Ganz Offen Gesagt
Über die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen - mit Maria Rösslhumer

Stefan Lassnig spricht mit Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt, über Gewaltprävention an Frauen sowie die Rolle von Zivilgesellschaft und Politik. Die Folge dreht sich um die Notwendigkeit politischer Maßnahmen und einer gesellschaftlichen Veränderung. Männer werden besonders als Akteure gegen Gewalt angesprochen.

Maria Rösslhumer
Aber es gibt keine Konsequenzen. Sie dürfen weitermachen. Und das finde ich so das Fatale. In unserer Gesellschaft werden Gewaltausübende nicht gestoppt, nicht frühzeitig gestoppt. Sie dürfen weitermachen. Und das führt dazu, dass sich das System nicht ändert. Das merken wir auch bei den Behörden, das merken wir in den Medien, das merken wir überall. Es spielt sich ja überall ab.

Stefan Lassnig
Herzlich willkommen bei Ganz offen gesagt, dem Podcast für Politikinteressierte. Mein Name ist Stefan Lassnig und mein heutiger Gast ist Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Stopp Stadtteile ohne Partnergewalt. Wir sprechen heute über die Bekämpfung der Gewalt an Frauen. Was sind die gesellschaftlichen Grundlagen für die leider in Österreich sehr häufige Gewalt an Frauen? Wie kann Zivilcourage zur Eindämmung der Gewalt beitragen? Welche besondere Rolle spielen dabei wir Männer? Und droht uns auf politischer Ebene ein Backlash in Bezug auf Frauenrechte?

Liebe Frau Rösslhumer, herzlichen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Gespräch nehmen. Ein Grundmotiv bei unserem politischen Podcast ist Transparency is the new objectivity. Und in diesem Sinne beginnen wir unseren Podcast immer mit der traditionellen Transparenzpassage, also woher wir uns kennen und ob Sie aktuell für Parteien oder deren Vorfeldorganisationen tätig sind. Zur ersten Wir haben uns gerade erst persönlich kennengelernt. Eine gemeinsame Bekannte, nämlich die Manuela Kampa, hat uns zusammengebracht, weil sie hat zu mir gesagt, wir sollten uns unbedingt treffen, eine Podcast Folge aufnehmen, weil sie haben sehr wichtige Themen und sehr wichtige Anliegen und deswegen sitzen wir da.

Maria Rösslhumer
Ja, danke für die Einladung. Freue mich sehr, dass ich hier bin und ich danke auch sehr Manuela Kampa für diese Vernetzung und muss sagen, Manuela Kampa ist eine großartige Frau, eine Verbündete meines Anliegens oder unseres Anliegens und eine Frau, die auch andere Frauen stärkt durch ihren Podcast und durch ihre Arbeit. Deshalb herzlichen Dank noch einmal an die Manuela Kampa und an Sie, dass Sie mich eingeladen haben.

Stefan Lassnig
Ja, LiGrü an die Manu. Damit. Zur zweiten Sind Sie aktuell oder waren Sie für Parteien oder deren Vorfeldorganisationen tätig?

Maria Rösslhumer
Ich bin hochpolitisch aktiv, weil das Thema Gewalt an Frauen ist ein hochpolitisches Thema, aber ich war nie parteipolitisch aktiv, sondern eben im Einsatz für die Frauen, parteilich für die Frauen würde ich sagen, und natürlich für die Kinder.

Stefan Lassnig
Gut, danke für diese Transparenz. Sie waren ja von 1999 bis 2023 Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser und in dieser Zeit haben Sie auch die Frauen Helpline gegen Gewalt geleitet. 2019 haben Sie den Verein Stopp Stadtteile ohne Partnergewalt gegründet, dessen Vorsitzende Sie seit 2024 sind. Können Sie uns dann Hörerinnen und Hörern bitte schildern, welche Arbeit Ihr Verein leistet?

Maria Rösslhumer
Ja, also ich habe 2019 die Initiative Stopp Stadtteile ohne Partnergewalt nach Österreich gebracht. Das Konzept stammt nicht von mir, sondern von der Frau Professorin Sabine Stöbesand. Sie hat dieses Konzept entwickelt und auch in der Praxis umgesetzt und immer wieder neu erforscht. Und ihr verdanken wir dieses wunderbare, großartige Konzept. Und zwar das Besondere daran an dieser Initiative ist eben, dass wir die bestehende Gewaltpräventionsarbeit, die Arbeit der Frauenhäuser, Gewaltschutzzentren, auch Männerberatungsstellen, Kinderschutzeinrichtungen, Polizei etc. Kombinieren mit der Zivilgesellschaft. Das heißt, wir holen die Nachbarschaft mit ins Boot. Das haben wir bis jetzt nicht gemacht. Wir haben immer nur sozusagen die Institutionen, Wir haben immer wieder gewartet, dass zum Beispiel auch die betroffenen Frauen zu uns kommen zu den Frauenhäusern oder Frauenhelpline, dass sie anrufen. Aber jetzt durch dieses Konzept gehen wir hinaus in die Communities, in die Gesellschaft, in die Nachbarschaft. Und das ist ein neuer Ansatz. Also das Potenzial der Nachbarschaft haben wir sozusagen hier hereingeholt, weil die ja die Nachbarn und Nachbarinnen sind ja diejenigen, die sehr viel mitbekommen, wenn es in der Nachbarschaft laut wird, wenn es nach Gewalt klingt zum Beispiel, dass sie etwas tun können. Also das Motto von Stopp lautet was sagen, was tun und aufmerksam hinhören, nicht weghören, sondern etwas tun. Und ich finde, das ist ein großartiges Konzept oder großartige Initiative, weil wir damit einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen. Das bedeutet, jeder Mensch in unserer Gesellschaft kann einen Beitrag leisten, um Gewalt an Frauen zu verhindern und Femizide, eine schwere Gewalt, also diese Zivilcourage in der Nachbarschaft zu fördern, zu unterstützen, ist so ein Ansatz.

