Das Orakel
Ein Jahr „Das Orakel“. Wir blicken zurück und fragen uns: Hält die FPÖ heute tatsächlich bei 36 Prozent?

- hochgeladen von Michael Stebegg
Die 27. Folge von "Das Orakel" ist zugleich unser 1-Jahr-Jubiläum. Darum freuen wir uns ein bisschen – aber vor allem blicken wir zurück auf das vergangene, sehr ereignisreiche Jahr. Wir schauen uns an, was alles passiert ist und wo wir heute stehen. Und gehen der Frage nach, ob die FPÖ derzeit tatsächlich bei 36 Prozent steht?
Peter Hajek
Mein Punkt ist der: Ich frage mich gerade oder ich habe mich schon gefragt – und ich habe natürlich auch eine Antwort darauf: Warum eine Partei, die sich so dem Thema Corona annimmt, nicht das Gesundheitsministerium wollte?
Michael Stebegg
Warum?
Peter Hajek
Das kann ich dir sagen: Weil es nichts zum Gewinnen gibt!
Willkommen zum demoskopischen Podcast "Das Orakel". Mein Name ist Peter Hajek. Ich bin Meinungsforscher und Politikwissenschaftler und schaue mit Ihnen in die politische Gegenwart, immer wieder in die Vergangenheit und ab und zu auch in die Zukunft, die ja bekanntermaßen schwer zu prognostizieren ist.
Michael Stebegg
“Schönen guten Tag, meine Damen und Herren, zur 1. Folge von 'Das Orakel'. Ich bin Michael Stebegg und mein Gesprächspartner heute und wahrscheinlich für die nächsten 3 Jahrzehnte ist Meinungsforscher Peter Hajek.” – liebe Hörerinnen und Hörer, so klang das Orakel vor exakt einem Jahr und damit hallo und herzlich willkommen zur 27. und ein Jahres Jubiläumsfolge. Mein Name ist Michael Stebegg und mir gegenüber sitzt immer noch Meinungsforscher Peter Hajek. Lieber Peter, Happy Orakel Birthday!
Peter Hajek
Willst du nicht noch ein leider hinzufügen?
Michael Stebegg
Nein, ich freue mich tatsächlich.
Peter Hajek
Also: Hallo Michi, ich freue mich auch. Ein Jahr ist toll!
Michael Stebegg
Was macht man so, wenn ein Jubiläum ansteht und dräut? Man blickt selbstverständlich zurück. Deswegen machen wir das auch. Also, wir werden uns anschauen, wie war die Lage vor exakt einem Jahr, als wir gestartet sind? Was ist in dem Jahr passiert? Und dann schauen wir uns passend dazu an, wie die Lage heute ist. Dazu haben wir eine Umfrage, die zwar nicht von dir ist, sondern die in der Krone publiziert ist und die werden wir uns anschauen.
Bevor wir aber dazu kommen, wir haben ja letztes Mal unsere Hörerinnen und Hörer dazu aufgerufen, uns Fragen rund um den Podcast zu stellen und aus diesen vielen Zuschriften, die uns dankenswerterweise erreicht haben, haben wir 3 ausgewählt, die wir uns nun genauer anschauen und vollumfänglich beantworten wollen. Und die erste Frage war: 'Liebes Orakel, skriptet ihr den Podcast?'
Ich schon, aber dann kommt der Herr Hajek und wirft alles über den Haufen.
Peter Hajek
Ja, also wir skripten es ja bekanntermaßen nicht, sondern wir haben einen ungefähren Leitfaden, wo meistens ich den inhaltlichen Input bringe. Und wo ich zu Michi sag, also zu dir, ich glaube, wir machen das so und sonst, ich habe da und deine Umfrage. Aber wir skripten es nicht durch, weil wir finden, dass dann die Spontaneität verloren geht.
Michael Stebegg
Genau, sonst wär sehr langweilig. Aber natürlich, ich habe einen Fragen- und Input-Leitfaden und in meinem Rechner auch immer die für die Folge relevanten Zahlen und Umfragedaten, auf die ich dann hoffentlich exakt und korrekt zugreife …
Peter Hajek
Sagen wir meistens.
Michael Stebegg
Die zweite Frage, die uns erreicht hat, ist eigentlich keine Frage. Ein Hörer hat uns geschrieben und ich lese vor: Peter Hajek freut sich über Platz 1 für Rapid, dann kann er auch froh sein über einen dubiosen Elfer Pfiff in der 89. Minute beim Cup-Spiel in Innsbruck. Was sagt der Fußballexperte?
