Das Orakel
Bringt der Herbst endlich mehr politische Kultur ins Land?

Mit der 26. Folge von das Orakel starten wir in den innenpolitischen Herbst, streifen kurz die Regierungsklausur und gehen der Frage nach, was politische Kultur überhaupt bedeutet und wie es um sie in Österreich bestellt ist.

Peter Hajek
Das hat zum Beispiel Herbert Kickl sehr, sehr gut geschafft, weil währenddessen die anderen vier Parteien durchaus auch fluide sind, was ihre Wählergruppen betrifft, hat er seine Wählergruppe wirklich sehr, sehr stark ab- und eingegrenzt. Also er hat eine Wertebasis geschaffen, die sich von den anderen deutlich unterscheidet und hat eine ganz große Schublade geöffnet, wo alle hineinpassen. Und das meine ich jetzt überhaupt nicht negativ, aber es gibt hier einen ganz klaren, wie es so schön heiß Narrativ.

Willkommen zum demoskopischen Podcast Das Orakel. Mein Name ist Peter Hajek. Ich bin Meinungsforscher und Politikwissenschaftler und schaue mit Ihnen in die politische Gegenwart, immer wieder in die Vergangenheit und ab und zu auch in die Zukunft, die ja bekanntermaßen schwer zu prognostizieren ist.

Michael Stebegg
Hallo und herzlich willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, zur 26. Folge von Das Orakel. Mein Name ist Michael Stebegg und mir gegenüber sitzt wie immer Meinungsforscher Peter Hajek. Hallo Peter.

Peter Hajek
Hallo Michi.

Michael Stebegg
Peter, weißt du eigentlich, dass die nächste Folge die 27. Folge unsere Jubiläumssendung sein wird?

Peter Hajek
Ich habe so was läuten gehört.

Michael Stebegg
Also meine Damen und Herren, am 18. September, also in roundabout zwei Wochen, kommt unsere einjährige Jubiläumssendung heraus. Und wenn Sie dazu, also zu unserer Sendung allgemein zu unserem Jubiläum oder was Sie den Herrn Hajek immer schon fragen wollten, Fragen haben oder den Michi Stebegg, dann stellen Sie die Frage wie immer an frag@dasorakel.at. Dankeschön.

Jetzt haben wir aber noch die 26. Folge und auf die freue ich mich sehr, weil du hast nämlich für uns nicht eine ganz neue und sehr aufschlussreiche Umfrage mitgebracht, sondern vor allem eine, die wir Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, als allererste und exklusiv präsentieren dürfen. Dafür möchten wir uns ganz herzlich beim Pragmaticus Verlag bedanken, der uns gestartet hat, diese Umfrage schon vor der eigentlichen Veröffentlichung zu besprechen. Dankeschön.

Peter Hajek
Danke.

Michael Stebegg
Auch in der Umfrage geht es um die politische Kultur in Österreich und das passt auch deshalb wunderbar, weil beginnend mit dieser Woche der innenpolitische Betrieb wieder auf Betriebstemperatur gehoben wurde. Kurz gesagt, es geht wieder los mit der Innenpolitik und davor würde ich gerne noch einmal einen Blick zurückwerfen und an dich die Frage stellen, wie war der Sommer. Ich will jetzt nicht wissen, wo du im Urlaub warst, sondern was ist Ihnen politisch passiert oder besser gehört ist etwas passiert?

Peter Hajek
Schau dir wirklich gehabt auf Wachstum. Wo waren Sie im Sommer? Naja, ich war mit Michi Stebegg, Dubrovnik zum Beispiel und dort haben wir uns ganz, ganz viele Gedanken auch gemacht zu unserem Podcast. Das werden dann unsere Hörerinnen und Hörer wahrscheinlich die Zeit erleben, was wir denn an möglichen Änderungen, Erweiterungen etc. Vornehmen. Aber innenpolitisch hat sich bei mir relativ wenig getan, weil ich habe ein bisschen auf Detox gemacht und habe so wenig wie möglich Innenpolitisches, auch Außenpolitisches konsumiert. Ich habe mich sehr, sehr stark auf Fußball fokussiert und hab die Rapid zum Auswärts nach Dundee begleitet Und außerdem, wir sind Tabellenführer und jetzt für die Statistikfreaks unter den Zuhörerinnen und Zuhörern, das ist das erste Mal Seit der Saison 2022, 23 da waren wir in der zweiten Runde. Ganz offensichtlich sind wir damals nicht länger geblieben.