Und ich denke mir, da haben wir einen neuen Meilenstein in unserer Gesellschaft geschaffen. Ich habe 1997 im Verein begonnen als Mit Mitarbeiterin und später bin ich Geschäftsführerin geworden. 1997 war dieses Jahr auch, wo es ein Meilenstein in der Gewaltprävention gegeben hat. Also Österreich hat damit begonnen mit den Gewaltschutzgesetzen, das heißt mit der Wegweisung und Betretungsverbot. Das war ein enormes Signal an die Gesellschaft. Erstmals hat der Staat die Initiative geschaffen, dass Gewalttäter auch im privaten Bereich sozusagen Sanktionen und konfrontiert werden und auch Konsequenzen erfahren. Und jetzt durch Stopp, denke ich mir, ist es ein neuer ist uns etwas Neues gelungen, nämlich dass wir auch die Zivilgesellschaft hinein ins Boot holen.

Und diese aufsuchende Arbeit, damit kann sich jeder beteiligen. Und was wir auch machen, wir gehen von Tür zu Tür. Wir reden mit den Leuten an den Türen und besprechen mit ihnen, was sie über Gewalt an Frauen denken. Das ist schon einmal sehr viel Öffentlichkeitsarbeit, das ist sehr viel Bewusstseinsarbeit. Aber wir haben auch begonnen, so Frauentische, Männertische oder Nachbarschaftstische zu installieren, damit sich die Leute auch auseinandersetzen können. Weil Zivilcourage in der Nachbarschaft ist es sehr wichtig, dass man es nicht alleine macht, sondern dass man sich die anderen ins Boot holt und bespricht, was könnten wir tun? Zum Beispiel, wenn es Ihnen nach einer Methode zum Beispiel der Zivilcourage ist eben auch Gewalt zu unterbrechen. Wenn man mitbekommt, das ist laut in der Nachbarwohnung, dass man sich überlegt, okay, mache ich da jetzt alleine eine Aktion oder hole ich die Nachbarschaft mit dazu? Meine Nachbarin, mein Nachbar, der könnte mich ja unterstützen. Und eine Methode zum Beispiel ist, dass man einfach anläutet an der Tür und fragt ganz einen banalen Satz, haben Sie Milch oder Zucker? Oder hat der Briefträger ein Paket abgegeben bei Ihnen? Damit kann man mal die Gewalt unterbrechen. Und es ist signalisiert den Betroffenen und auch den Gewaltausübenden, den Täter, die Nachbarschaft hört zu. Also sie sind nicht alleine und der Täter kann sich nicht alles erlauben. Also das ist eine sehr gute Methode.

Und manchmal fragen mich auch, ich habe Seminare auch dazu gemacht, Polizisten und sagen, warum ruft ihr nicht sofort die Polizei? Dann sagen wir natürlich, natürlich, wenn die Gewalt akut ist und wenn man sich das nicht traut, ist es gut, die Polizei zu rufen. Aber zusätzlich, man weiß ja nie ganz genau, wie schnell ist die Polizei. Manchmal braucht es länger. In dieser Zeit kann man womöglich schon etwas verhindern durch dieses Unterbrechen oder man muss nicht unbedingt sich zeigen an der Tür, sondern einfach nur anläuten oder hinunterlaufen zur Gegensprechanlage und einfach anläuten. Das ist schon einmal ein Zeichen der Unterbrechung.

Stefan Lassnig
Das ist ja wirklich das Besondere an eurem Konzept, das Thema Gewalt, Gewalt an Frauen, Gewalt an Kindern mehr in die Gesellschaft reinzuholen, nämlich zu jenen, die normalerweise sagen und ich habe es im Vorgespräch auch schon gesagt, das sagt man ja normalerweise man auch, es betrifft mich nicht das Thema, weil ich übe keine Gewalt aus. Ich finde das ein sehr, sehr tolles Konzept und ein sehr verfolgenswertes Konzept, weil es eben die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt und nicht zum Beispiel eben nur bei der Exekutive belässt oder bei einschlägigen Organisationen, sondern das geht uns ja alle was anderes Thema.

Maria Rösslhumer
Ganz richtig. Und wie ich auch an die Türen gegangen bin, da haben oft Männer, wenn sie aufgemacht haben, haben Das geht mich nicht an. Ich bin weder ein Täter, noch bin ich ein Opfer, noch übe ich Gewalt aus. Und dann habe ich immer zu ihnen gesagt, Ja genau, Sie sind der Richtige, wir brauchen sie, weil sie können eben ein Verbündeter sein, Sie können hier unterstützen. Und ich glaube, das ist es. Es ist natürlich auch legitim, dass man als Betroffener auch Männer sind betroffen. Viele Männer sind in der Kindheit schon Opfer von Gewalt geworden, häuslicher Gewalt, haben das mitbekommen, wie der Vater die Mutter behandelt hat. Also das ist natürlich auch legitim, dass sie sich beteiligen.

Also bei Stopp machen wir zwar keine Täterarbeit in dem Sinn, aber sehr viel Bewusstseinsarbeit oder eben auch Betroffene weitervermitteln zu den zuständigen Stellen, also weil auch viele Nachbarinnen betroffen sind. Und deshalb ist es auch sehr wichtig, dass wir bei den Männertischen, bei den Frauentischen über das Thema reden und auch andere stärken und sie eben konkret unterstützen.

Stefan Lassnig
Ich würde gerne heute mit Ihnen das Gespräch in zwei Teile teilen. Im ersten Teil, im ersten Themenblock würde ich gerne mit Ihnen über die gesellschaftliche Komponente sprechen. Ein paar Dinge haben Sie jetzt eh schon angedeutet, auch über das Thema Gesellschaft, Zivilgesellschaft, Zivilcourage, aber auch wie betrifft es das Individuum? Und im zweiten Teil würde ich gerne auf die politische Ebene dann gehen. Welche Entwicklungen sehen Sie insgesamt in der Politik, auch international und was ist ganz konkret auch eine Erwartungshaltung an Politikerinnen und Politiker, um dieses Thema besser in den Griff zu kriegen? Weil leider muss man ja sagen, es vergeht ja kaum eine Woche in Österreich, in der keine Frau ermordet wird oder zumindest schwer verletzt wird. In der Regel handelt es sich dabei auch um Femizide.

