Ganz offen gesagt
Über Soziale Medien - mit Michael Buchinger
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Michael Buchinger, Kabarettist, YouTuber und Autor, im Gespräch mit Saskia Jungnikl-Gossy über seinen ersten Krimi „Bella Barks’ letztes Like“, den Schreibprozess und Social Media zwischen Filter und Wirklichkeit.
Saskia Jungnikl-Gossy
Herzlich willkommen bei Ganz offen gesagt. Mein Name ist Saskia Jungnikl-Gossy und ich freue mich sehr, dass Sie mit dabei sind. Und ich freue mich sehr über meinen heutigen Gast. Das ist Michael Buchinger. Er ist Kabarettist, YouTuber, Podcaster, Influencer und seit neuestem Krimiautor. Sein gerade erschienenes Buch heißt „Bella Barks Letztes Like“. Darin geht es um eine Influencerin, die auf rätselhafte Weise stirbt und um die Frage, was der Preis für ein Leben im Rampenlicht ist.
Wir reden heute über das Leben zwischen Filter und Wirklichkeit, darüber, warum das Internet ein großartiger, aber manchmal auch gnadenloser Ort ist und was Michi Buchinger selbst daraus für sich gelernt hat. Herzlich willkommen.
Michael Buchinger
Vielen Dank für die Einladung. Das klingt ja richtig vielversprechend. Also ich freue mich auf das Gespräch und ich bin bereit, einiges zu sagen.
Saskia Jungnikl-Gossy
Ich starte mal mit dem, womit wir immer starten, nämlich der Transparenzpassage. Die besteht aus zwei Teilen. Erstens, woher wir einander kennen. Wir kennen einander nicht, außer dass ich schon mal ein Interview mit dir gemacht habe und dann habe ich deinen Krimi gelesen und habe dich voller Freude eingeladen und Gott sei Dank hast du zugesagt. Und die zweite Frage ist, ob du für eine politische Partei tätig bist oder Mitglied?
Michael Buchinger
Nein.
Saskia Jungnikl-Gossy
Gut, starten wir mit deinem Krimi. Du bist ja schon Autor gewesen, aber es ist dein erster Krimi, den du veröffentlicht hast. Es ist ein Krimi im Influencer Milieu. Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, diese Welt als Bühne für einen Mord zu wählen?
Michael Buchinger
Ich glaube, es war während ich meine ersten Bücher geschrieben habe, also so im Jahr 2017. Da ist mein erstes Buch erschienen und es war eine lustige Anekdotensammlung. Das heißt, ich hab ähnlich wie in meinem Podcast oder auf Instagram einfach witzige Geschichten aus meinem Leben erzählt und das hat in Buchform gepackt. Ich habe schon immer gern geschrieben, es hat mir Spaß gemacht und ich dachte, mein Buch ist mal was anderes und bricht so ein bisschen diese Social Media Welt. Okay. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich angefreundet mit der österreichischen Krimiautorin Theresa Brammer. Die schreibt einige Krimis. Zu diesem Zeitpunkt war sehr aktuell ihr Krimi, der an der Wiener Staatsoper spielt und wir haben uns einige Male getroffen und haben so ein bisschen freundschaftlich gesprochen und dann habe ich Interviews mit ihr geschaut und in einem Interview hat sie gesagt, ein guter Krimi bricht immer so ein bisschen mit einer Scheinwelt. Und sie fand es einfach spannend, die Wiener Staatsoper zu nehmen und zu sagen, das ist glamourös, das ist was, was viele Leute besuchen und toll finden und dann hinter den Kulissen davon an Mord passieren zu lassen. Und wo ich das Wort Scheinwelt gehört habe, haben bei mir schon meine Alarmglocken zu läuten angefangen, weil ich mir dachte, die Influencer Welt, Social Media, Instagram ist ja einzige Scheinwelt. Also habe ich seit dem Zeitpunkt, eigentlich seit 2017, mit der Idee gespielt, einen Influencer Krimi zu schreiben. Nur hat es nie so richtig reingepasst. Ich weiß, alle die schon mal einen Krimi geschrieben haben, es ist halt, du musst da wirklich viel überlegen, du musst die Zeit haben. Für meine bisherigen Bücher habe ich mir schon Zeit genommen, aber ich hab sie zwischen Tür und Angel geschrieben, während ich mit meinem Comedy Programm auf Tour war. Ich dachte mir, so ein Krimi, der sollte am besten für die Leser:innen nachvollziehbar sein: dass du immer wieder so ein paar Hinweise einfließen lässt, dass du nicht auf Seite 200 okay, das ist jetzt der Mörder, den hat man zwar noch nie gesehen, aber tadaaaa, hier ist er. Und da dachte ich mir, ich möchte abwarten, bis ich mal richtig Zeit habe, in diese Welt einzutauchen. Man muss sich halt viel mit Mordmethoden und Motiven und so weiter beschäftigen und dafür war ich 2017 nicht ganz bereit.
Saskia Jungnikl-Gossy
Nimm uns ein bisschen mit auf den Prozess: Also fangen wir damit an, wie sich das Schreiben gestaltet hat. Also ein Krimi zu schreiben ist, wie du ja sagst, schon mal was anderes als eine andere Form von Buch. Also wie hast du, wie hat der Prozess überhaupt begonnen?
Michael Buchinger
Ich liebe meine Brainstorming Dokumente, die ich immer offen habe. Ich schreibe selbst viele Krimis und ich dachte mir, gut, ich mache mir es leicht. Ich habe jetzt davor fünf Bücher geschrieben, die tatsächlich einfach auf mir selbst basieren, Geschichten aus meinem Lebenssammlung. Ich mach die Hauptfigur mehr oder weniger zu einer Version meiner selbst. Das heißt, Leo Escher ist Ende 29 und ein gescheiterter YouTube Star. Er ist wirklich am absoluten Boden. Er ist kurz davor die Social Media Karriere an den Nagel zu hängen und ich muss sagen, da gehen so ein bisschen unsere Welten auseinander, weil anders als ich hat er nicht so ganz den Sprung in die neuen sozialen Medien geschafft. Wobei ich sagen muss, als so was wie TikTok aufgekommen ist, habe ich auch gesagt, das schaue ich mir an, ob das den Test der Zeit besteht.
Und ich hab mich wirklich lang geweigert, TikTok Videos zu machen, bis ich dann gesehen hab, okay, das ist offenbar hier, um zu bleiben und ihr müsst wohl oder übel drauf umsteigen.
Saskia Jungnikl-Gossy
Bleiben wir kurz bei Leo Escher. Er ist eben ein, wie du sagst, gescheiterter YouTube, er war mal YouTube Star, ist hängen geblieben bei einer gewissen Reichweite, die jetzt nicht mehr ausreicht. Und wie viel, ich meine, du bist kein gescheiterter YouTube Star, das ist schon mal der Unterschied, aber wie viel von dir steckt denn in ihm?
Michael Buchinger
Ich sage immer 60 Prozent. Er ist auf jeden Fall, eine Version von mir selbst von vor ein paar Jahren, als ich weniger selbstbewusst war, als ich nicht unbedingt an meine Karriere geglaubt habe, als ich mir sehr, sehr unsicher war. Er ist definitiv analytischer als ich, er hat eine gute Kombinationsgabe, ist weniger impulsiv, aber in mancher Hinsicht konservativ. Also er lernt eine Influencerin kennen, die sich sehr einsetzt für Polyamorie, offene Liebe und so weiter und das bringt ihn überhaupt total in eine Downward Spiral und er denkt sich so, oh mein Gott, und da bin ich tatsächlich ein bisschen offener. Also es ist eine Version von mir selbst, aber halt eine Version von mir selbst aus dem Jahr 2017 würde ich sagen.
Saskia Jungnikl-Gossy
Das heißt, du hast zuerst die Hauptfigur entwickelt und dann erst den Mord?
Michael Buchinger
Voll. Ich hab mir dann gedacht, es müsste tatsächlich jemand sein aus dieser Welt, ein Shooting Star, der definitiv um einiges besser unterwegs ist als der Leo. Das heißt unser Mordopfer Bella Barks, die berühmteste Influencerin Österreichs, die heute wirklich Mitte 20 ist und Millionen von Followern hat und anders als der Leo halt einfach Dinge macht, die die Leute tatsächlich interessieren. Und ich dachte mir, eigentlich müsste so jemand sterben, so repräsentativ für diese neue Welle an Influencer:innen. Und das fand ich interessant. Ich habe da angefangen, total viele Ratgeber zu lesen.
