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Venezuela im Fadenkreuz – Der neue Kampf um die Karibik
Die Folge analysiert die wachsenden Spannungen rund um Venezuela und die Karibik. Ausgangspunkt ist eine US-Marineoperation gegen ein halbgetauchtes Schmugglerboot, die sich als Teil einer größeren geopolitischen Machtdemonstration entpuppt. Im Zentrum steht der Einfluss Russlands und Chinas: Moskau über militärische Berater und Wagner-Strukturen, Peking über Kredite, Häfen und digitale Kontrolle. Die USA reagieren mit Flottenpräsenz und sicherheitspolitischer Rhetorik.
Der Podcast zeigt, dass Venezuela heute zum Prüfstein einer multipolaren Weltordnung wird – weniger durch offene Gewalt, sondern durch Konkurrenz um Ressourcen, Daten und Deutungshoheit.
Herbert Bauer
Grüß Gott und einen guten Tag, heute möchte ich die zunehmenden Spannungen der Lage um Venezuela und in der Karibik beleuchten.
Im Morgengrauen des 17. Oktober 2025 läuft im südlichen Karibischen Meer eine Operation der US-Navy. Ein Zerstörer vom Typ Arleigh Burke sichert den Luftraum und das Seegebiet vor der venezolanischen Küste. Aufklärungsflugzeuge der Küstenwache und Drohnen der Marine haben zuvor ein verdächtiges Objekt entdeckt: ein halb getauchtes U-Boot, knapp über der Wasserlinie, fast unsichtbar für Radar und Wärmebild.
Diese sogenannten „Narco-Subs“, also Drogen U-Boote, sind improvisierte, aber technisch erstaunlich ausgereifte Fahrzeuge, die von Drogenkartellen genutzt werden, um große Mengen Kokain, Methamphetamin oder Fentanyl von Südamerika in Richtung Mittelamerika und Mexiko zu transportieren. In den letzten Jahren wurden solche Boote immer häufiger auch autonom gebaut, d.h., dass sie ohne Besatzung, ferngesteuert über GPS-Signale unterwegs sind.
Bis Anfang Oktober 2025 wurden im Rahmen der US-Operationen gegen mutmaßliche Drogenschmuggler im karibischen und pazifischen Raum rund 15 Angriffe mit über 50 Toten auf sogenannte Narco-Subs und ähnliche Schmugglerboote gemeldet. Offiziell werden die Vorfälle als Teil einer Operation gegen die internationale Drogenlogistik eingeordnet. Inoffiziell verweisen Militäranalysten jedoch darauf, dass die Präsenz solcher Boote in dieser Region auch geopolitische Bedeutung hat: Sie kreuzen zunehmend in Seegebieten, die Russland und China als maritime Einflusszonen Venezuelas betrachten. Damit öffnet sich ein neues Kapitel in der sicherheitspolitischen Landschaft der westlichen Hemisphäre. Die Karibik wird erneut zum Schauplatz verdeckter Operationen, Stellvertreterinteressen und möglicherweise auch strategischer Machtdemonstration.
Um die Hintergründe einordnen zu können, ist jedoch entscheidend, den politischen und strategischen Rahmen dieser Operation zu verstehen – vor allem in der Relation zwischen den Vereinigten Staaten, Venezuela, Russland und China. Im August 2025 begann die US-Marine mit einem groß angelegten Flottenaufmarsch in der südlichen Karibik. Das Pentagon sprach offiziell von einer Routineverlegung zur Sicherung internationaler Seewege und zur Bekämpfung organisierter Kriminalität. Tatsächlich aber markiert dieser Einsatz eine der größten amerikanischen Marinebewegungen in der Region seit Jahrzehnten – und ein deutliches geopolitisches Signal an Venezuela, Russland und China. Ausgangspunkt war die Entscheidung des U.S. Southern Command, mehrere Zerstörer, Aufklärungseinheiten und ein amphibisches Unterstützungsschiff in karibische Gewässer zu entsenden. Der Schritt fiel in eine Phase zunehmender Spannungen zwischen Washington und Caracas: Venezuela hatte seine Ölkooperation mit Russland vertieft, chinesische Kreditlinien wieder geöffnet und offen über eine Ausweitung militärischer Zusammenarbeit mit Moskau gesprochen. Im Oktober 2025 erfolgte dann die zweite Eskalationsstufe, die Verlegung der Flugzeugträgergruppe um die USS Gerald R. Ford. Damit rückte ein kompletter Trägerverband in Reichweite venezolanischer Hoheitsgewässer vor. Die Botschaft war unmissverständlich: Die USA betrachten jede dauerhafte Einbindung Russlands oder Chinas in venezolanische Sicherheitsstrukturen als strategische Provokation.
