Die Dunkelkammer History
Iran: "Das Regime ist am Ende" - wieder einmal

Seit drei Jahren protestieren Iraner in Wien gegen Killerkommandos, Hinrichtungen und Unterdrückung in ihrem Land. Als die Frauen auf die Straße gingen, glaubten sie an Reformen. Nach israelischen und US-Bomben hoffen sie auf einen Regimewechsel. Doch bisher war alles vergebens.

Christa Zöchling
Guten Tag, hier ist Christa Zöchling. Ich begrüße Sie zur Dunkelkammer aus der Reihe History. Heute geht es um den Iran. Für mich ist es ein Sehnsuchtsland, berühmt für die Schönheit seiner Paläste und seiner Menschen, für mutige Regisseure, große Dichter, unerschrockene Frauen. Doch auch eine Tragödie. Seit Jahrzehnten werden hier Schriftsteller und Intellektuelle verhaftet, Oppositionelle gefoltert, Frauen gedemütigt und Politiker hingerichtet. Aufstände werden mit harter Hand niedergeknüppelt, Reformpolitiker bedroht und die eine Revolution, die es gegeben hat, die wurde verraten.

Meine iranischen Freunde in Wien sind derzeit in einem Ausnahmezustand. Treffe ich sie, haben sie verschattete Augen, sind nervös, schlafen nicht mehr. Zehn Tage lang gab es keinen Kontakt zu ihren Angehörigen in Teheran oder sonst wo im Iran. Tote Leitungen, kein WhatsApp, kein Mail.

Sie wussten nichts. Leben die Verwandten noch? Hat eine Bombe ihr Haus getroffen? Wurden sie von den Revolutionsgarden abgeholt, als israelische Spione angeklagt, hingerichtet. Alles ist derzeit möglich. Und dann die moralischen Wie Blitze im Kopf. Darf man sich freuen, dass höchste Vertreter des Regimes bei israelischen Angriffen gezielt getötet werden?

Steht der Iran im Begriff, sagen wir in einem halben Jahr oder so, mit einer Atombombe die gesamte Region in Schach zu halten und Israel auszulöschen? Sind die Angriffe rechtens. Völkerrechtler sind sich uneins. Und dann zahlt nicht gerade die Opposition den Preis für das Alles. Die Hinrichtungen häufen sich in diesen Tagen. Der Iran ist auch ein großes Rätsel. Eine gebildete, in großen Teilen liberale Mittelschicht, die in ihren eigenen vier Wänden alles tut, das verboten ist und in ihrem öffentlichen Dasein von der Sittenpolizei, den Revolutionsgarten und einem mittelalterlichen Gesetzbuch drangsaliert wird.

Mit dem Doppelleben hat man sich arrangiert. Zwischen den Generationen tut sich ein tiefer Krater auf. Man versteht einander kaum. Das, was im Westen die Babyboomer sind, also die Alten, haben, als sie jung und links waren, unter den Folterknechten des Schah Regimes gelitten und 1979 die Revolution der Mullahs begrüßt. Die Rückkehr Ayatollah Khamenei ist gefeiert. Die Kommunistische Partei hat sogar die islamistische Verfassung mitbeschlossen, das heißt die komplette Entrechtung der Frau, bis sie selbst im berüchtigten Evin-Gefängnis landeten, unter Folter. Und hingerichtet wurden.

Die iranische Schriftstellerin Azar Nafisi sagt Liberale und Linke haben sich mit ihrer Unterstützung von Khamenei einer schwerwiegenden Fehleinschätzung schuldig gemacht. Dieser politische Fehler hängt immer noch nach. Er ist das Trauma einer ganzen Generation und bis heute ein Tabu. Die Jungen, die man bei uns Generation Z nennt, haben verständlicherweise die Nase voll von Politik. Sie wollen leben, sie wollen arbeiten, sie wollen Party machen und sich nicht vorschreiben lassen, wie man zu leben hat. Vor allem die Frauen haben es satt. Die Frauen sind die großen Verlierer immer gewesen.