Michael Stebegg
Wir schauen, also das wird auch eine Frage eines Orakel werden, wie es mit Rapid weitergeht. Aber wenn ich jetzt kurz zurückblicke, war das dann ein klassischer Sommer mit Sommerloch und saure Gurkenzeit oder gibt es sowas überhaupt?

Peter Hajek
Naja, es hat sich tatsächlich verändert über die Jahrzehnte. Also wie ich noch begonnen habe in diesem Geschäft 1997/98 war tatsächlich der Sommer immer vollkommen ruhig. Da haben Journalistinnen und Journalisten immer händeringend nach Themen gesucht. Das hat sich mit der Zeit verändert, insbesondere mit der Pandemie, weil damals auch natürlich den Umständen geschuldet, aber die politischen Akteure draufgekommen sind. Man kann auch am Samstag und am Sonntag eine Pressekonferenz machen, man hat dort sogar wahrscheinlich mehr Aufmerksamkeit. Und so hat sich das eigentlich auch eingebürgert, dass dann der Sommer auch zunehmend für politische Aktivitäten genutzt wurde. Aber richtig, es ist jetzt natürlich nur ein Gefühl von Sample N ist gleich eins. Aber ja, ich finde, dieser Sommer war auffallend ruhig.

Michael Stebegg
Innenpolitisch.

Peter Hajek
Innenpolitisch, ja, natürlich. Ich meine, die Welt dreht sich natürlich weiter und es war natürlich wahnsinnig viel los, aber innenpolitisch war es relativ ruhig, glaube ich. Und das hat auch damit zu tun, dass alle so glaube ich, ein bisschen durchschnaufen konnte, auch weil uns Michael Ludwig und Christoph Wiederkehr den großen Gefallen getan haben, die Wahl nach vorne zu verlegen, sonst wären wir jetzt schon wieder im Wahlkampfmodus. Und die nächste größere Wahl ist im Herbst 2026 die Gemeinderatswahl in Graz, Die wird auch nicht ganz Österreich bewegen. Und dann, wenn ich mich recht entsinne, haben wir den Herbst 2027, das ist einmal Oberösterreich. Und ich finde das wahnsinnig angenehm. Ich werde immer wieder von Menschen gefragt, ja soll es nicht sagen, kann ich wollen, was machen Sie denn?

Ich sag danke, ich hab ausreichend zu tun und außerdem, diese Aufgeregtheit ist weg. Und das finde ich schon sehr, sehr angenehm. Und da möchte ich fast gleich überleiten zu unserem ersten Thema, weil ich glaube, wir werden jetzt die Regierungsklausur auch noch streifen. Jetzt hat ja diese Bundesregierung die Möglichkeit, wirklich an den größeren Stellschrauben zu drehen, an einen großen Wurf einer Bundesstaatsreform, das glaube ich sowieso nicht, aber wirklich, dass man mal an größeren Rädern dreht, weil eben wie gesagt, Gemeinderatswahl Graz 26, nächste Landtagswahlen 27, jetzt hat man ein Window of opportunity, die nächste Bundeswahl ist dann halt in viereinhalb Jahren. Das heißt, man hat eine echte Möglichkeit, jetzt etwas zu bewirtschaften. Abgesehen davon wird es auch Zeit, es.

Michael Stebegg
Geht jetzt trotzdem los. Ich beende hier mit offizielles Sommerloch und du hast es schon angesprochen, wir nehmen heute Am Dienstag den 2. September auf, startet die Regierungsklausur. Was dürfen wir uns von der erwarten?

