann.

Saskia Jungnikl-Gossy
Ja, das ist eine gesellschaftliche Dynamik, oder? Dass man erstens, wenn es einen nichts angeht, dann ist es mir nicht wichtig. Zweitens, wir leben natürlich so, dass wir unsere Rechte als selbstverständlich ansehen und gar nicht darüber nachdenken, dass sie so in Gefährdung sind.

Michaela Krömer
Ja, voll. Und dann betrifft es einen, dann wird einem auf einmal anders. Dann merkt man so, ah ja, jetzt weiß ich, wovon alle Aktivistinnen immer gesprochen haben oder jetzt weiß ich, was Menschen meinen, die Erfahrung gemacht haben, dass Dinge verloren gehen können. Und wichtig ist jetzt, Klimaklagen sind faktisch gelebte Demokratie, dass alles, was eine Demokratie möglich macht und was eine Demokratie ausmacht, dass das gestärkt wird. Und das sind Institutionen, das sind die Gerichte, das ist die Verwaltung, das sind die Medien, das ist alles ganz, ganz wichtig. Und wenn wir das alles verlieren, dann sind natürlich so mutige Verfahren, die rechtsfortbildend tätig sind, also die quasi die Gerichte bitten, Yoga zu machen, die können ja nur funktionieren, wenn es dann starke Institutionen gibt, eine starke Zivilgesellschaft und auch Medien, die tatsächlich unabhängig darüber berichten können.

Saskia Jungnikl-Gossy
Bleiben wir kurz bei dem gesellschaftlichen Wir leben in Österreich, es ist ein kleines Land, geringe Außenwirkung, viele Menschen. Was soll ich, was soll das Land überhaupt ausrichten in einer Klimakatastrophe? Auch weil es so ein diffuses Gefühl oft ist oder eine diffuse Sache. Wenn jetzt zum Beispiel Stars wie Taylor Swift oder Kylie Jenner irgendwie einen 10 Minuten Flug absolvieren mit ungleich mehr Belastung für die Umwelt, was antwortest du da?

Michaela Krömer
Es ist absolut nachvollziehbar. Und andererseits eine Frage, die auch ein bisschen zeigt, finde ich, dass das Gefühl für Gemeinschaft und Verantwortung verloren geht. Meine klassische Antwort war bisher immer zu sagen, naja, wenn ich meinen Kindern sage, sie müssen ihre jeweiligen Zimmer aufräumen, ist es mir komplett egal, ob wenn der eine herkommt, ich mache es nicht, weil die andere hat es nicht gemacht, Jeder muss sein Zimmer aufräumen und dann kann man reden. Und so funktioniert es da auch. Also wenn Österreich ein Klimamusterland wäre, wenn wir alle uns vorbildlichst verhalten würden und sehr, sehr geringe Emissionen pro Kopf hätten, so wie es im globalen Süden der Fall ist, dann wäre vielleicht der Diskurs ein anderer. Was ich aber auch merke ist, es ist natürlich ein groß emotionales Thema. Also es ist sehr diffus, es macht viel Angst und es bedeutet ja auch ein Abschiednehmen von fossil geprägten Lebensträumen. Also ich bin schon aufgewachsen mit einem wunderbaren Gefühl von einem Roadtrip, dass ich da, dass man da mit dem Auto durch die Gegend fährt und dass man dann konsumiert und die Kaffeebecher in der Hand hat und das vermittelt so ein Lebensgefühl und eine Freude. Und alle diese Dinge dann draufzukommen, das und das und das ist alles schädlich, weil das natürlich fossil geprägte Träume waren, auch viele Hollywood Filme, die von Autokonzernen finanziert wurden. Und dass ich da jetzt anders auch denken muss. Also das ist ja das, was die Klimabewegung sehr stark versucht zu sagen. Es geht hier nicht nur um Verzicht, es geht um eine andere Form von Leben und eine andere Form von Lebensfreude. Und jetzt sind wir halt in einer Phase, in der wir alle sehr stark spüren, dass wir mal Abschied nehmen müssen. Und dann kommt natürlich sehr oft dieses Ja, aber die macht das noch und der macht das noch. Und warum ich, weil die Vision fehlt, weil es so schwierig ist, sich in die Zukunft zu verlieben gerade.

