Die Dunkelkammer History
Putin und Trump: Die Wahlverwandten

Wladimir Putin und Donald Trump sind Wahlverwandte. Beide benützen Geschichte als Instrument für eine autoritäre Gesellschaft und Tyrannei; Putin rechtfertigt damit seinen Krieg.

Christa Zöchling
Guten Tag, hier ist Christa Zöchling. Ich begrüße Sie zur neuen Dunkelkammer History. Kennen Sie den Roman Die Wahlverwandtschaften von Johann Wolfgang von Goethe? Dieses zarte und subtile Gespinst des Heranfühlens und Hineinspürens in das Denken eines anderen und ein Erkennen des seelischen Gleichklangs.

Egal, ich spreche ohnehin von einer ganz anderen Art der Seelenverwandtschaft, und zwar einer sich selbst aufgezwungenen, harten, nacheifernden Wahlverwandtschaft zwischen Donald Trump und Wladimir Putin, angestoßen von Trump. Die beiden haben bereits eine Geschichte miteinander, in der Trump, so wie es aussieht, der Unterlegene, der Nachahmende ist, der um Anerkennung bettelt.

Im August 2025 prahlt Trump mit seiner besonderen Beziehung zu Putin. Der hätte nämlich noch nie mit jemandem wie ihm zu tun gehabt. Das war zwei Tage vor dem peinlichen Gipfeltreffen in Alaska mit rotem Teppich und Applaus für den Kriegsverbrecher. Ein Treffen, von dem sich jetzt allmählich herausstellt, dass es gar nicht so sehr um einen Frieden, zumindest auch nicht um einen Waffenstillstand ging, sondern um Geschäfte, um russisches Öl, seltene Erden und amerikanische Technologie.

Trump bewunderte Putin offenbar von Anfang an. Schon 2017 gibt es von ihm die Äußerung, Putin leiste eine großartige Arbeit.

2014 nach der Annexion der Krim. Er will das russische Imperium weiter ausbauen, sagt Trump anerkennend.

2015, ich zitiere, es ist eine große Ehre, von einem Mann, der in seinem eigenen Land und darüber hinaus so hoch angesehen ist, ein so nettes Kompliment zu erhalten. Das sagte Trump, nachdem Putin ihn als außergewöhnlich und als talentiert bezeichnet hatte. Die Ironie blieb Trump verborgen.

2022. Ich zitiere: Putin ist ziemlich gewieft, so Trump, wenige Tage vor dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine.

Natürlich fallen derzeit weniger nette Worte, weil auch Trump allmählich merkt, dass Putin ihn an der Nase herumführt. Beide sind Techniker der Macht mit einer Sehnsucht nach Härte. Nichts hassen sie mehr als das Schwache und Hinfällige. Und begegnen sie einem liberalen Moralisten, wird ihnen vermutlich übel. Das meint jedenfalls der Journalist Thomas Assheuer. Denn Moral ist der Feind grenzenloser Machtausübung. Beide Politiker werfen sich auf die Geschichte und haben in ihrem jeweiligen Land einen Kulturkampf angezettelt. Putin hat schon vor vielen Jahren damit begonnen, und hätten politische Beobachter im Westen schon früher ein Auge dafür gehabt, wäre niemand vom Überfall auf die Ukraine überrascht worden, und vielleicht hätte der Krieg sogar verhindert werden können.

Geschichte wurde immer politisch missbraucht, wenn die Macht der Herrschenden so weit reichte, dass keiner mehr dagegenhielt. In einer Demokratie ist das eigentlich nicht möglich, dieser Missbrauch von Geschichte. Aber Geschichte ist nun einmal ein umkämpfter Boden, weil moralische, politische und kulturelle Identitäten am Spiel stehen. Jeder Staat, jedes Volk, jedes Kollektiv definiert sich über eine Geschichte, die eine Identität schafft.

Wir wählen unsere Vergangenheit im Lichte eines bestimmten Zwecks. Das ist ein Zitat von Existenzialisten Jean Paul Sartre. Aber das heißt natürlich nicht, dass Geschichte willkürlich konstruierbar wäre. Sie lebt von Empirie, von Forschung, von Fakten und von der Interpretation derselben. Aber es gibt auch eine gefälschte Geschichte. Es gibt Lügen, Geschichtslügen und ideologische Verzerrungen. In der russischen Geschichtspolitik ist seit Jahren ein ideologischer Durchmarsch zu beobachten. Die Stadien der Verhärtung hat die Politologin Susan Stewart analysiert. So wird der Zerfall der Sowjetunion 1990/91 von Putin als Betriebsunfall der Geschichte gesehen. Russland ist in seinem Denken ein historisch determiniertes Imperium, eine Weltmacht, die Ansprüche stellen kann und zu ihrem, ich zitiere, natürlichen Zustand einer großen, wachsenden und ländersammelnden Gemeinschaft zurückkehren muss. Im Jahr 2009 wurde in Moskau eine Kommission eingesetzt, die Geschichtsbilder, ich zitiere, zum Schaden der Interessen Russlands überwacht und gegensteuert. Im November 2013 wurde die Ausstellung Russland Meine Geschichte eröffnet, die in den darauffolgenden Jahren bis in den letzten Winkel des großen Landes gekommen ist und Millionen russischer Bürger und Bürgerinnen und Schulkinder erreicht hat. Die Initiative dafür war vom russisch orthodoxen Bischof Tychon, Putins Beichtvater, ausgegangen. Die Rechte an der Ausstellung besitzt eine Stiftung, die ebenfalls von Putins Beichtvater und einem ehemaligen Gazprom Mann geleitet wird. Finanziert wurde das riesige Projekt von der Firma Norils Knickl. Die drei russischen Oligarchen gehört: Wladimir Potanin, Oleg Deripaska und Roman Abramović.