Und zum Thema Femizide möchte ich unseren Hörerinnen und Hörer eine Folge ans Herz legen, nämlich die Folge 32 bereits aus dem Jahr 2022 mit der Autorin. Und Journalistin Yvonne Wiedler. Die Folge habe ich aufnehmen dürfen mit der Yvonne und zwar zu ihrem Buch Heimat bist du tot der Töchter, ein wirklich aufrüttelndes und teilweise wirklich brutal zu lesendes Buch zum Thema Femizide. Da ist auch Yvonne hat auch in dieser Folge mir sehr gut erklärt, was ist ein Femizid In Abgrenzung zu anderen Gewaltverbrechen. Also alle, die da mehr drüber wissen wollen, kann ich diese Folge sehr ans Herz legen. Und ich zitiere jetzt aus dem Buch, wenn es sich um männliche Täter handelt, sind diese meist getrieben von Besitzdenken, Wut, Rache und Misogynie. Ich nehme an, der Befund von der Yvonne aus dem Jahr 22 hat sich bis heute nicht viel verändert und wird leider in ihrer Arbeit immer noch eine Rolle spielen.

Maria Rösslhumer
Ja, es ist leider traurig. Es ist tatsächlich so und es kommt Machtmissbrauch, Kontrolle dazu, sodass die Männer einfach nicht mit ihren Gefühlen, mit ihren Zurückweisungen, Kränkungen umgehen können und dass sie das alles auf Frauen sozusagen sich abreagieren. Ja, wir haben leider und das Ausmaß der Gewalt in Österreich ist wirklich alarmierend hoch. Also wir gehen davon aus, mittlerweile jede dritte Frau ist mindestens einmal ab dem 15. Lebensjahr von körperlicher und sexueller Gewalt betroffen und jede fünfte Frau wird gestalkt und so weiter. Also die Zahlen stammen aus 2022 von der Statistik Austria. 2014 sind wir davon ausgegangen, jede fünfte Frau ist davon betroffen und jede dritte.

Das heißt, die Gewalt steigt und das sieht man ja auch an den Femiziden. 2023 waren es 27 Femizide und 2037 Mordversuche. Wir rechnen ja auch immer dazu, die Mordversuche, und zwar diejenigen, die bekannt werden in den Medien. Wir wissen ja, dass nicht die Dunkeltiefe ist sicher wesentlich höher. Heuer haben wir schon wieder 12 Femizide und 20 Mordversuche. Wenn man das zusammenzählt, ist schon sehr hohe Zahlen. Und die Ursache von diesen ganzen, von diesen Femiziden und Gewalt an Frauen liegt meiner Meinung nach darin, dass wir noch so weit meilenweit entfernt sind von einer echten Gleichstellungspolitik.

Ich sage immer, solange die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen nicht gegeben ist, wird auch das Ausmaß der Gewalt nicht reduziert werden. Und das hat auch die Istanbul Konvention, die Konvention des Europarats zur Verhütung und Verhinderung von Gewalt an Frauen festgestellt. Gewaltprävention beginnt bei der Gleichstellungspolitik und das dürfen wir nie vergessen. Das wird aber oft vergessen, auch die Politik. Es wird viel zu wenig in diese Richtung gemacht. Daher brauchen wir hier auch Gleichstellungsprogramme und es muss viel mehr investiert werden. Was auch eine der massiven Ursache ist, ist eben dieser Frauenhass, diese Frauenverachtung, die so tief sitzend in unserer Gesellschaft ist.

Und das ist das eine. Aber es gibt oft einfach keine Konsequenzen gegen Gewaltausübende. Wenn zum Beispiel ein Politiker in der Öffentlichkeit eine Frau beschimpft, du widerliches Luder, dann normalerweise müsste man da zurücktreten. Aber es gibt keine Konsequenzen. Sie dürfen weitermachen. Und das finde ich so das Fatale. Wir haben in unserer Gesellschaft werden Gewaltausübende nicht gestoppt, nicht frühzeitig gestoppt.

Sie dürfen weitermachen. Und das führt dazu, dass sich das System nicht ändert. Das merken wir auch bei den Behörden, das merken wir in den Medien, das merken wir überall.

Es spielt sich ja überall ab. Oder eben, dass sie immer die Frauen zur Verantwortung gezogen werden. Die Betroffenen, gewaltbetroffene Frauen werden immer beschuldigt, dass sie etwas zu spät gemacht haben, dass sie keine Anzeige gemacht haben, dass sie sich zu spät irgendwo hingewandt haben. Aber es wird wenig bei den Tätern angesetzt. Und hier müssen wir Das müssen wir verändern. Wir müssen bei den Gewaltausübenden anfangen, weil es gibt auch zum Beispiel so Vorwürfe, wenn eine Frau ermordet wird, dann heißt ja, hätte sie sich nicht getrennt, hätte sie keine Anzeige gemacht, dann wäre ihr das nicht passiert. Also diese Opfer Täterumkehr und die Täter werden dann als Arme dargestellt.

Ja, sie war eifersüchtig oder hat aus Liebe Leidenschaft getötet. Ja, das ist ein falsches Signal. Das sind Tatmotive, aber das ist nicht die Ursache, die tiefe Ursache von Gewalt an Frauen. Und hier, da stimmt eben etwas nicht im System. Und es ist auch ein Appell an die Behörden und an alle Organisationen, die mit Gewalt zu tun haben, dass wir in erster Linie da anfangen, diese Opfer Täterumkehr auch zu erkennen und die Betroffenen ernst nehmen ab dem Zeitpunkt, wo sie sich wohin wenden.

Stefan Lassnig
Ich muss da immer an den Fall Giselle Pelicot denken, die den wirklich zentralen Satz dann irgendwann gesagt hat, die Scham muss die Seiten wechseln, weil das, was sie jetzt schildern, das passiert tatsächlich oft in der Praxis, dass sich die Opfer, und in der Regel sind es Frauen, dafür schämen, was ihnen passiert ist. Und in Wahrheit gehört die Scham aber auf die Seite der Täter.

