Die Dunkelkammer
Das Benko-Konstrukt & die Folgen: Wolfgang Peschorn im Gespräch
In der 123. Ausgabe der Dunkelkammer ist Wolfgang Peschorn zu Gast. Er ist seit 2006 (mit einer Unterbrechung) Präsident der Finanzprokuratur. Die Finanzprokuratur ist die Anwältin des Bundes und macht derzeit unter anderem Steuerforderungen gegen René Benko und das Signa-Konglomerat geltend. Die Abwicklung der Signa-Insolvenzen sei völlig falsch angegangen worden, sagt Peschorn. Tatsächlich hat bis heute niemand so wirklich den Überblick über die mehr als 1100 Signa-Gesellschaften und deren Beziehungen zueinander. Ein Fazit: Der Fall Benko wird uns noch Jahre beschäftigen.
Michael Nikbakhsh
Herzlich willkommen in der Dunkelkammer. Mein Name ist Michael Nikbakhsh, ich bin freier Journalist und beschäftige mich mit mächtigen Menschen, also genauer: mit der dunklen Seite der Macht.
Herzlich willkommen zur 123. Ausgabe der Dunkelkammer. Heute gibt es wieder ein Studiogespräch und zwar mit Wolfgang Peschorn, dem Präsidenten der Finanzprokuratur. Wolfgang Peschorn, er war zwischen Mitte 2019 und Anfang 2020 zu dem Innenminister der Interimsregierung um die mittlerweile verstorbene damalige Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein. Die Finanzprokuratur, das ist ein staatliches Organ, das dem Finanzministerium untersteht und dort arbeiten sogenannte Prokuraturanwältinnen und -anwälte und deren Aufgabe ist es, die rechtlichen Interessen des Bundes, seiner Behörden und Institutionen wahrzunehmen.
Was genau die Finanzprokuratur da macht, welche Rolle sie zum Beispiel im Falle von René Benko spielt, warum Verfahren in Österreich oftmals gar so lange dauern und warum Wolfgang Peschorn sich nicht vor dem Boulevard fürchtet, das gibt es jetzt zu hören. Das nachfolgende Gespräch hat nicht ganz eineinhalb Stunden gedauert. Das ist erstens der Grund, warum ich die Einleitung jetzt kurz halte und zweitens das, was ich an Podcasts so mag. Man darf sich einfach Zeit nehmen und welche Mediengattung kann das schon von sich behaupten? Auf geht's.
Ja, bei mir in der Dunkelkammer begrüße ich jetzt Wolfgang Peschorn. Danke fürs Kommen.
Wolfgang Peschorn
Sehr gerne.
Michael Nikbakhsh
Präsident der Finanzprokuratur, das klingt gewichtig und verrät aber andererseits noch nicht wahnsinnig viel über Ihren Job. Nun weiß ich ja, was Sie tun oder glaube es zumindest zu wissen, aber ich denke ich fange jetzt mit der investigativsten aller Einstiegsfragen an. Was genau sind Sie von Beruf?
Wolfgang Peschorn
Ja, wir sind nicht mehr ganz verborgen, wir haben auch eine Homepage, da kann man das auch nachlesen, haben auch viele Besucher auf dieser Homepage. Aber danke für diese Frage, weil mir sehr viel daran liegt, auch dass die Finanzprokuratur nicht im Dunkeln agiert, sondern zum Wohl der Bürger*innen dieses Landes. Wir sind sowas wie der Anwalt, die Anwältin der Republik. Unsere Aufgabe ist gesetzlich determiniert. Es gibt ein sehr schönes Finanzprokuraturgesetz, das, glaube ich, auch für jedermann verständlich geschrieben ist und im Internet abrufbar. Und unsere wichtigste Aufgabe besteht darin, bestimmte Rechtsträger, die da in diesem Gesetz genannt sind, vor allem die Republik, den Bund als Rechtsträger, vor Gerichten und Verwaltungsbehörden zu vertreten und die Organe vom Bundeskanzler abwärts bis zum kleinen Finanzbeamten rechtlich zu beraten. Und das ist eine sehr erfüllende Aufgabe, die ich versuche mit meinen Mitarbeiter*innen, das sind 100 und davon circa 60 im Anwaltsdienst, alles ausgebildete Anwälte oder in Ausbildung befindliche Anwälte, zu erfüllen.
Michael Nikbakhsh
Oberster Rechtsberater der Republik wäre demnach dann vermutlich eine zulässige Zuschreibung.
Wolfgang Peschorn
Es gibt natürlich in der Republik einige, die versuchen, rechtliche Orientierung den Menschen zu geben, die Entscheidungen zu fällen haben. Da gibt es auch den Verfassungsdienst, den man kennt, und wenn es um Angelegenheiten gibt, die mehr in der großen Welt angesiedelt sind, dann das Völkerrechtsbüro im Außenministerium. Aber was wir sind, wir bündeln sehr viele Themen. Wir sind nicht nur im zivilrechtlichen Bereich unterwegs, also wenn es darum geht, zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen oder abzuwehren, sondern auch im strafrechtlichen Bereich, der in der letzten Zeit ja auch öffentlich bekannt geworden ist, wenn man an Ibiza, an Datensicherung etc. denkt. Und natürlich auch im verwaltungsrechtlichen Bereich. Es gibt ja seit 10 Jahren - wir feiern das dieses Jahr - die Verwaltungsgerichtsbarkeit und auch dort schreitet die Finanzprokuratur immer wieder als Vertreter in diesem Verfahren ein.
Michael Nikbakhsh
Also jetzt sehr unjuristisch ausgerückt: Wann immer der Bund, die Republik Österreich, dieser nahestehende Institutionen ein Problem, ein rechtliches Problem mit jemandem haben, dann wird die Finanzprokuratur unweit sein. Umgekehrt, wenn jemand ein Problem mit Amtsträgern bzw. Einrichtungen der Republik hat, dann kommt die Finanzprokuratur auch zum Tragen. Also das ist tatsächlich eine Stelle, mit der Bürgerinnen und Bürger auch in Berührung kommen können, wenn sie zum Beispiel der Meinung sind, dass eine staatliche Behörde ihnen rechtswidrig und schuldhaft, wie es heißt, einen Schaden zugefügt hat. Was ist das zum Beispiel?
Wolfgang Peschorn
Das, was Sie ansprechen, das nennen wir Amtshaftung. Also Österreich hat eine gesetzliche Grundlage dafür, dass dann, wenn ein staatliches Organ rechtswidrig und schuldhaft, das heißt also gegen das Gesetz verstoßend und mit einem Verschulden, jemandem einen Schaden zufügt, dafür der Staat auch haften kann. Und Anlaufstelle für diese Ansprüche, die ein Bürger*in geltend machen kann, ist die Finanzprokuratur. Hier wendet man sich an uns mit einem sogenannten Aufforderungsschreiben und nach dem Gesetz hat dann der Rechtsträger, den wir vertreten, also der Bund, drei Monate Zeit bekannt zu geben: Du kriegst was, du kriegst es nicht. Und nach diesen drei Monaten kann man dann auch den Gerichtsweg bestreiten und dann kommt es eben zu Verfahren.
Also für alle, die jetzt damit Gott sei Dank noch nicht in Berührung gekommen sind, beispielsweise Ischgl ist so ein Thema gewesen. Hier hatten wir zahlreiche Verfahren, weil die Menschen behauptet haben, dass sie durch ein Fehlverhalten mit der Krankheit in Berührung gekommen sind und dadurch die Republik Österreich für die daraus resultierenden Schäden haftet. Wie man aus den Medien weiß, haben wir diese Verfahren gewonnen. Der oberste Gerichtshof hat hier eine Haftung der Republik Österreich verneint.
Michael Nikbakhsh
Um es runterzubrechen auf einen einfachen Fall, also wenn zum Beispiel, wenn die Polizei mir versehentlich die Tür eintritt und ich die Tür gerne ersetzt hätte, dann lande ich auch bei Ihnen?
Wolfgang Peschorn
Dann landen Sie unter Umständen auch bei der Finanzprokuratur. Allerdings gibt es da eine spezielle gesetzliche Grundlage, das Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetz, weil ja, wie Sie sagen, ein Türeintreten, also das gewaltsame Türöffnen, müsste man formulieren, notwendig sein kann, um einen Straftäter dingfest zu machen, festzunehmen. Und dann hat der Gesetzgeber mit dem Polizeibefugnis-Entschädigungsgesetz eine Grundlage geschaffen, dass man auch dann, wenn es notwendig ist, also wenn gar kein Verschulden vorliegt und gar keine rechtswidrige Handlung, sehr wohl den betroffenen Eigentümer der Wohnung entschädigen kann.
Michael Nikbakhsh
Nun kann es aber auch umgekehrt sein, dass man als Bürgerin oder Bürger eine Zahlungsaufforderung der Finanzprokuratur bekommt und das ist dann wohl das Zeichen dafür, dass man einer staatlichen Stelle Geld schuldet. Da sind Sie dann quasi Schuldeneintreiber. Welche Fälle sind das konkret? Finanzschulden zum Beispiel, Schulden gegenüber Sozialversicherungsanstalten?
Wolfgang Peschorn
Das kann alles Mögliche sein. Das kann eine Verbindlichkeit sein, die man aufgebaut hat aus Abgabenforderungen. Da wären wir überwiegend tätig, wie man derzeit sieht, in Insolvenzverfahren, wo wir die Abgabenbehörden unterstützen, diese Ansprüche in einem Insolvenzverfahren erfolgreich geltend zu machen. Aber wir dürfen eines nicht übersehen, das ist glaube ich sehr, sehr wichtig. Wenn in den letzten Jahrzehnten hat sich der Staat sehr zu einem privatwirtschaftlich agierenden Staat weiterentwickelt oder umgestaltet, kann man sagen. War das vor vielleicht 60, 70 Jahren noch so, dass man in hoheitlicher Gewalt Geld bekommen hat, durch einen Bescheid quasi ausgedrückt, so ist der Staat heute privatwirtschaftlich massiv unterwegs. Das bedeutet, denken Sie an Förderungen, gerade in Covid-19-Zeiten, aber auch außerhalb, das sind alles privatwirtschaftliche Leistungen. Der Staat tritt in eine Leistungsbeziehung auf privatwirtschaftlicher Ebene mit den Bürger*innen und dort ist unser Tätigkeitsfeld primär. Also die Republik Österreich hat etwas bestellt, hat etwas
beschafft. Aus diesem Vertragsverhältnis entstehen Streitigkeiten, es gibt Abrechnungsthemen, dort werden wir tätig.
