Stets bereit
Wehrpflicht

Wehrpflicht ist kein Ausdruck von Kriegssehnsucht, sondern von Verantwortung. Sie macht ein Land schwer angreifbar und eine Gesellschaft schwer manipulierbar. Sie schafft Reserve, Tiefe, Durchhaltefähigkeit, aber vor allem schafft sie eines: die Gewissheit, dass Freiheit nicht nur verteidigt werden kann, sondern auch verteidigt wird.

Herbert Bauer
Grüß Gott und einen guten Tag, heute möchte ich ein heißes Eisen beleuchten: die Wehrpflicht.

Das Lied des Sängers Reinhard Mey mit dem Titel „Nein, meine Söhne geb’ ich nicht“ klingt edel, moralisch überlegen, fast sakral, aber sicherheitspolitisch ist es brandgefährlich. Mey macht das private Vatergefühl zur politischen Norm: Mein Kind kämpft nicht, das sollen andere oder gar keiner. Das ist kein Pazifismus, das ist die poetische Verklärung des Trittbrettfahrens. Denn die Realität in Mitteleuropa ist eine andere: Frieden entsteht hier nicht aus guten Absichten, sondern aus glaubwürdiger Abschreckung, robuster Verteidigungsfähigkeit und der Bereitschaft einer Gesellschaft, ihren eigenen Schutz ernst zu nehmen. Wer das verweigert, lebt automatisch von der Opferbereitschaft anderer, wie vielleicht der Kinder der Nachbarn, der Verbündeten, der Frontstaaten.

Und hier liegt der eigentliche Denkfehler des Liedes und der Idee: Wer nicht bereit ist, die eigene Freiheit zu verteidigen, wird am Ende für die Ziele einer fremden Macht kämpfen. Staaten, die sich nicht wehren, verschwinden nicht poetisch aus der Weltgeschichte, sie werden geschluckt. Und die Menschen, die heute schwören, „für keinen Staat der Welt“ eine Waffe in die Hand zu nehmen, landen morgen als Rekruten, Arbeitskräfte oder Kanonenfutter im Dienst eines Besatzers. Das ist kein theoretisches Szenario, das ist historische und aktuelle Realität. In den besetzten Gebieten von Donezk und Luhansk sieht man das heute klar: Viele, die 2014 oder 2022 dachten, Russland würde sie „befreien“, werden heute zwangsrekrutiert. Sie kämpfen nicht für die Sicherheit ihrer Heimat, sondern für die Interessen Moskaus, oft unter miserablen Bedingungen und mit extrem hohen Verlusten. Wer sich nicht verteidigt, wird eben nicht verschont. Er wird benutzt.

Dasselbe kennt Österreich auch aus seiner eigenen Geschichte: 1938 gab es keinen militärischen Widerstand gegen Hitlers Einmarsch. Die Folge war nicht Frieden, sondern die vollständige Eingliederung in Hitlers Kriegsmaschine. Hunderttausende Österreicher kämpften danach nicht für ein souveränes Österreich, sondern für Hitlers Angriffskrieg, also für eine Sache, die nicht ihre war. Das ist der nüchterne Kern, den Mey und die Anhänger dieser Idee ausblenden: Freiheit ist kein Naturzustand. Sie ist ein kollektives Gut, das verschwindet, wenn niemand bereit ist, es zu verteidigen. Moral ohne Realitätssinn wirkt edel, aber sie bleibt nur so lange folgenlos, wie andere deine Sicherheit gewährleisten. Wer sagt: „Meine Söhne geb’ ich nicht“, sagt im Subtext: Die Söhne der anderen sollen es richten. Nun das ist keine höhere Moral. Das ist eine bequeme Form der Verantwortungsverweigerung und im Ernstfall der schnellste Weg, genau jene Freiheit zu verlieren, auf die man so stolz ist.