Peter Hajek
Das ist jetzt natürlich für uns beide schwer zu sagen, weil während wir hier sitzen, verhandeln die halt gerade noch. Aber Christian Stocker hat es ja gestern im Sommergespräch angekündigt, dass er schon vorhat, die Pensionen unter der Inflationsrate abzuschließen. Ich gehe mal davon aus, man macht eine Staffelung, für die Kleinstpensionen wird es wahrscheinlich an der Inflationsrate sein und je mehr oder je größer die Pension ist, desto eher wird man das zurückfahren. Finde ich dann auch sozial verträglich, wenn ich das erste Mal, dass man das in der Republik macht. Es steht auch im Raum, oder zumindest wird das von Expertenseite angeteasert, dass man sagt, naja, die Gehaltserhöhung bei den Beamten, die man schon im Vorjahr ausverhandelt hat, schon für dieses Jahr mit plus 0,3 Prozent und über der Inflationsrate könnte man auch noch mal aufschnüren. Das schaue ich mir an. Aber da ist einiges in Bewegung und Stocker hat angekündigt, dass man auch eine Milliarde für Investitionen in die Wirtschaft freischaufeln möchte. Wird nicht ganz eine Milliarde sein, da werden schon ein paar Dinge dabei sein, die man schon vorher eingepreist hat. Aber ich glaube, die Regierung, insbesondere auch Stocker, ist tatsächlich willens etwas zu bewegen. Abgesehen davon, wir müssen heute ganz einfach, wenn wir nicht wirklich in einen vicious Circle, also in eine Negativspirale nach unten.

Michael Stebegg
Reinkommen wollen, hast es zwar gesagt, bist für mich schnell drüber gegangen, nämlich dass er die Pensionen unter der Inflation abschließen möchte. Der Bundeskanzler Christian Stocker, ist das schlau, Weil ich meine, wir haben in mehreren Podcast Folgen schon festgestellt, dass die ÖVP die Pensionistinnenpartei Österreichs ist.

Peter Hajek
Ja, aber so darf man jetzt nicht denken. Michi, das ist mir auch im heutigen Morgenjournal aufgefallen. Da hören wir jetzt einmal kurz rein, dass du weißt, was ich und was die Hörerinnen verstehen, was ich meine.

Ö1 Morgenjournal
Sehr konkret ist Stocker ja bei den Pensionen geworden. Die Verhandlungen über die Anpassung, die laufen. Der gesetzliche Anpassungsfaktor liegt bei 2,7 Prozent. Stocker will niedriger abschließen, am liebsten mit 2 Prozent plus im Schnitt, haben wir gehört. Damit wird er sich aber nicht nur Freunde machen.

Strategisch ist diese Aussage kaum nachzuvollziehen, denn die Pensionistinnen und Pensionisten sind die stärkste Wählergruppe der ÖVP. Bei der Nationalratswahl vor einem Jahr haben 39 Prozent der Pensionisten die ÖVP gewählt.

Peter Hajek
Und das ist ja genau diese Denke. Auch auf journalistischer Seite ist ja jetzt das Problem. Denn ein Bundeskanzler, dessen nächste Wahl viereinhalb Jahre weit weg ist, die nächste Landtagswahl, die für ihn von Relevanz sein könnte, ist zwei Jahre weit weg, darf nicht in Klientel denken, er darf nicht in Anspruchsgruppen denken, er darf nicht in seinen Wählerinnen und Wählergruppen denken. Er muss ganz einfach das tun, was für das Land gut und richtig ist. Und wir sind, also das sind die politischen Kommentatoren, so wie wir zwei auch wie die Journalistinnen und Journalisten.