Michael Nikbakhsh
Mit einer breiteren Öffentlichkeit sind Sie natürlich
bekannt aus ihrer Rolle im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Signa Pleite im allerweitesten Sinn. Von einer Pleite kann man ja nicht sprechen. Das ist auch ein ganz konkretes Beispiel, was quasi passiert, wenn Steuerschulden auflaufen. Stichwort René Benko bzw. die Signa Gruppe, also der Staat
ist da ein Gläubiger von Benko und Signa. Da geht es ganz konkret um Steuerschulden, die die Finanzprokuratur namens des Finanzministeriums hier geltend macht. Sie haben Ende Oktober in der ZIB 2 gesagt, Sie wüssten jetzt nicht ganz genau, um wie viel Geld es da geht, aber die Größenordnung läge bei etwa dreißig Millionen Euro. Wissen Sie es mittlerweile genauer?
Wolfgang Peschorn
Nein, weil das ist jetzt auch nicht unsere Aufgabe, das ist Aufgabe der Abgabenbehörden. Die Abgabenbehörden prüfen seit dem Jänner intensiver dieses, wie ich sage, Signa Konglomerat. Es sind eben über 1138 wahrscheinlich Gesellschaft, die dazu in irgendeiner Weise dazugehören. Davon sind knapp 500 in Österreich etabliert und unterliegen den österreichischen Abgabenvorschriften. Und das ist Aufgabe der Abgabenbehörden hier zu prüfen. Das ist natürlich eine komplexe und herausfordernde Aufgabe. Und das, was da herauskommt, ist letztendlich dann in den einzelnen Unternehmen geltend zu machen, wenn sie insolvent sind und das sind ja nur einige, dann halt bei diesen.
Michael Nikbakhsh
Bei einem Teil der Summe, rund 12 Millionen Euro konkret, da geht es um Benkos Prunkvilla in Igls nahe Innsbruck. Die wurde ab 2016 errichtet und eine Firma von René Benko bzw. eine ihm zuzurechnende Firma in diesem weitläufigen Konglomerat hat sich von der Finanz die Umsatzsteuer rückerstatten lassen über einen längeren Zeitraum, besagte 12 Millionen Euro, weil das Objekt zur gewerblichen Nutzung vorgesehen war. Tatsächlich haben da wohl aber immer nur Benko und Familie gewohnt. Und spätestens ab 2020 gab es - wir haben das in Unterlagen nachlesen können - in der Finanz Diskussionen darüber, ob rund um diese Villa in Igls tatsächlich ein Gewerbebetrieb entstanden ist oder ob es da nicht viel mehr um Liebhaberei ginge, also Liebhaberei im steuerrechtlichen Sinn, also ob da zu Unrecht Umsatzsteuer rückerstattet wurden. Ja, und offenbar war das so, zumindest ist das jetzt die Haltung der Finanz und die Finanzprokuratur macht diese Forderungen geltend.
Das ist allerdings erst nach dem Zusammenbruch der Signa Gruppe passiert, also Ende 2023. Die Finanz hat 2020 Zweifel, dass das okay ist, braucht dann aber noch einmal bis Ende 2023, um Handlungen zu setzen. Warum dauert das so lange?
Wolfgang Peschorn
Ich glaube, man kann, jeder muss selbstkritisch sein und die Dinge hinterfragen, ob sie nicht schneller gehen könnten. Viele dieser Zeitabläufe sind natürlich bestimmt auch von dem Verhalten des Anderen. Also das heißt, ich habe in einem rechtsstaatlichen Verfahren und vor allem in den Verfahren, so wie sie in Österreich ausgestaltet sind - und da glaube ich, sollte man oder müsste man darüber nachdenken, dass man die auch straffer gestalten kann - letztendlich die Verpflichtung, dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, Einwendungen zu erheben, sich zu rechtfertigen etc. Diese Fristen werden von den Betroffenen, konkret den Abgabenschuldern oft sehr ausgereizt.
Unsere Behörden und Dienststellen stehen natürlich oft, gerade bei solchen Personen, einer Heerschar an Beratern und Vertretern gegenüber. Das sind nicht die Billigsten, man kann sich ja die Teuersten leisten. Und das ist vielleicht so ein bisschen wie so in einem Nintendo-Spiel, man bekommt dann als Behörde quasi immer wieder etwas vor die Füße geworfen, was man überklettern muss, damit man weiterkommt. Also diese Herausforderung gibt es einfach. Ich glaube, es ist trotzdem diese Pfandrechtsvormerkung, die geschehen ist, ein gutes Beispiel, wie die Wirklichkeit ausschaut. Man prüft, man muss dann das rechtlich beurteilen, hat hier dann auch die Einwendungen des Abgabenpflichtigen zu berücksichtigen. Ja, man könnte sicher immer schneller sein. Und dann schafft man aber zumindest einmal eine
Wirklichkeit, nämlich man merkt, eine Vormerkung eines Pfandrechtes passiert im Grundbuch. Das heißt, wenn es zur endgültigen Festsetzung einer Abgabe kommt, ist man im Grundbuch in diesem Rang besichert. Das Verfahren ist noch nicht zu Ende, können Sie daraus erschließen. Jetzt geht es darum, ob diese vorgeschriebene Abgabe auch tatsächlich rechtswirksam wird. Und das wird einige Jahre in der österreichischen Realität brauchen.
Michael Nikbakhsh
Über das werden wir dann doch noch, denke ich, in einem anderen Fall reden, der sich, soweit ich weiß, auch schon über viele, viele Jahre zieht. Man neigt dazu, lange Verfahrensdauern in Österreich hinzunehmen, mit dem Hinweis, allerweil wir prüfen genau, da darf der Faktor Zeit keine Rolle spielen. Aber das führt dann auch bei Konkursen dazu, dass wir 20 Jahre plus haben, bei größeren Fällen. Das kann ja auch nicht im Sinne der Erfinder sein.
Wolfgang Peschorn
Also bei den Konkursen sehe ich das meistens davon bestimmt, dass man versucht, zu verwerten und erfolgreich zu verwerten. Und eine erfolgreiche Verwertung braucht manchmal halt länger. Ich glaube, dass Ihre Beobachtung natürlich richtig ist bei verschiedenen anderen Verfahren, bei Strafverfahren, vor allem bei strafbehördlichen Ermittlungsverfahren, aber auch im Zivilprozess. Also wir hatten ein Verfahren, das aus einer Insolvenz einer großen österreichischen Baufirma resultiert und in erster Instanz hat dieses Verfahren über 10 Jahre gebraucht und ist noch immer nicht beendet. Das sind Dinge, die schon auch davon abhängen, nicht nur von einer Komplexität, die manches Verfahren hat, aber nicht jedes, sondern auch von der Zielstrebigkeit und von einer gewissen Planmäßigkeit, wie man ein Ding angeht. Ich kann auch nicht vor der Eiger-Nordwand stehen und einfach in die Wand hineinsteigen. Ich muss mir vernünftigerweise vorher versuchen, einen Plan zu machen, wie ich von unten nach oben komme.
Michael Nikbakhsh
Dann machen wir da jetzt gleich die Klammer, weil ich wollte auf dieses Verfahren noch zu sprechen kommen. Es geht um den Salzburger Baukonzern Alpine, der nun auch schon vor mehr als 10 Jahren zusammengebrochen ist. Wussten Sie eigentlich, dass ich angeblich schuld daran bin?
Wolfgang Peschorn
Ich glaube, uns beiden geht es ähnlich. Ich bin auch meistens an allem schuld. Also insofern bin ich froh, dass es einen zweiten gibt.
Michael Nikbakhsh
Ja, also in dem Fall, ich habe das sogar von einem Gutachter bestätigt bekommen, von einem Gerichtsgutachter, soweit ich mich erinnern kann, dass die Berichterstattung im Profil damals letztlich verantwortlich war für den Niedergang der Alpine. Na gut, 2013 haben in diesem Zusammenhang und das ist eben auch schon mehr als 10 Jahre her, mehrere österreichische Banken die Republik Österreich geklagt. Da ging es um Haftungen aus einem Programm, das damals bestand, im Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz, glaube ich, hat das geheißen. Und im Rahmen dieses Programms hat der Staat Haftungen für Bankkredite übernommen. Die Alpine ging bankrott, die Banken hatten offene Kredite und haben vom Staat eben diese Haftungen verlangt. Dann gab es, glaube ich, auch eine Klage von Seiten der Republik an die Banken. Also man hat sich gegenseitig geklagt und seither ist einiges passiert, aber man ist noch nicht annähernd bei Urteilen. Habe ich das richtig verstanden?
Wolfgang Peschorn
Naja, für unsere Zuhörer*innen muss man erklären, der Staat hat damals dieses Haftungsprogramm aufgelegt, weil wir im Gefolge der sogenannten Finanzmarktkrise im Jahr 2008 beobachten mussten, dass die Banken nicht mehr bereit waren, Unternehmen Liquidität zur Verfügung zu stellen, also Finanzmittel. Nicht deswegen, weil die Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage waren, sondern weil die Banken schlicht und ergreifend - und das darf man nicht übersehen, der Finanzmarkt agiert sehr emotional und weniger rational - nicht dazu bereit waren, einfach Angst gehabt haben. Und die Voraussetzung für diese Kredite war in einem Gesetz festgeschrieben, dass man nur eine Haftung übernimmt für solche Kredite, wenn die Unternehmen in der gesunden wirtschaftlichen Lage sich befinden. Also die Ratio, der Sinn und Zweck dieses Gesetzes ganz klar, dort wo ein Unternehmen einfach keinen Kredit von einer Bank bekommt, weil die Banken Angst haben, dort hilft der Staat nach, aber der Staat wird das nicht tun und will das nicht tun, wo ein Unternehmen aus anderen Gründen wirtschaftlich nicht gesund ist.
Michael Nikbakhsh
Also man wollte keine Leichen schminken damals.