Was hat das nun alles mit der Wehrpflicht zu tun? Schauen wir uns dazu einmal die historischen Entwicklung an: Die Idee, staatliche Streitkräfte nicht nur aus Berufssoldaten, Söldnern oder adeligen Kriegern zu rekrutieren, sondern aus der gesamten waffenfähigen Bevölkerung, entstand in Europa erst spät. Vorformen gab es zwar, etwa mittelalterliche Aufgebote oder städtische Milizen, doch diese waren lokal, unregelmäßig und nur begrenzt schlagkräftig. Der eigentliche Durchbruch erfolgt im ausgehenden 18. Jahrhundert. Mit der Französischen Revolution wurde 1793 erstmals eine allgemeine, moderne Wehrpflicht eingeführt. Der Staat definierte Verteidigung als Aufgabe der Nation, nicht einzelner Stände. Dieses Modell erwies sich als militärisch überlegen und setzte im 19. Jahrhundert neue Maßstäbe: Preußen führte nach 1807 ein System ein, das aus kurzer Grundausbildung, Reserve und Landwehr bestand und damit die Mobilisierung großer, gut ausgebildeter Heere ermöglichte. Viele europäische Staaten folgten, weil Wehrpflichtarmeen im Industrialisierungszeitalter den Bedarf an Masse, Durchhaltefähigkeit und territorialer Verteidigung besser abdeckten als Söldnerheere. Bis zum Ersten Weltkrieg war die Wehrpflicht der europäische Standard. Nach 1918 blieb sie, trotz politischer Veränderungen, das Fundament der Landesverteidigung nahezu aller Staaten. Der Kalte Krieg verstärkte die strukturelle Bedeutung: Sowohl NATO- als auch Warschauer-Pakt-Staaten brauchten große Personalreserven, um konventionelle Abschreckung glaubwürdig zu machen. Erst nach 1990 setzten einige westeuropäische Länder auf Berufsheere und reduzierten Massestrukturen, oft unter der Annahme eines „Endes der Geschichte“. Seit etwa 2014 und verstärkt seit 2022 ist europaweit allerdings eine Neubewertung zu beobachten. Der historische Bogen zeigt: Die Wehrpflicht entstand und entsteht nicht aus Ideologie, sondern als funktionale Antwort auf sicherheitspolitische Anforderungen und sie kehrt immer dann zurück, wenn Staaten erkennen, dass Verteidigung ohne breite gesellschaftliche Beteiligung strukturell nicht tragfähig ist.

Schauen wir uns Europa nach 1990 und die Illusion der sicheren Welt an.

Nach dem Kalten Krieg herrschte in vielen Staaten Westeuropas ein gefährlicher Optimismus. Die Vorstellung, dass große Kriege auf europäischem Boden „für immer“ ausgeschlossen seien, wurde zum politischen Grundkonsens. Viele Regierungen interpretierten den Zusammenbruch der Sowjetunion als Beweis, dass Märkte, Diplomatie und internationale Institutionen militärische Macht dauerhaft ersetzen würden. In dieser Stimmung wurden Armeen verkleinert, Wehrpflichten ausgesetzt und Reservestrukturen praktisch entkernt. Deutschland, die Niederlande, Belgien oder Spanien verließen sich zunehmend darauf, dass Abschreckung ein Relikt vergangener Zeiten sei und dass Krisen durch Außenpolitik, nicht durch Verteidigungsfähigkeit gelöst würden. Gleichzeitig war aber in Osteuropa die Wahrnehmung eine völlig andere. Staaten wie Estland, Lettland, Litauen, Polen oder Finnland hielten an robusten Strukturen fest, weil sie die geostrategische Realität nie aus dem Blick verloren. Sie standen nie unter der Illusion, dass Nähe zu Russland eine Garantie für Frieden bedeuten würde. Dieser Unterschied, der westliche Glaube an Stabilität versus die östliche Erfahrung von Bedrohung, prägte die europäische Verteidigungslandschaft drei Jahrzehnte lang.

Österreich bewegte sich in diesem Umfeld in einer Zwischenposition: Die Wehrpflicht blieb formal bestehen, aber die Mittel wurden stetig reduziert. Die Schweiz wiederum hielt am Milizprinzip fest und investierte kontinuierlich, weil sie aus ihrer Sicherheitskultur heraus weiß, dass ein kleiner Staat ohne strategische Tiefe keine Fehler machen darf.

Die Folge all dieser Divergenzen war ein europäisches Ungleichgewicht: Während der Westen abrüstete, hielten die östlichen Staaten und die Schweiz professionelle Verteidigungsstrukturen hoch. Der Kontinent entfernte sich von einem gemeinsamen Sicherheitsverständnis. Als dann 2014 und 2022 die strategische Realität mit aller Härte zurückkehrte, standen viele Staaten mit leeren Kasernen, ausgedünnten Reserven und politisch verlernten Verteidigungsdebatten und einer hilflosen politischen Elite da.
Dieses Kapitel der europäischen Geschichte zeigt: Nicht die Bedrohung verschwand, es verschwand nur die Bereitschaft, sie ernst zu nehmen.