Wer hätte das gedacht? Es gibt Ratgeber zum Thema Krimi schreiben. Ich habe vier bis fünf davon gelesen und ich sage jetzt nicht, dass es irgendwie Malen nach Zahlen war, aber natürlich gibt es gewisse Elemente, die in einem Krimi einfach drin sein müssen. Fünf Hauptverdächtige, vier bis fünf Hauptverdächtige, ein gutes Motiv, quasi so ein doppelter Boden, ein paar falsche Hinweise und ich habe geschaut, dass diese Dinge drin sind und das fand ich eigentlich wirklich angenehm für mein erstes fiktives Werk. Das ist nicht so komplett: Okay, ich muss mir etwas völlig Neues und Unerwartetes ausdenken. Ich habe mich in diesem Krimi Bereich, in diesem Krimi Genre, doch recht wohlgefühlt.
Saskia Jungnikl-Gossy
Aber das heißt, das hat geholfen.
Michael Buchinger
Das hat absolut geholfen. Ich hab einen tollen gelesen von, okay, es gibt die Drehbuchautorin Nora Efron, die hat so Filme gemacht wie E-Mail für dich, Harry und Sally und so weiter und ihre Schwester Halli Efron ist Krimiautorin. Und die hat einen auf den Markt gebracht namens „Writing and selling your mystery novel“. Und das war wirklich so mein Nummer eins Werk. Interessant, weil ich das voll spannend fand zu lesen. Und natürlich gibt es auch im Krimi verschiedene Subgenres und ich habe mich jetzt nicht eins zu eins für eins entschieden. Ich würde meinen Krimi bezeichnen als sogenanntes cozy mystery.
Das bedeutet, dass, okay, ja, es passiert ein Mord, aber du musst jetzt nicht irgendwas lesen über Blutspritzer, abgetrennte Gliedmaßen. Es ist ein Krimi, bei dem man sich wohlfühlt und es soll eine sehr gemütliche Stimmung entstehen. Es sind einige Influencer gefangen in einem Hotel in den Bergen. Niemand darf raus, bis der Mordfall geklärt ist. Und das war so ein bisschen mein Anspruch.
Saskia Jungnikl-Gossy
Es heißt ja manchmal, dass es wichtiger beim Krimi ist, dass die Handlung gut ist und der Plot gut, als wie man schreibt.
Michael Buchinger
Ja, siehst du, auch das habe ich schon gehört. Und ich muss sagen, ich habe in Phasen, wo ich zum Beispiel wenig gelesen habe, also in so einer richtigen Leseflaute, da habe ich ja immer auf Krimis zurückgegriffen, um wieder so den Einstieg zum Lesen zu finden, weil ich mir dachte, selbst wenn er so mittelmäßig geschrieben ist, ich habe noch jeden Krimi bis zum Schluss gelesen. Einfach weil du halt dieses Interesse hast: Wer war es jetzt? Und dann denkst du, gut, ich druck jetzt die letzten 50 Seiten noch durch und deswegen mag ich das Genre wirklich gern. Und wenn ich in einer Buchhandlung bin, ich schaue mir immer an, was so an neuen Krimis erscheint. Außerdem war es ja eigentlich mein Wunsch. Ich dachte mir immer, diese Influencer Krimi Idee ist eine gute Idee. Ich wünschte, irgendjemand wird das machen, nicht ich, weil es klingt anstrengend.
Und dann habe ich das wirklich über die Jahre verfolgt, immer wieder gegoogelt, Presseaussendungen, was erscheint Neues im Krimi Bereich. Und es hat einfach über die letzten acht Jahre hinweg niemand einen Influencer Krimi veröffentlicht, zumindest nicht, dass ich es mitbekommen hätte. Und irgendwann dachte ich mir dann, na gut, dann mache ich es halt. Und ja, ist eh gut, finde ich, dass es von jemandem kommt, der halt in der Szene ist, der die Szene kennt. Weil dann dachte ich mir, also ich mag es nicht, wenn so außenstehende Leute, die keinen Bezug dazu haben, sehr viel über die Influencer Szene zu sagen haben. Und glauben, sie durchschaut zu haben. Deswegen dachte ich mir, gut, das kommt jetzt von mir.
Ich werde ein paar Geheimnisse enthüllen, aber nicht zu viele.
Saskia Jungnikl-Gossy
Aber man merkt auch, dass das eine Welt ist, in der du dich auskennst. Ist das ein Vorteil gewesen, auch gerade beim ersten Krimi, dass du dich in eine Umgebung begibst, wo du einfach weißt, wie es läuft?
Michael Buchinger
Definitiv. Und ich muss sagen, ich musste aufpassen, dass der Krimi dann nicht zu umfangreich wird, weil ich dachte mir so, okay, wenn das jetzt das einzige Werk ist, wo ich so ein bisschen der Influencer Welt den Vorhang vorziehen möchte und sagen möchte, wie es wirklich ist, dann ist es ein großer Druck für mich. Und ich habe es einfach gesehen als ein Influencer Krimi. Wenn es gut läuft, werden es gerne auch mehrere. Ich sage immer, ich könnte locker 20 davon schreiben. 20 ist ein bisschen viel, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass es drei werden, wenn sie sich halbwegs gut verkauft, weil ich mir einfach denkt, es gibt sehr viel her. Und ich habe jetzt einen Aspekt beleuchtet, bin halt auf diese jungen, fitten, sehr erfolgreichen Influencer eingegangen. Man kann natürlich eine völlig andere Richtung abdriften. Die Influencer Welt ist ja sehr facettenreich und ich habe sicher Ideen für vier bis fünf weitere Bücher. Aber mal sehen.
Saskia Jungnikl-Gossy
Bevor wir mehr über Social Media reden, würde mich noch interessieren: Beim Buch schreiben selber, wie schwierig war es für dich, diese Stränge in der Hand zu halten und die Spannung aufrechtzuerhalten oder quasi an der Spannung zu arbeiten?
Michael Buchinger
Schwierig, weil ich bin ja, ich komme ja aus der humorigen Richtung und alle Texte, die ich bis jetzt geschrieben habe, sei das in Buchform oder für Online Medien, waren immer sehr okay, ein Lacher pro Absatz oder es muss richtige Witzdichte haben. Und da habe ich ja sehr auf meine Testleserinnen und auf den Verlag vertraut, zu sagen: Hey Michi, in diesem Teil des Buches jetzt vielleicht ein bisschen weniger witzig und halte mehr Spannung. Und klar, ich find, du kannst schon beides machen, aber ich glaube, du kannst nicht beides auf einmal machen. Wenn ich jetzt beschreibe, wie da die Leiche liegt und dann irgendwie fünf Gags einbaue, nimmt das natürlich ein bisschen die Spannung raus. Und da musste ich mich wirklich zügeln halt zu erkennen, welche Szenen sind die witzigen, welche Szenen sind die spannenden. Ich glaube, im Endeffekt habe ich ganz gute Balance gefunden, Aber beim ersten Entwurf war das halt so, das war einfach so geschrieben, wie ich bis jetzt immer geschrieben hab. Sehr viele lustige Vergleiche, sehr viele überspitzte Dialoge und dann irgendwann habe ich meinen Groove gefunden. Aber das war definitiv ein Prozess.
Saskia Jungnikl-Gossy
Ich finde, wenn man es liest, man merkt, es blitzt so zwischendurch schon dieser Michi Buchinger Witz auf, aber es trägt nicht das Buch. Also es ist schon eindeutig ein Krimi, finde ich.
Michael Buchinger
Genau, danke, dass du das sagst. Es gibt viele Bücher von mir, die wirklich in diese absolute Comedy Richtung gehen und ich dachte mir, das ist jetzt vielleicht nicht unbedingt das Buch.
Saskia Jungnikl-Gossy
Dafür hast du mit irgendwelchen Hilfsmitteln gearbeitet, also quasi dir an einer Pinnwand die Kapitel vorgezeichnet oder wie?
Michael Buchinger
Ich muss sagen, der eigentliche Prozess, der lange gedauert hat, war genau das, was du beschreibst. Einerseits die Pinnwand, die hat es zwar in digitaler Form, aber es kommt mehr oder weniger aufs Gleiche Und einfach mal dieses Grundgerüst zu finden, was könnte passiert sein, wann kommen die verschiedenen Plot Points, die Wendungen und so weiter, wer sind die Charaktere, wer könnte man glauben, dass es war, der es im Endeffekt nett war. Das hat lange gedauert, da wir viel mit anderen Leuten geredet, mit meinen Freunden, mit Testpublikum, mit Menschen vom Verlag. Aber als das dann gestanden ist, ging es ja einfach nur mehr darum das auszuführen also zu schreiben was eher wieder anstrengendere Prozess klingt aber das ging dann. Ich dachte mir okay, ich habe jetzt meine Handlung so wie sie sein soll und ich schreibe das jetzt einfach mit ein bisschen einem Witz und mit meiner Stimme und das hat dann gut funktioniert. Also das hat dann richtig Spaß gemacht, weil man dachte das eine sitzt mal jetzt schaue ich mal wo die Reise hingeht.