Ein US-Analyst formulierte es drastisch: „Wenn ich Maduro wäre, würde ich sofort abhauen.“ Venezuela reagierte mit Alarmbereitschaft der Küstenwache und Mobilisierung von Luftabwehreinheiten. Russische Militärberater wurden laut lokalen Quellen in Schlüsselbasen verlegt, chinesische Reedereien drosselten vorübergehend ihre Transporte aus venezolanischen Häfen – ein deutliches Zeichen, dass die Operation wirtschaftliche Folgen zeigte.
Moskau nannte den US-Einsatz eine „bewusste Destabilisierung“ in der westlichen Hemisphäre, Peking sprach von einer „Gefährdung legitimer Handelsinteressen“.
Hier möchte ich auch an den Essequibo-Konflikt erinnern: Das rohstoffreiche Gebiet, das Venezuela beansprucht, gehört völkerrechtlich zu Guyana – einem engen Partner der USA. In den dortigen Ölfeldern fördert vorallem ExxonMobil, und Washington hat mehrfach betont, jede „militärische Aktion gegen Guyana“ werde Konsequenzen haben. Dass der Trägerverband zeitgleich mit neuen Spannungen um Essequibo in die Region kam, gilt daher als bewusste Abschreckungsgeste: Schutz wirtschaftlicher Interessen und Sicherung regionaler Stabilität gehen hier Hand in Hand.
Im Ergebnis ist die Verlegung von US-Marinekräften daher weit mehr als eine maritime Routineoperation. Sie ist ein klassisches geopolitisches Manöver und eine Machtdemonstration. Washington zeigt, dass die westliche Hemisphäre strategisch nicht verhandelbar ist. Doch je stärker die USA Präsenz zeigen, desto enger rücken Caracas, Moskau und Peking zusammen. Eine Spannung im Gleichgewicht, die militärisch ruhig wirkt, politisch aber hoch explosiv ist.
Schauen wir uns die Rolle Russlands genauer an: Bereits 2018 und 2019 tauchten in Caracas erste russische Militärberater und Techniker auf – offiziell zur Wartung der russischen Luftabwehrsysteme und zur Unterstützung der venezolanischen Luftwaffe. Inoffiziell ging es auch um die militärische Absicherung des Maduro-Regimes in einer Phase, in der die USA offen über eine militärische Option diskutierten. Parallel dazu begann der Einfluss der Wagner-Gruppe zu wachsen. Zunächst über Sicherheitsfirmen, die Goldminen im Südosten des Landes schützten, aber gleichzeitig als Tarnstruktur für eine Ausbildung paramilitärischer Einheiten dienten. Die Verbindungen zu russischen Staatsunternehmen liefen über Handelsgesellschaften in Moskau und Minsk. Nach Prigoschins Tod im August 2023 übernahm das russische Verteidigungsministerium die Kontrolle über die Wagner-Strukturen. Offiziell wurde die Organisation zerschlagen, tatsächlich blieb die Präsenz in Lateinamerika erhalten, nun unter der Aufsicht des militärischen Nachrichtendienstes GRU. Die Operationen wurden formal in neue Unternehmen überführt, die jetzt direkt an staatliche Aufträge gebunden sind.