Saskia Jungnikl-Gossy
Und also ein Gedanke, der mir da kommt, weil bleiben wir beim Roadtrip theoretisch würdest du ihn übersetzen jetzt in die Zukunft, würdest du ein E Auto nehmen.

Michaela Krömer
Ich würde mit dem Zug fahren, aber bleiben wir.

Saskia Jungnikl-Gossy
Würden wir ein E Auto nehmen, würde das andere Probleme aufmachen. Also da müssen die Batterien brauchen Rohstoffe, die müssen irgendwo herkommen, das geht auf Menschenrechte. Also ich habe das Gefühl, es fehlt auch ein bisschen dieser Gedanke, dass etwas kommen kann, was wirklich gut ist.

Michaela Krömer
Ich finde es total spannend, dass du das jetzt sagst, dass man sagt, okay, dann muss ich das Auto mit einem E Auto ersetzen. Das ist ja auch ein sehr starkes Narrativ sozusagen. Wir machen alle unsere bisherige Wirtschaft einfach auf grün und merken, das funktioniert nicht. Das ist nicht neu denken, das ist eigentlich auch nicht besonders kreativ. Das ist einfach eine andere Verpackung für selbe Stichwort Verpackung. Es funktioniert nicht. Das heißt, sich in die Zukunft zu verlieben bedeutet ganz kreativ und offen und neu anders zu denken.

Saskia Jungnikl-Gossy
Aber da wäre der Zug jetzt auch nicht optimal.

Michaela Krömer
Da wäre der Zug etwas anderes, wäre natürlich ökologisch schon viel besser als ein E Auto, wäre eine ganz andere Form des Reisens weil im Zug bin ich.

Saskia Jungnikl-Gossy
Nicht alleine, aber so wie er im Moment funktioniert, ist das halt auch keine Option.

Michaela Krömer
Kommt drauf an, in welchem Land. Wobei man sagen muss, die Deutsche Bahn ist Abenteuerurlaub pur. Also ich finde es mit der Deutschen Bahn sehr nervenaufreibend und sehr abenteuerlich, wenn man so möchte. Das Problem ist, dass man meistens mit der Deutschen Bahn fährt, wenn man berufliche Termine hat und dann hat man nicht so Lust drauf. Aber das ist das Schwierige, dieses wirklich Loslassen von Dingen, die uns sehr, sehr stark geprägt haben. Und ich finde für mich auch das draufzukommen, wer hat mich da eigentlich so geprägt und warum glaube ich, dass das so ist? Und das ist halt etwas, das sozusagen die Hintergrundmusik von Klimaverfahren natürlich auch ist, auch wenn Klimaverfahren wirklich nusstrocken Gerichtsverfahren sind, Schriftsätze sind, wo Rechte mit den besten Argumenten und hoffentlich sehr hochqualifizierten Anwältinnen eingefordert werden.

Saskia Jungnikl-Gossy
Bleiben wir noch kurz beim Thema. Was mich interessieren würde, ist, welche Narrative um das Thema Klima würdest du denn gern verändern?

Michaela Krömer
Alle. Ich bin halt keine Kommunikationsexpertin. Ich merke einfach für mich selbst, dass ich versuchen möchte, mich wirklich wieder in die Zukunft zu verlieben und auch zu denken, was alles möglich sein kann. Am leichtesten fällt es mir persönlich bei der Stadtplanung, weil eine zukunftsfitte, klimafreundliche Stadt klingt einfach wunderbar. Also das ist einfach so mit Cafés auf der Straße, keine Autos, viel grün, ruhiger und dann so richtig. Ich liebe Stadt, aber ich hätte es gern anders. Also da kann ich wahnsinnig viel abgewinnen und da sehe ich auch sehr, sehr viel Möglichkeiten. Vielleicht ist das ein bisschen, ich kann wirklich nur von mir reden. Ich versuche halt auch, wenn ich mich merke, ich verfange mich in Ängsten und Schwere konkret auch zu überlegen, was tatsächlich möglich ist in meinem sehr unmittelbaren Umfeld. Und da ist sehr, sehr viel möglich. Und ja, ich glaube zu verstehen, dass wirklich viel nicht so sein muss, wie es ist.