Nun, was bringt uns die Rückkehr zur Realität? Mit der Krim-Annexion 2014 begann ein sicherheitspolitischer Wendepunkt, den viele im Westen erst sehr spät wahrgenommen haben. Staaten, die die Bedrohungslage nüchtern analysierten, reagierten sofort, nicht mit Symbolpolitik, sondern mit konkreten strukturellen Entscheidungen. Litauen war das erste Land, das nach Jahren der Aussetzung wieder zur Wehrpflicht zurückkehrte. Nicht als ideologische Geste, sondern als nüchterne Feststellung: Ohne ausreichende Personalreserve gibt es in einem ernsthaften Konflikt keine Verteidigung. Lettland folgte mit einem gestuften Modell, das vom freiwilligen Dienst zur klaren Dienstpflicht übergeht. Schweden aktivierte 2017 sein System neu, weil die Ostsee plötzlich wieder geopolitisch umkämpft war und die Verteidigungsplanung ohne Wehrpflicht nicht funktionierte. Die Ukraine hatte 2013 die Wehrpflicht abgeschafft und musste sie 2014 sofort reaktivieren, weil ein Staat ohne Reserven einem äußeren Angriff schutzlos ausgesetzt ist. Kroatien zog als jüngster Staat nach und führt die Wehrpflicht wieder ein, weil die strategischen Folgen des Ukrainekriegs den gesamten Balkan betreffen. All diese Entscheidungen sind Ausdruck derselben Erkenntnis: Friedenszeiten sind kein verlässlicher Zustand. Verteidigungsfähigkeit muss dauerhaft aufgebaut, gepflegt und erneuert werden, erst recht in kleinen oder mittelgroßen Staaten ohne eigene geopolitische Abschreckungsmacht. Diesen Satz muss ich einfach wiederholen: Verteidigungsfähigkeit muss dauerhaft aufgebaut, gepflegt und erneuert werden, erst recht in kleinen oder mittelgroßen Staaten ohne eigene geopolitische Abschreckungsmacht. Deutschland hat sich nach langem Zögern ebenfalls zu einer Art Wiedereinführung bekannt, allerdings in einer abgeschwächten Form. Es ist kein klares Bekenntnis, sondern ein gesellschaftspolitischer Kompromiss, der strukturelle Probleme nur teilweise löst und militärische Anforderungen nur unzureichend berücksichtigt. Doch auch Berlin kommt an der Tatsache nicht vorbei, dass ein Land ohne ausreichender Substanz, ohne Ausbildungskapazitäten, ohne funktionsfähige Reserve und ohne breite gesellschaftliche Einbindung nicht verteidigungsfähig ist. Nun, die Muster in Europa sind unübersehbar: Staaten im direkten oder erweiterten Bedrohungsschatten Russlands setzen auf klare Wehrpflichtmodelle; Staaten mit langer strategischer Kultur wie Finnland oder die Schweiz haben sie nie aufgegeben; Staaten, die sie ausgesetzt haben, reaktivieren sie nun, weil die strategische Realität keine Spielräume mehr lässt. Die Rückkehr der Wehrpflicht ist also keine Nostalgie und schon gar nicht Kriegstreiberei, sondern eine Rückkehr zur sicherheitspolitischen Vernunft.

Hier ist ein kurzer Exkurs angebracht: Wenn Sie in ein Flugzeug steigen, zweifeln Sie nicht daran, dass der Pilot weiß, was er tut. Niemand stellt sich ins Cockpit und erklärt ihm den Start. Beim Militär ist das erstaunlicherweise anders: Viele diskutieren Wehrpflicht nicht auf Basis militärischer Notwendigkeiten, sondern nach persönlicher Zumutbarkeit oder Friedenswünschen. Dabei ist Landesverteidigung kein Bauchgefühl, sondern eine fachliche Frage: Wie viel Kraft brauche ich, um wie viel Raum über welche Zeit zu schützen? Genau das ist das Handwerk, das Offiziere gelernt haben, so wie Piloten oder Ärzte ihr Fach beherrschen. Während man medizinische Diagnosen akzeptiert, fühlt sich der Laie beim Militär oft berufen, die Ressourcenzuteilung selbst festzulegen. Das ist paradox, denn die Arbeit der Streitkräfte dient ja gerade seiner eigenen Sicherheit. Und dieses Phänomen findet man fast ausschließlich in freiheitsliebenden Demokratien. Staaten, die ihre Existenz als gefährdet begreifen, ob aus Machtanspruch oder bloßer Selbstbehauptung, wie etwa Israel, führen solche Debatten nicht. Sie wissen, dass Sicherheit keine Frage der Stimmung ist, sondern der Fähigkeit.