Taktisch dient Venezuela inzwischen als logistische Zwischenstation zwischen den russischen Aktivitäten in Afrika und den Netzwerken in Mittelamerika. Waffen, Berater und Spezialisten werden über zivile Flüge oder Frachtrouten transportiert, die formal dem Bergbau- und Energiebereich zugeordnet sind. Für Russland ist dies ein Beitrag zur Aufrechterhaltung strategischer Reichweite und ein politisches Signal gegen die USA. Die alternative Sichtweise aus Moskau lautet: Russland handelt nicht subversiv, sondern als Stabilitätsgarant – als Schutzmacht eines Staates, der sich dem westlichen Druck entzieht. Für Caracas ist die russische Präsenz vor allem eine Versicherung: Waffen, Berater und politische Rückendeckung ohne die Bedingungen, die Washington oder der IWF stellen würden. Damit bleibt Venezuela nicht nur ein Partner, sondern ein Testfeld für Moskau, wie weit russische Einflusszonen außerhalb Eurasiens tragfähig sind.
Aber auch China ringt um Einfluss. Während Russland in Venezuela vor allem militärisch und geheimdienstlich präsent ist, verfolgt China eine langfristigere, ökonomisch-technologische Strategie. Peking ist heute der mit Abstand größte Gläubiger Venezuelas und kontrolliert einen beträchtlichen Teil der staatlichen Öleinnahmen durch Rückzahlungsklauseln aus alten Kreditlinien. Zwischen 2007 und 2015 flossen über 60 Milliarden US-Dollar an Krediten, meist zweckgebunden für Infrastrukturprojekte, Häfen, Straßen und Telekommunikation. Im Gegensatz zu Russland agiert China leiser – aber systematischer. Über Staatskonzerne wie zB Huawei wurden ganze Teile der digitalen Infrastruktur modernisiert. Huawei lieferte unter anderem die Technik für das venezolanische Überwachungssystem „Carnet de la Patria“, eine Art digitaler Ausweis mit biometrischen Daten, der Sozialleistungen, Wahlteilnahmen und Bewegungsprofile verknüpft. Kritiker bezeichnen dieses System als Blaupause eines chinesischen Sozialkreditmodells unter lateinamerikanischen Bedingungen.
Zudem hat Peking in den vergangenen Jahren den Hafen von Puerto Cabello und die Containeranlagen in La Guaira mitfinanziert – zentrale Punkte für den Handel mit Asien. Über diese Häfen laufen nicht nur zivile Lieferungen, sondern auch Dual-Use-Güter, also Komponenten, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können.
Chinas strategisches Ziel ist es, in der westlichen Hemisphäre stabile Partner zu etablieren, die sich von Washington distanzieren, ohne offen in eine Konfrontation zu geraten. Für Venezuela bedeutet das: Technologie, Kredite und Infrastruktur im Tausch gegen politische Loyalität und Rohstoffe.
Die chinesische Sichtweise lautet, man helfe beim „Aufbau einer multipolaren Ordnung“ – eine Formulierung, die in Caracas willig übernommen wird. Damit ergänzt Peking die russische Rolle: Russland liefert Schutz und militärische Rückendeckung, China sichert wirtschaftliches Überleben und digitale Kontrolle. Gemeinsam entsteht so eine neue Art von Einfluss: nicht kolonial, aber auch nicht unabhängig – ein Netz aus Schulden, Daten und Abhängigkeiten.
Warum ist Venezuela für die Großmächte so interessant. Venezuela ist kein klassischer Schauplatz globaler Machtpolitik – und doch besitzt es eine strategische Bedeutung, die weit über Lateinamerika hinausreicht. Dafür gibt es vier Hauptgründe: Ressourcen, Lage, politische Funktion und Symbolwert. Spricht man von Ressourcen, muss einem bewusst sein, dass Venezuela über die größten nachgewiesenen Erdölreserven der Welt verfügt: rund 300 Milliarden Barrel, mehr als Saudi-Arabien oder Kanada. Dazu kommen Gas, Gold, Nickel, Bauxit und seltene Erden. Für Russland und China sind diese Rohstoffe eine strategische Währung: Russland nutzt venezolanisches Öl, um eigene Exporte über Umwege zu tarnen; China sichert sich mit langfristigen Lieferverträgen Zugang zu Energie außerhalb der von den USA kontrollierten Märkte. Für die USA dagegen bedeutet jeder russisch-chinesische Zugriff auf diese Ressourcen ein Verlust an regionalem Einfluss und Energiesouveränität.