Peter Hajek
Na ja, also wir haben ein bisschen ein Running Gag hier mit mit Rapid, wobei ich betonen möchte, es es sind auch alle anderen Hörerinnen und Hörer von anderen Vereinen natürlich herzlich willkommen. Auch selbstverständlich von den Veilchen. Was sagt der Meinungsforscher darauf oder der Fußballexperte? Der sagt darauf: Ja, für manche Elferentscheidungen braucht man heute auch ein Orakel. Das ist dann der VAR (Video Assistant Referee) und es gibt dann tatsächlich Elferentscheidungen – das möchte ich jetzt nicht bezogen wissen auf den auf den Cup Elfer, weil ganz ehrlich, ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnern und ich habe es jetzt nicht nachgeschaut. Aber es ist, obwohl man versucht hat den Elfmeter genau Regel-konform zu fassen, wird es eigentlich immer unübersichtlicher.
Michael Stebegg
Wie VAR, wie VAR. Passt eigentlich ganz gut zur dritten und das ist eigentlich eine ernste Frage. Was wir immer wieder gefragt werden: Wie unabhängig seid ihr wirklich, also politisch?
Peter Hajek
Na ja, wir sind insofern politisch unabhängig. Also, machen wir es mal so. Du beantwortest es dann für dich, ich beantworte das mal für mich. Also ich mache, im engeren und erweiterten politischen Umfeld, Umfragen. Wir machen das für alle Parteien. Das heißt, das ist schon einmal unsere Unabhängigkeit. Wir sind nicht auf eine Partei gebucht. Ich habe sogar mal im Herbst 2018 in Wien, glaube ich, für 4 Parteien Umfragen gemacht. Und die haben alle voneinander gewusst. Und ich habe gesagt, ja, aber da mache ich auch gerade eine. Ja ja, das wissen wir eh. Aber wir wollen den Blick von außen, von dir. Und es gibt ja da unterschiedliche Ebenen in der Zusammenarbeit. Bei manchen bist du enger getaktet, bei anderen, die kommen und sagen wir hätten gerne eine Umfrage und dann kannst du wieder gehen.
Und was wir schon in diesem Podcast auch immer gemacht haben, wenn es ein sehr spezifisches Parteienthema gibt, wo ich gerade ein Mandat habe, dann wird es offengelegt. Also zum Beispiel das weiß man mittlerweile österreichweit, dass ich für die Sozialdemokratie im Burgenland seit 2012 Umfang mache. Und es ist ja auch ein Schutz für mich. Ich lege das offen und sag: So und jetzt könnt ihr mit meiner Aussage … könnt ihr die bewerten wie es ist. Wichtig ist die Transparenz, die dann wieder für Unabhängigkeit sorgt.
Michael Stebegg
Genau. Und in deinem und auch in meinem Fall zitiere ich dich und du hast das schon zitiert, nämlich: 'Wer aufgelegt wird, wird aufgeschnitten.' Will einfach heißen, dass – wenn wir ein Naheverhältnis, in meinem Fall zu einem Kunden, haben, dann wird es natürlich entsprechend exakt kommuniziert. Als Beispiel: Im Wien Wahlkampf habe ich für die NEOS gearbeitet und das haben wir im entsprechenden Podcast dann ganz klar dargelegt.
Peter Hajek
Ja. 'Wer wer aufgelegt wird, wird aufgeschnitten.' ist ja vom Meinrad Knapp?
Michael Stebegg
Genau, ich habe ja gesagt: Du hast jemanden zitiert.
Peter Hajek
Ja genau, richtig. Das ist vom Meinrad. Der das ja – wir haben das Thema ja auch bei ATV die Woche. Also besser gesagt, ich habe das Thema, weil der Thomas Hofer, mein Kompagnon, ist ja nicht in der klassischen politischen Beratung tätig. Aber wer aufgelegt wird, wird operiert.
Michael Stebegg
Das war es jetzt zu den Hörerfragen. Weiter im Jubiläumspodcast mit dem, wie es sich gehört, Rückblick. Unsere 1. Folge ist ja knapp vor den damaligen Nationalratswahlen erschienen. Und ich möchte dich jetzt loben für 2 Umfragen, die dann rückblickend ziemlich genau getroffen haben. Das heißt also, wir sind kurz vor der Nationalratswahl 2024 gestartet. Jetzt haben wir September 25. Würdest du sagen, dass es innenpolitisch betrachtet ein außergewöhnliches Jahr war?