Ich habe Hochachtung für die Menschenrechtsaktivisten, Exiliraner, die seit drei Jahren am Eingang zur Wiener UNO City einen Informationsstand betreiben und auf die düstere Lage im Iran aufmerksam machen. Sie sind unermüdlich, sie geben nicht auf. Darunter ist etwa der Arzt Hassan Nayeb Hashem oder auch seine Frau, die Physikerin Shole Samini. Begonnen haben sie im September 2022 als eine junge Frau im Iran wegen eines nicht korrekt sitzenden Hijabs von der islamischen Religionspolizei verhaftet und derart zugerichtet worden war, dass sie in Polizeigewahrsam starb. Es war der Funke, der einen Flächenbrand macht. Frauen gingen im Iran auf die Straße. Mädchen verbrannten auf Instagram ihre Kopftücher, schnitten sich Büschel von Haaren ab und erinnerten damit an das iranische Nationalepos.

Das Abschneiden der Haare ein Zeichen von Trauer. Und Rebellion gegen die Zurichtung der Frau. In den ersten Wochen gab es hunderte Tote. Ihre Fotos, oft aus den sozialen Medien genommen, haben die Menschenrechtsaktivisten vergrößert und vor den Stufen zum UN Gebäude an gespannte Schnüre geclipst. Sie zeigen halbe Kinder, noch Mädchen, Burschen, erschossen, erschlagen, gefoltert, misshandelt, verstümmelt aufgefunden. Nach vier Monaten haben die Menschenrechtsaktivisten 750 Opfer dokumentieren können. Einige waren öffentlich gehängt worden, befanden sich in Haft, auch Minderjährige.

700 Tage lang hielten die Exiliraner in Wien den stand bei der UNO City Tag und Nacht. Besetzt. Jetzt stehen sie wieder dort, denn die Hinrichtungen im Iran nehmen rasant zu. Dort habe ich am vergangenen Dienstag seit dem 30.06.2025 ist ein neues Gesetz in Kraft. Demnach kann so ziemlich jeder, der etwas Regimekritisches gepostet hat oder Kontakte ins Ausland unterhält, unter dem Verdacht, ein Spion zu sein, hingerichtet werden. Delikte, wie ich zitiere Veröffentlichung von Nachrichten, die Angst und Schrecken hervorrufen, Spaltung verursachen, die öffentliche Moral gefährden, erlauben halt jede Willkür. Jeder UNO Angestellte muss auf dem Weg ins Büro an diesem Stand vorbeigehen.

Er sieht die Plakate mit den Fotos und den Namen und der Aufschrift Hinrichtung. Doch kaum einer kommt näher. Und wer sind diese Menschen? Was wirft man ihnen vor? Ich sitze dort und beobachte und denke die UNO Beamten, das sind doch Leute, die die Welt im Blick haben müssen, schon von berufsfähigen Schule. Manche schauen sehr spät am Abend, wenn sie lange im Büro waren, vorbei, spenden etwas, fragen nach, aber Fehler sind es nicht. Als UNO Beamte müssen sie halt die Neutralität wahren, seufzt Hasan.

Aber darf man deshalb nicht wissen wollen. Menschen sind in den vergangenen Tagen vom iranischen Regime auch an die afghanische Grenze deportiert worden. Afghanische Flüchtlinge, die seit Jahrzehnten im Iran leben, wurden auf der Straße zusammengefangen, auch Kinder, die im Iran geboren wurden. Es ist fast schon ein Treppenwitz, dass im Feindesland Amerika Präsident Trump genau dasselbe tut mit seinen Migranten wie die Mullahs im Iran. Im Iran wird das wohl den Patriotismus etwas anfeuern, Sündenböcke schaffen, böse Stimmungen erzeugen, denn der Zusammenhalt in der Gesellschaft schwächelt. Wenn jetzt in Iran Generalmobil gemacht werden würde, würden die Jungen in Scharen über die Grenze flüchten, meint Hasan keiner wolle mehr in den Krieg ziehen für dieses Regime. Im Iran Irak Krieg war das noch anders.