Saskia Jungnikl-Gossy
Also das heißt so 60 Prozent Arbeit am Grund oder eben am Struktur bauen?
Michael Buchinger
Voll und das war ein Lernprozess. Ich möchte es jetzt auch nicht schmälern, aber das ist halt wie so ein Erlebnisaufsatz an der Schule, so: Ich war mit meinem Freund im Urlaub und da ist das und das passiert. Great. Jetzt wenn du aber in die Welt des fiktiven Schreibens eintauchst, klar, du hast freie Hand, du kannst da überlegen, was du willst, aber man muss aufpassen, dass man nicht komplett durchdreht und sich einfach die wildesten Dinge überlegt und es war wirklich schön diesen Rahmen vorab abzustecken und dann einfach danach vorzugehen.
Saskia Jungnikl-Gossy
Gibt es noch eine Anekdote, die du mit dem Krimi Schreiben jetzt verbindest?
Michael Buchinger
Was ich so schwierig fand, war die Namenssuche. Klar in meinen bisherigen Büchern habe ich die Namen A ausgetauscht, weil nicht unbedingt oft Leute anschwärzen möchte oder irgendwas enthüllen möchte mit dem Klarnamen, aber den Namen bei diesem Krimi, also beim Schreiben bin ich draufkommen, man muss rechtzeitig die Dinge austauschen, sonst sind sie final. Und zuerst habe ich geschrieben mit dem Influencer Namen nur als Gag Doggy D. So hat Bella Barks eigentlich geheißen in Anlehnung an eine deutsche Influencerin namens Dagi Bee und die beim Verlag fanden das alle witzig. So, hahaha Dagi D. Und ich dachte mir, okay, das ist aber nur der Placeholder. Bis ich einen richtigen guten Namen finde. Und dann habe ich das irgendwann rasch ausgetauscht und bin auf Bella Barks gekommen. Die beim Verlag wären, glaube ich, dafür gewesen, dass es Doggy D. ist, so ein urbeknackter Name. Meine Hauptfigur hat eigentlich Andreas geheißen. Das war wirklich kurz vor Abgabe habe ich das noch so gehabt. Dann haben aber einige Testleser:innen gesagt, Andreas ist voll der komische Name.
Ich möchte jetzt niemanden da draußen irgendwie beleidigen, der Andreas heißt. Aber sie haben gemeint, beim Lesen war es schwierig Andreas zu lesen, zu gewöhnlich. Außerdem, wenn ich in den Genitiv gehe, habe ich immer Andreas Apostroph oder wie auch immer. Und das war störend. Ich dachte, na gut, dann bin ich halt meine lange Liste an Namen durchgegangen und mein zweite Wahl war Leo. Leopold, dachte ich, ist auch gut, vielleicht ein bisschen einzigartiger. Ich wollte es halt als dünn verschleierte Referenz an mich selbst Michael, Andreas, Michi, Andi. Ich dachte mir, das ist einfach sehr ähnlich.
Und da dachte ich,was ist das Problem? Dieser ganz normaler Name. Aber gut, ich bin gewillt zu lernen, nachdem dieses Feedback gekommen ist. Im Endeffekt ist es ein Buch für die Leser, für die Leserinnen. Und ich dachte mir, gut, dann tausche ich es halt aus.
Saskia Jungnikl-Gossy
Ich finde es auch lustig, weil Andreas für mich ganz normal ganz normaler Name ist. Aber ich muss auch zugeben, dass ich beim Lesen, bei der Erwähnung von diversen Influencern oder so bei den Namen schon überlegt habe, wen meint er jetzt?
Michael Buchinger
Aber ich hab wenige echte Vorlagen gehabt. Natürlich sind die ein bisschen verschmolzen, wenn man viel in der Influencer Szene unterwegs ist. Und ich muss sagen, ich habe in der Vorbereitung für dieses Buch zu mehr Dingen ja gesagt. Ich werde ja oft eingeladen zu so Pressereisen und ich bin dann also ich finde Pressereisen manchmal eh ganz nett, nur ich bin dann halt oft so, dass ich mir denke, ich könnte jetzt drei Tage zu Hause liegen, weißt du was ich mein, anstatt dass ich da irgendwo an einem See Eisbaden mach mit 30 anderen Influencern. Aber dann, weil ich mir dachte, gut, ich brauche einfach Material, habe ich auf sehr sehr vieles ja gesagt und es war eh gut. Ich habe dann ein prall gefülltes Notizbuch gehabt. Nichtsdestotrotz habe ich dann halt versucht es so ein bisschen verschmelzen zu lassen, zu sagen okay, nehme jetzt diese drei Influencer, die zum Beispiel in der Sportrichtung angesiedelt sind und ich verschmelze sie zu einer Figur Chris Cardio.
Ich muss dazu sagen, nicht alle Figuren in diesem Buch haben jetzt so Alliterationen als Namen, aber Bella Barks und Chris Cardio schon. Ich musste aufpassen, dass die dann nicht so klingen wie so Tom Turbo Bösewichte, wenn die alle so interessant klingende Namen haben. Aber es ist aus dem Leben gegriffen. Aber ich werde dazu sagen, in einen Mordfall war ich zum Glück noch nie verwickelt.
Saskia Jungnikl-Gossy
Noch.
Michael Buchinger
Ja, never say never. Es wird so kleine, es gibt einen kleinen Cliffhanger, dass es weitergehen könnte, indem unser Protagonist Leo Teil einer Reality Show ist. Und da dachte ich, da könnte ich voll gut meine ganzen Erfahrungen von Dancing Stars verarbeiten. Ich meine, ich bin bei Dancing Stars früh rausgeflogen, Folge 4, aber ich musste dann zurück im Finale. Und als sie in Woche 10 hinter den Kulissen von Dancing Stars war, dachte ich mir, hier weht jetzt ein völlig anderer Wind. Wenn hier jetzt ein Mord passiert wäre nicht mal überrascht. Ich wäre schockiert, aber nicht überrascht.
Saskia Jungnikl-Gossy
Ist auch ein gutes Marketingkonzept.
Michael Buchinger
Der Cliffhanger, ja, hab ich mir auch gedacht. Blöd ist halt, wenn sich das Buch jetzt ganz, ganz schlecht verkauft. Es endet auf einem Cliffhanger und die Leute denken sich, na gut, das war es jetzt.
Saskia Jungnikl-Gossy
Reden wir kurz über, weil du es vorher kurz erwähnt hast, aber reden wir über die Scheinwelt, die du vorher angesprochen hast. Ich finde, man spürt so in ein paar Kapiteln auch ein bisschen eine Nostalgie, wohin sich quasi Social Media entwickelt hat nach alten Zeiten auf YouTube. Stichwort Reichweite, die einfach jetzt unterschiedlich bewertet wird. Algorithmus frustrierend. Hast du selber Momente, wo du dir denkst, das Internet ist nicht mehr mein Ort?
Michael Buchinger
Ja, definitiv. Aber ich habe mich heute bis zu einem gewissen Grad davon abhängig gemacht. Also natürlich verdiene ich auf anderen Wegen Geld, wie jetzt zum Beispiel auf der Bühne oder durch die Bücher, aber es wird alles angetrieben von meiner Social Media Präsenz. Das heißt, bis zu einem gewissen Grad brauche ich heute das Internet, um meine Projekte zu bewerben. Ich habe es definitiv gespürt. Das hat sich über die Jahre so entwickelt, als ich angefangen habe 2009 mit meinen YouTube Videos. Ich habe auf nichts geachtet.
Ich habe die, glaube ich, mit meiner Webcam aufgenommen. Die waren irgendwie produziert, sie waren grundsätzlich schon witzig, aber es gab jetzt irgendwie keinen größeren Sinn dahinter und diese Dinge wurden einfach gut geklickt. Über die Jahre habe ich einerseits gemerkt, dass die Ansprüche der Community wachsen. Das heißt, die sagen dann, okay, die Tonqualität in diesem Video hat mir nicht gefallen, außerdem das Bild zu wackelig. Und natürlich habe ich da versucht mit der Zeit zu gehen. Der Produktionsanspruch wächst, das finde ich grundsätzlich eh ganz gut. Jetzt ist es halt so, dass ich das Gefühl hab, im Algorithmus, besonders auf Instagram, werden halt eher Dinge bevorzugt, die sehr extrem sind.