Geostrategisch liegt Venezuela an der Karibikküste, gegenüber von Puerto Rico und nahe dem Panamakanal, einer der wichtigsten globalen Handelsrouten. Jeder ausländische Akteur, der dort dauerhaft militärische oder logistische Strukturen etabliert, rückt in die unmittelbare Nähe des US-Festlands. Genau deshalb gilt seit dem 19. Jahrhundert die Monroe-Doktrin: keine Einmischung fremder Mächte in der westlichen Hemisphäre. Wenn heute russische Flugzeuge auf venezolanischen Basen landen oder chinesische Firmen Häfen kontrollieren, ist das für Washington ein geopolitisches Alarmsignal.
Politisch betrachtet ist Venezuela für Moskau und Peking ein Testfall, um die US-Dominanz im globalen Süden herauszufordern. Es erlaubt beiden Mächten, ihre Präsenz in einem traditionell amerikanischen Einflussraum zu demonstrieren – mit relativ geringem Risiko und hohem Symbolwert. Caracas wiederum nutzt diese Aufmerksamkeit, um internationale Isolation zu durchbrechen und Verhandlungsmacht gegenüber Washington zu gewinnen.
Symbolisch steht Venezuela für die Idee der „postamerikanischen Welt“. Dass ein rohstoffreiches Land in direkter Nachbarschaft der USA offen mit Russland und China kooperiert, ist ein sichtbares Zeichen der globalen Machtverschiebung. Für die einen ist es Beweis einer multipolaren Ordnung, für die anderen ein gefährlicher Präzedenzfall.
Kurz gesagt: Venezuela ist für Russland und China ein Hebel – für die USA eine rote Linie. Wer dort Einfluss gewinnt, kann Energieflüsse, Handelsrouten und politische Allianzen zugleich berühren. In diesem Sinne ist Venezuela weniger ein Land im Konflikt, sondern ein geopolitischer Prüfstein dafür, wie weit sich die alte Ordnung der westlichen Hemisphäre noch aufrechterhalten lässt.
Werfen wir noch einen Blick auf das regionale Umfeld. In Lateinamerika entscheidet nicht nur Venezuela selbst über Stabilität oder Eskalation, sondern auch das regionale Umfeld. Vier Länder prägen dabei das strategische Gleichgewicht – jedes auf eigene Weise.
Brasilien nimmt unter Präsident Lula da Silva eine Sonderrolle ein. Es sieht sich als Vermittler zwischen den Machtblöcken und versucht, Konflikte auf diplomatischem Weg einzudämmen. Lula setzt auf den Ausbau multilateraler Formate wie BRICS oder MERCOSUR und beansprucht für Brasilien die Rolle einer „Neutralitätsmacht“. Zwar distanziert sich Brasilien von US-Sanktionen gegen Caracas, gleichzeitig vermeidet es aber eine allzu enge sicherheitspolitische Bindung an Russland oder China. Brasiliens Haltung zielt darauf ab, Südamerika als eigenständigen Akteur zu etablieren – nicht als geopolitisches Spielfeld externer Mächte.
Kolumbien bleibt hingegen der engste militärische Partner der USA auf dem Kontinent. US-Berater, gemeinsame Übungen und Geheimdienstkooperationen sind Teil einer jahrzehntelangen sicherheitspolitischen Allianz. Gleichzeitig versucht Bogotá unter Präsident Petro, die eigene Friedenspolitik und Drogenbekämpfungsstrategie unabhängiger zu gestalten – etwa durch Gespräche mit linken Guerillagruppen und eine Abkehr von der reinen Repressionslogik der US-„War on Drugs“-Strategie. Kolumbien bewegt sich damit in einem Spannungsfeld: Loyalität gegenüber Washington, aber mit wachsendem Anspruch auf souveräne Gestaltung.