Maria Rösslhumer
Ganz richtig. Das ist eine sehr wichtige Botschaft. Und wir müssen auch die Frauen viel mehr ermutigen, sich zu trauen, auch in die Öffentlichkeit zu gehen. Ich appelliere in letzter Zeit auch die Frauen, bitte wendet sich auch an die Medien, Fälle müssen aufgeklärt werden, sie müssen in die Öffentlichkeit kommen, weil nur so wird sich vielleicht etwas ändern. Oder eben, ich meine, wir haben jetzt den letzten Doppelmord, den wir hatten, das Femizid. Es ist oft so, dass wir uns irgendwo denken, wie kann das sein, dass zum Beispiel Täter, die schon lange amtsbekannt sind, das heißt ja immer, ist schon bekannt, es war schon irgendwie, hatte schon eine Wegweisung, Betretungsverbot, es gab Waffenverbot, so wie beim letzten Fall und einige Gewaltdelikte und die Frau hat sich auch schon an den Frauenhass gewandt, hat sich Schutz und Hilfe geholt und warum war es nicht möglich, diesen Täter schon frühzeitig zu stoppen? Ich habe zum Beispiel alle drei zuständigen Ministerien angefragt und um Aufklärung gebeten, gab es eine Fallkonferenz, eine polizeiliche Fallkonferenz, gab es vielleicht auch eine Gefährlichkeitseinschätzung, hat vielleicht auch die Schule schon eine Gefährdungsmeldung an das Jugendamt gemacht? All diese Fragen, ich glaube, wir müssen die Fälle aufklären, was ist da passiert und aus dem heraus lernen.

Stefan Lassnig
In dem Zusammenhang habe ich das sehr, sehr interessant gefunden, was die Yvonne in ihrem Buch geschrieben hat, zur Spirale der Gewalt. Es ist ja in der Regel nicht so, dass ein Femizid aus heiterem Himmel passiert, also wenn es jetzt zum extremen Fall kommt, sondern in der Regel mit, Sie haben es davor schon an einem Beispiel erwähnt, mit verbaler Gewalt. In der Regel beginnt, aber die Spirale dreht sich. Ich finde, wenn man diese Elemente der Spirale kennt, dann kann man vielleicht auch leichter erkennen, dass sich so ein Fall entwickelt. Auch als jemand, der quasi das nur beobachtet, Nachbarin, Nachbar und auch als Behörde sollte man natürlich diese Spiralentwicklung kennen, weil da hat man eventuell die Chance, noch was zu verhindern.

Maria Rösslhumer
Ganz richtig. Gewalt beginnt eben nicht bei körperlicher Gewalt, sondern sie beginnt schon bei der verbalen Gewalt oder eben, ich sag oft, auch bei den Blicken, wenn Männer Frauen taxieren von oben bis unten oder sexistische Witze zählen, dass man da schon wirklich einen Stopp setzt. Und das ist auch ein Appell an die Männer. Das habe ich auch, das werden wir auch nachher besprechen über diese Männerkampagne, dass Männer auch andere Männer adressieren. Und das will ich nicht in meiner Umgebung. Ich will nicht, dass du mit deiner Freundin so abwertend redest. Ich will nicht, dass - ich will mir keine sexistischen Witze anhören. Das ist kein, das ist ein no Go für mich. Also hier kann man viel ansetzen und das gilt natürlich auch für die Behörden. Also gerade die Polizei, die Justiz sind natürlich auch immer wieder verharmlosen Gewalt. Sie lassen oft zu, dass es eskaliert und dass nichts passiert. Grundsätzlich muss man sagen, die Polizei macht sehr viel und es gibt ja sehr viele Wegweisungen, Betretungsverbote. Letztes Jahr waren es 15.000 Wegweisungen. Das heißt auch, dass die Polizei das Gesetz sehr ernst nimmt, Aber es gibt immer wieder Ausreißer, wo es heißt, Naja, wegen einer Ohrfeige machen wir jetzt keine Anzeige oder so in die Richtung. Also ich finde, wir müssen die Frauen stärken ab dem Zeitpunkt, wo sie sich wohin wenden, dass das sofort ernst genommen wird. Und das passiert leider zu wenig.

Stefan Lassnig
Bleiben wir gleich bei dem Thema couragierte Männer. Im Juni 2025 habt ihr eine neue Kampagne gestartet und zwar geht es da eben um couragierte Männer, die Vorbildfunktionen übernehmen sollen. Und ganz konkret jetzt die Frage auch für mich als welchen Beitrag können wir Männer leisten? Weil wir jetzt auch, wenn wir sagen, so wie Sie davor geschildert haben, an der Tür, wir sind ja weder Täter noch Opfer. Also quasi was geht uns das Thema an?

Maria Rösslhumer
Genau, also Männer sind die Hälfte unserer Gesellschaft und sind Teil der Gesellschaft und ich denke mal nur eine echte Gewaltprävention, Verhinderung von Gewalt kann nur durch die Beteiligung von Männern passieren. Wir Frauen engagieren uns hauptsächlich in der Gewaltprävention, weil uns das ein großes Anliegen ist, weil wir alle betroffene Frauen kennen in unserer Umgebung und weil jede Frau betroffen sein kann. Männer trifft es vielleicht nicht so stark wie Frauen, aber sie können einen Beitrag leisten, indem sie uns unterstützen, mit uns gemeinsam kämpfen, dass sich etwas ändert. Es muss sich das System ändern. Wir brauchen einen Wandel in der Gesellschaft, weil wir sind so mit einem großen Gegenwind konfrontiert, gerade jetzt mit diesem Antifeminismus von Donald Trump bis hin zu Andrew Tate oder sonst irgendwie dieser vor kurzem, das hat man in den Medien auch gehört, dass dieser Markus Streinz, der sozusagen ein Geschäftsmodell gemacht hat, indem er andere Männer auffordert, Gewalt auszuüben, Frauen gegenüber und dass der nicht gestoppt wird, dass es möglich ist, dass diese Männer das machen können, gerade im Internet, also diese Plattformen, die sind ja wirklich auch sehr problematisch, weil da eben so viel Negatives verbreitet wird. Und hier muss man ansetzen. Deshalb brauchen wir viele Männer, auch Influencer zum Beispiel, die dagegenwirken und sagen, das wollen wir nicht in unserem Bereich.

Stefan Lassnig
Ich finde auch ganz wichtig die Botschaft Ihres Vereins, dass eben das bei kleineren Sachen anfängt. Sie haben es jetzt selber erwähnt, bei Sexismus im Alltag, nenne ich es jetzt einmal, der noch überhaupt nichts mit körperlicher Gewalt zu tun hat, aber halt einen gewissen Nährboden bildet für später. Und eben auch dieser Appell zu sagen, schaut genauer hin, mischt euch ein. Dieser Appell an die Zivilcourage.

