Die Dunkelkammer History
Iran #2 „Reden mit Terroristen ist wie ins Feuer spucken“

Das ideologiegetriebene Regime im Iran setzt die Vernunft außer Kraft. Und so lenken westliche Staaten oft ein und lassen sich erpressen. Geht es auch anders?

Christa Zöchling
Guten Tag, hier ist Christa Zöchling. Ich begrüße Sie zur Dunkelkammer aus der Reihe History. Mein Thema der Staatsterrorismus. Der Iran ist ein Staat, der sich auf Gott und seine Werte beruft, doch seine Elite mordet, erpresst, lügt und täuscht, ist korrupt bis über die Halskrause und schafft privat Milliarden Vermögen zur Seite. Wie geht das zusammen? Ich weiß, das ist eine naive Frage. Seit der Französischen Revolution weiß man, dass Ideale mit Terror Hand in Hand gehen können.

Das Mullah Regime handelt in voller Überzeugung, denn hier handelt es sich um hochgebildete Akademiker und philosophische Gelehrte. Sie wissen, was sie tun. Wenn ich ratlos bin, greife ich manchmal zu den Essays des französischen Adeligen Michel Montaigne, einfach um meinen Kopf irgendwie freizukriegen und mich mit moralischen Fragen zu befassen, die seit langem schon die Menschheit bewegen. Montaigne war ein Richter, ein Bürgermeister, ein Philosoph. Er lebte in der Mitte des 16. Jahrhunderts und hat sich gegen Ende seines aktiven Lebens in seinen Turm seines Schlosses zurückgezogen. Er hat nachgedacht, gelesen und geschrieben, allein mit seinen Büchern und seinen Erfahrungen aus der Welt draußen, die unter Religionskämpfen und Umbrüchen erzittert ist.

Er dachte nach über Freundschaft, Ruhm, Dünkel, aber auch über das Gewissen und die Lüge. Das Gewissen, so schreibt er, ist ein Folterknecht, der uns mitleidlos niederzwingt, denn das innere Tribunal sei unbarmherziger als jedes Weltgericht. Die Mullahs ficht das natürlich nicht an, denn sie tun Unrecht im Namen einer Ideologie und da ist alles erlaubt: Lügen, Betrügen, Erpressen, Töten für eine größere Sache. Im Grunde ist das keine Religion mehr, sondern eine faschistische Ideologie. Auspeitschen, Amputieren, Steinigen, öffentliches Hinrichten und so weiter sind nach ihrer Rechtsauslegung keine Folter, sondern Strafen. Im Jahr 1988 kam es im Iran in seinen Gefängnissen auf Befehl des obersten geistlichen Führers Ayatollah Khomenei zu Massenhinrichtungen von politischen Gefangenen.

Die Zahlen schwanken zwischen 8.000 und 20.000. Die Häftlinge mussten zuvor einen Fragebogen ausfüllen. Das Regime wollte beispielsweise wissen: Haben ihre Eltern gebetet, haben sie als Kind eine Moschee besucht? Regelmäßig? Und so weiter und so fort. Wenn ein Häftling Ja ankreuzte, und das taten viele, weil sie dachten, diese Antwort würde ihnen helfen, bedeutete das den sicheren Tod durch Erhängen. Die krude Logik dahinter war: Ein linker Oppositioneller, der Muslim ist, ist von seiner Religion abgefallen. Insassen, die das Muster durchschauten, alarmierten ihre Mitgefangenen mit Klopfzeichen von Zelle zu Zelle.

Bitte gebt keinesfalls an, dass ihr aus einem religiösen Elternhaus stammt. Wenn man nämlich nicht als Muslim aufgewachsen ist, dann könne man auch nicht vom Islam abfallen. Manche, sehr wenige, entkamen so der Hinrichtung. Einer, der damals dabei war und verantwortlich war, war Ebrahim Raisi, später iranischer Staatspräsident, der 2024 bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam. Raisi war damals zweiter Generalstaatsanwalt, und das Massaker wurde für ihn zu einem Karrierebooster. Er wurde bald Chefrichter, und in dieser Funktion sollte er die Vorwürfe untersuchen, dass 2009 eine ganze Reihe Demonstranten in Teheran in Polizeigewahrsam vergewaltigt und gefoltert worden waren. Am Ende kam heraus, die, die den Vorwurf erhoben hatten, wurden selbst angeklagt, dank Raisi, dem Chefrichter.