Schauen wir uns militärische Notwendigkeiten an, frei von gesellschaftlichem Wunschdenken. Nicht Ideologie entscheidet darüber, ob ein Land eine Wehrpflicht braucht, sondern die schlichte Frage, welche Kräfte ein Staat zur Verteidigung tatsächlich aufbringen muss: räumlich, zeitlich und organisatorisch. Und diese Realität hat drei harte Konstanten, die kein politisches Wunschdenken wegdiskutieren kann. Erstens: Die Verteidigung des Raums braucht Masse. Mitteleuropa ist keine Insel, sondern ein offenes, vernetztes Kontinentalsystem ohne natürliche Barrieren. Ein Staat ohne große Reserve kann nicht gleichzeitig Grenzen sichern, kritische Infrastruktur schützen und operative Verbände unterstützen. Moderne Verteidigung ist kein Spezialkräfte-Einsatz, sondern ein Zusammenspiel von Panzern und Infanterie, Logistik, Aufklärung, Pionieren, Sanitätsdienst, ABC-Abwehr, Cyberkräften und territorialem Schutz. All das braucht Personal, und zwar nicht nur Berufs- und Zeitsoldaten, sondern breite, tief gestaffelte Reserven.
Zweitens: Die Durchhaltefähigkeit entscheidet Kriege, nicht ein Anfangserfolg.

Großkonflikte dauern nicht Tage oder Wochen, sondern Monate und Jahre. Staaten, die ausschließlich auf Berufsheere setzen, stoßen schnell an ihre Grenzen. Sie können Verluste nicht ersetzen, Rotation nicht gewährleisten und Landesverteidigung nicht langfristig aufrechterhalten. Es ist ein mathematisches Problem: Ein Land ohne Wehrpflicht verfügt schlicht nicht über den Grundstock an Menschen, aus denen sich eine belastbare Reserve bilden lässt.

Drittens: Abschreckung funktioniert nur, wenn ein Gegner weiß, dass ein Angriff teuer wäre. Das setzt zwei Dinge voraus: einen Kern an gut ausgebildeten, professionellen Kräften und eine Masse an Reservisten, die innerhalb kurzer Zeit aktiviert werden können. Ohne diese Glaubwürdigkeit wird ein Staat zur Einladung für einen Aggressor. Strategische Ehrlichkeit verlangt anzuerkennen, dass Abschreckung nicht durch Absichtserklärungen entsteht, sondern durch Fähigkeiten, die sichtbar vorhanden sind. Auch diesen Satz muss ich einfach wiederholen: Strategische Ehrlichkeit verlangt anzuerkennen, dass Abschreckung nicht durch Absichtserklärungen entsteht, sondern durch Fähigkeiten, die sichtbar vorhanden sind.

Diese Grundlagen gelten unabhängig von Ideologie, Friedenswille oder politischer Mode. Sie erklären, warum kleine und mittelgroße Staaten, also praktisch alle in Mitteleuropa, ohne Wehrpflicht strukturell nicht verteidigungsfähig sind. Wer nur auf ein Berufsheer setzt, entscheidet sich für ein System, das für begrenzte Auslandseinsätze geeignet ist, aber nicht für Landesverteidigung. Wehrpflicht ist deshalb kein Anachronismus, sondern ein sicherheitspolitischer Grundpfeiler. Sie stellt die einzige praktikable Möglichkeit dar, genügend Menschen auszubilden, Reserven aufzubauen und eine Verteidigungsarchitektur zu schaffen, die im Ernstfall länger als ein paar Wochen trägt.