Saskia Jungnikl-Gossy
Kommen wir mal zu Klagen - zu aktuellen Klagen, brechen wir es mal runter.

Michaela Krömer
Also vielleicht ganz kurz, weil es da reinpasst. Wir haben bei CLAW ein Motto: Wir sagen Klagen nicht verzagen.

Saskia Jungnikl-Gossy
Das klingt gut. Wo habt ihr zuletzt nicht verzagt?

Michaela Krömer
Wo haben wir zuletzt nicht verzagt? Wir sind eigentlich, glaube ich, gerade ganz, wir haben gerade eine ganz gute Stimmung im Büro. Ich darf nicht so viel darüber erzählen, aber wir haben ein paar neue Klagsmöglichkeiten gefunden und da freuen wir uns dann immer alle sehr, weil es eine harte Knochenarbeit ist, so weit zu kommen, dass man sagt, ja, diese Klage geht tatsächlich. Also das ist sehr aufregend, aber da kann ich jetzt nicht sehr viel verraten, was es ist, weil das wäre ein bisschen Spoiler Alert.

Saskia Jungnikl-Gossy
Aber gibt es, wenn ich da reingrätschen darf, gibt es so Kriterien oder welche Kriterien habt ihr, wonach ihr dann entscheidet, wann eine Klage strategisch sinnvoll ist?

Michaela Krömer
Wenn es den größten Hebel hat. Also wir suchen wirklich die größtmöglichen gesellschaftspolitischen Hebel zu erzielen. Also vielleicht ganz anders als die Politik. Wir denken nicht klein klein, wir denken groß groß und dann zu schauen, was geht.

Saskia Jungnikl-Gossy
Okay.

Michaela Krömer
Und den finden wir natürlich auch.

Saskia Jungnikl-Gossy
Ein bekannter Fall von dir ist der von Max Müllner. Wollen wir kurz drüber reden. Magst du vielleicht kurz erzählen, worum es da geht?

Michaela Krömer
Also der Herr Müllner, der wirklich ein sehr großartiger Mensch ist und ich glaube mittlerweile schon mein Lieblingsmandant wurde, mit dem arbeite ich jetzt schon seit 2020 an einer Klimaklage, die in Österreich begonnen hat und jetzt beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gelandet ist und als prioritär eingestuft worden ist. Das bedeutet sehr viel, weil ganz, ganz wenige Klagen überhaupt nur zugelassen werden, also nur so circa ein Prozent und von diesen wenigen nicht sehr viele prioritär betrachtet werden. Das heißt, es ist ein Fall, wo der Gerichtshof sagt, der ist besonders wichtig, nicht nur für meinen Mandanten, sondern fürs große Ganze. Der Herr Müllner, der ist an multipler Sklerose erkrankt, das macht ihn jetzt nicht zum Klimakläger, sondern die Tatsache, dass seine Krankheit mit der Wärme und mit der Hitze, also mit beiden an einem Sommertag und an einem wirklich heißen Tag schlimmer wird. Also wenn es ein warmer, angenehmer Sommertag ist, dann kann er nicht mehr besonders gut gehen und sitzt meist im Rollstuhl oder ist halt zu Hause, weil es da kühler ist. Und wenn es ganz heiß ist, dann ist er auf einen elektrischen Rollstuhl angewiesen. Das hat damit zu tun, dass seine Muskelkraft nachlässt. Das ist bei sehr vielen neurologischen Erkrankungen der Fall, dass sie schlechter werden mit der Hitze und bei ms ist es bei der Mehrheit der Bevölkerung so. Das heißt, die Symptome der Krankheit verschlimmern sich und somit hat er etwas, das wir Juristinnen als Kausalzusammenhang bezeichnen. Also ich kann sein kleines Leben mit der großen Klimakrise verknüpfen und das ist das, was ich brauche, um in das System reinzupassen. Also da kann das Recht, da kann das Menschenrecht etwas machen, weil man sagen kann oder argumentieren kann, dass ihm gegenüber Österreich eine Schutzpflicht hat und dass es die gerade verletzt. Was den Fall eben spannend macht, ist, dass er tatsächlich die erste Einzelperson weltweit wäre, die das schaffen würde alleine. Also the Atlantic hat das als the most personal climate case in the world bezeichnet. Finde ich irgendwie recht schön. Es ist auch sehr persönlich. Es geht hier wirklich um sein Familien und Privatleben. Das ist da die Artikel 8 EMRK. Dann geht es um strukturelle Fragen, nämlich um die Kann er überhaupt ein Gerichtsverfahren einbringen? Das kann er nicht wirklich. Und die Menschenrechtskonvention ist so aufgebaut, macht total Sinn, dass sie sagt okay, wenn du ein Recht auf etwas bekommen hast und sagen kannst, dass dieses Recht potenziell verletzt ist, also wenn du irgendwie das glaubhaft machen kannst, dann musst du die Möglichkeit haben, damit vor Gericht zu gehen. Ich brauche ja immer quasi Schloss und Schlüssel, sonst funktioniert es nicht und das habe ich in Österreich nicht. Das heißt, strukturell ist die Rechtsordnung für diese Sachen nicht ausgerichtet, mit ein Grund, warum es so wenig Klimaverfahren gibt. Und die andere Dimension, die den Fall sehr komplex macht, auch sehr spannend, ist, dass Österreich jetzt okay, vielleicht machen wir national zu wenig, aber ist ein bisschen wurscht, weil wir sind Mitglied der Europäischen Union und die gibt genug vor und die ist menschenrechtskonform. Und jetzt ist die große Kann sich ein Staat hinter die EU stellen, also davor schützen lassen, ein Staat mit so einem Track Record, wie Österreich das hat, geht sich das aus menschenrechtlich, juristisch? Und das betrifft natürlich dann nicht nur Österreich, sondern alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die wahrscheinlich in einem ähnlichen Verfahren genau auch das sagen würden, die EU vorschieben, um sich aus der eigenen Verantwortung zu entziehen.