Wolfgang Peschorn
Genau. Und die Gestionierung dieser Kredite hat die österreichische Kontrollbank vorgenommen, also die ÖKB. Und nachdem dann diese Insolvenz bei diesen österreichischen Bauunternehmen eingetreten ist, haben wir uns das genauer angeschaut und haben Hinweise dafür entdeckt, dass vielleicht zum Zeitpunkt der Haftungsübernahme diese Bauunternehmung nicht in einer gesunden wirtschaftlichen Lage war. Und das ist halt so, wie wenn Sie ein Auto kaufen und der Verkäufer klärt Sie darüber nicht auf, dass der Motor in Wahrheit keine lange Funktionsdauer mehr haben wird und im übrigen Öl verliert und das Getriebe schon im Eimer ist, etc. Es gab dann keine Aufklärung von Seiten der Banken und wir waren der Auffassung, dass Banken eigentlich über die Frage, ob ein Kreditnehmer in einer gesunden Wirtschaftslage ist oder nicht, genau Bescheid wissen sollten, schon aus ihrer eigenen Sorgfalt heraus. Und nachdem es dann keine Einigung gab, wurde die Republik Österreich geklagt und wir haben dann - weil wenn man streitet, soll man ordentlich streiten und die Bürger*innen der Republik Österreich verdienen sich einen starken Anwalt, eine starke Anwältin - wir haben auch dann eine eigene Klage gemacht, nämlich eine Irrtumsanfechtung und das Ganze über 150 Millionen im Gesamtstreitwert.
Michael Nikbakhsh
Plus Zinsen natürlich.
Wolfgang Peschorn
Plus Zinsen. Und unser Problem war dann und ist dann, dass wir gegen uns vertraglich vereinbarte Zinsen von über 8 % hatten und dies in einer Nullzinszeit, also ein ganz gutes Geschäft. Und letztendlich gab es dann einen Zeitpunkt, der vor kurzem war, wo mittlerweile die hypothetische Zinslast, also im Fall des Prozessverlustes, bereits so hoch war wie das Punktum das Kapital, also 150 Millionen Kapital plus mehr als 150 Millionen an potentieller Zinslast, weil wir keine gerichtlichen rechtskräftigen Entscheidungen erhalten haben.
Michael Nikbakhsh
Wie kann es sein, dass da mehr als 10 Jahre vergehen? Das verstehe ich jetzt gar nicht. Wenn die Causa ist, man kann unterschiedlicher Standpunkte sein und versuchen, die rechtlich durchzubringen. Aber Sie haben jetzt in wenigen Sätzen erklärt, worum es in dieser Causa inhaltlich geht. Das war jetzt noch keine Raketenwissenschaft.
Wolfgang Peschorn
Natürlich, in einem Zivilprozess sollte das Gericht am Anfang den Rahmen abstecken können, für sich, aber auch für die Parteien, um welche Fragen es hier geht, daher auch den rechtlichen Rahmen für die Beurteilung. Und daraus ergibt sich dann letztendlich das sogenannte Prozessprogramm. Natürlich ist eine ganz wesentliche Frage auch in diesem Verfahren gewesen: Wann war das Unternehmen in einer wirtschaftlich schlechten Lage oder in einer gesunden? Und wenn es in einer schlechten war, wann ist diese eingetreten und welche Indizien oder welche klaren Umstände lagen hier vor? Und das ist eine Sachverständigenfrage. Also was ist passiert? Es sind unterschiedliche
Sachverständigen in diesen unterschiedlichen Verfahren bestellt worden. Und diese Sachverständigen haben für die Klärung dieser Frage nicht nur Monate, sondern Jahre gebraucht. Dann wurde das wieder ergänzt etc. Natürlich waren mit diesen Sachverständigengutachten auch erhebliche Kosten verbunden, und das ist wohl ein ganz, ganz wesentlicher Bestandteil für diese lange Verfahrensdauer, aber aus meiner Sicht in keinster Weise gerechtfertigt. Der Staat ist eine Einrichtung oder eine Struktur, die sich die Gesellschaft gibt, um sich zu organisieren. Und eine der wichtigsten Aufgaben ist, dass hier eine Streitbeilegung, und dazu dient ein Gerichtsverfahren, vor allem auch ein Zivilverfahren, rasch funktioniert und Streitigkeiten rasch erledigt werden.
Michael Nikbakhsh
Aber genau das scheint ja nicht zu funktionieren. Und wenn ich jetzt zurückkomme auf Benko und Signa, ein Vielfaches komplexer als der Alpine Fall - sage ich jetzt mal - und zwar wirklich um ein Vielfaches. Sie haben es angeschnitten, mehr als 1000 Gesellschaften in diesem Konglomerat, davon ziemlich genau die Hälfte in in Österreich. Sie haben jüngst wiederholt Kritik am Fortgang der Aufarbeitung der Insolvenzen geübt. Sie haben auch Kritik daran geübt, dass wir zu wenig Konkurse bisher gesehen hatten, sondern dass das quasi Insolvenzverfahren mit sogenannter Treuhandverwaltung sind. Ein ganz konkreter Fall ist die Person René Benko selbst. Er ist ja als Unternehmer, als Einzelunternehmer ebenfalls im Konkurs. Da wurden doch eine Menge Forderungen angemeldet. Man würde
erwarten, dass ein Schuldner bescheiden auftritt, wenn er schon überhaupt auftritt. Das scheint bei René Benko nicht der Fall zu sein. Erst jüngst ist ein Foto aufgetaucht, das jetzt auch Konsequenzen für Georg Dorner in Tirol hatte. Es zeigt auch, René Benko offenbar - wie hat es geheißen - bei der Jagd, in einer Jagd, die einer seiner Privatstiftungen zuzurechnen sei. Jetzt schaut man sich das an und denkt sich: Ja, aber wie gibt es denn das? So viele Menschen da draußen, die möglicherweise auch Probleme hatten mit Gläubigern und vielleicht auch ein Kursverfahren haben, die werden sich wohl denken, ja, für mich war es nicht möglich, mich auf meine Jagd zurückzuziehen, mit Leibwächtern aufzutreten, wie man das jetzt mehrfach gehört hat, und eigentlich ein Leben zu führen, wie es vorher wohl auch war.
Wolfgang Peschorn
Ja, vielleicht vorausgeschickt muss man sagen, die Finanzprokuratur ist ja nicht nur berufen, konkrete Ansprüche durchzusetzen oder abzuwehren für die Rechtsträger, die in unserem Gesetz genannt sind, sondern wir sind ganz allgemein eingerichtet als Organ des Bundes, um im Interesse des Staates tätig zu werden. Das heißt, wir haben die Aufgabe, so würde ich das formulieren, hinzuschauen, wo etwas nicht ganz so funktioniert, wie es der Gesetzgeber vorsieht. Also dort die Finger hinzulegen, wo die Regeln, die aufgestellt sind, nicht beachtet werden, und natürlich mit den Instrumentarien, die uns zur Verfügung gestellt sind. Und die Instrumentarien sind keine Zwangsmittel wie die Polizei, sondern das Instrumentarium besteht in erster Linie aus der Möglichkeit, Anträge zu stellen, Klagen einzubringen oder eben auch Rechtsmittel zu erheben, wenn man der Ansicht ist, dass eine Verwaltungsbehörde oder ein Gericht hier nicht dem Gesetz entsprechend handelt. Und ja, das ist ja auch allgemein bekannt, wir haben aufgrund einer Abgabenforderung im Jänner des Jahres gegen den Herrn Benko einen Insolvenzantrag gestellt. Das hat bedauerlicherweise relativ lang gebraucht, dass über diesen in Innsbruck entschieden wurde. Es hat dann das Gericht einen Masseverwalter bestellt, da hat der Antragsteller keinen Einfluss, auch nicht die Finanzprokuratur. Das ist die Entscheidung des Insolvenzrichters. Und die
Fortschritte, die man hier sieht, in der Öffentlichkeit wahrnehmen kann, sind wahrscheinlich für jedermann als überschaubar zu bezeichnen. Und wenn dieser Hinweis von mir als Kritik gewertet wird, dann lebe ich damit ganz gut. Aber man sieht ja, zu was das führt. Also Sie haben es erwähnt, man hat nicht den Eindruck, dass hier jene Einschränkungen, die der Gesetzgeber vorgesehen hat und der Gesetzgeber sieht für jeden, der insolvent ist, vor, dass er ein Leben leben darf in der Form, dass er das erhält, was notwendig ist für die Lebensführung, aber nicht mehr und nicht weniger als das Existenzminimum.
Michael Nikbakhsh
Möglicherweise ist aber das Existenzminimum von René Benko ein anderes als das anderer Menschen.
Wolfgang Peschorn
Naja, was das ist, sagt der Gesetzgeber. Und jetzt tritt uns halt entgegen etwas, was man versuchen muss, quasi in den Griff zu bekommen. Uns tritt entgegen eine eigene Welt, die von jemandem geschaffen wurde, der Herr Benko selber sagt ja immer, war ja nichts in diesem Konglomerat. Aber wenn man nur einige der Berichte in Medien oder es gibt ja auch mittlerweile schon umfangreiche Bücher über das, was hier geschehen ist, ernst nimmt und vor allem die dort abgedruckten Dokumente, die ganz offensichtlich aus dem inneren Kreis dieses Unternehmenskonglomerats stammen, dann zeichnet sich ein anderes Bild. Letztendlich hatte Herr Haselsteiner als Investor in dieser Signa Gruppe Anfang des Jahres das ja auch in einem ZIB 2 Interview zumindest angedeutet, nämlich, dass die faktische Geschäftsführung sehr wohl dem Herrn Benko über all diese Unternehmen unterlegen ist. Das bedeutet, dann muss man sich aber auch aus dieser Perspektive die Dinge anschauen und nicht nach altösterreichischer Schrebergartenmanie eine Gesellschaft und die nächste. Das war ja ganz offensichtlich nicht der Plan. Der Plan war, ein Dickicht an Gesellschaften zu erzeugen, wo
man in diesem Dickicht Vermögensverschiebungen vornehmen kann, ob die nun rechtmäßig oder unrechtmäßig waren, ob die nun mit dem Vorsatz geschehen sind, jemandem bestimmten oder auch einer Stiftung Vermögen zuzuwenden, um es dort zu bunkern quasi und dann in der Not darauf zurückgreifen zu können. Das gehört aufgeklärt und deswegen sage ich von Anfang an, zunächst intern, zunächst in den Gremien nur und jetzt auch in der Öffentlichkeit, man muss das Ganze anschauen. Man darf sich nicht begnügen mit einzelnen Schrebergärten. Nur wenn man das Ganze anschaut, wird man verstehen, was passiert ist. Und wenn man versteht, was passiert ist, wird man auch die Ansprüche, die der Gesetzgeber vorsieht, geltend machen können. So bleibt es Stückwerk.