2014 wurde in Russland die Rehabilitierung des Nazismus verboten. Das klingt erst einmal ganz vernünftig. In der Praxis freilich kriminalisiert das neue Gesetz, ich zitiere: jede falsche Information über Tätigkeiten der UdSSR während des zweiten Weltkriegs, also jede Art von Kritik. Denn selbstredend entscheiden staatliche Stellen, was als richtig und was als falsch gilt. Das betrifft auch den moralisch verwerflichen Hitler Stalin Pakt. Es ist in Russland verboten, an der Argumentation, die Sowjetunion hätte 1939 keine andere Wahl gehabt, sei vom Westen im Stich gelassen worden und in die Arme Hitlers getrieben worden, zu zweifeln. Eine Diskussion unter Historikern, ob dies wirklich so war, ist in Russland nicht mehr möglich. Seit langem schon. Es darf nur noch eine einzige Interpretation der Geschichte geben. Stalins Verbrechen, also der Massenterror der 1930er Jahre, wurden in den vergangenen Jahren immer mehr in den Hintergrund gedrängt und kleingeredet. Man habe Menschen doch nicht grundlos verfolgt. Es sei immer etwas Reales dahintergestanden, so rechtfertigte der Chef des Inlandsgeheimdienstes, Alexander Bortnikow, im Jahr 2017 Stalins Terrorherrschaft. Dagegen legten einzelne Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften Protest ein, mit dem Erfolg, dass sie mundtot gemacht wurden. Eine Mehrheit der Russen sieht mittlerweile in Stalin ein historisches Vorbild. Im Frühjahr 2020 wurde ein neuer Passus in der russischen Verfassung verankert. Er lautet: Die Russische Föderation ehrt die Erinnerung an die Verteidiger des Vaterlandes und verteidigt die historische Wahrheit. Es ist nicht erlaubt, die Bedeutung der Heldentaten des Volkes bei der Verteidigung des Vaterlandes zu schmälern. Zitat Ende. Allein die Frage, ob es richtig war, dass die Bevölkerung von Leningrad im Zweiten Weltkrieg in der Stadt bleiben musste, um die Wehrmacht aufzuhalten, ist praktisch verboten. Eine Million Menschen ist dabei umgekommen.

Die Feiern zum 9. Mai, dem Tag des Sieges der Roten Armee über Hitler Deutschland, geraten von Jahr zu Jahr martialischer. Neuerdings werden Interkontinentalraketen vorgeführt. Früher war es ein sehr emotionaler Akt, ein Sieg mit Tränen in den Augen wegen der vielen Opfer. Der Blutzoll der Sowjetunion in diesem Krieg betrug 26 Millionen Sowjetbürger, Frauen und Männer. Heute ist die Siegesparade eine reine Propagandaveranstaltung. Der Krieg gegen den Hitlerfaschismus verschmilzt mit dem Krieg gegen die Ukraine. Beobachter sprechen von einem Siegeskult, der eine gefährliche Doppelbotschaft enthält, nämlich die: Wir können wieder siegen und der Tod macht uns nichts aus. Oder in den Worten Putins aus dem Jahr 2014, ich zitiere: Der Tod, Was ist das? Er ist furchtbar. Nein, es stellt sich heraus, dass in der Welt selbst der Tod schön ist. Was heißt in der Welt? Das heiß für seine Freunde, sein Volk, modern ausgedrückt, für sein Vaterland zu sterben. Darin liegen die tiefen Wurzeln unseres Patriotismus. Zitat Ende. Putins Worte sind nichts anderes als eine Einstimmung auf den totalen Krieg.

So weit geht Trump natürlich nicht. Aber die Geschichtspolitik hat auch er im Visier. Nach der Erpressung großer Anwaltskanzleien, die einst für die Demokraten gespendet haben, und Zeitungsverlagen, die ihm kritisch gegenüberstehen, der Entlassung hochrangiger Beamter, die ihm widersprechen, und Streichung von Geldern für unbotmäßige Wissenschaftler will Trump nun Museen und die Darstellung der amerikanischen Geschichte zurechtbiegen. Besonders betroffen ist im Augenblick die Smithsonian Institution. Zwei ihrer Einrichtungen, nämlich das Museum of the American Indian und das Museum of African American History and Culture, werden derzeit von Vizepräsident J. D. Vance überprüft, und zwar das Programm, die Veranstaltungen und die Ausstellungen. Das Diversity Büro ist bereits geschlossen.