Das heißt, wenn ich mir jetzt einfach hinsetze und eine meines Erachtens nach witzige Geschichte, reicht es meistens nicht. Es müsste vielleicht irgendwie emotional sein. Am besten wäre ich weine, am besten wäre es wäre zweite Person dabei, weil das offenbar besser funktioniert, wenn zwei Leute drin vorkommen. Was ich manchmal mach, sei das jetzt aus Selbstdarstellung oder weil ich dem Algorithmus mich unterwerfe, ist es funktioniert gut, wenn ich in die ersten zwei Sekunden eines Videos oberkörperfrei zu sehen bin. Das wird bevorzugt. Es wird einfach besser geklickt. Ich bin in Man muss sich selbst entscheiden, wie weit will man gehen.
Für mich ist es kein Problem, ich mache es jetzt nicht immer, wenn ich mein Buch bewerbe, sage ich nicht, oh, gerade erst nackt aufgestanden, hier ist mein Buch. Aber ich mache viele Videos, wo ich laufen gehe und so weiter und ich merke, dass das leider gut geklickt wird. Also am besten wäre es eigentlich, ich wäre nackt und würde weinen und ich glaube, das Video wird durch die Decke gehen. Aber es ist ein bisschen krass und ich bin nicht der Einzige. Ich hab letztens so ein Video geschaut von der Influencerin Daria. Daria, das ist ja eine der bekanntesten in Österreich und die ist ebenfalls, würde ich sagen, ein Urgestein der Szene und die hat genau zu diesem Thema was gemacht. Das ist halt arg, finde ich, dass es immer extremer sein muss, immer emotionaler, damit du halt irgendwie an die Leute kommst und ist ein schmaler Grat, also schwieriger Grat. Du musst dich entscheiden, mache ich das mit oder mache ich es nicht mit. Aber wir sind halt Influencer, es ist halt unser Beruf.
Saskia Jungnikl-Gossy
Und wahrscheinlich ist es halt auch so, je mehr man da drinnen ist und je mehr Videos dieser Art man macht, man steigert sich ja nicht von 0 auf 70 Prozent, sondern man steigert sich Stückenweise.
Michael Buchinger
Ja, so ist es. Du probierst, ich mache das dann so einmal im Monat, dass ich meinen veröffentlichten Content durchgehe und schaue, was hat funktioniert, was hat nicht funktioniert. Dann mache ich wie so eine interne Analyse und dann denke ich mir, gut, wenn was nicht funktioniert hat, dann werde ich diese Art von Video nicht öfter machen und ich gehe mehr in die Richtung, wo es gut funktioniert hat. Ja, also besonders gut funktioniert es natürlich auch, wenn ich mich über was aufregt. Das habe ich jahrelang gemacht auf YouTube, meine Hasslisten, wo ich einfach so 5 Dinge nenne, die mir am vergangenen Monat gestört haben und er da dieses sehr polarisierende Wort Hass verwendet.
Saskia Jungnikl-Gossy
Ging auch als Buch gut.
Michael Buchinger
Genau, das ging auch als Buch gut und das haben die Leute natürlich geliebt. Ich glaube, das nennt man Ragebait. Ja, wenn ich mich aufrege, besonders wenn es eine kontroverse Meinung ist, dann regen sie die Leute in den Kommentaren auf. Top Engagements. Und das ist ja das, was ich im Internet nicht mag. Wir regen uns alle auf, wenn ich manchmal Kommentare lese, geht mir das Geimpfte auf und denkt man, das ist arg, dass das irgendwie dann im Internet rauskommt, das Gefühl, auf der Straße sind die Leute recht gesittet. Aber ja, ich erkenne meine eigene Rolle in diesem Spiel. Ich versuche es nicht zu übertreiben. Ich versuche, dass es trotzdem mit mir, meiner Persönlichkeit und meinen Werten vereinbar ist, aber es ist nicht mehr so easy peasy wie früher.
Saskia Jungnikl-Gossy
Erfordert es viel Reflexion? Also so wie du sagst, einerseits zu schauen, was kommt gut an und was mache ich vielleicht nicht mehr und andererseits aber auch zu sagen, wo füge ich mich da ein? Also wie weit möchte ich mitgehen, wie nicht?
Michael Buchinger
Also ich schaue mir heute tatsächlich sehr viel an. Ich bin ja selbst nur Millennial, der einfach so mit den sozialen Medien aufgewachsen ist und ich kann natürlich sagen, wenn jetzt am Abend eine Stunde im Bett liegt und TikTok Videos schau, dann ist es Recherche. Aber natürlich bin ich bis zu einem gewissen Grad als Konsument einfach machtlos gegen diese Medien und ein bisschen abhängig davon. Also ich mag das dann schon einfach so mindless Doom Scrolling. Ja, ich versuche auf gewisse Trends einzugehen. Ich habe festgestellt, dass ich, je älter ich werde, ich bin jetzt 33, ich sehne mich manchmal nach einer klareren Grenze. Mich haben ja meine Eltern immer gewarnt, als ich mit 16 angefangen habe im Internet Dinge zu machen, haben sie gesagt, ja nicht deinen echten Namen nennen.
Saskia Jungnikl-Gossy
Der Zug ist abgefahren.
Michael Buchinger
Ich hab sofort meinen echten Namen genannt. Jetzt 15 Jahre später, bin ich so: Sorry, dass mein drittes Nacktbild des Tages heute ein bisschen später kommt als sonst. Also völlig gegenteilig gehandelt. Das war vielleicht mal jugendliche Rebellion. Aber jetzt, wo ich glaube es war seit dem er, dass ich mir einfach dachte, okay, was die Leute besonders in so journalistischen Interviews immer angemerkt haben ist so ist es nicht komisch, dass die Leute wissen, wie dein Wohnzimmer aussieht? Mir war das immer wurscht. Jetzt denke ich mir okay, aber ich finde die örtliche Trennung nicht schlecht und ich habe zu einem Büro bezogen, das ist sehr einfach sehr wohnlich eingerichtet habe es ist jetzt per se Cassette, aber ich mache meine meisten Inhalte jetzt von diesem Büro aus. Ich glaube, die Leute checken das auch, aber ich bin nicht mehr so wie früher. Ich hätte einfach gern, dass mein Zuhause so bisschen ruhiger Ort ist, wo ich nicht ständig an die Arbeit erinnert werde in den letzten Jahren.
Es haben immer wieder Leute herausgefunden, wo ich wohn Ich find oft so Situationen auf der Straße. Die meisten Leute auf der Straße, die mich anreden, sind voll nett. Du merkst halt oft, die checken nicht ganz, dass wir uns nicht kennen, weil wir halt so eine parasoziale Beziehung führen. Das heißt die begrüßen mich als wäre ihr alter Freund und ich denke mir so kennen wir uns und ich möchte es nicht unbedingt fördern, aber zumindest durch die räumliche Trennung fühle ich mich jetzt schon bisschen wohler.
Saskia Jungnikl-Gossy
Aber das heißt du unterscheidest schon oder vermehrt zwischen das ist Privat-Michi und das ist Bühnen-Michi?
Michael Buchinger
Ja das hat sich nach der Zeit so entwickelt und es ist ein super Schutzmechanismus, dass wenn mir Leute Kritik ist gut, aber wenn mir halt Leute mit Hasskommentaren überhäufen, dass ich dann sage okay, die haben jetzt nicht ein Problem mit mir, mit Michi, wie ich wirklich bin, sondern einfach mit meiner Online Präsenz. Die sehen halt die Spitze des Eisbergs und ich glaube ich brauche diese Trennung manchmal, dass ich sage, das ist jetzt der Bühnen Michi oder der Online Michi, wie auch immer Und privat bin ich ruhig und schüchtern. Ich bin privat definitiv ruhiger. Ich bin jetzt beim Abendessen mit Freunden nicht unbedingt die Person, die immer das Wort haben muss und ich lasse mich voll gern berieseln. Aber klar, ich sehe ein, dass wenn ich jetzt auf der Bühne stehe und schüchtern bin und nicht gern rede, dann wäre das vielleicht von Nachteil.
Saskia Jungnikl-Gossy
Ist es so, dass du viele Hassnachricht kriegst oder ist das auch was, was sich verändert hat in den vergangenen Jahren? Die Art und Weise, wie kritisiert wird oder wie man angegriffen wird. Kannst du da was ablesen?