Maria Rösslhumer
Genau, weil Schweigen ist im Grunde Zustimmung. Also wenn man sich nicht einmischt, wenn man nichts macht, dann heißt das im Grunde genommen, ja, kann man weitermachen. Und ich glaube, das ist etwas, was Männer tun können, indem sie auch wirklich andere Männer konfrontieren oder eben sich, ich mein Zivilcourage beginnt ja schon wesentlich früher. Man muss nicht jetzt unbedingt ein Held sein, eingreifen und dazwischengehen, sondern einfach sich auf die Seite der Betroffenen stellen und sagen und zeigen, ich bin da, ich bin an ihrer Seite und das sollte gefördert werden. Und je mehr Männer sich da beteiligen und mitmachen, desto eher können wir sozusagen eine Bewegung daraus machen. Ich habe jetzt 50 Männer, die sich beteiligen und ich freue mich sehr. Ich danke wirklich jedem Einzelnen, der sich traut, das öffentlich zu zeigen. Das ist auch eine Courage, das Gesicht zu zeigen und ein Statement abzugeben. Aber wir brauchen natürlich mehr. Ich habe bei der Pressekonferenz gesagt, wir brauchen hunderte bzw. Tausende Männer, damit sich hier ein, damit… Wir brauchen nämlich Identifikationsfiguren für die jungen Männer, für die Kinder, für die Jugendlichen, aber auch für die Frauen, dass sie spüren, es gibt auch Männer, die sind verlässlich, die sind respektvoll, die sind wertschätzend, die sind auf unserer Seite. Das ist ein wichtiges Signal. Und ich kann mich selber erinnern in meiner Jugend, ich hatte einen Musiklehrer, den ich sehr geschätzt habe, der mir immer noch in Erinnerung, weil er etwas so Positives ausgestrahlt hat und auch Mädchen so gestärkt hat. Das bleibt in Erinnerung. Und wenn das öffentlich ist, wenn das auf Plakaten zu sehen ist, dann kann sich etwas ändern.

Stefan Lassnig
Ich denke, dass diese Bewegung insofern ganz dringend notwendig ist, weil Sie haben es schon angesprochen, die Gegenbewegung dazu sozusagen, die gibt es ja gerade eben, diese gewaltfeierlichen Influencer, das nimmt ja Ausmaße an. Das ist, glaube ich, vielen Menschen gar nicht bewusst. Mir war es auch nicht bewusst. Ich habe es in der Vorbereitung auf das Gespräch nochmal mir angeschaut. Wir bewegen uns ja nicht in solchen Kreisen oder wir folgen ja solchen Menschen wahrscheinlich nicht. Das bedeutet aber nicht, dass Tausende vor allem junge Männer, solchen Typen dann schon folgen und das cool finden, was die machen. Und ich glaube, das ist ein, das ist eine Entwicklung, die man, wenn man in so geschützten Bubbles wie wir lebt, also sie nicht sicher laufend mit den Themen konfrontiert, aber wie ich, dann kriegt man das gar nicht so mit. Aber das ist riesig.

Maria Rösslhumer
Ja, und es wird immer mehr und auch die, man darf nicht vergessen, diese ganze Radikalisierung, die stattfindet, dass immer mehr sich junge Männer sich an Gruppen orientieren oder an Religionen, fundamentalistische, radikale Religionen, die so eine Begeisterung erzielen und auch gekoppelt mit Rassismus, all diese Tendenzen, die sind sehr gefährlich. Es ist ein Angriff auch an Frauen, es ist ein Krieg gegen die Frauen. Und hier brauchen wir unbedingt eine Gegenbewegung. Wir brauchen Männer, die uns unterstützen, damit das sich ändert und dass wir ja hier eine Gegenbewegung haben.

Stefan Lassnig
Und ein zentrales Anliegen ist ja auch in Bezug auf Zivilgesellschaft, Gesellschaft und Individuen, dass man im ganz kleinen Bereich beginnt. Also wir reden jetzt im ersten Teil dieser Folge ja über das, was jeder und jede einzelne von uns machen kann. Und das fängt eben an in der Nachbarschaft, wenn man was mitkriegt, wenn man feststellt, da könnte Gewalt im Spiel sein, weil ich finde, Ihre Botschaft auch sehr wichtig zu sagen, denkt man nicht immer nur in großen Dimensionen und lagern wir das Thema vor allen Dingen nicht nur aus an Frauenhäuser, an die Exekutive, sondern nehmen wir es rein in unseren Alltag.

Maria Rösslhumer
Ja, genau Dieser gesamtheitliche Ansatz finde ich so wichtig, dass wir immer wieder denken, jedes Mitglied unserer Gesellschaft kann einen Beitrag leisten und das bietet eben Stopp. Mittlerweile gibt es Stopp an 46 Standorten in ganz Österreich, in jedem Bundesland. Wenn sich jemand beteiligen will, kann er sich dort beteiligen oder bei der Bewusstseinskampagne. Es braucht so viele Ebenen und die Prävention ist so wichtig. Ich glaube, durch die Prävention kann man in der Gesellschaft das Bewusstsein so stärken und verändern durch Aufklärung, durch eine starke Gemeinschaft.

Stefan Lassnig
Vielleicht kommen wir jetzt noch auf diese politische Ebene. Die gesellschaftliche haben wir ja jetzt gerade mal besprochen. Ich habe so das Gefühl und wir haben jetzt schon, Sie haben schon den Donald Trump genannt, ich habe so das Gefühl in der Politik, sowohl international als auch zum Teil national, gibt es schon ein Backlash oder zumindest den Versuch eines Backlash, dass man an dieser Gleichberechtigung, Gleichstellung, die Sie zu Recht als Grundvoraussetzung dafür bezeichnen, dass dass sich die Gewalt an Frauen verringert, an der wird eher in die Gegenrichtung gearbeitet, nämlich dass man an dieser Gleichstellung rüttelt.