Michael Nikbakhsh
Ein interessanter Punkt ist, dass man sich dort wohl auch mit Hilfe findiger Berater durchaus schwächen, ich sage jetzt im allerweitesten im österreichischen Rechtssystem zunutze gemacht hat. Ein Aspekt ist ja zum Beispiel Intransparenz. Man hat eine ganze Reihe von Signa-Gesellschaften haben sich nichts darum geschert, Jahresabschlüsse in den Firmenbüchern der Handelsgerichte zu hinterlegen. Das ist in Österreich mit Geldstrafen oder Geldbußen sanktioniert. Die hat man einfach bezahlt.
Wolfgang Peschorn
ja und da muss man das nicht einfach hinnehmen, sondern man muss darauf reagieren. Ich bin, glaube ich, bekannt dafür, dass ich nicht immer nach einer gesetzlichen Maßnahme rufe. Das tun meistens die Menschen, die das Gesetz nicht kennen. Wir haben sehr viele Gesetze, die muss man mal kennen, um dann auch ein Defizit zu beschreiben. Und hier gibt es eines und es ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass wir eine strukturelle Änderung brauchen. Der Staat muss immer auch dem Rechtsbrecher nachrennen. Wenn Sie ans Verwaltungsverfahren denken: Hier muss die Verwaltungsbehörde alles beweisen und Sie haben auch noch die Möglichkeit dann, wenn sie eh schon alles bewiesen hat, als Betroffener noch Dinge nachzubringen.
Wir haben uns aber, wie ich vorher schon gesagt habe, von diesem hoheitlich agierenden Staat sehr weiterentwickelt in einen sehr privatwirtschaftlichen, also in einen Staat, der so handelt wie jeder andere auch. Und jetzt haben wir, Sie haben das Firmenbuch angesprochen, wir haben also dieses Mittel, wenn jemand seine seinen Verpflichtungen zur Offenlegung nicht nachkommt, dann kann man Zwangsstrafen verhängen. Und auch hier muss wiederum das Firmenbuchgericht tätig werden und muss letztendlich auch zuschauen, wenn dann die nächste Frist vorbeizieht, ohne dass was passiert. Und da sage ich, hier müssen wir ganz anders denken. Und ich meine, man kann sich an dem Sport eine Anleihe nehmen, nämlich zum Beispiel am Fußball, da gibt es eine gelbe und gibt es eine rote Karte.
Also wir müssen zu Systemen kommen, die von alleine funktionieren und nicht unsere spärlichen Ressourcen noch beanspruchen. Bedeutet ganz konkret, es gibt eine Rechtspflicht zur Veröffentlichung der Firmendaten im Firmenbuch. Wenn diese Rechtspflicht nicht zeitgerecht erfüllt wird, gibt es die gelbe Karte. Das heißt, alle, vor allem die Gesellschafter und sogenannten Investoren, wissen in dem Moment: Hallo, da passiert etwas nicht! Was ist da los? Und werden den Geschäftsführer, die Geschäftsführer oder den faktischen Geschäftsführer zur Rede stellen. Und wenn das in einer Nachfrist wieder nicht passiert, dann gibt es die rote Karte und das bedeutet in diesem Fall der Abschied vom Spielfeld der Wirtschaft. Und das tut weh und das wäre eine effektive Maßnahme, ohne dass weiter unsere Ressourcen für nichts und wieder nichts beansprucht werden und Heerscharen an Beratern auf der anderen Seite damit auch noch verdienen.
Michael Nikbakhsh
Ja, weil der Ist-Zustand ist doch wenn ich es mir leisten kann, habe ich Berater, die mir z. B. auch steuerrechtlich Lücken suchen, von Steuerhinterziehung darf man heute nicht mehr reden, man redet ja von Steueroptimierung. Und die mir zugleich auch sagen, ja, also Jahresabschluss einreichen, das kostet so und so viel, wenn du das leisten kannst, kannst du dir quasi Intransparenz herstellen. Das ist ziemlich frustrierend.
Wolfgang Peschorn
Ja, Frustration ist ein Thema, das sich vor allem in der Herbstzeit immer wieder breit macht, wenn das Wetter danach ist, aber ich glaube, dem kann man auch wirksam begegnen. Was sie ansprechen hat natürlich auch einen Grund in der Intransparenz mancher gesetzlichen Grundlagen. Also wenn man es für jedermann schafft, Gesetze nachvollziehbar zu machen, und ich sage dazu ganz allgemein, Gesetze sind Regeln, wir haben Regeln im Sport, wir haben Regeln im Zusammenleben, im sozialen Zusammenleben, wir haben Regeln, wenn wir ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen. Und Gesetze sind die Regeln, die großen Regeln für uns alle und die muss man so gestalten, dass man sie versteht. Und dann brauche ich auch weniger Berater oder machen diese vielen Berater auch keinen Sinn mehr, weil es versteht sie eh jeder. Schauen Sie z. B. ins Einkommensteuergesetz, weil immer wieder das allgemeine Sozialversicherungsgesetz in den letzten Jahrzehnten als Beispiel genommen wurde, dass sich so viel ändert, dass keiner sich auskennt.
Wenn Sie in die Übergangsbestimmung des Einkommensteuergesetzes schauen, das muss niemand, dann werden Sie dort, das ist am Ende so um den 16er Paragraphen, dann werden Sie dort über 400 Bestimmungen finden, die festlegen, ob etwas gilt, ob etwas nicht mehr gilt und ob diese oder die andere Regel auf Ihren Sachverhalt anzuwenden ist. Das ist wahrscheinlich für fast niemanden mehr wirklich nachvollziehbar und das ist nur ein Beispiel und keine Kritik. Sondern ein Beispiel dafür, wir müssen es schaffen, die Regeln einfach und verständlich zu machen. Wir müssen es schaffen, einen Staat in Österreich zu etablieren, der der beste der Welt ist. Einfach zu verstehen, ressourcenschonend, aber mit ganz raschen Entscheidungen, die dann auch jeder versteht. Und das Verstehen ist schon für kleine Kinder der wichtigste Voraussetzung für Akzeptanz.
Michael Nikbakhsh
Also was sie jetzt gerade geschildert haben zum allgemeinen Sozialversicherungs-
Wolfgang Peschorn
Es war zum Einkommensteuergesetz.
Michael Nikbakhsh
Zum Einkommensteuergesetz war es. Da ist mir jetzt eingefallen, das kommt eben dabei heraus, wenn man Juristinnen und Juristen kreativ sein lässt.
Wolfgang Peschorn
Nein, das kommt heraus, wenn man auf kreative Juristen und Juristinnen nicht hört, sie vielleicht auch nicht zur Rate zieht und immer wieder von dem einen oder anderen - ich werde jetzt das einfach so formulieren - sich anhauen lässt, um eine Sonderbestimmung zu machen oder auch immer wieder ganz rasch die Meinung zu einem Regelungsinhalt ändert, weil es halt gerade passt. Und das sollte, ist ein gutes Stichwort, was ein Staat auch noch sollte. Ein Staat sollte Beständigkeit zeigen, neudeutsch nachhaltig agieren. Er sollte die ganz klare Landepiste sein für die Menschen und Startpiste und nicht immer wieder die Lande- und Startpiste um ein paar Grad so verändern, dass man wieder Probleme hat beim Landen und beim Starten.
Michael Nikbakhsh
Noch mal zurück zur Signa, ist ja immer wieder im Laufe der Zeit die Frage aufgetaucht, ja, wo ist das Geld hin, sofern es noch vorhanden ist, oder wo sind die Vermögenswerte? Es geht ja, Geld sind ja hauptsächlich Vermögenswerte wie Immobilien gemeint und nicht Bargeld. Wobei... Nun ist das ja bis zu einem gewissen Grad kein Geheimnis. Es sind ja im Umfeld von René Benker im Laufe der Zeit, es ist immer von zwei Privatstiftungen die Rede. Nach meiner Kenntnis sind es allerdings jedenfalls vier. Zwei in Österreich, zwei in Liechtenstein. Dort sind jedenfalls Vermögenswerte gebündelt.
Daran besteht jetzt eher kein Zweifel. Es gibt ja sogar Aufstellungen, was wo liegt. Die Autos und unter anderem die Autos, aber eben auch hauptsächlich Immobilien. Okay. Das Privatstiftungsrecht ist so gestaltet, dass man von außen nicht einfach auf Vermögenswerte einer Stiftung zugreifen kann, weil das ist ja der Witz dieser gesetzlichen Regelungen. Die richtet sich natürlich jetzt weniger an den Staat, als vielmehr an Gläubiger oder sonstige, die Forderungen stellen könnten. Es ist schwierig, auf das Vermögen zuzugreifen und es wird auch schwierig bleiben.
Die Signa Holding ist vor einem Jahr, Ende 2023, in die Insolvenz gegangen. Es ist ein Jahr vergangen. Im Bereich der Stiftungen noch nicht wahnsinnig viel sichtbar passiert. Rechnen Sie damit, dass wir an einen Punkt kommen, wir als Beobachter*innen, dass man sagt, ja, jetzt wird eine Stiftung tatsächlich geöffnet und die Masseverwalter bekommen Zugriff auf Vermögenswerte?
Wolfgang Peschorn
Das hängt ganz davon ab, was man im Sachverhalt aufklärt. Und das ist das Entscheidende. Also per se jetzt die Schuld, jetzt ein Privatstiftungsrecht oder dem Institut eine Privatstiftung zu geben, das wäre aus meiner Sicht falsch, das ist eine Einrichtung, die sehr viel beitragen kann, Vermögen im Inland nutzbringend anzulegen, Vermögen über die Zeit auch weiterzugeben, das hat aus meiner Sicht hier keine Bedeutung. Das Thema ist, was ist hier wirklich passiert, das haben wir schon angesprochen. Und wie viel von diesen Schulden, die wir jetzt hören, die sich angehäuft haben, sind echte Schulden beispielsweise? Oder handelt es sich um Geld, das in diesem Signa Konglomerat quasi im Kreis gedreht wurde und bei dem im Kreis drehen, so wie bei einer Waschmaschine, wenn es bei 1200 Touren dann irgendwo was rausgeflogen quasi ist in dem Bild und das zu Stiftungen. Ein gutes Beispiel ist möglicherweise nach den Zeitungsberichten das Kaufhaus Lamarr, also das Kaufhaus in der Wiener Mariahilfer Straße, das ja bekanntermaßen um die Weihnachtszeit 2017 rasch den Besitzer wechseln musste oder durfte.
Michael Nikbakhsh
Dank einer möglichen Intervention eines damaligen Bundeskanzlers, man weiß es nicht.