Nach Erkenntnissen aus einem Gerichtsverfahren in Stockholm, das nach dem Weltrechtsprinzip zustande kam, war in die Massenhinrichtungen des Jahres 1988 im Iran die gesamte spätere Politprominenz des Iran involviert gewesen. Nicht nur Ebrahim Raisi, ein Justizminister, ein Scharia Richter, ein Innenminister und so weiter, auch Ali Khamenei, der jetzige geistliche Führer. Doch die waren nicht greifbar, und so wurde in Schweden 2004 ein Iraner angeklagt, der von einem Zeugen bestätigt wurde und zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch schon nach zwei Jahren kam er frei, denn es gab einen Austausch. Der Iran hatte damit gedroht, einen schwedischen Diplomaten, der der Spionage bezichtigt wurde und im Evin Gefängnis saß, hinzurichten. Geißeln zu nehmen und mit ihnen Lösegeld oder politische Forderungen zu erpressen, gehört faktisch zur DNA des Regimes. Eine Geiselnahme gab es schon in den Geburtswehen der Islamischen Revolution 1979. Der Schah war in die USA geflogen, Khomeini aus dem Exil in Paris zurückgekehrt. Da stürmten radikale Studenten die US-Botschaft in Teheran und nahmen 52 Diplomaten als Geiseln. Die Besetzung war kein spontaner Wutausbruch. Die Studenten waren monatelang darauf vorbereitet worden. Der Befehl kam von Khomeini und der jetzige Oberste Führer Khamenei war religiöser Vertrauenswanderbesetzer. Sie forderten die USA auf, den Schah auszuliefern. Für die iranische Seite verhandelte damals der PLO Führer Yassir Arafat.

Das heißt, diese Beziehungen gibt es wirklich schon lang. Die Geißeln wurden mit verbundenen Augen, einer tobenden Menge und Fernsehkameras vorgeführt. Mich erinnert das an die Hamas in Gaza bei der Freilassung oder bei der Übergabe der Geiseln. Nach 444 Tagen, total abgeschirmt von der Nachrichtenlage, mit Scheinhinrichtungen gequält, kamen die amerikanischen Geiseln 1981 frei. Was hat es dem Iran gebracht? Das Mullah Regime war zweifellos gefestigt. Seine Botschaften im Westen, die weiter geöffnet waren, ausgenommen die in den USA, wurden zu Festungen des Geheimdiensts ausgebaut, der Exil Iraner bespitzelte und Killerkommandos losschickte.

Ein solches traf im Sommer 1989 mit Diplomatenpässen ausgestattet, in Wien ein. Iranische Offizielle hatten den Vorsitzenden der Demokratischen Kurdenpartei, Abdulrahman Gassemlu, und drei seiner Vertrauten nach Wien gelockt, mit der Aussicht, eine Lösung der Kurdenfrage zu besprechen. Als die kurdische Delegation am Treffpunkt in einer Wiener Wohnung im dritten Bezirk ankam, wurden sie kalt hingerichtet. Die österreichische Regierung duckte sich damals weg. Innenminister, Justizminister, Außenminister taten nichts, um die mutmaßlichen Mörder festzunehmen, obwohl sie die Namen hatten und wussten, wo sie sich aufhielten. Das Killerkommando durfte unbehelligt ausreisen. Ohne Recherchen des damaligen Grünpolitikers Peter Pilz, der bei diesem Attentat einen guten Freund verloren hatte, wäre dieser Skandal wahrscheinlich nie oder sehr spät bekannt geworden.

Der damalige Chef der politischen Sektion des Außenamts, Botschafter Erich Maximilian Schmid, sagte Jahre später nach seiner Pensionierung, der iranische Botschafter in Wien habe damals mit großer Klarheit zu verstehen gegeben, dass es gefährlich werden könnte für Österreicher. Im Iran sollten die Tatverdächtigen in Österreich vor ein Gericht gestellt werden. Drei Jahre später gab es einen ähnlichen Fall in Deutschland, nur mit anderem AUSGANG. Im Juli 1992 wurden vier kurdische Exiliraner darunter Gesemlos Nachfolger, im Restaurant Mykonos in Berlin erschossen. Diesmal kamen die Killer nicht so leicht davon. Der Haupttäter, ein Hisbollah Mann und ein Mittäter wurden in Deutschland vor Gericht gestellt, nicht zur Freude des damaligen deutschen Kanzlers Helmut Kohl. Die deutsche Justiz war mutig, sie sprach von Staatsterrorismus.