Schauen wir auf drei sicherheitspolitisch sehr unterschiedliche Länder. Die Schweiz ist das klare Positivbeispiel: Wehrpflicht, Milizarmee, hohe Ernsthaftigkeit. Wer eingezogen wird, bekommt Zeit, Ausbildung, Material. Die Gesellschaft weiß, warum sie das tut, und steht im Großen und Ganzen dahinter. Ergebnis: ein kleines Land, das glaubwürdig signalisiert, dass ein Angriff teuer würde. Österreich wirkt daneben wie die Sparversion derselben Idee. Die Wehrpflicht ist nie abgeschafft worden, aber sie ist zu kurz, zu knapp dotiert und politisch weichgespült. Man will die Vorteile, wie Zivildienst, Notfallreserven, schöne Bilder vom „Milizheer“, aber ohne den Preis zu zahlen, der dazu nötig wäre. Gleichzeitig beruft man sich auf Neutralität, ohne die militärische Substanz bereitzustellen, die diese Neutralität absichern würde. Das ist kein Modell, das Respekt einflößt, sondern eines, das von der Gutwilligkeit der Umgebung lebt. Deutschland hat sich lange für das Gegenteil entschieden: die klassische Wehrpflicht quasi abgeschafft, ein Berufsheer aufgebaut, Auslandseinsätze in den Vordergrund gestellt und die Landesverteidigung praktisch verlernt. Jetzt kommt die hektische Korrektur: Musterung light, freiwilliger Dienst, „Bedarfswehrpflicht“, wenn es eng wird. Man versucht, den Schaden zu reparieren, allerdings mit nur bedingt tauglichen Mitteln. Im direkten Vergleich sieht man: Die Schweiz hat ein klares Konzept, Österreich eine halbherzige Umsetzung und Deutschland versucht gerade, den eigenen Fehler der Aussetzung zu kaschieren.

Schauen wir uns, quasi als Fazit, noch an, was es bedeutet Frieden in Freiheit zu haben, wer Verantwortung trägt und den Preis, den man zahlen muss.

Am Ende läuft alles auf eine einzige Frage hinaus: Wer trägt die Last der Freiheit? Eine Gesellschaft, die Verteidigung als Zumutung betrachtet, verwechselt Frieden mit Naturzustand und Sicherheit mit Gratisleistung. Doch beides stimmt nicht. Frieden ist kein Geschenk, er ist eine Aufgabe. Und wer sie nicht erfüllt, zwingt andere, sie für ihn zu übernehmen.

Wehrpflicht ist in diesem Sinn kein nostalgisches Relikt, sondern der ehrlichste Ausdruck eines fairen Lastenausgleichs. Sie sagt: Nicht die Kinder der politisch Engagierten, nicht die Söhne und Töchter der Ärmeren, nicht die Soldaten einer Allianz sollen die Freiheit tragen, sondern wir alle. Gesellschaftlich breit, transparent, überprüfbar. Verteidigung wird dadurch nicht Sache eines Berufskorps, sondern ein gemeinsamer Besitz. Sie wird demokratisch legitimiert, sozial ausgewogen und militärisch belastbar.

Das Gegenteil wäre ein Modell, bei dem sich die Mehrheit moralisch entlastet, während eine Minderheit den Preis bezahlt. Genau das ist das Muster, das Pazifisten repräsentieren: eine schöne Idee auf Kosten anderer. Doch ein Staat, der so denkt, nimmt seine eigene Zukunft nicht ernst. Der entscheidende Punkt ist daher schlicht: Wer Freiheit behalten will, muss bereit sein, etwas dafür zu tun. Nicht aus Militarismus, nicht aus Heldentum, nicht aus „Kriegstreiberei“, sondern aus vernünftiger Selbstachtung. Staaten, die das verstanden haben, bleiben souverän. Staaten, die es ignorieren, werden abhängig, zuerst politisch, dann wirtschaftlich, im Ernstfall existenziell. Wehrpflicht ist deshalb kein Ausdruck von Kriegssehnsucht, sondern von Verantwortung. Sie macht ein Land schwer angreifbar und eine Gesellschaft schwer manipulierbar. Sie schafft Reserve, Tiefe, Durchhaltefähigkeit, aber vor allem schafft sie eines: die Gewissheit, dass Freiheit nicht nur verteidigt werden kann, sondern verteidigt wird.

Eine Demokratie, die das begreift, hat Zukunft. Eine, die es verweigert, hat nur Glück. Und auf Glück kann man sich in Mitteleuropa nicht verlassen. Nur auf Stärke, Bereitschaft und den Mut, Verantwortung gemeinsam zu tragen.

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Herbert Bauer

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