Maria Rösslhumer
Ja, es ist tatsächlich so. Wir erleben einen Backlash und es ist so, dass das wissen wir alle. Frauen, die hauptsächlich ihr Care Arbeit leistet, weniger verdienen als Männer und die sich all das wirkt sich natürlich auch finanziell aus. Frauen werden dann auch in der Pension von Armut betroffen. Also sie sind ja sowieso jetzt schon betroffen von dieser ganzen Armut, weil natürlich auch diese vielen Krisen eine Rolle spielen. Energiekrise, die Mietkosten werden immer teurer, Frauen können sich das mittlerweile einfach nicht mehr leisten. Es wird einfach wirklich prekär und spürbar.

Wir rufen immer wieder Frauen an, die sagen, sie können sich die Miete nicht mehr leisten, sie haben kein Geld mehr, die Heizkosten, alles und vor allem alleinerziehende Erzieherinnen, die sind ja hauptsächlich davon betroffen, weil sie dann Familie und Beruf oft überhaupt nicht verbinden können. Das ist ein riesen Backlash und vor allem, weil auch wenig dagegen gesteuert wird politisch. Wir spüren zu wenig Unterstützung diesbezüglich in der Gleichstellungspolitik und dann kommen die Rechten dazu. Die Rechten werden immer stärker, die konservativen Rechten, die ja Frauenrechte überhaupt nicht ernst nehmen, sondern die eben Frauen wieder zurückdrängen wollen an den Herd zu den Kindern und nach dem Motto, die Frauen sollen den Männern wieder den Rücken stärken, wie es geheißen hat. Wir sind froh, Gott sei Dank haben wir jetzt die blau schwarze Regierung nicht bekommen, aber wir haben jetzt eine Regierung, die könnte viel machen und wir Wir brauchen eine Unterstützung diesbezüglich. Es muss sich hier auch in der Gleichstellungspolitik sehr viel ändern, damit Frauen nicht in die Armut abrutschen, Existenzprobleme haben und vor allem von Gewalt betroffen sind.

Stefan Lassnig
Was ist Ihrer Meinung nach die Ursache dafür, dass ich würde sagen, das ist kein national, sondern internationale Entwicklung, dass es da diese Gefahr gibt, Dinge, die man über die letzten Jahrzehnte wahrscheinlich mühsamst erkämpft hat, dass die wieder in Frage gestellt werden?

Maria Rösslhumer
Ja, es ist ein globales Problem, das wir haben. Es ist sicher nicht etwas, was jetzt so, das hat sich auch immer mehr verstärkt, hängt sicher auch mit den Kriegen zusammen. Wir haben es ja rundherum mit sehr vielen Katastrophen zu tun und es werden eben diese, man darf auch nicht vergessen, die Religionen, die spielen eine große Rolle, diese radikalen, fundamentalistischen Religionen, die auch zum Beispiel auch das Abtreibungsverbot verhindern fördern bzw. Und die Abtreibung oder diese Selbstbestimmung von Frauen verhindern wollen. Das ist eine Tendenz, die sehr gefährlich ist. Und das schreibt ja von Amerika über Es gibt mittlerweile mehrere Bundesstaaten, wo Abtreibung verboten wird und den Frauen geht es sehr schlecht. Also wenn sie das machen, dann landen sie im Gefängnis.

Und das sind Tendenzen, die sehr gefährlich sind. Aber es hat sich natürlich immer mehr Ich habe es gemerkt, auch in Europa, die EU ist immer konservativer geworden und mittlerweile auch gibt es sehr viele rechte Parteien in der EU. Oder dass zum Beispiel die Istanbul Konvention, die ja 2011 von der Türkei von Istanbul dort unterzeichnet wurde, die sind jetzt wieder ausgestiegen aus der Konvention und andere Länder möchten folgen. Oder der Vatikan zum Beispiel hat die Istanbul Konvention noch nie noch nicht akzeptiert. Das sind Tendenzen, die sehr gefährlich sind und die immer mehr zunehmen. Die Ursache liegt vielfach in vielen Bereichen, dass solche Diktatoren an die Macht kommen, die Frauen einfach nicht ernst nehmen und Gewalt zulassen.

Stefan Lassnig
Zu dem Thema, dass Religiosität eine Rolle spielt, da darf ich jetzt schon verraten unseren Hörerinnen und Hörern, dass dazu kommt noch, was ihn ganz offen gesagt, weil es ja insofern schon Interessant zu beobachten ist, dass ja dieser Backlash zum Teil ja aus verschiedenen Religionen kommt, die sich gegenseitig hochschaukeln. Also ich sage jetzt mal, die katholischen Fundamentalisten und die islamistischen Fundamentalisten unterscheiden sich da nicht wahnsinnig im Frauenbild zum Beispiel. Sie sind zwar offiziell Gegner, was die Religion betrifft, aber zum Beispiel das Frauenbild deckt sich ganz gut und da steckt eine Riesengefahr drin, die mir lange Zeit auch nicht so bewusst war. Aber da kommt schon auf was uns zu und wir brauchen eben nur in die USA schauen, dann sehen wir ja, wo das hinführt.

Maria Rösslhumer
Ganz richtig. Ja. Und Religionen, ich sage immer, Religionen sind eigentlich auch Gift für die Frauen, weil sie einfach Frauenrechte nicht stärken. Wir haben noch immer in der katholischen Kirche noch nie eine Frau als Päpstin gehabt oder vor kurzem erst.

Stefan Lassnig
Nicht einmal Pfarrerinnen.

Maria Rösslhumer
Genau, genau. Fangen wir da an. Ich meine bei den Protestanten letztes Jahr, glaube ich 2024 ist erstmal eine Bischöfin, eine Frau als Bischöfin ernannt worden. Ja, also auch wenn Religionen etwas tun würden für Frauen und für die Gleichstellung, dann wäre es was anderes. Aber wir haben zum Beispiel auch in Ländern, die sind für uns weit weg, Indien oder Pakistan, wo Kinderehen erlaubt werden, mit acht, neun Jahren werden Kinder sozusagen verheiratet, die sterben dann, weil sie eben misshandelt werden, weil sie aufgrund von früher Geburt dann einfach getötet werden. Das sind Zustände, wo auch die Religionen nichts dagegen tun, sondern das sogar noch fördern.

Stefan Lassnig
Wenn wir kurz bei den staatlichen Möglichkeiten bleiben, hat Gewaltschutz auch ein finanzielles Problem, weil in Zeiten Klammerkassen auch unter Umständen an solchen Initiativen oder an solchen Unterstützungen gespart wird?