Wir ticken nur noch so, als wäre permanent Wahlkampf. Und das geht als Regierung, das kann man als Oppositionspartei machen, ist okay. Aber die Regierung trifft ja nicht nur Stocker, trifft Babler und Meindl Reisinger genauso, haben eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und dem Staat und dementsprechend muss ich das einmal auf die Seite schieben. Was ich schade finde, ist halt, dass im Journalismus auch diese Denke schon da ist, wie wir es eben gehört haben und dass alles dorthin runtergebrochen wird. Tausend Rosen. Ja, es gibt eine Zielgruppe, die heißt Pensionisten. Diese Zielgruppe wird mit uns beiden, Michi, wenn wir dann irgendwann in Pension noch größer werden, aber wird größer werden. Aber man kann sich nicht immer nur an den älteren Menschen und Generationen ausrichten, weil wir ja für die Jungen eigentlich planen müssen. Und dementsprechend ist dieser Gedanke falsch, auch wenn wir beide oft darüber reden. Aber wir müssen unterscheiden, befinde ich mich zu Beginn einer Legislaturperiode oder befinde ich mich in einem Wahlkampf? Da können wir drüber reden, aber Wahlkampf ist halt ganz was anderes.

Michael Stebegg
Wir befinden uns am Anfang des politischen Herbsts und das ist eine schöne Überleitung zu der Umfrage, die du für den Pragmatikus Verlag gemacht hast, nämlich wie wird es in der politischen Kultur diesen Herbst umgehen? Und zu Beginn die Was ist eigentlich mit dem Begriff politische Kultur genau gemeint?

Peter Hajek
Das ist eine sehr gute Frage, Michi, weil so wie es der Pragmatikus und wie es von journalistischer Seite oft angeflogen wird, ist politische Kultur, politische Debattenkultur. Wie gehen Politikerinnen und Politiker im öffentlichen Diskurs miteinander um? Das ist meistens gemeint. Oder wie geht, ist es schon ein bisschen weitergegriffen? Wie läuft es in der Gesellschaft? Dann nähern wir uns dem tatsächlichen Begriff der politischen Kultur wirklich an. Was ist politische Kultur im politikwissenschaftlichen und soziologischen Kontext? Da habe ich mir natürlich wieder mal meine alten Lehrbücher herausgesucht. Und die Grunddefinition von politischer Kultur ist eigentlich, wenn man so will, ein Ensemble an Orientierungen. Also wir reden, wenn wir von politischer Kultur eines Landes sprechen, dann sprechen wir von den Werten, also ist Demokratie, ist Freiheit, Diktatur, was auch immer. Wir sprechen von Normen, wir sprechen von Einstellungen, also zum Beispiel gegenüber den staatlichen Institutionen.

Wir reden über Verhaltensmuster wie Wahlbeteiligung, Protestverhalten, wie auch immer. Und wir reden natürlich über Symbolik und kollektive Erinnerungen. Und ich würde sogar noch ein bisschen weiterziehen. Ich würde auch sagen, man spricht auch von, wie der Staat denn aufgebaut ist, weil wenn ich zum Beispiel über die österreichische politische Kultur spreche, komme ich zum Beispiel an der Sozialpartnerschaft nicht vorbei, was die die österreichische politische Kultur ganz besonders auszeichnet, die wiederum mit Werten, Normen und Einstellungen zu tun hat. Das ist der eigentliche Begriff. Und jetzt kann es sicher geben, dass manche noch anrufen und sagen, da hat er das vergessen, das vergessen. Aber das ist im Großen und Ganzen mit politischer Kultur gemeint.

Wenn wir im Alltag über politische Kultur sprechen, ist Debattenkultur. Ja, es ist Debattenkultur. Und dann kommt aber in Österreich noch ganz besonders der Begriff Kultur zum Tragen. Wie Die Amerikaner haben keine Kultur. Bist du anderer Meinung? Naja, wir sind schon anderer Meinung. Warum? In Österreich ist der Begriff Kultur immer mit Hochkultur konnotiert. Also wir denken dann an die Salzburger Festspiele, an die Staatsoper, ans Burgtheater. Genau. Wir denken auch bei Kultur an Höflichkeitsformen, aber das ist eine sehr, sehr enge Begriffsführung und deshalb hat sich da immer herausgearbeitet, die Amerikaner haben keine Kultur. Doch, sie haben auch eine Kultur, aber sie haben nur eine andere Kultur. Und diese Kultur ist dann nicht eine Popkultur, sondern das, worüber wir vorher gesprochen haben, Werte, Normen, Einstellungen, Verhaltensmuster und Symbolik, das macht. Und jedes Land hat natürlich im Rahmen dessen eine politische Kultur und natürlich dann auch, wenn du so willst, eine gesellschaftliche Kultur. Wir denken halt aber immer an Kultur, Mozart.