Saskia Jungnikl-Gossy
Wo steht jetzt der Fall?

Michaela Krömer
Also ich warte.

Saskia Jungnikl-Gossy
Aber er ist jetzt am europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Michaela Krömer
Genau, der ist anhängig und wir hatten schon einen Schriftsatzaustausch, Das heißt, ich habe was gesagt, Österreich hat was gesagt, ich habe was gesagt, Österreich hat was gesagt und jetzt ist die Was macht das Gericht damit? Je länger die Zeit voranschreitet, umso wahrscheinlicher halte ich, dass es einfach ein schriftliches Urteil geben wird und keine mündliche Verhandlung mehr. Ich gehe davon aus, dass wir jetzt im ersten Quartal 2026 da was wissen werden.

Saskia Jungnikl-Gossy
Und worauf klagt man da?

Michaela Krömer
Also man klagt auf Klimaschutzmaßnahmen. Man klagt auf das Recht, eine Beschwerde führen zu können. Es ist auch das Recht auf ein faires Verfahren mit ein Thema. Genau. Also es geht um inhaltlich mehr Klimaschutzmaßnahmen und da geht es um Rahmengesetzgebung. Also eigentlich geht es darum, dass wir ein Klimaschutzgesetz bekommen, das seinen Namen verdient hat. Das heißt ein Klimaschutzgesetz, das auf einem Co Budget aufbaut, das einen Pfad hat, einen Pfad, der einklagbar ist, der überprüfbar ist. Und die Vorgaben, wie so was auszusehen hat, die hat der Gerichtshof schon festgelegt, der Europäische Gerichtshof, der hat gesagt, okay, ihr müsst einmal überlegen, wie viel bleibt euch noch vom Kuchen? Wie teilt ihr das auf, damit ihr bis 2050 klimaneutral sein könnt? Ihr müsst unmittelbar Maßnahmen setzen. Diese Maßnahmen müssen einklagbar sein und diese Maßnahmen müsst ihr auch regelmäßig überprüfen. Es ist faktisch ein Managementplan. Also es ist bei einem großen Projekt ja auch so, dass ich einmal ein Grundkonzept brauche und mir überlegen muss, wo will ich hin, wer muss wo wie was grundsätzlich tun, dass ich mich dann in den einzelnen Materien verlieren kann. Und im Moment passiert es ja in Österreich genau umgekehrt. Wir haben halt einzelne Materien, Gesetze, da passiert mal mehr, mal weniger, aber das große Ganze und die Richtung, die fehlt.