Der Überfall von Saddam Hussein, der damals politisch und militärisch vom Westen unterstützt wurde, hat die junge Islamische Republik zusammengeschweißt. Minderjährige meldeten sich massenhaft, um verminte Pisten zu testen, und starben wie die Fliegen. Der Märtyrerkult nahm Fahrt auf. Das war 1980 ein Jahr nachdem der Schah geflüchtet und Ayatollah Khomeini aus dem Pariser Exil zurückgekehrt war, unter dem Jubel der Maßen. Auch die Richterin Shirin Ebadi stand damals im Jänner 1979 mit ihrer Familie. Auf dem Dach ihres Hauses in Teheran und schrie Allahu Akbar in den Nachthimmel hinein, wie alle ihre Nachbarn. Nicht weil sie in einem islamistisch verfassten Land leben wollten, sondern weil sie meinten "jetzt werde die Demokratie kommen".

Der Schah Mohammed Reza Pahli war 1953 von den USA eingesetzt worden, nachdem der CIA den Reformpolitiker Mohammad Mossadegh weggeputscht hatte. Der Mossadegh hatte es gewagt, die Erdölfelder zu verstaatlichen und damit die privaten amerikanischen und britischen Ölfirmen ausgebotet. Der Schah modernisierte das Land mit harter Hand und dem berüchtigten Geheimdienst SAVAG. Jede oppositionelle Regung wurde verfolgt. Selbst für Staatsbesucher im Ausland reiste der Schah mit seinen SAVAG Leuten an, damit protestierende Studenten niedergeknüppelt werden konnten. 1967 kam es bei einer Anti-Schah Demonstration in Westberlin zu Tumulten und in diesen Tumulten kam ein Student zu Tode.

Das war die Initialzündung, für die Bewegung. Im Iran machte die Arroganz der Elite das Volk wütend. 1971 ließ sich der Schah von gekrönten Häuptern aus aller Welt in der alten Kaiserstadt Persepolis feiern. Eine Stadt aus seidenen Zelten wurde errichtet, Champagner aus Paris geordert und andere Leckerbissen eingeführt. Singvögel wurden importiert, die allerdings nicht lang zwitscherten, sondern in der sengenden Hitze verreckten. Islamisten wie Linke waren empört. Khomeini im Exil sprach von einem Festival des Teufels und der Geheimdienst SAVAG verhaftete, folterte, mordete schlimmer als jemals zuvor.

Und dann kam 1979 die Revolution. Ich studierte damals in Graz und hatte viel Kontakt zu linken iranischen Studenten. 

Es war Jänner. Eines Tages hatten die iranischen Studenten ein Lachen im Gesicht und machten Pläne für die Zukunft. Sie würden als Ingenieure wieder zurückgehen in ihr Land, Eltern, Geschwister und Cousins wiedersehen, denn Gerüchte über einen Aufstand machten die Runde. Die iranischen Studenten luden ein zu einem großen Vorführabend. Sie hatten Videobänder aus der Heimat zugeschickt bekommen. Es waren grobkörnige Schwarz Weiß Bilder, ein breiter Strom aus Männern und Frauen auf den Straßen, dicht gedrängt, Fahnen mit Hammer und Sichel, Männer in Parkas, Männer mit Bärten, Frauen mit Tschador. Es kamen neue Videos und die Menge war nun schwarz.

Fast nur noch verhüllte Frauen in schwarzen Tschadors, Männer mit Bärten und schwarzen Turbanen, die ihre Fäuste rhythmisch in die Höhe streckten und Allahu Akbars kantierten. Ach, sagten meine iranischen Freunde, das ist halt eine breite Volksbewegung. Wir haben gemeinsam den Schah aus dem Land gejagt. Wir müssen die Religiösen im Boot behalten. Und dann wurden sie immer stummer, erzählten wenig.