Michael Stebegg
Dann lassen wir Mozart beiseite und steigen in die Umfrage ein.

Peter Hajek
In die Debattenkultur.

Michael Stebegg
In die Debattenkultur ein, genau. Kommen wir zur ersten Frage, diese Wie bewerten Sie die generelle Diskussionskultur in der österreichischen Politik? Und zwar passend zum Schulstart auf einer Schulnotenskala von 1 bis 5, also 1 ist sehr gut, 5 ist nicht genügend. Und da kommt raus, dass wir bei einem Mittelwert von 3,6 landen. Das heißt, die meisten haben gesagt, es ist befriedigend, es gibt ein paar gut, sehr gut gibt es fast keine. Es gibt aber auch auffallend nicht genügend. Ein Mittelwert von 3,6 klingt jetzt für mich ausbaufähig. War das schon mal besser oder ist das?

Peter Hajek
Wir haben also wir haben keine Vergleichsdaten gefunden. Mein Tipp ist, ich glaube, es war nicht besser. Du weißt Michi, wir haben ja unseren Podcast da im Ehrbarsaal gehabt. Genau, richtig. Gerne bitte nachhören. Da haben wir uns auch dem Thema Image und Einstellen über Politikerinnen und Politiker seit den 70er Jahren beschäftigt. Und was wir ja damals festgestellt haben im Verlauf ist, dass die Menschen schon damals keine rasend gute Meinung von Politikern hatten.

Also ein klassisches Beispiel war, Politiker hören nicht auf das, was die Bevölkerung denkt. Das war in den 70er Jahren genauso wie heute. Nur was sich verändert hat, ist halt, dass Politiker heute als korrupt erlebt werden als in den 70er Jahren. Also mein Tipp, man kann, ich gehe davon aus, dass es nicht viel besser bewertet worden wäre, wenn wir den gefragt hätten. Übrigens, es gibt ja ganz, ganz spannende YouTube Aufnahmen aus dem Parlament in den 70ern. Da ist manchmal auch kein Auge trocken geblieben, Abgesehen davon von Anton Benja, damals Nationalratspräsident und großer Gewerkschaftsführer, die Benja Formel auch zurückgeht, der ja mal vergessen hat, das Mikrofon abzudrehen. Das ist ganz nett. Und ich glaube, ich weiß nicht, ob das das richtige Zitat ist, also das exakte Zitat, aber ich glaube, er hat gesagt, geholt doch alle die Goschen. Und das hat man dann halt gehört. Sehr gut.

Michael Stebegg
Du hast zwar jetzt keine Zahlen von der Vergangenheit, aber wenn wir jetzt wieder diesen Mittelwert von 3,6, der schon in Richtung Vierer geht, also genügend, Ist das ein typisch österreichisches Phänomen mit dem klassischen österreichischen Mosarantentum mit Es ist alles so schiach oder gibt es in anderen Ländern ähnliche Ergebnisse oder vermutest du, dass es so ist?

Peter Hajek
Also ich kann es dir tatsächlich nicht sagen. Ich habe mal ein paar Debatten angesehen, insbesondere von Boris Johnson im britischen Unterhaus, Großes Kino. Also das ist schon, finde ich, geschliffener, wenn du dir die Debattenkultur im Bundestag im Deutschen anschaust. Das läuft auch auf einem anderen Niveau ab. Ich weiß nur nicht, ob die deutsche oder die britische Bevölkerung das genauso sieht. Wir haben die bessere Debattenkultur als die in Österreich zum Beispiel, wobei ich glaube, das ist einer wurscht.

Michael Stebegg
Sie reden schöner als die in Österreich.