Maria Rösslhumer
Ja, der Gewaltschutz wird dem Sparstift sozusagen jetzt untergeordnet. Also wir müssen überall sparen, heißt es, Aber zugleich wird in der Rüstung enorm viel ausgegeben. Alleine schon jetzt hat das eben, es war im Frühjahr die Bundesregierung etwa 3,75 Milliarden Euro für 20 neue Kampfjets ausgegeben oder bewilligt. Das heißt, pro Kampfjet wird 187,5 Millionen Euro ausgegeben. Ich verstehe irgendwie überhaupt nicht, warum wir so viel in Militarisierung in die Rüstung investieren. Also es ist jetzt momentan das Gefühl, wir rüsten alle auf, als würden wir uns auf Krieg vorbereiten, anstatt in das Soziale, in die Gleichstellungspolitik, in die Gewaltprävention zu investieren. Wir wissen, dass Gewalt an Frauen, häusliche Gewalt, dem Staat so teuer kommt. 7,3 Milliarden Euro jährlich sind die Ausgaben für häusliche Gewalt, die Folgekosten eben in der Polizei, Justiz oder Gesundheitswesen. Überall wird also Männergewalt an Frauen ist sehr teuer, kostet sehr viel Geld. Also man müsste da investieren und es umshiften, meiner Meinung nach.

Stefan Lassnig
Jetzt zwei Interviews gesehen, ich habe es im Vorgespräch bereits erwähnt, ich werde es in den Shownotes verlinken. Und da haben Sie auch gesagt, dass in Österreich, was die Gesetzgebung betrifft, schon was passiert ist in den letzten Jahren. Sie haben ja schon erwähnt, die Gewaltschutzgesetze Ende der 90er Jahre. Aber ich nehme an, es ist nicht genug.

Maria Rösslhumer
Es ist nicht genug. Wir haben viele Gesetze, wir haben viele Maßnahmen, gute Infrastruktur, viele Frauenhäuser in ganz Österreich. Wir haben den Opferschutz ausgebaut, die Opferrechte auch in der Justiz, im Strafverfahren. Es ist so viel passiert und trotzdem nimmt die Gewalt nicht ab. Also da muss man sich fragen, wirken diese Gesetze nicht, wirken die Maßnahmen nicht? Warum ist das so? Und das fragen uns auch sehr viele. Und hier denke ich mir, müssen wir ansetzen. Alleine schon, wir haben vor 40 Jahren die ersten Frauenhäuser gegründet in Österreich. Noch immer müssen so viele Frauen flüchten von zu Hause. 3000 Frauen mit ihren Kindern müssen jährlich flüchten und die Täter können nach wie vor herumlaufen und können sozusagen die Frauen auch unterdrücken und weiterhin erpressen und nötigen. Das System ist sehr täterorientiert. Also die Täter werden geschützt und die Opfer werden bestraft, mehr oder weniger, weil da hat sich noch nicht wirklich etwas geändert. Ich meine, Frauenhäuser sind wichtige Einrichtungen, lebenswichtige Einrichtungen. Wenn man die nicht hätten, dann gäbe es womöglich noch mehr Femizide. Also ich will jetzt nicht gegen die Frauenhäuser reden, aber man muss sich hinterfragen, was unterstützen wir hier? Welches System unterstützen wir? Wir müssten eigentlich Frauen sagen, müssen sicher zu Hause leben können. Jede Frau, jedes Kind muss sicher zu Hause leben können. In diese Richtung müssen wir arbeiten. Das heißt auch Täter zu konfrontieren, frühzeitig zu stoppen, wenn man erkennt, dass sie sozusagen etwas anrichten oder dass so viele Anzeigen eingestellt werden. Frauen wenden sich an die Behörden, Frauen zeigen an, Frauen holen sich Hilfe, aber sie werden dann nicht wirklich adäquat unterstützt. Und das führt dazu, dass Frauen oft einfach wenig Vertrauen in den Rechtsstaat haben, dass sie sich womöglich nicht mehr an Behörden wenden. Alleine dieser letzte Fall, die Geschichte mit Anna, dem zwölfjährigen Mädchen, das ist ein fatales Signal in die Gesellschaft. Das Mädchen ist nicht wirklich unterstützt worden und 10 Männer sind freigesprochen worden. Was bedeutet das? Das heißt im Grunde genommen, in Zukunft werden sich die Frauen noch weniger an die Behörden wenden. Also hier müssen wir die Schrauben drehen.

Stefan Lassnig
An der Stelle darf ich etwas wiederholen, was ich mit der Yvonne auch besprochen hab, nämlich die Rolle der Medien. Vielfach ist ja die Medienberichterstattung über Frauengewalt und Femizide wirklich völlig daneben. Und das ist mir jetzt nur deswegen eingefallen, weil sie gesagt haben, die Gesetzgebung, der Vollzug ist oft Täter orientiert. Das ist ja leider in der Berichterstattung auch manchmal so, dass eben das quasi Eifersuchtsmord und da wird oft sich sehr auf die Täter-, ich glaube, ich würde unterstellen, meistens unbewusst, aber trotzdem auf die Täterseite gestellt. Also auch die Medienberichterstattung, da müssen sich alle, die in den Medien arbeiten, inklusive uns, an der Nase nehmen.

Maria Rösslhumer
Ganz richtig. Die Medien haben große Verantwortung diesbezüglich. Wenn Medien verharmlosend Gewalt verharmlosend berichten, heißt das im Grunde genommen, ja, das ist eh. Und vor allem die Frauen sind schuld. Und ich weiß nicht, ob Sie mitbekommen haben, dass die Boulevardzeitungen oder wir haben jetzt vor kurzem eben auch eine Beschwerde beim Presserat eingereicht, weil eben die Kronen Zeitung einen sexuellen Missbrauch dargestellt haben in der Zeitung als, ja, es war halt ein Erwachen der Frühlingsgefühle und zeigen ein Bild, wo ein Mann ein Mädchen sozusagen konfrontiert. Das ist ja, da sind natürlich die Medien gefordert. Sie müssen wirklich mehr Verantwortung nehmen. Würdevolle Berichterstattung.