Michael Buchinger
Ich kann es definitiv ablesen. Ich finde meine eigenen Nischen, also mein eigener Kanal, mein Podcast, mein Instagram Account, YouTube ist immer ein relativ sicherer Rahmen. Die Leute folgen mir wahrscheinlich, weil sie mir irgendwie gut gegenüber eingestellt sein und da kriege ich wenig Kritik. Am ehesten ist es dann so, wenn ich auf Promotour bin, um wegen dem Buch zu bewerben und es erscheinen halt viele Artikel, sei das jetzt im Standard, bei der Heute, im Kurier und dann lese ich dort die Kommentare oder die Facebook Kommentare unter diesem Artikel, dann kriege ich oft so ein bisschen Realitätswatschen und denke mir so, okay, also so sehen mich die Leute außerhalb von meiner Community. Da kommt jetzt sehr, sehr viel Kritik. Oft nehme ich es nicht persönlich, weil das habe ich versucht ein bisschen in dem Krimi aufzugreifen. Es ist halt so.
Generell Kritik an Influencern, die machen nichts, die können nichts, die sind faul. Infaulenzer habe ich letztens zum ersten Mal gelesen, das ist fast schon wieder lustiger und ich verstehe es. Ich versuche, die Leute zu verstehen. Ich kann mir vorstellen, dass es anstrengend ist, wenn ich einen richtig harten Job habe und dann sehe, wie jemand gefühlt zwei Wochen lang auf einer Yacht ist, um jetzt ein völlig übertriebenes Beispiel zu nennen. Klar wirkt es dann so, als wäre das nette Arbeit. Ich sage immer, jeder hat sein eigenes Packerl zu tragen und im Influencer Leben gibt es natürlich auch ein paar Dinge, die dich nachts wachhalten, aber es sind halt andere Probleme.
Saskia Jungnikl-Gossy
Ich für meinen Teil stelle es mir extrem anstrengend vor, mir konstant zu überlegen, was in meinem Leben, was an meinem Tag ist zeigenswert, das dann zu filmen, das dann online zu stellen.
Michael Buchinger
Und es lebt von der Spontanität in letzter Zeit. Es soll besonders auf TikTok immer ungezwungen und aus dem Ärmel geschüttelt wirken. Und so bin ich halt nicht. Ich trage mir dann immer zwei Wochen vorher im Kalender ein. Gut, an diesem Freitag mache ich fünf Videos, die spontan wirken sollen, aber ich plan, wie funktioniert das so? Mal mehr, mal weniger gut. Ich versuche einen Rahmen abzustecken und zu sagen, okay, das ist der Content Tag.
Aber was dann da passiert ist spontan und crazy. Und in letzter Zeit spüre ich manchmal, dass ich mir denke, okay, wenn ich jetzt krank bin, wenn ich zwei Wochen im Bett liege, was zum Glück nicht oft vorkommt, aber ist schon passiert, dann kommt halt einfach nichts. Ich habe mich in so einer Ecke gearbeitet, wo alles sehr Michi spezifisch ist und es kann, ich kann halt nicht zu meinem Freund sagen, hey, übernimm du jetzt mal, mach du mal Videos für zwei Wochen.
Saskia Jungnikl-Gossy
Es könnte interessant sein.
Michael Buchinger
Es könnte interessant sein und dann mögen die Leute ihn mehr als mich und dann habe ich wieder ein Problem.
Saskia Jungnikl-Gossy
Wie ist es generell mit dieser Influencer Welt? Ich meine, du warst bei den Anfängern, kann man schon so sagen, schon dabei. Jetzt ist es natürlich ultimativ gewachsen. Du bist immer noch dabei. Wie ist dein Blick darauf?
Michael Buchinger
Mein Blick darauf ist, ich hör zum Beispiel ganz, ganz oft von Leuten, die noch an der Schule sind, dass ihr Traumjob einfach Influencer ist. Und ich bin immer sehr vorsichtig, weil ich mir denke, sucht euch lieber einen Plan B. Ich finde zu meiner Zeit, das war jetzt nicht mal Kalkül, aber als ich mir 2009 gedacht habe, ich mache jetzt YouTube Videos, haben das in Österreich gefühlt fünf Leute gemacht und es war easy aufzufallen. Ich stelle mir jetzt wirklich schwierig vor, weil das offenbar das Nummer eins Berufsziel von jungen Leuten ist und viele Leute probieren es, es ist um einiges schwieriger aufzufallen. Ich glaube, da muss man sich schon entweder was Kreatives einfallen lassen oder wie ich vorher gesagt habe, einfach sehr extrem sein, sehr laut herumschreien. Ich meine, so kriegst du definitiv Aufmerksamkeit, aber das ist natürlich auch nicht unbedingt nachhaltig. Das heißt, ich sehe es kritisch.
Ich sage zu den Leuten immer, sucht euch einen Plan B. Also es ist ja nie schlecht, wenn man sagt, OK, ich würde was anderes machen. Bei mir persönlich, ich wollte eher schreiben eine Zeit lang. Ich habe mein Englischstudium absolviert, das hätte ich jetzt nicht unbedingt machen müssen, aber ich dachte mir, gut, ich studiere Englisch in American Studies und dann kann ich Gott, das ist jetzt kein Studium, das irgendwie auf dem Beruf abzielt, aber ich habe in verschiedene Richtungen gestreut, sagen wir so. Ich habe ein paar Kolumnen geschrieben während meines Studiums, dann habe ich nebenbei meine YouTube Videos gemacht und ich habe geschaut, okay, was funktioniert dann am besten? Und es hat sich gut ergeben, dass ich mich zu Ende meines Studiums selbstständig machen konnte. Und dann ab da hätte ich mich so richtig als Influencer bezeichnet, weil es plötzlich mein Beruf war.
Saskia Jungnikl-Gossy
Ich meine, es ist so, dass du das ja schon relativ weit streust. Du bist ja YouTuber, aber du bist auch Kabarettist, Schauspieler, jetzt bist du Autor, Krimiautor. Wie wichtig ist das für dich auch, dieses Ausprobieren?
Michael Buchinger
Es ist absolut wichtig. Einerseits probiere ich gern Dinge aus, aber ich glaube, ich bin ein bisschen verunsichert worden, weil mir die Leute seit Anbeginn meiner Influencer Karriere gesagt haben, dass diese Blase demnächst platzen wird. Das ist jetzt 15 Jahre her und sie ist bis jetzt noch nicht geplatzt. Aber ich bin deswegen halt so sehr, dass ich mich gern absichern mag.
Saskia Jungnikl-Gossy
Das ist das Burgenländische in dir.
Michael Buchinger
Das ist wirklich das Burgenländische. Ich muss echt schauen, dass ich verschiedene Eisen im Feuer habe. Und ich dachte mir, gut, die Bühnenkarriere, Schauspiel, ein bisschen dann das Schreiben und es passiert nicht selten, dass mir die Leute dann fragen, ja und was würdest du machen, wenn du deinen Beruf nicht mehr machen kannst? Welchen von meinen sieben Berufen meinst du? Musst ein bisschen spezifischer sein, Clara. Im Moment ist meine Antwort immer Immobilienbranche. Ich glaube, da könnte ich sehr viel anbieten. Weißt du, was ich mache? Weil oft sehe so Inserate auf Willhaben und denk mal, es scheitert schon mal an die Fotos und was ist das könnte ja, ich krieg's hin. Ein guter Immobilienmakler ist ja auch immer so ein bisschen Personality.
Was ist das anderes als Performance und ein bisschen Scheinwelt kreieren zu sagen und dieser Raum, das könnte vielleicht so eine stille Meditationsecke sein. Ich glaube, ich könnte das sehr, sehr gut.
Saskia Jungnikl-Gossy
Wer weiß, was kommt.
Michael Buchinger
Eben. Ich bin für vieles offen. Das heißt, wenn es bergab geht, bin ich gewillt in andere Richtungen abzudriften.
Saskia Jungnikl-Gossy
Aber wenn du heute neu anfangen würdest, würdest du dann wieder YouTuber werden oder würdest du dann zum Beispiel lieber gleich Schriftsteller werden?
Michael Buchinger
Moment, neu im Sinne von, bin ich in diesem Szenario 15?
Saskia Jungnikl-Gossy
Ja, genau. Oder nein, sagen wir mal Ende. Wann hast du gemeint hat das mit Social Media begonnen? Also Ende Studium.