Peter Hajek
Ja, also, aber meine Vermutung ist eine andere. Ich glaube, dass sich natürlich auch wieder durch Social Media und dadurch, dass natürlich viel der Einblick in insbesondere parlamentarische Debatten viel, viel größer ist, weil es Live-Übertragung gibt, weil die Parteien selber mitfilmen, Schnipsel rausschneiden, die in die sozialen Medien platzieren, dass wir einen viel, viel stärkeren Einblick haben. Und dieser Einblick jetzt aber auch noch natürlich wiederum zugespitzt wird durch besonders, na, nennen wir es halt knackige Sager.

Michael Stebegg
Ihr habt dann in weiterer Folge abgefragt, wie die Österreicherinnen, die politischen Debatten sehen oder wie sie geführt werden, nämlich werden sie größtenteils sachlich geführt, eher sachlich geführt, eher unsachlich geführt oder großteils unsachlich geführt. Und da ist es auch so, dass quasi die von eher unsachlich und großteils unsachlich eine breite Mehrheit erzielen. Und die, die sagen, ja, es geht schon ganz gut.

Peter Hajek
Wie viel ist das unsachlich zusammen?

Michael Stebegg
Das sind zusammen 67 Prozent, die das behaupten. Also schon eine Mehrheit.

Peter Hajek
Ja, und das führt ja wieder zu dem zurück, was ich vorher gesagt habe. Es werden halt insbesondere jene Sager oder Ausschnitte herausgesucht, die halt meistens halt keine sachliche Debatte sind. Das Interessante ist, wenn die Menschen dann eine sachliche Debatte sehen, würden sie was sagen?

Michael Stebegg
Das ist mir zu langweilig?

Peter Hajek
Nein, bitte, ist ja nichts los. Also als Politiker, glaube ich, hat man es auch schwer, wirklich den Menschen hier recht zu machen. Einerseits möchte man, nennen wir es einen offensiven Redner haben, der aber bitte auch beim Inhalt bleibt manchmal eine Überforderung.

Michael Stebegg
Genau, also ich gebe dir recht, Politiker haben es an mancher Stelle nicht leicht. Das zeigen auch dann die folgenden Fragen. Ich habe es dann nämlich konkrete Aussagen wiederum auf einer Schulnotenskala abgefragt irgendwie. Ich lese dir jetzt einfach mal ein paar davon vor. Ich wünsche mir, passt jetzt dazu, mehr Einigkeit und weniger Streit zwischen den Parteien versus im Parlament kann ruhig heftig gestritten werden, da kann es auch mal persönlich werden, das gehört dazu und müssen die Abgeordneten aushalten. Und das Interessante ist, dass es bei beiden Fragen einen hohen Zustimmungswert. Also das stimme ich voll und ganz zu. Wie geht sich das aus? Das ist ja einerseits Wunsch mir Einigkeit und weniger Streit und auf der anderen Seite darf ruhig mehr gestritten werden.

Peter Hajek
Ja, aber das ist eben das, was ich vorher angesprochen habe. Das ist langweilig. Und auf der anderen Seite, das ist so arg, was die sich gegenseitig ausrichten. Das ist genau dieser Zwiespalt, in dem wir leben. Und es ist aus meiner Sicht auch nicht auflösbar. Auch deshalb nicht, weil ja die Medien dann genau in dieses Themafeld immer hineingehen. Also ich bringe ein Beispiel, das ist ein innerparteilicher Konflikt zwar, aber jetzt nehmen wir Babler und Doskozil her, beide versuchen tunlichst dieses Thema zu vermeiden und jeder konzentriert sich halt auf sein Ding. Dann kommen aber immer die Journalistinnen und Journalisten, klopfen bei Pablo und Petski. Ja, wir hätten gerne ein Interview, dann kommt fix irgendwann die Frage: Wie sehen Sie den Kollegen? Und ist das nicht eigentlich gegen Ihre Linie und so weiter und so fort und stechen dann da hinein. In Wirklichkeit müssen dann beide knallhart sagen ich habe schon gesagt, ich sage dazu nichts mehr. Was aber dann am Ende des Tages nicht ganz funktioniert.