Wolfgang Peschorn
Und laut Medienberichten war das damals so, dass hier Signa jetzt unter Anführungszeichen gesetzt, 60 Millionen Kaufpreis geboten hat, aber auch ein anderes alternatives Angebot vorgelegen ist mit 90 Millionen. Trotzdem hat es eine Tochterunternehmung, eine hundertprozentige Tochter der Laura Stiftung erworben um 60 Millionen und zwei Jahre später dann eine Gesellschaft im Signa Konglomerat unter der Signa Prime, die nun insolvent ist, um 190 Millionen dieser im Signa Konglomerat angesiedelten Tochterunternehmung der Laura Stiftung abgekauft. Also in zwei Jahren 130 Millionen Euro Erlös - wenn man das so sagen will - gemacht und das Geld ist wohl für jedermann einsichtig zum Eigentümer dieser GmbH gewandert. Also so sind unter anderem Geschäfte gemacht worden, jetzt unabhängig davon, ob dieser Wert der Liegenschaft wirklich bestanden hat oder nicht. Und das gehört eben ganzheitlich hinterfragt. Nur dann versteht man die Dinge und dann kann man auch die Frage stellen und daran anknüpfen, wie knacke ich die Stiftung? Weil nicht alles, was verboten ist, ist bei Stiftungen erlaubt. Also das muss man auch sagen.
Michael Nikbakhsh
Also es gäbe natürlich rechtliche Möglichkeiten, hier Zugriff zu bekommen.
Wolfgang Peschorn
Wenn Sie mit Experten des Privatstiftungsrechts in Österreich sprechen, dann werden die ja sagen. Aber wie bei allen diesen Themen kommt es ganz darauf an, was ist passiert, was haben Sie für Beweismittel. Und natürlich kann man auch von heutiger Sicht sagen, so wie das Bild, das Sie angesprochen haben, dieser Jagdgesellschaft: Es zeigt, hier zeigt auch dieses Bild einen gewissen Einfluss eines Menschen, der nichts ist.
Michael Nikbakhsh
Um das jetzt aber noch quasi abschließend festzumachen, das wird uns noch, also die Abwicklung der Insolvenzen wird uns noch Jahre beschäftigen. Davon ist jedenfalls auszugehen. Mit Blick auf die Abwicklung früherer Fälle.
Wolfgang Peschorn
Ja, die Insolvenzen werden sicher längere Zeit in Anspruch nehmen. Ob sie allerdings erfolgreich abgewickelt werden, das würde ich mir jetzt nicht zu sagen trauen. Ich sehe hier-
Michael Nikbakhsh
Verzeihung, was wäre eine erfolgreiche Abwicklung?
Wolfgang Peschorn
Eine erfolgreiche Abwicklung ist, dass ich eben auf den Grund des Bodens blicken kann und wirklich verstehen kann, was hier passiert ist. Und derzeit habe ich diese Erwartungshaltung leider nicht, weil wir haben zunächst eine, wenn wir jetzt die Insolvenz der Signa Prime und das Signa Development hernehmen, zunächst gehabt ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung. Das ist grundsätzlich geeignet, die Interessen der Schuldnerin und der dahinterstehenden Machthaber noch weiter zu fördern, weil es das Instrument ist, wo das Gericht und die Gläubiger am wenigsten hineinschauen können, auf den Grund des Bodens blicken können. Wir hatten dann-
Michael Nikbakhsh
Aber Verzeihung, da gibt es natürlich Quoten, die man dann erreichen muss und wenn man sich auf diese Quoten verständigt hat, dann-
Wolfgang Peschorn
Erreichen muss aber sie müssen auch realistisch sein. Wir hatten dann nach drei Monaten einen Sanierungsplan und man muss sagen, der Begriff Sanierungsplan für unsere Zuhörer*innen ist vollkommen missverständlich in diesem Zusammenhang, weil Sanierung indiziert, dass da etwas nachher fortgeführt wird, weil es wieder gut ist. Und das war ja nie der Plan. Der Plan war mit diesem Treuhand-Sanierungsplan, dass das vorhandene Vermögen verwertet wird und aus dieser Verwertung mindestens 30% fließen. Bereits vor der Abstimmung über diesen Plan war aber klar, dass diese 30% nie erreicht werden können.
Michael Nikbakhsh
Wem war das klar?
Wolfgang Peschorn
Das musste allen damit Beteiligten klar sein, weil der vom Sanierungsverwalter beigezogene Sachverständige diese Quote als unrealistisch angesehen hat. Trotzdem wurde er angenommen und trotzdem nicht nur deswegen rechtswidrig bestätigt, sondern weil der Sanierungsverwalter, was man mittlerweile aufgrund der Entscheidung des obersten Gerichtshofes, die wir erwirkt haben, klar ist, seine Entlohnung, die ihm zugestanden wurde, vom Insolvenzgericht gestundet hat. Also er hat gesagt, ich brauche das jetzt nicht sofort, weil wenn ich es sofort bekomme, hätte die Schuldnerin sozusagen ein wirtschaftliches Problem. Und jetzt ist seit diesem Zeitpunkt sind halt sechs Monate vergangen, seit Beginn der Insolvenz 10 und wir sind schlicht und ergreifend in die falsche Richtung gefahren. Wir hätten nach Salzburg fahren sollen und wir sind nach Graz gefahren.
Michael Nikbakhsh
Also Graz ist jetzt der Status quo, nehme ich an.
Wolfgang Peschorn
Graz ist der Status quo, eine sehr schöne Stadt, das grüne Herz Österreichs, die Steiermark. Aber sie sollen ein Synonym sein dafür, was möglich ist. Aber von Möglichkeiten ist eines richtig und das andere falsch. Und richtig wäre gewesen, sehr früh zu erkennen, dass der einmal anzunehmende, also zu behandelnde Antrag auf Eröffnung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung zum Scheitern verurteilt ist, weil die Voraussetzungen, die dafür erforderlich sind, um einen solchen Sanierungsplan abzuschließen, letztendlich unrealistisch waren. Und dadurch, dass man das trotzdem gemacht hat und uns auf ein Rechtsmittelverfahren, das eben sechs Monate gebraucht hat, verwiesen hat, sind natürlich Tatsachen geschaffen worden. Es sind Personen als Berater engagiert worden, es sind bestimmte Immobilien veräußert worden, etc. etc. Und diese Tatsachen kann ich nur mehr sehr eingeschränkt wieder in eine Ausgangssituation zurückführen.
Und ja, ich glaube, das ist nur ein kleiner Teil von dem Ganzen, wo ich eben meine und mich bestärkt fühle. Man muss alles anschauen, nicht nur die Signa Prime, nicht nur die Signa Development und ein paar andere Unternehmen, sondern man muss verstehen, was da passiert ist.
Michael Nikbakhsh
Aber um das zu tun, Sie sprechen jetzt nicht von der strafrechtlichen Ebene, sondern von der Abwicklung der Insolvenzen, nehme ich an. Um das zu tun, das würde ja bedingen, dass sich alle an der Abwicklung beteiligten Insolvenzverwalter, Masseverwalter zusammentun und eng kommunizieren. Das ist ja, glaube ich, in der Form gar nicht vorgesehen und auch nicht wirklich üblich. Das wird ja nebeneinander mehr oder weniger gemacht. Zwischendurch trifft man sich manchmal vor Gericht.
Wolfgang Peschorn
Also eines ist natürlich ganz sicher, bei dieser Abwicklung muss man die gesetzlichen Rahmenbedingungen bedenken. Und es gibt natürlich Verschwiegenheitsverpflichtungen, es gibt Interessenskollisionen, die zu beachten sind. Aber dieses Thema, diese Rahmenbedingungen schließen nicht aus, dass man sich koordiniert und dass man sich überlegt, ob nicht das Gleiche, was passiert ist, nämlich dass möglicherweise eine Person oder eine Gruppe um eine Person hier auf alle Gesellschaften, egal ob sie in der Insolvenz sind oder nicht, gleichmäßig Einfluss genommen haben, genauso bestimmend sein soll, auch für die Aufarbeitung. Und wenn man das nicht schafft, dann, wenn man das wirklich nicht schafft, dann kann man sich natürlich überlegen, und das wäre dann sehr sinnvoll, eine zukünftige Regelung vorzusehen, einen Missbrauchsparagrafen, also immer dann, weil wir auch kein Konzerninsolvenzrecht haben, aber immer dann, wenn eine Person, eine bestimmte Personengruppe, mehrere Gesellschaften kontrolliert, faktisch kontrolliert, dass ich dann auch in einem Insolvenzfall oder oder auch außerhalb der Insolvenz nach bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen hier auf alle gleichzeitig zugreifen kann und die verschiedenen Forderungen und Verbindlichkeiten unter diesen Gesellschaften auch sich aufheben.
Wir haben 70 %. 70 % der Forderung, Verbindlichkeiten in dem Signa Konglomerat sind wahrscheinlich sogenannte Intercompany-Verbindlichkeiten. Das heißt, man schuldet sich wechselseitig Geld.
Michael Nikbakhsh
Also das besteht auf dem Papier.
Wolfgang Peschorn
Ja, und das ist ein weiteres Argument, warum man alles gemeinsam anschauen muss. Ein Problem ist natürlich damit verbunden, und das ist ja fast verständlich, dass es sehr bestimmend sein kann. Wenn man sich aus seinem Schrebergarten herausbegibt, wird es halt komplexer. Mit anderen Worten, ein solcher Blick über alles ist natürlich viel herausfordernder als den Blick nur auf einen Unternehmensbereich einer Gesellschaft.
Michael Nikbakhsh
Ich möchte zu einem weiteren Fall kommen, der in jüngerer Vergangenheit große Öffentlichkeit hatte, die Inseratenaffäre, die ÖVP-Inseratenaffäre. Und da kommt ganz konkret auch jetzt eine Handlung, die die Finanzprokuratur gesetzt hat. Und zwar ganz konkret hat sich die Republik Österreich wir der Finanzprokuratur als sogenannte Privatbeteiligte an die laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Thomas Schmidt, Sabine Beinschab und den früheren Pressesprecher des Finanzministeriums angehängt. Das bedeutet, wenn es hier zu Schuldsprüchen kommen sollte, dann wird die Finanzprokuratur, also die Republik Österreich, den Schaden auch geltend, tatsächlich geltend machen können. Es geht da ganz konkret um 3 Millionen Euro, die der Staat von diesen drei Personen zurückfordert. Das war nämlich einst Geld des Finanzministeriums, nur zur Erklärung, also Steuergeld, das via Thomas Schmid und dem Pressesprecher im Wesentlichen an Boulevardmedien gegangen sein soll. Das sind ja Verdachtslagen.