Diese beiden Museen wurden 2004 und 2016 erst eröffnet. Die Zeit war überfällig zu zeigen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika nicht nur auf idealen Gründen, sondern auf Landnahme der indigenen Bevölkerung, die dabei nahezu ausgerottet wurde, und der Verschleppung von Schwarzen aus Afrika, die versklavt worden sind. Trump passt das nicht. Man dürfe sich nicht darauf konzentrieren, Zitat, wie schlimm die Sklaverei war. Zitat Ende. Auf Truth Social postet der Präsident: Woke ist pleite. Wir haben das heißeste Land der Welt, und wir wollen, dass die Leute darüber reden, auch in unseren Museen.

Schon am 27. März 2025 hat Trump einen Erlass herausgegeben, und zwar einen Erlass zur, ich zitiere, Wiederherstellung von Wahrheit und Vernunft in der amerikanischen Geschichte. Die linken Revisionisten, so steht es in der Order, hätten Amerikas großartiges Erbe zu einer Geschichte rassistischer und sexistischer Unterdrückung verfälscht. Trump will auch Denkmäler früherer Südstaatenhelden, die gegen die Abschaffung der Sklaverei kämpften, wieder aufstellen lassen. Die Erläuterungstexte dazu sollen von großartigen Leistungen, Fortschritt und der Schönheit des Landes künden.

Für die Geschichtswissenschaft wird es also Finsternis, und die radikale Rechte jubelt. Die Konföderiertenflagge, also die Flagge der Südstaaten, ist ein rechtsextremes politisches Symbol geworden. Beim Sturm auf das Kapitol hat man sie gesehen. Ein junger Weißer, der 2015 neun Menschen in einer afroamerikanischen Kirche tötete, hatte sich zuvor mit der Flagge aufgenommen und das Video gepostet.

In den USA gab es schon ein paar Mal bittere Kulturkämpfe, doch niemals ging eine Regierung so autoritär vor. 1994 sind nationale Standards für den Geschichteunterricht an öffentlichen Schulen in den USA bekannt geworden. Es waren nur Empfehlungen, und zwar Empfehlungen, die Vielfalt der Nation in Hinblick auf Herkunft, Ethnizität, sozialen Status, Geschlecht und Religion zu berücksichtigen. Die Konservativen reagierten damals so empört, machten derartigen Lärm und behaupteten, nur noch Minderheiten würden in den USA etwas gelten, so dass die damalige Regierung unter Bill Clinton das Projekt fallen ließ. Diese Regierung nun hat überhaupt keinen Genierer, allerlei Personen in wichtige Funktionen zu hieven, die in der Vergangenheit mit antisemitischen und rassistischen Äußerungen aufgefallen waren.

Da wäre etwa der stellvertretende Staatssekretär für öffentliche Diplomatie, der auf einer Konferenz weißer Nationalisten aufgetreten ist, der kritisiert hatte, dass, ich zitiere, die Gefühle von Frauen und Minderheiten gehätschelt und kompetente weiße Männer demoralisiert werden. Und dann gibt es zwei weitere Trumpsche Durchführungsverordnungen, die es in sich haben. Eine trägt den Titel Garantie des Schutzes des Staates vor Invasionen, die andere Schutz des amerikanischen Volkes vor Invasionen. Die Geschichte Amerikas als Melting Pot ist also nicht mehr erwünscht. Nun sind also die Museen in Washington dran. Die Leitung des Smithsonian hat bereits ein paar kleine Dinge bei den Dauerausstellungen korrigiert, die Trump vielleicht ärgern könnten, aber das wird den Verantwortlichen nichts nützen. Nach einem alten Rechtsgutachten ist das Smithsonian eine unabhängige Einrichtung der Exekutive, also Teil des Regierungsapparats, aber nicht an dessen Willen gebunden.

Dasselbe gilt übrigens für das Kennedy Center, dem größten Kulturzentrum des Landes. Doch Trump hat dort sofort den Aufsichtsrat ausgewechselt und sich selbst zum Vorsitzenden gemacht und eine ganze Menge Mitarbeiter entlassen. Für die neue Direktion des Smithsonian hat Trump seine ehemalige Mitarbeiterin und Anwältin Lindsay Halleck vorgesehen. Erfahrung im Museumssektor hat diese Frau nicht. Ihr Selbstvertrauen und ihre Disziplin kämen aus ihrer Erfahrung mit Schönheitswettbewerben und Sportarten wie Basketball, sagte sie der Washington Post.

Ja, was soll man da noch sagen? Noch sind die Vereinigten Staaten von Amerika eine Demokratie und wir hoffen und glauben, sie bleiben das auch.

Und damit verabschiede ich mich von Ihnen. Ihre Christa Zöchling. Dankeschön.

Autor:in:

Christa Zöchling

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