Die Verzweiflung wuchs. Da war ein Bruder, ein Cousin, verhaftet worden oder spurlos verschwunden. Nachrichten kamen von Hinrichtungen, Fotos von öffentlich Erhängten. Unter den Opfern waren ehemalige SAVAG-Leute, hohe Beamte des Schah und eben die Linken. Als ich in Wien das erste Mal mit Hasan Kontakt hatte, zeigte er mir ein Foto. Darauf war ein Freund von damals, den ich kannte. Er war in den Iran zurückgegangen und 1988 in einer Massenhinrichtung im Evin-Gefängnis ermordet worden.

Im April 1979 wurde die Islamische Republik Iran ausgerufen. Der oberste religiöse Führer, jetzt heißt er Ali Khamenei, steht über allen staatlichen Gewalten. Er ist faktisch göttlich bestimmt. Wer für Parlament oder Präsidentenamt kandidieren will, muss eine Gesinnungsprüfung seines Wächterrats überstehen. Als erstes wurde damals den Frauen ein Kopftuch vorgeschrieben, das kein Haar mehr sehen lässt. Der Körper ist unter einem weiten Übermantel zu verbergen. Verboten waren bis weit in die Jahre hinein Wimperntusche, Make up, Lippenstift und Nagellack.

Das Heiratsalter von Frauen wurde zuerst von 18 Jahren auf 9 Jahre gesenkt. Dann wieder auf 13 Jahre erhöht. Doch mit Erlaubnis eines Mullahs gibt es auch heute neunjährige Bräute. Praktisch rechtlos ist die Frau bei Scheidungen. Diskriminiert wird sie im Beruf. Die Steinigung als Strafe für Ehebruch und Prostitution gilt nach Gesetzbuch noch immer. Verboten werden häufig Ballettaufführungen, Tanzaufführungen und Frauen, die auf der Bühne singen.

Durch den Iran-Irak-Krieg, der 1980 begann und acht Jahre dauerte, saß das Regime fest im Sattel. Shirin Ebadi, die zur Zeit der Revolution noch Richterin war und es bald nicht mehr sein durfte, sagte Jahre später: "Wenn wir uns damals eingestanden hätten, dass die Revolution verraten war, hätten wir sicherlich den Krieg verloren. Wir mussten die Regierung unterstützen. Wir hatten keine andere Wahl." 2003 bekam Ebadi den Friedensnobelpreis verliehen. Sie arbeitete mittlerweile als Anwältin. Im Zuge einer Recherche für eine Mandantin fand sie in iranischen Archiven ihren Namen auf einer Todesliste.

Als auf den gemäßigten Reformpolitiker Cathami Ahmadinejad im Jahr 2005 folgte und alles. Nur noch schlimmer wurde, flüchtete sie aus dem Iran, auch um ihre Familie zu schützen. Jetzt sieht sie das Regime am Ende Auch Hasan und Schole sehen das so. Aber haben sie das nicht schon oft gedacht? Gäbe es überhaupt eine politische Alternative zu den Mullahs? Irgendeine Person, die die Autorität hat, diese Alternative anzuführen? Reza Pahlavi, der älteste Sohn des letzten Schahs, 65 Jahre alt, im Exil in den USA lebend, bringt sich derzeit ins Spiel.

Er stünde zur Verfügung, sagt er. Er könne mit Unterschriften von Exil-Iranern aufwarten. In den sozialen Netzwerken stößt man häufig auf Fotos aus der Zeit vor der islamischen Revolution: Bilder von Frauen in Bikinis und Männern in Shirts, von tanzenden Jugendlichen in Discos und glitzernden Talkshows im staatlichen Fernsehen. Aber es ist eine verlogene Idylle und es ist auch kaum vorstellbar, dass die Frauen im Iran bei der Schah-Variante mitspielen. Als sie vor drei Jahren mit dem Kampfruf Frauen Leben Freiheit auf die Straße gingen, unterstützte Reza Pahlavi die Gegenbewegung seiner Anhänger unter dem Motto Mann Heimat Entwicklung. Mit ihm kämen die Frauen wohl vom Regen in die Traufe. Und damit verabschiede ich mich heute von Ihnen bis zum nächsten Mal.

Ihre Christa Zöchling.

Autor:in:

Christa Zöchling

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