Michael Buchinger
Ich würde es definitiv wieder machen. Ich würde mich nur vielleicht weniger verbiegen. Ich habe mir immer soviel sagen lassen. Ich habe damals zusammengearbeitet mit so einer Art YouTube Netzwerk, das ist wie eine Plattenfirma für YouTuber. Und die haben mich halt, also ich habe nichts mit mir machen lassen, was ich nicht machen wollte, aber das war schon ein ziemlicher Drill. Die haben gesagt, okay, du machst im Moment ein Video die Woche, das ist zu wenig. Du musst mindestens drei machen.
Wir schicken dich nach Berlin in eine YouTuber WG, da wird ein halbes Jahr gewohnt und das war eh schön. Ich habe das gerne wahrgenommen, dieses Angebot. Aber ich war dann halt sehr tief drin in so einer Welt, wo alles so super extrem sein musste. Die Leute haben dann gearbeitet mit Clickbait und haben ihre Tage gefilmt und gesagt, ihr glaubt nie, was mir heute Abend Fürchterliches passiert ist. Keine Ahnung, die Hafermilch war aus. Also du musst dann halt so einfach komisch sein und einfach komplett übertreiben und so eine Zeit lang gemacht und damit ich drauf kommen. Das bin nicht so ich.
Und ich fand diese WG super strange, weil es mir persönlich wichtig ist, mit Leuten befreundet zu sein, die einfach was anderes machen. Ich glaube, wenn du nur umgeben bist von Influencer:innen, dann kommt irgendwann vor, als wäre das, über das du jetzt jammerst, wie zum Beispiel, dass dein letztes Video 2000 Klicks weniger hat als das davor. Dann glaubst du, dass das ein richtiges Problem ist. Und ich brauche immer so ein bisschen die Perspektive von Leuten aus anderen Berufsgruppen, dass ich check, okay, das ist nicht so schlimm tatsächlich.
Saskia Jungnikl-Gossy
Wie findest du eigentlich deine Ideen? Und wenn du eine Idee hast, wie sortierst du sie denn ein von einem deiner sieben Berufe, wo sie hinpasst?
Michael Buchinger
Danke, dass du mich fragst. Ich hab auch da ein sehr umfangreiches Dokument. Ich schreibe immer gerne alles auf. Es ist ja nicht unüblich bei Leuten, die kreativ sind. Viele schlafen irgendwie mit einem Notizblock neben dem Bett, damit wenn man beim Einschlafen gute Ideen hat, das sofort aufschreibt. Genauso mache das. Es kommt halt immer darauf an.
Also mittlerweile ist mein Freund, der Dominik, eine gute Inspirationsquelle bzw. Oft sage ich was Witziges, also nicht oft, aber manchmal. Und dann sagt er so, ja, das wäre doch ein super Video, mach doch ein Video draußen. Danke dafür. Auf das wäre vielleicht selbst gar nicht gekommen. Es ist immer die Frage, ich hab verschiedenstes ausprobiert. Es gibt ja, ich möchte meinen, sie heißt Julia Cameron, ist Autorin, die sich sehr viel mit Kreativität beschäftigt und sie rät kreativen Menschen, dass man morgens aufwacht und mal drei Seiten lang mit der Hand schreibt, sogenannte Morgenseiten.
Und da schreibst du dir alles Mögliche von der Seele oder vom Hirn. Und wenn du es einfach nicht fühlst, kannst du drei Seiten lang blablabla schreiben. Aber es geht halt darum, was zu Papier zu bringen. Und in Phasen, wo ich zum Beispiel richtig an was arbeite, wie zum Beispiel ein Kabarettprogramm, versuche das zu machen, besonders mit Fokus auf Humor und dann 35 Prozent davon sind absolut unbrauchbar. Aber es sind schon manchmal so kleine Blitzlichter dabei, wo ich mir denke, okay, das könnte irgendwas sein, Sei das jetzt wirklich fürs Kabarettprogramm, eine witzige Anekdote für den Podcast oder halt ein kurzes Instagram Video und mit der Methode. Ich mache das nicht immer, weil man braucht ja da die Zeit oder halt die Muße. Aber mit dem fahre ich immer ganz gut.
Ansonsten schaue ich, dass ich viel unter Menschen komme mit Delight Red und irgendwie komme ich dann schon auf was.
Saskia Jungnikl-Gossy
Stichwort Humor. Bleiben wir da kurz dabei. Dein Humor ist sehr pointiert, er ist auch oft böse. Wie findest du diese Balance zwischen Zuspitzung und Verletzlichkeit?
Michael Buchinger
Interessant, dass du das so siehst. Ich würde da zustimmen, definitiv. Ich kann es schwer sagen, weil es mein Humor ist, der schon immer so ist. Ich versuche viele meiner Inhalte leben davon, dass ich irgendwas aus dem Freundeskreis erzähle oder dass ich irgendwas gesehen habe an einer Person, was mir nicht gefällt. Und ich habe schon sehr, sehr früh die Lektion gelernt, okay, man muss das dann ein bisschen verfälschen fürs Internet oder überspitzen, weil meine ersten Videos habe ich mit 16 gemacht und es ging um meine Lehrerinnen. Es waren immer so Lehrer Parodien. Ich habe zwar nicht deren Namen genannt, aber wenn du an die Schule gegangen bist, war eindeutig, wer das jetzt ist.
Und ich dachte mir, okay, wie stehen die Chancen, dass meine Videos genau bei dieser Lehrerin landen? 100 Prozent. Das Internet hat mich gelehrt, alles was du sagst und wo du dir denkst, okay, das kann jeder hören, außer meine Freundin Bianca. Es hört immer genau die Bianca, weil andere Leute das vielleicht wahrnehmen und sagen, hey, das erinnert mich an die Bianca, ich schicks ihr. Deswegen bin ich da sehr, sehr gut darin geworden, Dinge zu verändern. Natürlich einerseits den Namen sollte ich ihn nennen, das Geschlecht, unterschiedliche Merkmale, die diese Person vielleicht auffällig machen. Und dann schildere ich so schleierhaft irgendeine Anekdote aus meinem Umfeld und in der Hoffnung, dass sie die Person nicht erkennt und dass andere Leute diese Person nicht erkennen.
Und es wird dann so ein bisschen, wie sagt man da, autofiktional. Also es ist grundsätzlich schon passiert, aber es ist ein bisschen pointiert, überspitzt, zugespitzt, wie auch immer.
Saskia Jungnikl-Gossy
Gibt es Themen, über die du nicht lachen willst oder kannst?
Michael Buchinger
Ja klar. Und es gibt Themen, die definitiv vermeide online, nämlich einerseits Politik und Religion. Ich finde, meine Familie – nicht, dass ich was gegen meine Familie habe, aber die ja finden grundsätzlich super, was ich mache. Aber ich bin jetzt auch nicht, man hat dann tatsächlich nur eine Mutter, nur einen Vater. Wenn ich da jetzt über die rede, dann weiß jeder, wer gemeint ist. Das versuche ich zu vermeiden. Generell Leute, die sich vielleicht nicht unbedingt für dieses Spotlight entschieden haben.
Ich sag mittlerweile auch nicht mehr so viel von meiner Beziehung. Man spürt schon, dass ich einen Freund habe, aber ich versuche mich da eher auf die sonnigen Seiten zu konzentrieren. Und wenn ich jetzt an Streit mit meinem Freund hab, wäre das letzte, was ich machen würde, YouTube Video oder Instagram Video darüber zu machen. Und da bin ich mittlerweile ganz gut abgegrenzt.
Saskia Jungnikl-Gossy
Obwohl das wahrscheinlich gut klicken würde.
Michael Buchinger
Absolut. Interessant. Ich habe es gespürt 2019, da hatte ich die tolle Idee, weil wir sind gemeinsam nach 5 Jahren zusammengezogen in eine gemeinsame Wohnung und ich dachte mir, es wäre witzig, diesen Prozess so im Reality TV Style vor einem Kamerateam begleiten zu lassen für meinen YouTube Kanal. Und es wurde gut geklickt und es war halt auch, er hat für jede Folge so mehr oder weniger Skript und wir haben unsere Rollen gespielt, nur das fand ich nicht so schlimm. Was ich eher interessant fand, war dann halt so Kommentare über unsere Beziehung zu lesen. Und da bin ich dann draufgekommen, das will einfach nicht, weil die Leute sagen dann so, ja, Michi ist immer so chaotisch, aber Dominik ist so perfekt und das macht dann auch irgendwas mit dir. Und dann dachte ich mir, gut ich hör auf damit.
Saskia Jungnikl-Gossy
Und so Fremdanalysen der eigenen Beziehung...