Wir brauchen, dass Gewalt nicht so verharmlost wird. Gewalt ist kein Kavaliersdelikt, das muss benannt werden. Und da muss ich auch sagen, Yvonne Widler hat da wirklich sehr viel auch bewirkt, weil sie auch immer wieder appelliert hat, wir dürfen nicht nur sozusagen dieses Voyeuristische in den Vordergrund stellen, sondern immer auch darlegen, was liegt dahinter. Dieses patriarchale System, das hat ja eine tiefe Wurzel, warum Männer gewalttätig sind.

Stefan Lassnig
Und da sind wir dann auch wieder beim Thema Gleichstellung. Diese Gewaltbekämpfung muss ja bei der Gleichstellung beginnen. Wir kommen schon langsam zum Ende der Folge. Wenn Sie jetzt die Möglichkeit haben, zwei Appelle noch an Hörerinnen und Hörer zu richten und wir wissen, dass ja viele Politikerinnen und Politiker auch uns zuhören, aber auch viele engagierte Menschen aus der Zivilgesellschaft. Also welcher Appell wäre das an die Zivilgesellschaft, an uns quasi alle. Und welcher Appell wäre das an die Politik?

Maria Rösslhumer
Ja, an die Zivilgesellschaft. Das ist mein Appell, dass sich viele engagieren in der Gewaltprävention, vor allem auch Männer, dass sie mitmachen, dass sie uns unterstützen, dass sie sich beteiligen. Es gibt jetzt keine Ausreden mehr zu sagen, es gibt keine Möglichkeit, wo soll ich mich denn hinwenden, was soll ich denn tun? Ich würde gerne was tun, aber es gibt Stopp ist da und es können sich viele beteiligen. An die Politik. Richtig. Erstmal den Appell, wir brauchen eine Gerichtsbarkeit, wo die Richter und Richterinnen, das ganze Justizwesen geschult wird zu dem Thema Gewalt an Frauen. Viele wissen nicht, was gewaltbetroffene Frauen erleiden müssen, wie schmerzhaft das ist und welche massiven Folgen Gewalt an Frauen hat, also diese Männergewalt an Frauen und dass sie auch verstehen, wie die Täter ticken.

Täter haben ganz bestimmte Strategien, die sie bewusst oft einsetzen. Das sind eben Manipulationen, sie manipulieren, sie beeinflussen, sie blenden, sie verharmlosen und viele lassen sich davon eigentlich leiten. Und hier müssen also die Justiz, wir brauchen verpflichtende Schulungen für die Justiz, das gab es ja schon in den Grevio Report 2017, also der Grevio Report ist der Bericht, der alle fünf Jahre erstellt werden muss für den Europarat über die Umsetzung der Istanbul Konvention. Und da ist schon 2017 Österreich aufgefordert worden, verpflichtende Schuldung, das ist das um und auf so wichtig, weil nur so können auch gerechtere Verurteilungen stattfinden. Genau, und dann natürlich viel mehr investieren, Geld investieren in die Gewaltprävention, wie ich schon vorher gesagt hab, 7,3 Milliarden Euro kostet das dem Staat. Wenn wir einen Bruchteil davon in die Gewaltprävention investieren, würde sich in der Gesellschaft einiges ändern. Alleine schon Meine Vision ist zum Beispiel, alle Gemeinden in Österreich, wir haben 2100 Gemeinden, wenn in jeder Gemeinde so ein Stopp, so eine Initiative, Nachbarschaftsinitiative stattfinden würde oder etabliert werden würde, würde ich 94 Millionen brauchen im Jahr im Vergleich zu dem, was wir für die Rüstung ausgeben, ist das ein Klacks. Also es wäre wichtig, hier viel mehr zu investieren, weil das Patriarchat ist so tief sitzend, das werden wir nicht in einem Jahr schaffen, sondern das wird dauern. Und deshalb brauchen wir hier viel mehr Investition.

Stefan Lassnig
Ich gehe sogar noch weiter. Die Investition braucht es noch dringender deswegen, weil sogar die Gefahr besteht nicht, dass sich da was verbessert, sondern dass sich sogar was verschlechtert zu dem, was wir schon erreicht haben.

Maria Rösslhumer
Richtig, genau. Ja.

Stefan Lassnig
Gut. Vielen Dank fürs Kommen. Vielen Dank für die Ausführungen und ganz persönlich wünsche ich Ihnen wahnsinnig viel Kraft für die weitere Arbeit. Sie machen da mit Ihren Verbündeten, hoffentlich zunehmend auch Männern, wirklich eine sehr wichtige Arbeit. Danke.

Maria Rösslhumer
Danke auch.

Stefan Lassnig
Das war die heutige Folge von Ganz offen gesagt. Feedback bitte an redaktion@ganzoffengesagt.at. Wir freuen uns, wenn ihr unseren Podcast abonniert und weiterempfehlt, uns auf Bluesky, Facebook, Instagram oder Spotify Feedback gebt und uns in euren Podcast Apps mit 5 Sternen bewertet. Wenn ihr unsere journalistische Arbeit unterstützen wollt, dann kauft bitte auf Apple Podcasts oder der Plattform Steady ein bezahltes Abo. Ihr könnt dann alle Folgen werbefrei hören und tragt dazu bei, dass wir ganz offen gesagt in der bewährten Form weitermachen können. Den Link zu Steady stelle ich euch in die Shownotes.

Zum Abschluss möchte ich euch ausnahmsweise keinen Podcast empfehlen, sondern euch auf ein neues Produkt aus unserem Podcast Unternehmen Missing Link aufmerksam machen. Auf der Website podcastradio AT findet ihr eine Auswahl österreichischer Podcasts, entweder zum Anhören oder, und das ist neu, auch als Transkript. Neben Ganz offen gesagt findet ihr dort Formate wie Die Dunkelkammer, Rohrer bei Budgen, Das Orakel, Große Töchter, stets bereit, Ich Kraft, Bühneneingang und Ist das wichtig? Schaut mal vorbei auf unserer Seite podcastradio. Ich bin mir sicher, es sind auch für euch interessante Inhalte dabei. Euch danke fürs Zuhören bei Ganz offen gesagt. Bis zum nächsten Mal. Pfiat eich.

Autor:in:

Stefan Lassnig

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