Kuba bleibt der klassische Rückhalt Russlands in der Region. Die alte sicherheitspolitische Symbiose aus der Zeit des Kalten Krieges lebt in reduzierter Form fort: Nutzung von Hafenanlagen, medizinische und technische Ausbildungsprogramme, gelegentliche russische Marinebesuche. Besonders im Bereich elektronischer Aufklärung (SIGINT) gilt Kuba als Standort mit wertvollem Zugriff auf Kommunikationsströme im Golf von Mexiko und der Karibik. Für Moskau ist Havanna ein Symbol dafür, dass Russland trotz westlicher Sanktionen weiterhin globale Präsenz zeigen kann.
Guyana schließlich ist der derzeit gefährlichste Zündfunke der Region. Der Streit um das rohstoffreiche Gebiet Essequibo, das Venezuela für sich beansprucht, hat durch den Fund großer Erdölvorkommen und das Engagement von ExxonMobil eine neue Dimension bekommen. Washington hat Guyana faktisch eine Schutzgarantie zugesagt – ein deutliches Signal an Caracas, dass militärische Schritte gegen das Nachbarland nicht toleriert würden. Das macht Guyana zu einem geopolitischen Brennpunkt, an dem wirtschaftliche Interessen, Territorialfragen und Machtprojektionen zusammentreffen.
Zusammen bilden diese vier Staaten den realpolitischen Rahmen, in dem sich die Großmächte bewegen müssen. Ihre Entscheidungen bestimmen, ob die Karibik zu einem neuen Schauplatz globaler Konkurrenz oder zu einem Modell regionaler Stabilisierung wird.
Es ist ein Krieg um Information und Wahrnehmung. Der Machtkampf um Venezuela wird auch als Informationskrieg geführt. Jede Großmacht erzählt ihre eigene Geschichte – und steuert damit gezielt die Wahrnehmung der Ereignisse. Russland setzt auf Desinformation: Über seine Propagandakanäle werden täglich Inhalte verbreitet, die die USA als imperiale Macht und Russland als Verteidiger nationaler Souveränität darstellen. Diese Narrative werden in Venezuela von der Maduro-Regierung übernommen.
China agiert subtiler: Es knüpft Medienpartnerschaften, finanziert Sprach- und Kulturinstitute und stellt die digitale Infrastruktur. Durch diese Kontrolle großer Teile der venezolanischen Netze könnte Peking also Datenströme mitlesen oder filtern.
Die USA wiederum führen ihren Informationskrieg mit dem Schlagwort „Stabilität“. Offizielle Erklärungen sprechen von der „Sicherung demokratischer Ordnung“ und der „Bekämpfung transnationaler Kriminalität“ – Begriffe, die regional Vertrauen, global aber Führungsanspruch signalisieren sollen.
So entsteht ein Wettlauf um Deutungshoheit: Wer bestimmt, was Bedrohung und was Schutz bedeutet? Moderne Machtpolitik braucht neben den klassischen Mittel vorallem Algorithmen, Netzwerke und gezielte Botschaften.
Probieren wir wieder ein Fazit:
Ohne bewusst inszenierten Krieg bleiben zwei Szenarien denkbar:
In einer Variante der kontrollierten Konkurrenz sichern die USA ihre Seewege, während Russland und China ihre wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Netzwerke in Venezuela ausbauen. Ein fragiles Gleichgewicht entsteht, als kalkulierbare Rivalität ohne offene Konfrontation.
In eine anderen Variante, der strategischen Verfestigung, verankern sich Moskau und Peking dauerhaft in Venezuelas Strukturen. Häfen, Daten- und Rohstoffnetze werden Teil eines eurasischen Systems. Die USA verlören damit exklusive Ordnungsmacht in ihrem Einflussraum und die neue Blockbildung verliefe nicht mehr entlang von Ideologien, sondern von Daten, Schulden und Energieflüssen.
Beide Szenarien zeigen: Der Konflikt um Venezuela ist kein Kampf um Truppenstärke, sondern um Deutungshoheit – um die Kontrolle über Lieferketten, Informationsräume und technologische Standards. Wer diese Ebenen beherrscht, bestimmt, was Stabilität und Souveränität bedeuten. So wird die Karibik zum Prüfstein der multipolaren Weltordnung, nicht, weil hier ein Krieg droht, sondern weil sich entscheidet, ob globale Macht künftig geteilt, verhandelt oder erneut zentralisiert wird.
Autor:in:Herbert Bauer |