Michael Buchinger
Der typische Rat, den immer alle sagen, ist, lies die Kommentare nicht. Ich finde es sehr, sehr schwierig. Ja, ich glaube, wenn ich jetzt, es fällt mal leichter, die Kritik oder die Rezensionen über ein Produkt zu lesen, sei das jetzt, wenn ich sehe, okay, es erscheint eine Kabarettkritik, die Rezensionen von dem Krimi bin überflogen, aber interessiert mich jetzt auch nicht im Detail. Aber sobald es irgendwie so Analyse von meiner Person ist, nehme ich es sehr persönlich und dann interessiert es mich halt manchmal. Ich schaffe es immer ganz gut, das wegzudrängen und dann ist es irgendwann aber Dienstag um 2 Uhr morgens, ich kann nicht schlafen und ich denke mir, na gut, ich schau kurz einer, ich will wissen, wie mich das Internet findet und das ist dann selten eine gute Idee.
Saskia Jungnikl-Gossy
Aber ist nicht auch interessant, dass du wahrscheinlich, wenn du das machst, sagen wir mal, das sind 17 positive, liebevolle Kommentare und dann ist einer und über welchen denkst du dann nach?
Michael Buchinger
Natürlich nur über den negativen. Und ich musste mir das früher hat mir das mehr aufgewühlt, weil ich glaube ich einfach nicht so ein gutes Selbstbild hatte. Und ich habe mir immer die Kommentare gemerkt, wo ich mir dachte, ja, das glaube ich selbst auch. Und wenn du jetzt einer dabei ist, der so ist, der mich ist unlustig, der kann nichts, dann ist es vielleicht zu dem Zeitpunkt ein Zweifel gewesen oder Sache, die ich selbst wirklich geglaubt habe. Und deswegen habe ich mich halt an diesen Kommentar erinnert, dass dann jetzt 17 sagen oder mich ist lustig und der macht so gute Sachen, dachte man, na.
Saskia Jungnikl-Gossy
Stimmt nicht, aber interessant, ne?
Michael Buchinger
Ja, aber mittlerweile, ich habe ein bisschen Therapie hinter mir, jetzt funktioniert besser und manchmal bin ich ja sehr selbstbewusst. Das hat vielleicht die Kabarett Karriere gemacht. Er hat Auftritte wie zum Beispiel irgendwo am Land, wo 28 Leute im Publikum sahen, niemand lacht. Und ich dachte mir dann so, also ich find mich eigentlich urlustig. Ich weiß nicht, was euch ein Problem ist. Ich glaube, da bin ich irgendwie durch diese Erfahrung abgehärtet.
Saskia Jungnikl-Gossy
Ich fahr wieder zurück in die Stadt.
Michael Buchinger
Genau, zu meinen Leuten.
Saskia Jungnikl-Gossy
Ist Humor für dich auch Selbstschutz?
Michael Buchinger
Definitiv habe ich über mich selbst gelernt, dass in so Situationen, die irgendwie schwierig sind, war ich schon früher in meiner Kindheit so, dass ich irgendeinen Witz reiß und das ist dann halt sehr entwaffnend und das macht die Sache dann nicht so schlimm und alles über das du scherzen kannst, ist ja irgendwie halb so wild. Und das musste man irgendwann abgewöhnen, dass ich manchmal einfach, wenn ich verletzt bin, diesen Schmerz zulasse, ohne jetzt sofort einen Gag drüber zu machen.
Saskia Jungnikl-Gossy
Du hast vorher gesagt, zu politischen Themen sprichst du ja eigentlich nicht gesellschaftliche Themen schon. Ist Humor für dich auch eine Form von Haltung?
Michael Buchinger
Definitiv. Ich versuche durch meinen Humor einfach, wenngleich ich selten so Statements rausgebe, versuche ich schon irgendwie meine Haltung und vielleicht bis zu einem gewissen Grad mehr politische Einstellung einfach durch meinen Humor auszudrücken. Ich hoffe immer, dass die Leute das checken und ein bisschen zwischen den Zeilen lesen können, Aber im Internet ist in letzter Zeit so zwischen den Zeilen und subtiles Erörtern nicht unbedingt. Also die Leute wollen immer, dass ich blank sage, das ist meine politische Meinung und das mache ich halt irgendwie nicht.
Saskia Jungnikl-Gossy
Aber diese Zuspitzung, die gefordert wird, macht es schwieriger für dich, weil wir auch über die Emotionen. Nein, ich frage anders. Also wir haben über diese Emotionen geredet und so. Und in deinem Buch schreibst du einmal, dass der Tod existierte virtuell nicht. Kein Reel, keine Story, kein Video konnte zeigen, was es bedeutete, wenn ein Mensch nicht mehr da war. Das heißt, wenn wir von Emotionen reden, hat Social Media da unsere Wahrnehmung verändert.
Michael Buchinger
Ja, es hat mal wieder damit zu tun. Also Emotionen, das wird ja in jedem Social Media Bootcamp gelehrt, funktionieren ja super auf Social Media. Und deswegen muss man das unbedingt ausschlachten, wenn man jetzt verlobt ist, geheiratet hat, ein Kind bekommen hat. Das wären einfach natürlich diese Beiträge, die vom Algorithmus absolut bevorzugt werden. Und wenn ich ein bisschen smarter wär, würde wahrscheinlich die Kamera aufdrehen, wenn ich jetzt emotional am Boden bin. Mache ich heute nicht, weil ich immer so ein bisschen mein Gesicht bewahren will und so wirken möchte, als wäre es so über den Dingen. Nicht, dass ich sage, ich habe keine schlechten Tage, das versuche ich überhaupt zu leugnen.
Nur ich bin dann halt nicht so, dass ich in dem Moment die Kamera aufdrehe. Und ich habe gemerkt, dass ganz, ganz viele von meinen Kolleginnen das halt schon machen und gerne mal in die Kamera weinen. Ich sage nicht, dass das schlecht ist. Ich frage mich nur immer, ist das jetzt freiwillig oder ist es, weil sie wissen, dass das guter Content ist? Und ich versuche diesen Teil meines Gehirns abzuschalten, der sich sowohl in schönen als auch in weniger schönen Momenten denkt, das ist jetzt aber super Content. Also ich bin echt so, wenn ich in letzter Zeit auf Konzerten bin, ich versuche, dass ich mein Handy eigentlich nicht rausnehme oder dass, wenn jetzt irgendwas Tolles passiert, wenn ich mich über was freue, dass ich das nicht sofort als 15s Instagram Reel sehe. Ich versuche mild mit mir selbst zu sein, weil ich weiß, ich bin ja so aufgewachsen.
Ich mache das seit ich 16 bin. Ich kann es mir nicht verübeln, dass ich manchmal so denke, aber ich musste einfach an mir arbeiten, dass ich diesen Reflex ablege und es gelingt mir tatsächlich ganz gut. Ich versuche oft das Handy ziehen. Ich weiß nicht, wie es bei dir ist, wahrscheinlich nicht so, aber ich spür halt voll oft mein Handy Daumen, dass ich einfach zu viel am Handy bin und mir tut mein Daumen weh und dachte mir, die Lösung ist ein zweites Handy.
Obviously ein Berufshandy.
Saskia Jungnikl-Gossy
Ein Tastenhandy.
Michael Buchinger
Ja genau, ein Tastenhandy für das BlackBerry. Zwei Handys und überhaupt keine Lösung. Ich habe jetzt eins in der linken Hand und eins in der rechten und mir dann beide Daumen weh. Ich habe ein Handy Tresor, das ist ein Gerät, das ist eigentlich für Leute, die Heißhunger Attacken haben, dass sie dort ihre Chocolate Chip Cookies reingeben und einstellen können zwei Stunden und dann wird er wieder aufgemacht. Ich gebe meine Handys rein und muss sagen, das funktioniert überraschend gut. Also ich lese dann von Leuten, die sagen, ich habe es nicht ausgehalten, ich habe den Kommentar aufgehackt. Das hatte ich persönlich nicht.
Ich finde es dann immer ganz angenehm und denke mir, gut, jetzt gehe ich spazieren.
Saskia Jungnikl-Gossy
Reden wir mal über die positiven Seiten von Social Media. Jetzt bist du seit über einem Jahrzehnt erfolgreich darin. Was liebst du am Internet?