Und teilweise wurden damit Sebastian Kurz Jubelumfragen von Sabine Beinschau bezahlt, teils wurden aber sachlich auch nicht gerechtfertigte Inserate geschaltet und das wohl im Abtausch für wohlwollende Berichterstattung für Sebastian Kurz. Wie gesagt, das ist eine Verdachtslage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Thomas Schmidt, Sabine Beinschab und mehrere andere Beschuldigte.
Da geht es Richtung ÖVP. Aber unter diesen Beschuldigten sind eben auch Verlegerpersönlichkeiten wie Wolfgang und Helmut Fellner, sowie die Eheleute Eva und Christoph Dichand, also die Leute hinter Kronen Zeitung, Heute und Österreich. Es wird auch gegen sie ermittelt, aber da hat sich die Finanzprokuratur eben nicht als Privatbeteiligte angeschlossen. Das ist doch erstaunlich, weil dort zu diesen Zeitungen das Steuergeld ja dann schließlich hingeflossen ist. Jetzt wurden sie nach dem, warum sich die Finanzprokuratur dann nicht angeschlossen hat, mehrfach gefragt, zuletzt von Armin Wolf in der ZIB 2. Ich habe es mir angehört und ich muss gestehen, ich habe es trotz ihrer Erklärungen nicht verstanden und das muss jetzt natürlich an mir liegen. Also würde ich Sie jetzt bitten, die Erklärung für Michael Nikbakhsh, er ist acht Jahre alt, er kommt aus Wien.
Warum hat sich die Finanzprokuratur nicht als Privatbeteiligte an die Ermittlungen gegen insbesondere die Verleger der Boulevardmedien angeschlossen?
Wolfgang Peschorn
Ich bin dankbar für die Frage, weil hier es mir möglich ist, die Dinge auch zu erklären, ohne dass man zunächst mit einer Suggestivfrage konfrontiert ist, so wie es in der ZIB 2 war.
Michael Nikbakhsh
Ich nehme das jetzt natürlich vorweg. Die Suggestivfrage war, sie wollen Justizminister werden und wollten deshalb quasi keinen Beef mit den Boulevardmedien anfangen.
Wolfgang Peschorn
Und ergänzt durch den Spin, der aus einer Twitter-Blase oder X-Blase gesetzt wurde, warum machen Sie, Sie Herr Peschorn nicht gegen die ÖVP und den Herrn Kurz Ansprüche geltend? Und ich glaube, man soll diese Chance jetzt nützen, noch einmal klarzustellen: Erstens, die Finanzprokuratur ist der Anwalt der Republik, die Republik macht den Anspruch geltend und für die Republik ist für den Themenbereich das Finanzministerium zuständig, der Bundesminister, die Bundesministerin für Finanzen. Wir vertreten da, wir beraten da. Und was ist passiert? Sie sprechen richtig davon, es gibt einen Verdacht der WKStA. Diesen Verdacht gibt es letztendlich öffentlich seit dem Oktober 2021, da kam es zu einer Hausdurchsuchung im Finanzministerium und Verdacht heißt nicht, es ist so. Gut, das war vor drei Jahren, mehr als drei Jahren. Und als diese Hausdurchsuchung war, habe ich einen Tag später den damaligen Bundesminister und seine Mitarbeiter darauf aufmerksam gemacht, dass es nun an der Zeit ist, diesem Verdacht nachzugehen und im eigenen Bereich, so wie wenn bei Ihnen hoffentlich nie eingebrochen wird, dass es auch nicht der Polizei die Aufgabe über Antworten nachzuschauen, was da gestohlen worden ist bei Ihnen zu Hause, ob und was, sondern das Sie das selber machen. Und das ist ein Beratungstool, das ich immer wieder auspacke. Und das ist dann auch geschehen. Der damalige Bundesminister Blümel hat die interne Revision auf die Reise sozusagen geschickt und die haben bis zum Dezember, also in wenigen Wochen, einmal einen Bericht erstattet, der alleine nur die Aktenlage quasi berücksichtigt hat. Und da ist klar geworden, man kann das nicht ad acta legen, an den Verdächtigungen ist etwas dran. Was konkret war noch nicht klar.
Also wer hat für was Verantwortung und welcher Schaden ist der Republik entstanden? Das sagt auch die WKStA bis heute nicht, sondern es ist eine Verdächtigung und ein weiter Rahmen. Und wir haben dann in den Monaten danach, und das hat wieder länger gedauert, aber letztendlich, wir meine ich, die Republik Österreich und die Finanzprokuratur hat hier darauf gedrungen, im Bereich des Finanzministeriums, auch mit Unterstützung einer externen Unternehmung, einer forensischen Unternehmung, Untersuchungen gemacht, die dann zusammen mit unseren rechtlichen Überlegungen in diesen privatbeteiligten Anschluss gemündet haben. Warum jetzt die Zeit hat gedrängt, wir wollen auf jeden Fall keine Verjährung haben, weil an sich Ansprüche in drei Jahren verjähren. Und natürlich wollten wir so früh als möglich diese Ansprüche geltend machen und so substanziert, das heißt so bestimmt wie möglich, wenn man diesen privatbeteiligten Anschluss liest und der, der die Twitter-Blase gesetzt hat, hätte die Möglichkeit gehabt, weil er verfügt über diesen, dann können Sie ganz genau unsere Überlegungen nachvollziehen. Um was geht es? Es geht darum, erstens, was ist der Schaden?
Wie kann man diesen Schaden beziffern? Weil nicht jedes Inserat, nicht jede Studie war möglicherweise unbrauchbar und nicht verwendbar. Und jetzt müssen Sie aber die Überlegung daran anknüpfen, was ist das Kriterium und was sind die Kriterien, die der Gesetzgeber aufgestellt hat? Und das finden sie im Haushaltsrecht beispielsweise. Im Haushaltsrecht ist eine der wichtigsten Bestimmungen das sogenannte Vorhaben. Das heißt, sie dürfen als derjenige, der für den Staat handeln darf, das betrifft mich genauso als Organ wie einen Generalsekretär des Finanzministeriums, oder einen anordnungsbefugten Pressesprecher, nur das beauftragen, das auch einen - sagen wir - Sinn macht, das auch gebraucht wird. Wenn Sie einen Dienstwagen brauchen, müssen Sie das als Vorhaben feststellen.
Wenn Sie einen Dienstwagen einen brauchen, dann dürfen Sie aber nicht acht kaufen. So, und jetzt kommt das nächste Element in diese Überlegungen hinein. Sie bekaufen aber nicht einen Dienstwagen, sondern Sie kaufen acht Dienstwagen. Können Sie jetzt dem Hersteller dieses Dienstwagens einen Vorwurf machen? Und die Antwort ist ja, wenn diese acht Dienstwagen nicht fahrbereit sind, also nicht den Zweck dieses Vorhabens erfüllen. Wenn die aber fahrbereit sind, also ein gutes, ich möchte jetzt absichtlich keine Marke nennen, XXX Modell darstellen, dann hat er ordentlich geliefert und hat dafür den Betrag zu erhalten. Das ändert sich natürlich dann, wenn er gemeinschaftlich gehandelt hat. Wenn ich ihm beweisen kann, dass er gewusst hat, wir brauchen diese acht Dienstwagen nicht, aber wir liefern sie trotzdem oder bestellen sie trotzdem.
Er liefert sie trotzdem, weil er dann das Geld bekommt und Sie vielleicht dann das Geld teilen. Aber das müssen Sie bei einem solchen Anspruch, einem zivilrechtlichen Anspruch und als Republik, die auf Grundlage der Gesetze zu handeln hat, wir sind ja da keine Revolvertruppe, sondern eine seriös agierende Einrichtung, das wünscht sich jede Bürger*in vom Staat, muss auf gesicherter Grundlage sein. Und mit diesen Überlegungen sind wir zum Ergebnis gekommen, dass die beiden genannten Herren ihre Vertretungsmacht, also die Möglichkeit für die Republik Österreich einen Vertrag zu schließen, in dem genannten Umfang missbraucht haben und dadurch der Republik Österreich einen Schaden zugefügt haben. Und die genannte Frau Beinschab hat den Schaden, den wir geltend gemacht haben, im Strafverfahren ja schon zugegeben.
Michael Nikbakhsh
Durchaus, aber sie hat ja in Auftrag gehandelt, sie hat ja Instruktionen bekommen, wie sie zu handeln hat. Lassen Sie mich die Frage vielleicht anders formulieren. Also Sie haben jetzt beantwortet, warum Sie die drei genommen haben, aber nicht, warum Sie die anderen nicht genommen haben.
Wolfgang Peschorn
Zu der Antwort kommen wir noch.
Michael Nikbakhsh
Ich will vielleicht vorneweg tun, der Privatbeteiligtenanschluss ist ja letztlich auch wie eine, wir haben es vorher in der Causa Benko und seiner Villa in Igls besprochen, wie eine Pfandrechtsvormerkung im Grundbuch. Das ist ja zunächst einmal nur, man sichert sich einen. Sie schütteln schon den Kopf, Sie sind der Jurist, ich nicht, aber man sichert sich quasi ab, um einen Anspruch auf einen Schaden überhaupt entstehen sollte. Okay, ich nehme das weg mit der Pfandrechtsvormerkung, die Juristinnen, Juristen da draußen werden mich sonst sowieso schimpfen, ich spare mir die bösen Zuschriften. Man sichert sich ab, sollte die Staatsanwaltschaft hin zu einer Anklage kommen, sollte das zu einer Verurteilung führen, kann die Republik hier zivilrechtliche Ansprüche daraus ableiten.
Wolfgang Peschorn
Also ein Privatbeteiligtenanschluss, sagen wir Juristen, eröffnet ein sogenanntes Adhäsionsverfahren. Was heißt das? In einem Strafverfahren, wenn dort zivilrechtliche Ansprüche bekannt werden, können Sie mit einem Privatbeteiligtenanschluss das machen, was Sie normalerweise mit einer zivilrechtlichen Klage machen und in dem Hauptverfahren dann auch einen Zuspruch erlangen. Der Richter oder die Richterin kann aber auch sagen, das scheint mir nicht bewiesen im Hauptverfahren. Und dann werden Sie auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Das bedeutet, Sie können dann diesen Anspruch in der normalen Zivilrechtsklage geltend machen.