Peter Hajek
Ja, natürlich war es das, weil wir insbesondere bei der Nationalratswahl 2024 ein paar, wenn du so willst, Highlights hatten oder oder Rekorde gebrochen wurden. Also die Freiheitliche Partei war bei einer Nationalwahl zum ersten Mal Erster, die SPÖ war zum ersten Mal Dritter bei einer Nationalratswahl und NEOS lag zum ersten Mal vor den Grünen bei einer Nationalratswahl. Also, es hat hier schon auch nicht nur tektonische Verschiebung geben, sondern wirkliche Verschiebungen am Wählermarkt.
Und auch alles, was dann darauf gefolgt ist, insbesondere Koalitionsverhandlungen, auf die wir dann auch noch kurz eingehen werden, sind schon ganz, ganz neu gewesen in der Zweiten oder für die Zweite Republik. Und dann kommt halt noch das ganze Umfeld hinzu, also dass wir eine herausfordernde wirtschaftliche Situation haben, die ja nicht nur Österreich trifft, sondern eigentlich die ganze Welt.
Wir haben wieder zunehmende kriegerische Auseinandersetzungen. Wir haben Krisenherde auf der Welt, alles natürlich noch dazu getrieben durch die Digitalisierung. Weil let's face it: vor 50 Jahren hätte ein Fall wie Charlie Kirk wahrscheinlich in Österreich keine großen Wellen geschlagen. Wir haben gesagt, aha, gut, da wurde ein republikanischer Unterstützer ermordet, aber das wäre es dann gewesen und das hat natürlich auch mit der mit der Digitalisierung zu tun. Und wir sind bei allen Dingen des Lebens, auch bei solchen tragischen, ich möchte nicht sagen Auseinandersetzungen, aber der tragischen Vorfällen als auch bei kriegerischen Auseinandersetzungen live dabei.
Ich meine, das hat ja damals schon beim Irakkrieg begonnen, Anfang der Nullerjahre. Und das alles. verändert unsere Sicht der Dinge auf die Welt und das das tut was mit uns. Also insofern ja, das ist ein sehr herausforderndes, ein sehr ereignisreiches Jahr auch für die Republik Österreich.
Michael Stebegg
Weil nicht nur Nationalratswahl war, es ist ja auch, sind viele weitere Wahlen passiert. Also die Nationalratswahl war am 29. September, dann kam die Landtagswahl in Vorarlberg am 13. Oktober. In der Steiermark wurde am 24. November gewählt. Im Burgenland dann am 19. Jänner und schlussendlich auch noch die Wien Wahl, die vorgezogen wurde, die dann am 27. April stattgefunden hat. Und das ganze eigentlich begleitet von einer der längsten Regierungsbildungen in der Geschichte der Zweiten Republik.
Peter Hajek
Ja, okay, pass auf. Machen wir noch einmal einen einen kurzen Step zurück und bleiben wir noch mal ganz kurz vor der Nationalratswahl. Und bleiben auch noch mal beim Podcast. Wir haben den ja dann relativ schnell ins Leben gerufen. Also du erinnerst dich, ich hatte ja im August die Idee oder das Bedürfnis zu sagen: OK, machen wir da was. Weil ich auch mit dem Profil einen Podcast hatte, der ganz gut gelaufen ist, der dann leider eingestellt wurde. Und dann hab ich mir gedacht, na dann machen wir das. Und das musst du dann ganz, ganz schnell gehen. Wir haben dann binnen 3 Wochen, glaube ich, das aus dem Boden gestampft. Und das Interessante ist ja: eigentlich wäre ja der Michi Stebegg nicht vorgesehen gewesen als Interviewer.
Michael Stebegg
Ich sitz aber trotzdem da.
Peter Hajek
Aber weil derjenige, den wir da eingeplant hätten, nicht konnte …
Michael Stebegg
Danke an denjenigen!
Peter Hajek
… habe ich dir das damals eigentlich erzählt, weil ich wollte, dass du das Logo machst.
Michael Stebegg
Ich bin Werber by the way.
Peter Hajek
Genau richtig … so by the way. So und ich erzähle dir die Geschichte und du sagst zu mir: Ja, aber ich dir das! Genau so haben wir halt begonnen. Und wir haben das deshalb ganz schnell aus dem Boden gestampft, weil ich ja wusste, dass das alles, was du vorher aufgezählt hast, kommt.