Sehr, sehr interessant ist ein Detailergebnis. Besonders unzufrieden mit der politischen Debattenkultur sind die Freiheitlichen, die aber die höchste Zustimmung haben beim: Na, das müssen die schon aushalten. Da darf schon ein bisschen ruppiger zur Sache gehen. Und man muss sagen, Freunde, das geht am Ende des Tages wirklich nicht aus. Wie gesagt, es ist auch bei den anderen Parteien vorhanden, aber es ist nicht in dieser expliziten Unterscheidung oder in dieser starken, signifikanten Unterscheidung vorhanden. Da sind die freiheitlichen Wählerinnen und Wähler tatsächlich noch einmal eine eigene Liga und ich weiß jetzt auch nicht, wie man das auflösen könnte.

Michael Stebegg
Im zweiten Teil der Umfrage bist du dann auf persönliche Erfahrungen und zwischenmenschliche Auswirkungen von politischen Diskussionen eingegangen. Und die erste Frage war: Wurden Sie in der Vergangenheit in politischen Diskussionen zu Unrecht in eine Schublade gesteckt? Da kommt heraus, dass 21 Prozent sagen, sie sind noch nie in die politische Schublade gesteckt worden. 29 Prozent selten, 24 Prozent immer wieder und 10 Prozent sagen sogar sehr häufig. Bist du schon mal in eine politische Schublade gesteckt worden?

Peter Hajek
Erstens ja, aber ich versuche das ja insofern zu umgehen. Es wollen ja Menschen immer wieder von meinem Wissen, wen oder was ich wähle. Und in 100 Jahren werde ich das niemandem sagen. Also ich glaube außer meiner Frau und meine Kinder wissen es eigentlich. Also ich glaube nicht mal Michi, dass du es weißt. Und ich würde es

Michael Stebegg
Was ist, wenn ich jetzt doch sage?

Peter Hajek
Oh je. Nein, also wurscht.

Michael Stebegg
Ich weiß es nicht.

Peter Hajek
Meine Damen und Herren, es ist eigentlich interessant. Wir haben ja, du weißt, ich habe eine wöchentliche Sendung mit Thomas Hofer und Meinrad Knab die Woche. Und wenn es ab und an, weil jetzt haben wir die 250. Sendung gehabt und da haben wir auch schon wieder Jubiläum. Wir haben da ein Jubiläum bekommen wieder, wenn das Alter, wo man dauernd Jubiläen hat und wir werden dann immer wieder von Medien halt immer wieder hin und wieder zu Interviews gebeten und dann wird immer gefragt, ob wir voneinander wissen, was der andere wählt und wie der politisch tickt. Und wir wissen, dass wir haben 2018 mitbekommen, wir wissen es einfach nicht. Ich will es gar nicht wissen, ehrlich gesagt, weil damit schon mal eine Hürde aufgebaut wird für dieses Schubladendenken.

Aber um nochmal auf die allgemeine Frage zurückzukommen, ich glaube, wir Menschen brauchen dieses Schubladendenken. Wir brauchen ja auch das Vorurteil, das ja eine schnelle Einordnung ermöglicht. Das kann man dann natürlich hoffentlich revidieren, wenn man sich näher mit den Menschen oder mit einer Thematik beschäftigt hat. Aber grundsätzlich glaube ich, werden wir permanent in Schubladen gesteckt. Jetzt kommt aber hinzu, dass wir uns ja in trotzdem unseren Freundes und Bekanntenkreisen nicht ausschließlich, aber im Großen und Ganzen schon auf sehr ähnlichen Wertebasen bewegen. Das heißt nicht, dass wir dann am Wahltag dasselbe wählen, aber es finden sich schon Gruppen, die gemeinsame Werte vertreten. Nennen wir das einfach so.