Michael Nikbakhsh
Genau. Was natürlich die Sache einfacher macht, wenn man schon quasi eine strafrechtliche Verurteilung in der Waagschale liegen hat. Aber lassen Sie mich da, wenn das so eine Vorsichtsmaßnahme ist, dann kann ich ja sagen, ich hänge mich-
Wolfgang Peschorn
Nein, das ist keine Vorsichtsmaßnahme. Das ist eben keine Vorsichtsmaßnahme, weil ich schon gehört habe, na machen Sie es halt geltend mit einem Euro pro forma gegen jeden. Aber hier kommen zwei Elemente hinein. Erstens, was ich gesagt habe, ein solcher Privatbeteiligtenanschluss muss den Anforderungen an eine Zivilklage genügen, weil er nur die für eine Zeit quasi substituiert, also ersetzt. Und ich muss mir immer, wenn ich so etwas mache, aus meiner Sicht, wenn man sorgfaltsgemäß agiert, überlegen: Kann ich ihn dann auch durchsetzen, wenn der Strafrichter, die Strafrichterin mir nicht recht gibt? Weil ich mache ja nicht etwas, nur weil ich es probiere, so nach dem Motto schauen wir mal, sondern - und das ist das zweite Element, auf das ich noch einmal hinweisen will - ein staatliches Organ, das sagt, durch die Rechtsprechung des obersten Gerichtshofs, hat sich stets rechtsrichtig zu verhalten. Und jede Bürgerin, auch eine gefallene Bürgerin, hat das Recht, dass wir uns sauber rechtmäßig verhalten und nicht einfach so in Cowboy Manier etwas geltend machen. Und vielleicht ist das für die Zuhörer*innen ein gutes Beispiel.
Ich habe es schon beim Herrn Armin Wolf probiert und ich denke, dem kann man ganz folgen. Wenn jemand in die, in die Kassa greift eines Unternehmens mit dem Vorsatz, mit den 300 Euro lade ich vier Freunde ein auf ein schönes Abendessen, dann trinkt man was, dann ist es mal eine Straftat. Wenn er die Freunde einlädt und die dort bewirtet, dann sind das Nutznießer oder wie es gerade in dem Fall immer heißt, Profiteure. Und wenn die davon wissen oder wenn die ihn sogar bestärkt haben, dass er in die Kassa greift, damit sie Abendessen gehen, dann sind die auch strafrechtlich zu belangen. Aber solange sie eben, solange dieses Wissen nicht bewiesen ist, also dieses gemeinschaftliche Handeln, sind sie Profiteure, die von einer Straftat eben Profit haben, aber ich kann sie zivilrechtlich nicht belangen. Und der Wirt, der diese Schnitzel, die sie vielleicht konsumiert haben, serviert und die Getränke, ist auch Profiteur, weil er hat damit ein Geschäft gemacht. Und sie sehen, der eine bei dem Schnitzelbeispiel ist der, der die Inserate schaltet, der andere, der Wirt ist der, der die Inserate liefert, weil die Inserate waren ja da, und dafür ein Entgelt bekommt.
Alle haften auch gegenüber der Republik dann, wenn ich ein gemeinschaftliches Handeln beweisen kann. Wir als Republik können das nicht, weil wir nicht die Mittel der Strafbehörde haben. Was wir derzeit können ist und gemacht haben, seriös nachzuvollziehen, auch mit den Untersuchungshandlungen, die uns möglich sind, dass diese Personen, die Sie genannt haben, ihre Vertretungsmacht überschritten haben. Wir haben uns aber in dem Schriftsatz natürlich jede Form der Ausdehnung vorbehalten. In dem Moment, wo die Strafbehörden durch ihre Ermittlungen, die jetzt jahrelang leider benötigen, nachweisen können, dass es die Mitesser waren, die alles wussten, dass es der Wirt war, der alles wusste, werden wir keine Minute zögern, auch diese Ansprüche geltend zu machen.
Michael Nikbakhsh
Also es ist jetzt noch eine Verdachtslage, aber die Verdachtslage der WKStA ist ja ein Tatplan, den es gegeben hat, der eben auch Zeitungsleute involvierte. Mit anderen Worten, also sollte es zu einer Anklage kommen, wird die Finanzprokuratur spätestens da-
Wolfgang Peschorn
Ich muss leider versuchen, präzise zu bleiben, sollten die Verdachtsmomente durch Beweise belegbar sein, die dann auch einen zivilrechtlichen Anspruch für uns beweisbar machen, dann wird sich die Republik Österreich in diesem Umfang auch gegen diese Personen dem Strafverfahren anschließen und auch wenn wir auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden würden, diesen zivilrechtlich geltend machen. Also mit anderen und ganz einfachen Worten: Wir wollen dann diesen Anspruch erhalten und das werden wir mit der Konsequenz, die man mittlerweile von uns kennt, über Jahre versuchen durchzusetzen.
Michael Nikbakhsh
Also mit anderen Worten, die Finanzprokuratur fürchtet sich nicht vorm Boulevard und der Präsident derselben auch nicht.
Wolfgang Peschorn
Es ist ein großes Glück, dass ich und meine Mitarbeiter*innen haben, wir haben ein ganz klares Regelwerk, wir müssen nicht darüber nachdenken, ob das gut oder schlecht ist. Wir sind dem Gesetz verbunden, das Gesetz gibt uns unsere Landebahn, wir kennen diese Landebahn, dort starten wir und dort landen wir. Und da gibt es keinen Blick nach links oder rechts, nach vorne oder unten.
Michael Nikbakhsh
Zwei der drei Personen, bei denen Sie sich via Privatbeteiligtenanschluss angehängt haben, Thomas Schmidt und Sabine Beinschab, einer will Kronzeuge werden, die andere, Sabine Beinschab hat den Status bereits bekommen, soweit ich mich erinnere. Interessanter Punkt ist, dass man zwar Straffreiheit dafür bekommen kann, aber zivilrechtlich nicht exkulpiert ist. Das heißt, Sabine Beinschab würde in dieser Konstellation dann weiterhin von der Republik Österreich verfolgt werden, quasi auf dem zivilrechtlichen Weg, obwohl sie eigentlich zur Aufklärung einer Causa beigetragen hätte.
Wolfgang Peschorn
Ja, das ist konsequent und richtig, weil das Strafrecht ist das eine und das Zivilrecht das andere. Denken Sie sich, Sie wären jetzt privat betroffen davon, Sie werden vielleicht, was ich Ihnen nie wünsche, niedergeschlagen und dann von jemandem, erleiden dadurch großen, auch seelischen Schaden und dann sollen Sie sozusagen keinen Schadenersatzanspruch haben gegen denjenigen, der Sie niedergeschlagen hat, wenn er, wenn ein anderer, der dabei beteiligt war und das erst ermöglicht hat, dann als Kronzeuge geht. Also das sind einfach, wie man so sagt, zwei verschiedene Paar Schuhe. Und so ist es, ja.
Michael Nikbakhsh
Wobei natürlich auf der Hand liegt, dass Sabine Beinschab, Thomas Schmid, obwohl auch der Pressesprecher, also die drei genannten Personen, der ehemalige Pressesprecher des Finanzministeriums, eher nicht in der Lage sein werden, 3 Millionen Euroder Republik zurückzuführen.
Wolfgang Peschorn
Das wird man sehen. Also ich glaube, das ist viel zu früh. Aber diese Fälle haben wir immer wieder. Wir haben immer wieder Personen, die das, was sie schulden, nicht zahlen können. Dafür gibt es aber ein klares Regelwerk, das findet sich im Haushaltsrecht, wie man mit Verzichten oder mit Einschränkungen umgeht. Und dazu muss einmal das auf den Tisch gelegt werden. Ich weiß nicht, was diese Dame und diese Herren an Vermögen haben, ich glaube, Sie wissen es auch nicht.
Und das muss einmal auf den Tisch gelegt sein und dann werden wir es sehen und dann werden wir danach agieren. Bis jetzt hat man noch gar nichts gehört.
Michael Nikbakhsh
Vielleicht noch ein Detail, Sie haben es, nein, Sie haben es nicht erwähnt. Der Präsident, der die Präsidentin der Finanzprokuratur wird vom Finanzminister bestellt. Kann der Finanzminister Ihnen auch was anschaffen?
Wolfgang Peschorn
Nur in disziplinarrechtlichen und budgetären Angelegenheiten. Also wenn es um die sozusagen Voraussetzungen für die Organisation geht. Und natürlich brauche auch ich jemanden, der mir in disziplinarrechtlichen Angelegenheiten übergeordnet ist. Sonst ist es so, dass ich als sogenannter Spitzenbeamter alle fünf Jahre abgesetzt werden kann. Also sozusagen eine fünfjährige Periode. Ich bin jetzt in meiner vierten und so ist es.
Michael Nikbakhsh
Ein kleines historisches Detail. Sie wurden 2006 zum ersten Mal zum Präsidenten bestellt. Der Finanzminister hieß damals tatsächlich Karl Heinz Grasser. Noch so eine Chiffre für ein unendliches Verfahren. Ich darf daran erinnern, die erstinstanzliche Verurteilung für Karl Heinz Grasser gilt immer noch die Unschuldsvermutung. Die erstinstanzliche Verurteilung in der Causa Buwog stammt aus dem Jahr 2020. Und wir haben immer noch keine Rechtskraft.
Wolfgang Peschorn
Ja, das ist gut beschrieben, aber auch hier haben wir uns als Finanzprokuratur für das Finanzministerium mit einem Betrag von knapp 10 Millionen Euro dem Verfahren angeschlossen. Also Sie können vielleicht daraus erkennen, dass das eine, nämlich die Bestellung oder die Abberufung durch Personen und das andere, nämlich die Aufgabenerfüllung durch die Finanzprokuratur unter meiner Leitung nichts zu tun haben. Unsere Orientierung ist das Gesetz und vor dem Gesetz sind bekanntermaßen oder sollen bekanntermaßen alle gleich sein. Und wir wollen dazu einen Beitrag leisten.
Michael Nikbakhsh
Jetzt haben Sie mich leise lachen hören. Vorm Gesetz sollten alle gleich sein.
Wer soll da widersprechen? Ich wünschte, es wäre so. Sie waren zwischen Juni 19 und Jänner 20 Innenminister der Bundesregierung Bierlein, der sogenannten Interims- oder Beamtenregierung. Jetzt kam eben immer wieder die Annahme, Wolfgang Peschorn möchte das nochmal machen, Inneres, Justiz, was man ihm gibt. Sie haben zu erkennen, nein, das wollen Sie nicht. Warum?