Saskia Jungnikl-Gossy
Aber das heißt, würde diese Klage Erfolg haben, dann würde es uns allen zugutekommen?

Michaela Krömer
Ja, also er nicht nur dem Herrn Müller. Genau. Der Herr Müllner kriegt eigentlich gar nicht so viel davon, weil er macht keinen Schadenersatz geltend. Okay, gute Frage. Ja, ich vergesse das. Und dabei ist es so wichtig, er kämpft wirklich für alle. Und das, was man eben sieht, ist, dass jetzt im Moment die vulnerabelsten Gruppen die besten Karten vor Gericht haben und deswegen für alle mehr erwirken, weil es ist ja wie bei Max Schrems gegen Facebook. Also wenn er gegen Facebook Er hat gegen Facebook gewonnen. Danke noch einmal, weil wir haben alle davon profitiert und das ist ein ähnliches Spiel. So funktioniert das Gericht.
Ich brauche nicht 3000 Leute, die dreimal dasselbe einklagen. Ich brauche einmal einen Fall, der das große Ganze aufzeigen kann. Und dann ist es ja klar bei der Klimakrise, dass es allen zugutekommt, dass es niemand schädigt. Das ist auch ein Argument, dass man sagt, wenn man ihn schützt, schützt man alle. Es ist ja nicht so, dass wenn man ihn schützt, irgendjemand schädigt.

Saskia Jungnikl-Gossy
Ein anderer wichtiger Punkt, du hast es vorher schon angesprochen, Finanzierung. Diese Klage kostet was. Sie kommt vielleicht uns allen zugute, aber wir alle zahlen nicht dafür. Also der Staat wird nicht dafür, er zahlt nichts zahlen, dass verklagt wird. Genau. Also wie funktioniert diese Finanzierung?

Michaela Krömer
Also diese Finanzierung, ich weiß gar nicht, ob sie so gut funktioniert. Nein, sie funktioniert, aber es ist sehr schwierig. Also wir sind sehr stark spenden. Wir sind Spenden abhängig. Genau. Wir brauchen Menschen, die verstehen, dass die Veränderung auch im Rechtssystem funktionieren muss, dass das ein großer Hebel ist, weil natürlich das die Spielregeln der Gesellschaft sind. Das sind Einzelpersonen, das sind Stiftungen, wir sind als Verein zu klein, um die große Maße bedienen zu können. Also wir haben schon auch Einzelpersonen, die uns spenden. Und ich muss sagen, das berührt mich oft. Also es gibt wirklich Menschen, die Zahlen jetzt seit drei Jahren 10 im Monat und ich habe keine Ahnung, wie viel die normal am Konto haben, aber das sind jetzt keine großen Namen.
Es freut mich, es freut mich, dass jemand auch dieses Vertrauen hat. Aber um die Große, um die vielen da bedienen zu können, bräuchten wir natürlich mehr Ressourcen. Das heißt, wir sind schon stark auf Menschen angewiesen, die privilegiert sind und die das auch als Teil ihrer Verantwortung sehen, da jetzt, weil sie mehr bekommen haben, auch etwas zurückzugeben.

Saskia Jungnikl-Gossy
Gibt es gerade Klagen? Also du hast vorher gesagt, ihr plant ein paar, über die du noch nicht reden kannst. Entschuldigung, aber gibt es welche, die du gerade anhängig ist, die spannend sind, worüber du reden darfst?