Michael Buchinger
Ich finde im Endeffekt darf man nicht vergessen, soziale Medien, Ja, sie sind sozial und ich habe sehr viele Freunde darüber kennengelernt. Und ich muss sagen, als ich eben so ein schüchterner Schüler an einer katholischen Privatschule war, wenn ich das Internet nicht gehabt hätte, hätte man wirklich gedacht, okay, die ganze Welt ist absolut konservativ. Ich bin die einzige homosexuelle Person Im Umkreis von 20 Kilometern, es gibt einfach keine anderen. Und dadurch, dass ich dann damals auf MySpace gegangen bin und einfach Leute hinzugefügt habe, die ich gar nicht kannte, die zum Beispiel in Wien gewohnt haben und ich war im Burgenland, habe ich schon Kontakte gepflegt, bereits in einem frühen Alter zu Leuten, wo ich mir dachte, okay, die sehe mehr so als meine Peers oder wie immer einfach Leute, die so sahen wie ich. Und ich habe zum Teil damals einfach so Freunde hinzugefügt, die bis zum heutigen Tag meine Freunde sind. Die habe ich dann tatsächlich irgendwann getroffen, auch natürlich gegen den Rat meiner Eltern, die gesagt haben, triff keine Fremden aus dem Internet. Aber ich dachte mir, gut, ich habe jetzt zwei Monate lang mit denen gechattet, ich finde das grundsätzlich eine gute Grundlage, Ich glaube schon, dass die normal sind.
Und dann haben wir uns mal getroffen und das waren die nettesten Menschen. Und wie gesagt, bis zum heutigen Tag in meinem Leben. Ich habe meinen Freund über Online Dating kennengelernt und das hat natürlich sehr viele Vorteile. Als ich jung war, war das für mich das Aufregendste, wenn ich jemanden, den ich nur aus dem Internet kenne, auf der Straße sehe. Heute ist es ja irgendwie gang und gäbe, dass man halt einfach, ich war gestern auf einer Abendveranstaltung, die Hälfte des Publikums kannte nur aus dem Internet, aber es hatte halt sofort was sehr Vertrautes und ich bin jetzt nicht hingegangen und habe mich vorgestellt förmlich, sondern es war einfach so, wir kennen uns ja eh mehr oder weniger. Und ich finde, dass diese Schwelle, dann neue Leute kennenzulernen gefallen ist, ist schon ein großer Vorteil von den sozialen Medien. Das hat mir echt viele, viele Wege geöffnet.
Saskia Jungnikl-Gossy
Kommen wir noch mal zurück zum Schreiben. Hast du beim Schreiben was über dich gelernt?
Michael Buchinger
Ja, beim Schreiben lerne immer wieder was über mich. Und dieses Mal war es, dass ich schon ein sehr disziplinierter Mensch sein kann, wenn ich will. Also das Schreiben ist was. Ich weiß nicht, wie es bei dir ist. Ich würde gerne sagen, es entspannt mich und ich mag das so gern bis zu einem gewissen Grad, ja, aber ich habe einfach sehr gern geschrieben. Ich bin gern fertig damit, aber ich mag das dann voll gern. Ich brauche halt immer, und das merke ich beim Schreibprozess ganz besonders, um ein kreativer Mensch zu sein, ist es am besten, wenn ich einfach ein paar Tage alleine bin.
Und das ist jetzt nicht das erste Buch, bei dem ich in die Steiermark gefahren bin, genauer auf die Teichalm und mir einfach zwei Wochen lang in ein Haus eingesperrt habe. Ich sage nicht, dass ich das Buch in zwei Wochen geschrieben habe, aber es gab einen großen Schreibblog von zwei Wochen, wo er einfach alleine im Wald war und wirklich nicht so viel Kontakt mit der Außenwelt wollte. Eben natürlich schon mit meinen Freunden und meiner Familie telefoniert. Aber die besten Gedanken kommen mir, wenn ich einfach dieses Leben führe, wo ich dann vielleicht um 5 aufstehe, um 7 spazieren gehe, dann setze ich mich um 8 an den Schreibtisch. Ich habe mein Tagesziel von Manchmal sind es 2000 Wörter, manchmal sind es 3000 aber nicht mehr. Und wenn ihr das erreicht habt, das kann wenige Stunden später sein, dann bin ich fertig mit dem Tag, dann gehe ich wieder spazieren, dann hole ich mir ein Schnitzel und das ist extrem asozial. Aber ich bin dann sehr kreativ und ich merke, dass man bei diesen langen Spaziergängen gerne ohne Handy einfach die besten Ideen kommen.
Nicht nur für das Buch, auch für Podcast, für Instagram und so weiter. Ich finde es halt nicht nachhaltig. Ich sage immer, ich wäre viel kreativer Mensch, wenn ich einfach über längere Strecken Allah sein könnte. Aber für mein emotionales Wohlbefinden brauche ich natürlich andere Menschen und mal ein bisschen rausgehen und so weiter. Aber ich glaube am besten wäre es für mich, ich wär eine Woche sozial viel unter Leuten, sammle Material, dann gehe die nächste Woche in den Wald, schreib das alles runter, entwickle meine Ideen, dann komme ich wieder zurück und dass ich einfach so wechselnde Wochen habe.
Saskia Jungnikl-Gossy
Wie war es für dich so, dieses Leben in einer von dir selbst erschaffenen Welt?
Michael Buchinger
Komplett verrückt. Das echt irgendwie der erste Entwurf war auch viel länger, weil ich halt das Gefühl hatte, ich kenne diese Charaktere ganz gut und man sagt dann halt immer, das habe ich jetzt schon öfter gehört, eher beim Drehbuchschreiben, kill your darlings. Das heißt, du musst da oft Szenen, die du eigentlich gut findest, die nichts beitragen, streichen, damit das Ganze ein bisschen tighter ist oder halt einfach leichter sich lesen lässt. Und dann hab ich gesagt, na gut, dann mache ich es halt so. Aber es war absolut spannend und ich mochte diese Welt eigentlich ganz gern. Ich mag auch meinen Protagonisten, weil ich das Gefühl habe, dass ich die Dinge, die manchmal an mir selbst nicht mag, dass ich halt so sehr viel plappere und unüberlegt bin und sehr intuitiv, die habe ich bei ihm mehr oder weniger weggelassen. Es geht in eine ganz andere Richtung.
Er ist sehr wohl überlegt, er ist zwar bisschen schüchtern, aber er ist halt mehr in seinen eigenen Gedanken gefangen. Das fand ich eigentlich ganz sympathisch und ich habe mich gut mit ihm angefreundet und ich hoffe, dass es irgendwie weitergeht. Aber ja, wir werden sehen.
Saskia Jungnikl-Gossy
So eine Frage, weil du es schon so ein bisschen angeteasert hast. Wird es einen zweiten Fall geben?
Michael Buchinger
Grundsätzlich ist mein Deal so, dass wenn sie das Buch halbwegs gut verkauft, dann sollte es eine Trilogie sein. Wir werden mal sehen. Ich habe schon einige und besonders jetzt, es tut sie in der Social Media Welt so viel Neues. Ich finde es auch mit künstlicher Intelligenz. Das ist ja komplett spannendes Feld, das ich irgendwie gerne in einem Krimi bearbeiten würde. Ich sehe das schon ganz klar, dass er dann in Band 3 sich denkt, stopp, ich muss weg, ich bin Social Media süchtig, ich mache jetzt Detox und gehe für drei Wochen in irgendeiner Social Media Retreat und dann passiert dort ein Mord. Also die Ideen sind endlos.
Saskia Jungnikl-Gossy
Die harte Arbeit ist ja das niederzuschreiben.
Michael Buchinger
Ja, voll. Ich hab mein langes Dokument an möglichen Ideen, wie geht es weiter für Leo Escher? Schauen wir mal. Ich würde ihn gern wieder mal näher besuchen.
Saskia Jungnikl-Gossy
Danke für das spannende Gespräch.
Michael Buchinger
Danke für die Einladung.
Saskia Jungnikl-Gossy
Das war die heutige Folge von Ganz offen gesagt. Wir freuen uns, wenn ihr unseren Podcast abonniert und weiterempfehlt, uns auf Twitter, Facebook oder Instagram Feedback gebt und uns in euren Podcast Apps mit 5 Sternen bewertet.
Ihr könnt uns auch sehr gern eure Meinung per E Mail sagen unter redaktion@ganzoffengesagt.at.
Wenn ihr jetzt mehr von Michi Buchinger hören wollt, dann folgt ihm am besten auf einem der sozialen Medien, wie etwa auf Instagram oder auf YouTube. Und natürlich: Lest sein Buch „Bella Barks. Letztes Like“.
Euch danke fürs Zuhören bei Ganz offen gesagt. Bis zum nächsten Mal. Ciao.
Autor:in:Saskia Jungnikl-Gossy |