Und ganz kurz und damit meine ich, es gibt keine guten Werte und keine schlechten Werte, sondern man hat sich auf eine gemeinsame Wertebene verständigt. Und jetzt komme ich zur alltäglichen Politik. Das hat zum Beispiel Herbert Kickl sehr, sehr gut geschafft, weil währenddessen die anderen vier Parteien durchaus auch fluide sind, was ihre Wählergruppen betrifft, hat er seine Wählergruppe wirklich sehr, sehr stark ab und eingegrenzt. Also er hat eine Wertebasis geschaffen, die sich von den anderen deutlich unterscheidet, einen eindeutigen Freundeskreis und hat eine ganz große Schublade geöffnet, wo alle hineinpassen. Und das meine ich jetzt überhaupt nicht negativ, aber es gibt hier einen ganz klaren, wie es so schön heiß Narrativ.

Michael Stebegg
Narrativ, Freundeskreis. Ich habe da noch eine Frage gestellt, die ich persönlich sehr spannend fand, auch wiederum. Es geht um die Auswirkungen politischer Diskussionen auf persönliche Beziehungen. Und zwar haben sie schon aufgrund politischer Diskussionen Freundschaften verloren. Da sagen die Mehrheit mit 77 Prozent: Nein, noch nie. Es gibt ein paar, die sagen ja einmal. Es gibt ganz wenige, die sagen ja mehrfach, Aber und das ist, finde ich, die spannendste Zahl, Es gibt sieben Prozent, sagen weiß nicht. Und ich finde das sehr spannend, weil wie kann ich nicht wissen oder sich nicht mehr daran erinnern, wenn ich im Rahmen einer politischen Diskussion eine Freundschaft zu Bruch geht? Entweder ist die Freundschaft oder die Diskussion nicht sehr tief gegangen.

Peter Hajek
Also die 7 Prozent, also weißt du, wären es 15 Prozent, würde ich sagen. Aha, spannend. Bei den 7 Prozent sage ich, warum? Weiß nicht, weil das natürlich auch schleichend sein kann. Es ist ja nicht so, dass man gemeinsam sitzt und dann wirft man dem anderen was an den Kopf und dann sagt man, ab jetzt sind wir per Sie. Sondern manchmal ist es auch schleichend. Also ich habe das auch schon erlebt, dass man sich ein bisschen entfremdet hat über einen Zeitpunkt und dann, oder über einen Zeitpunkt, über einen Zeitraum, weil wir sind ja nicht in Oberösterreich, ist schon lange aus, ich hab heute gedenkt, Aber das sind halt Prozesse und dementsprechend kann ich mir schon vorstellen, dass der eine oder andere sagt, weiß nicht, aber diese 77 Prozent, also sagen wir 8 von 10 haben das noch nicht erlebt. Bringt mich wieder zu dem, was ich vorher gesagt habe. In unseren Freundesbekanntenkreisen bewegen wir uns auf gemeinsamen Werteebenen. Und dann kannst du dir, wenn du eine gemeinsame Wertebasis hast, kannst du trotzdem bei einem Thema unterschiedlicher Meinung sein.

Michael Stebegg
Also du meinst das so, was nie in einem Big Bang passiert, sondern wenn eher schleichend sich eine Freundschaft auflöst. Wir kommen schleichend nämlich zum Ende dieser 26. Ausgabe von Das Orakel. Mein traditioneller Hinweis, diese Folge und alle anderen auch, gibt es zum Nach und immer Wiederhören auf und überall dort, wo es gute Podcasts gibt. Wir haben es ja schon eingangs erwähnt, liebe Hörerinnen und Hörer, wir möchten Sie jetzt schon für die nächste Folge von Das Orakel begeistern, die am 18. September, dem Donnerstag, erscheint und die unser erstes Jubiläum markiert. Und wenn Sie dazu Fragen haben, bitte gerne her damit an frag@dasorakel.at.

Wir werden uns nämlich für diese Sendung ganz was Besonderes einfallen lassen, hoffentlich, ich bin mir sicher. Bis dahin sagen wir vielen Dank fürs Zuhören, bis zum nächsten Jubiläumsmal.

Peter Hajek
Das Orakel.

Autor:in:

Peter Hajek

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