Michaela Krömer
Ja, wäre komisch, wenn ich da wäre und über nichts reden kann. Es gibt auch ein anderes Verfahren, das anhängig ist, das sehr bald entschieden wird. Das ist beim österreichischen Verfassungsgerichtshof anhängig und da geht es um ein Totalverbot von Photovoltaik und zwar ironischerweise wirklich in St. Pölten, wo ich herkomme, gibt es Schutzzonen, um die Schönheit der Stadt zu erhalten. Und die besagen in bestimmten Schutzzonen, dass man Photovoltaik nicht bauen darf, wenn man sie sieht. Und das Spannende ist, dass diese Form oder viele Formen von Photovoltaik sich ja von Dachfenstern zum Beispiel gar nicht mehr unterscheiden. Also Dachfenster gehen, aber Photovoltaik geht per se nicht. Und das heißt, wir gehen gegen dieses Totalverbot vor. Jetzt habe ich vorher gesagt, wie du mich gefragt hast, wie suchen wir Klimaklagen aus? Ich habe gesagt, ja, den größtmöglichen Hebel könnte man sich fragen, okay, was ist jetzt dieser große Hebel bei einer Schutzzonenverordnung in St. Pölten? Das Traurige ist, dass St. Pölten hier kein Einzelfall ist. Also es gibt viele, viele Gemeinden und Städte, die solche Verbote machen, so im Sinne von Klimaschutz.
Ja, eh, Also irgendwie wollen wir es aber sehen wollen wir es dann auch nicht. Und so funktioniert es halt nicht. Und wir sehen diese ganzen Debatten bei den Windrädern und bei allem. Und das ist sozusagen ein Pass pro toto, also das Kleine fürs große Ganze. Und das könnte sehr erfolgversprechend sein.

Saskia Jungnikl-Gossy
Wo liegt das?

Michaela Krömer
Und das liegt jetzt beim Verfassungsgerichtshof. Also es wird jetzt in dieser Session nicht entschieden, aber ich vermute dann, nachdem es jetzt schon ein bisschen eine Zeit lang anhänge, geht es wahrscheinlich im März.

Saskia Jungnikl-Gossy
Wie lange dauert sowas generell? Gib uns mal einen Zeitrahmen. Es scheint mir relativ ausdauernd zu sein.

Michaela Krömer
Ja, es ist wirklich schwer zu sagen, weil die Höchstgerichte dann nicht mehr so an die Fristen gebunden sind. Also bei den Instanzen, also bis dorthin, dann gibt es schon klare Fristen und bei den Höchstgerichten gibt es das nicht. Der Verfassungsgerichtshof hat gesagt, die durchschnittliche Bearbeitungsdauer sind fünf bis sechs Monate. Das ist jetzt in dem Fall schon länger. Wobei ich auch wirklich hier sagen muss, der Verfassungsgerichtshof hat halt wahnsinnig viel zu tun und die sind alle nebenberuflich tätig. Also es ist auch mit ein Grund, warum die Dinge länger dauern, dass die Justiz ausgehungert wird. Und das sieht man bei anderen Verfahren auch, dass da einfach zu wenig Geld, zu wenig Ressourcen da sind. Und es geht halt um große Dinge. Also ich möchte es jetzt nicht verteidigen, weil ich finde, es geht auch sehr langsam. Und trotzdem sehe ich natürlich, dass die Gründlichkeit ein Schutz vor Willkür sein kann, Dass es auch wichtig ist, dass man Dinge gründlich durchdenkt, anschaut und sich überlegt, was heißt das jetzt im zweiten, im dritten, im vierten Schritt. Und meine große Hoffnung ist, dass das passiert. Manchmal passiert es, manchmal nicht. Aber das ist schon auch mit ein Grund, warum Verfahren auch länger dauern können.

Saskia Jungnikl-Gossy
Und das ist auch ein guter Punkt, dass Ressourcen da wie dort eingespart werden, gleichzeitig aber die Arbeit mehr wird und auch die Verantwortung sehr groß ist.

Michaela Krömer
Genau. Und ich glaube schon auch in der ganzen Effizienzdebatte und effiziente Verwaltung, das ist natürlich wichtig. Und trotzdem finde ich es auch wichtig, gerade jetzt zu betonen, dass Verwaltung ein Schutz vor Willkür ist, dass das ein demokratischer Schutz ist, dass wenn wir starke Institutionen haben, die Ressourcen haben, die Zeit haben dürfen, dann schützt uns das schon vor sehr kurzfristigen politischen Blindflügen.