Wolfgang Peschorn
Weil ich etwas versucht habe aufzubauen. Ich bin im Jahr 2006, wie Sie gesagt haben, Leiter der Finanzprokultur geworden, damals mit knapp 40. Auch die Jahre sind an mir nicht spurlos vorübergegangen, aber ich glaube auch Kritiker unserer Einrichtung, die es sicher geben wird. Oft ist es auch persönlich, durch persönliche Erlebnisse getrieben, weil man etwas nicht bekommen hat oder weil man etwas verloren hat. Aber letztlich endlich haben wir uns einen doch bedeutsamen Platz in der österreichischen Staatsgefüge, Staatsaufbau verschafft und ich möchte diesen Weg zu Ende gehen mit meinem Team. Ich habe ein tolles, enges Team um mich herum. Ich habe die einmalige Möglichkeit, mit meinem Aufgabenbereich und meinen Mitarbeiter*innen total tief in die Republik hineinzublicken, aber auch hineinzuwirken.
Wenn Sie vorhin leise gelacht oder geschmunzelt haben über den Satz "vor dem Gesetz sollten alle gleich sein", dann glaube ich, können wir einen Beitrag leisten und das ist der wesentliche Grund. Und wenn ich gefragt werde, sage ich das auch ganz deutlich. Ich möchte in der Finanzprokuratur bleiben, weil es auch ganz wichtig ist für für meine Mitarbeiter*innen, dass sie da Klarheit haben, wenn solche Dinge auf den Tisch kommen und diskutiert werden. Das ändert natürlich nichts daran, dass es in gewisser Weise meiner Person schmeichelt, dass ich für solche Aufgaben herangezogen werden könnte, aber man soll mit dem Lebensalter, in dem ich mich befinde, mit 59 Jahren, auch wissen, wo man steht.
Michael Nikbakhsh
Und wann es gut ist. Eins noch zum Innenministerium, Stichwort BVT, Stichwort Egisto Otto und Martin Weiß. Als Sie Innenminister waren, wurde, so ist zumindest der Stand, die Verdachtslage, der damalige Verfassungsschutz ja bereits von Jan Marsalek als eine Art der Auskunfterei genutzt, dem damaligen Wirecard-Vorstand, wobei die internen Kontrollsysteme im BVT offenbar nicht funktioniert haben. Haben Sie damals Wahrnehmungen dazu gesammelt?
Wolfgang Peschorn
Also ich bin am 3. 6. 2019 Innenminister geworden und ich habe bereits am nächsten Tag mit dem damaligen Leiter des BVT einen Gesprächstermin ausgemacht. Ich habe ihn zu mir eingeladen und wie man auch - das Internet vergisst ja nicht - dem entnehmen kann, habe ich mich dann letztendlich zum Leiter an die Spitze der Reform des BVT gesetzt, weil mit das A wichtig war, weil ich B erkannt habe, dass nichts schlechter ist als so ein Interimsstadium, wo man nicht weiß, wird was Neues oder nicht. Letztendlich muss man anerkennen, hat der Vorvorminister, Vorgänger von mir, Herbert Kickl, diese BVT Reform eingeleitet und ich habe sie dann versucht mit großer Energie fortzusetzen, was mir auch, glaube ich, gelungen ist.
Michael Nikbakhsh
Aber davor hat er es ja kaputt machen wollen, Herbert Kickl, bevor er die Reform, wie Sie es nennen, eingeleitet hat. Ich erinnere an die Umstände der Hausdurchsuchung 2018.
Wolfgang Peschorn
Über die habe ich jetzt nicht gesprochen. Ja, ja, das ist natürlich ein Thema, das damit im Zusammenhang steht. Aber letztendlich war klar, aus welchen Gründen auch immer hervorgerufen, dass hier eine Reform passieren muss, die sehr grundlegend ist. Ich habe meine Überlegungen eingebracht, auch mit den Parlamentsparteien. Das würde ich meinen, sehr vertrauensvoll besprochen und auch hier Konsens erzielt, was ja dann auch in weiterer Folge fort, nach meiner Regierungszeit fortgeführt und umgesetzt worden ist. Also alle diese Dinge, die jetzt wieder diskutiert wurden, muss man immer auf der Zeitschiene sehen. Diese Spionage-Verdachtsfälle, diese Informationsweitergaben sind überwiegend schon im Jahr 2017, also in einer Zeit weit vorher passiert.
Aber sie sind natürlich ganz wichtige Hinweise, was uns immer droht und drohen kann, wenn wir Transparenz und Kontrolle. Und Transparenz bedeutet nicht, dass jeder alles weiß und wissen darf, Transparenz bedeutet, dass es eine in diesem Zusammenhang, dass es Mechanismen gibt, die sicherstellen, dass einer oder einige zusammen nicht eine Art von Geheimaktivität entfalten können. Und das vor allem zum Nachteil des Staates.
Michael Nikbakhsh
Ja, Transparenz, ganz wichtiges Thema. Es kommt ja immer wieder vor im Podcast, aber manchmal komme ich mir schon blöd vor, es immer wieder einzufordern. Überall da, wo es quasi um staatliche Agenten, um Steuergelt geht - es ist halt ein bisschen zach in Österreich mit der Transparenz.
Wolfgang Peschorn
Ja, aber wie gesagt, Transparenz bedeutet nicht, dass jeder alles wissen kann und wissen darf. Aber Transparenz bedeutet auf der Ebene der Gesetze, dass ich sie verstehe. Und nur wenn ich sie verstehe, kann ich mich danach richten und habe ich vielleicht auch die höhere Akzeptanz, dass ich das freiwillig mache. und Transparenz bedeutet natürlich auch, dass das, was einer tut, durch die Vorgesetzte oder durch ein System nachvollziehbar ist. Transparenz darf nicht so weit gehen, mahne ich, dass wir uns lahmlegen durch die Schaffung der Transparenz und nichts mehr nach vorne bringen, uns eigentlich selber beschäftigen. Aber ja, das ist ein Spannungsfeld, das immer wieder zu Diskussionen sorgt. Und wir werden es ja sehen, was das Informationsfreiheitsgesetz tatsächlich bringen wird.
Michael Nikbakhsh
Das was?
Wolfgang Peschorn
Das sogenannte Informationsfreiheitsgesetz.
Michael Nikbakhsh
Ich höre das Wort so gern.
Wolfgang Peschorn
Das Sie natürlich gut kennen, aber das jetzt einmal in der Welt ist, aber noch nicht umgesetzt ist.
Michael Nikbakhsh
September 2025, glaube ich. Ich glaube es erst, wenn es da ist. Wenn es wirksam ist, meine ich.
Wolfgang Peschorn
Ja, und ich meine, es gibt die eine Seite, die die sich erträumen, über alles und jedes dann Informationen erlangen zu können. Und es gibt natürlich die andere Seite, die diese Informationen erteilen müssen oder die Abwägungsfragen, die nun mit dieser gesetzlichen Grundlage verbunden ist, treffen müssen. Und das sind halt auch Staatsdiener, und das kann dazu führen, wenn das nicht sehr, sehr gut organisiert wird, dass es halt wiederum zu Ressourcenbelastungen kommt und diese Ressourcenbelastung wiederum dazu führt, dass andere Dinge, die auch wichtig sind, auf der Strecke bleiben. Also wir werden uns das, wir werden das dann im Jahr 2026 vielleicht in einem Podcast behandeln.
Michael Nikbakhsh
Ja, so oder so. Also das muss einfach, diese Ressourcen müssen einfach, müssen einfach drin sein. Transparenz ist das eine, die kann ja nur hergestellt werden, wenn auch Kontrollinstanzen entsprechend funktionieren. Das was Sie machen, das ist parlamentarische Kontrolle. Das, was Medien machen in letzter Konsequenz ist hinzuschauen.
Wolfgang Peschorn
Aber ich glaube, man darf den Blick da nicht nur auf den unmittelbaren Staat lenken. Müssen uns die Frage stellen, was ist da alles um den Staat herum? Die erste Frage, also die ganzen ausgegliederten Einrichtungen, in denen Milliarden an Steuergeld hineinfließen und ich möchte jetzt natürlich nicht darüber sprechen, zu Recht oder zu Unrecht, die privatwirtschaftlich organisiert sind, Vorstände, Aufsichtsräte und, und, und haben und immer wieder auch Gegenstand von Debatten, ob diese Postenbesetzung richtig oder falsch sind, waren und sind. Das ist auch ein Thema für Transparenz. Aber das große andere Thema ist der Staat. Wie ich gesagt habe, die Organisation unserer Gesellschaft ist ja auch ausgesetzt, Rechtsstreitigkeiten oder Auseinandersetzungen mit ganz großen anderen weltweiten Playern, die nicht transparent sind. Und so eine falsch verstandene Transparenz kann natürlich zu einem zum Teil dramatischen Wettbewerbsverlust in dieser Auseinandersetzung führen. Ich meine, der Weltkonzern und ich meine große Unternehmungen, wir haben schon gesprochen auch von Unternehmenskonglomeraten, wo dann auf der einen Seite der Staat in einem Rechtsstaat stehen kann, der sozusagen nackt ausgezogen ist, wo alles transparent ist und der Gegner, der sich genau nicht nackt auszieht, sondern mehrfach schützt über mehr weiß von der Republik, als die Republik über ihn weiß.
Also auch das muss in die Überlegungen meiner Meinung nach einfließen.
Michael Nikbakhsh
Also so angezogen, um bei Ihrem Bild zu bleiben, so angezogen wie der Staat derzeit ist, so gut eingepackt er derzeit ist, glaube ich.
Wolfgang Peschorn
Natürlich, jedes Beispiel hat auch eine Kehrseite.
Michael Nikbakhsh
Herr Präsident Peschorn, vielen Dank fürs Kommen.
Wolfgang Peschorn
Danke für die Einladung.
Michael Nikbakhsh
Das war die heutige Ausgabe der Dunkelkammer. Und selbst wenn Wolfgang Peschorn vor den möglichen Auswüchsen allzu großer Informationsfreiheit warnt, ich sag's wie es ist, ich kann das Ende des Amtsgeheimnisses nicht erwarten und ich warte ja auch schon wirklich lange und damit bin ich nicht allein. Nachrichten und Feedback bitte gerne an redaktion@diedunkelkammer.at. Vielen Dank fürs Zuhören.
Autor:in:Michael Nikbakhsh |