In der Anklageschrift und im Urteil werden das iranische Regime und sein Geheimdienst als Auftraggeber und sogar die Verantwortlichen namentlich genannt. Das Urteil lautete auf lebenslänglich. Doch ein paar Jahre später kamen sie frei im Austausch gegen einen deutschen Touristen, der bei einer Anglertour von Dubai aus in iranisches Sperrgewässer geriet und wegen Spionage im Evin Gefängnis einsaß. Zurück im Iran schrieb der Drahtzieher des Mykonos Attentats seine Memoiren und erhielt dafür den höchsten Literaturpreis des Landes. Staatsterrorismus zeigt sich freilich auch nach innen. In den er Jahren wurden mehr als 80 Künstler, Schriftsteller, Journalisten und Oppositionelle ermordet. Die Serie bekam den Namen Kettenmorde, weil die ersten Opfer mit einer Kette erwürgt aufgefunden worden waren.

Der Geheimdienst des Iran ging sehr verdeckt vor. Er inszenierte Autounfälle, Raubüberfälle mit Schießereien, Hinrichtungen durch Messerstechereien. Er setzte Giftspritzen ein, die einen Herzinfarkt vortäuschen sollten. Der deutsche Intellektuelle Navid Kermani sagt, er wolle nicht länger über bestimmte Nebensätze hinweglesen, wie zum Beispiel war jahrelang schwerer Folter ausgesetzt, hat 8, 12 oder 20 Jahre im Gefängnis verbracht, ist hingerichtet worden. Kermani kritisiert schon seit längerem die Europäische Union und den Westen generell, dass sie sich nur auf das iranische Atomwaffenprogramm konzentriert und die Lage der Menschenrechte keine Rolle spielen. Im Juni 2020 wollte der Deutsche Geschäftsmann Yamshid Sharmad, der im Iran als Regimegegner gilt, über Dubai nach Indien reisen. In Dubai kam er noch an, dann hörte man tagelang nichts von ihm und dann sah man ihn wieder im iranischen Fernsehen, zerschlagenes Gesicht, die Zähne fehlten.

Der iranische Geheimdienst hatte ihn entführt, gefoltert und ein Geständnis erzwungen. Scharmats Tochter alarmierte die Öffentlichkeit, forderte die deutsche Politik auf, etwas zu unternehmen. Am Rande der UN-Vollversammlung in New York im Jahr 2024 sprachen die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und ihr iranischer Amtskollege über den Fall. Vier Wochen später war Schamat tot. Hingerichtet. Seine Tochter sagt jetzt voll Bitterkeit: „Reden mit Terroristen ist wie ins Feuer spucken.“ Erpressung funktioniert.

Ginge es auch anders? Ich weiß es nicht. Die Erfahrung sagt Ideologie schlägt Ratio. Das zeigt sich auch in der israelischen Regierung, in der die Rechtsradikalen glauben, sie könnten die Hamas besiegen, indem sie die Bevölkerung bekämpfen und Gaza dem Erdboden gleichmachen. Die Hamas ist keine Befreiungsbewegung. Sie beschießt Israel seit Jahren und drei Tage bevor sie am 7. Oktober 2023 einen massiven Raketenangriff auf Israel startete und ein Massaker in israelischen Dörfern und einem Jugendfestival verübte, hat de Khamenei, der Oberste Führer des Iran, in einer Rede auf einer Konferenz vor Botschaftern islamischer Länder Israel als Krebsgeschwür bezeichnet, das bald ausgerottet sein werde.

War der Iran nur mit Waffen und Geld oder auch mit strategischer Planung Kämpfern daran beteiligt? In seinem Buch mit dem Titel „Wie der Westen seine Werte und Interessen verrät“ berichtet der Politologe Ali Fathola Nedjad von einem allerdings unbestätigten Video, auf dem persischsprachige Kämpfer zu sehen sind, die Teil eines Geißelkommandos der Hamas zu sein scheinen.

Das Video wurde nach dem 7. Oktober ins Netz gespült. Laut Washington Post ist die Operation mindestens ein Jahr im Voraus von Iran, Hamas und Hisbollah vorbereitet worden. Ja, das war heute wieder mal ein trauriges Tableau, aber vielleicht regt es zum Nachdenken an und Nachdenken ist ja nichts Trauriges. Und damit verabschiede ich mich von Ihnen.

Ihre Christa Zöchling. Dankeschön.

Autor:in:

Christa Zöchling

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