Saskia Jungnikl-Gossy
Kommen wir zum Ende. Und da würde ich gerne von dir noch Wenn du jungen Juristinnen, Juristen einen Rat geben könntest, die in Richtung Umwelt Klimarecht gehen wollen, welcher wäre das? Oder was wünschst du dir, was dir jemand gesagt hätte, vielleicht 2020 oder 2018, als du begonnen hast?

Michaela Krömer
Also ich habe damals tatsächlich auch einen Rat bekommen, der mir sehr geholfen hat. Das war von dem Gründer des ECCHR, also das ist auch so ein Verein, die Unternehmen wegen Menschenrechtsverletzungen verklagen. Und er hat schon zu mir auch gesagt, der Wolfgang Kalek, dass man sehr viel Ausdauer braucht, dass die ersten Jahre finanziell hart werden und mich ein bisschen darauf eingestimmt Was willst du damit eigentlich? Und ich glaube, das ist etwas, an was ich mich oft erinnere.
Warum mache ich das? Ja, manchmal kommt man damit in die Medien oder man hat so schöne Podcasts wie heute, aber das halt ein bisschen, das ist nicht der Alltag. Und ich glaube, es braucht eine tiefe Überzeugung, dass man das machen will, dass man glaubt, dass das richtig ist, dass es einfach Sinn macht, egal wie es ausgeht, weil sehr viel Durchhaltevermögen braucht auf allen Ebenen und eine Freude natürlich dran. Also eine Freude braucht es immer, Aber ich habe das Ausmaß des Durchhaltevermögens, das man braucht, vielleicht unterschätzt. Das ist eh auch gut, sonst macht man es nicht. Und ich finde wirklich, auf was falle ich zurück? Warum mache ich es Und nicht weil es vielleicht Aufmerksamkeit bringt. Das kann sich ganz schnell ändern.

Saskia Jungnikl-Gossy
Und wenn du zweifelst, also ich nehme an, du wirst irgendwann mal gezweifelt haben, das wäre sonst merkwürdig. Was tust du? Was hilft dir da?

Michaela Krömer
Schönes. Also alles, was schön ist, ich bin gern draußen, ich tanze gern, schöne Musik, schöne Menschen. Dieses Zurückzufallen auf Sinnlichkeit, das hilft mir, weil es mich erdet und weil ich dann wieder auch ein bisschen merke, was ist mir wichtig und warum bin ich da? Und ich weiß, das klingt jetzt alles total hochtrabend und groß, aber irgendwie ist es halt schon so. Wir haben alle ein Leben, keiner weiß wie lange. Und dann habe ich so das Gefühl, okay, ich habe keine Ahnung, wie das ausgeht, aber tief drinnen fühlt sich richtig an und deswegen mache ich es. Und das Schöne erinnert mich dran.

Saskia Jungnikl-Gossy
Wir sind beim Jahresende 2025 angekommen. Das ist die letzte Ganz offen gesagt-Episode des Jahres. Wie ist so noch dein Ausblick für das kommende Jahr 2026?

Michaela Krömer
Ich hätte damit rechnen müssen, dass solche Fragen kommen. Also für Mich persönlich wird 2026, also für mich persönlich als Anwältin wird 2026, glaube ich, ein Jahr der Entscheidungen. Also es werden Entscheidungen der Gerichte kommen, es werden Entscheidungen kommen, ob wir die Finanzierungen kriegen, die wir brauchen für die großen Fälle, die wir vorhaben. Insofern wird es, glaube ich, wegweisend sein. Ich denke mal 2025 war sehr zart, deswegen kann ich mir Gut vorstellen, dass 2026 ein bisschen leichter wird.

Saskia Jungnikl-Gossy
Danke für das schöne Gespräch.

Michaela Krömer
Danke ebenso.

Saskia Jungnikl-Gossy
Das war die heutige Folge von Ganz offen gesagt. Wir freuen uns, wenn ihr unseren Podcast abonniert, weiterempfehlt und uns in euren Podcast Apps mit 5 Sternen bewertet. Wenn ihr mehr über Michaela Krömer und ihre Arbeit erfahren wollt, dann geht am besten auf: www.climatelaw.at

Danke fürs Zuhören. Schöne Weihnachten und bis zum nächsten Mal. Ciao.

Autor:in:

Saskia Jungnikl-Gossy

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