Ja, du hast recht. Darauf möchte ich auch noch mal verweisen, dass wir wirklich gute Umfragen hatten vor der Nationalratswahl. Das ist aber übrigens kein großes Ding. Nationalratswahlen werden, wie schon der Kollege Ennser-Jedenastik von der Politikwissenschaft mal festgestellt hat – und der ist wirklich profunder Kenner der der Lage und der Szene. Wie gesagt, seit 30 Jahren werden Nationalwahlen eigentlich sehr sehr gut eingeschätzt. Wir haben nur partiell Probleme in den Bundesländern, zum Beispiel Kärnten ist wahnsinnig, also wirklich, mühsam …
Michael Stebegg
Und die Trendprognose.
Peter Hajek
Ja, das auch. So, dann kam diese wirklich ganz neue Nationalratswahl auf uns zu – also die die Nationalwahlen waren nicht neu, aber das Ergebnis. Und das hat natürlich dann Wellen ausgelöst, auch für die kommenden Landtagswahlen. Und man hat schon gesehen, dass sich die die dortigen Parteien zu positionieren beginnen. Und jetzt fassen wir das – ich mache das jetzt in einem quasi Zeitraffer – zusammen.
Also, wir haben die Landtagswahl gehabt in Vorarlberg gehabt und da hat man schon gesehen, wohin da der Hase läuft, weil die Freiheitliche Partei hat damals von einem sehr niedrigen Niveau – muss man dazu sagen, die haben damals 2019 gewählt: Ibiza. Also wurden damit in die Tiefe gerissen – die stiegen wieder auf 28%.
Michael Stebegg
Ein Plus von 14%.
Peter Hajek
Genau, 14 Prozentpunkte. Und die Freiheitliche Partei war aber immer in Vorarlberg schon relativ stark, war auch schon einmal in einer Koalition mit der ÖVP. So, die die ÖVP hat damals verloren 5 Punkte und lag dann bei rund 38% und die beiden haben eine Koalition gebildet. Was wie gesagt in in Vorarlberg nothing new war.
Darauf folgte die steirische Landtagswahl. Also, die ÖVP hat Platz 1 verloren in der Steiermark und die Freiheitlichen unter Mario Kunasek haben 35% gehabt oder bekommen. Wir wussten aus den Umfragen schon, dass das sehr hoch gehen wird. Man hat auch mit einem Plus von 30 gerechnet. Dass es auf 35% ging, das hat man vorab nicht so gesehen. Die Sozialdemokraten haben leichte Verluste gehabt. So und was war das Interessante jetzt: nicht nur, dass eben die Freiheitlichen seitdem einen Landeshauptmann stellen – und das ist der erste Landeshauptmann seit Jörg Haider in Kärnten – war es auch noch so, dass sich auch die Sozialdemokraten unter Anton Lang zu einer Koalition oder für eine Koalition mit den Freiheitlichen bereit erklärt haben als Juniorpartner.
Und das war relativ neu und das war natürlich für für die Löwelstraße und Babler und sein Team natürlich schwer zu nehmen. Aber die Sozialdemokratie, die es jetzt erstmals nicht in Regierung geschafft haben, es gibt auch dort eine Koalition aus Blau und Schwarz jetzt. Aber die Sozialdemokratie ist zum ersten Mal in der zweiten Republik in der Steiermark aus der Landesregierung geflogen. Weil die hatten nämlich ein Proporz System, glaub ich bis 2014 und das hat man dann mit ÖVP und SPÖ Stimmen aufgelöst. Und jetzt gibt es eine klassische Koalitions-Regierung und das heißt, man ist erstmals nicht dabei und das ist für die für die Sozialdemokratie neu, die müssen sich dort erst einmal neu sortieren. So, dann kam … möchtest du was sagen, Michi?
Michael Stebegg
Nein, ich lausche gebannt …
Peter Hajek
… dann kam das Burgenland. Auch sehr sehr spannend – was wird dort passieren? Die Vorzeichen waren Vorderhand einmal keine rosigen, weil bei der Nationalratswahl, also bei der Nationalratswahl im Burgenland, gab es 3 Parteien, die gleichauf lagen: nämlich ÖVP Freiheitliche und die SPÖ. Und die SPÖ war da sogar, glaube ich, knapp Dritter. Es lagen alle bei plus minus 30%.
Dann kamen Journalistinnen und Journalisten zu mir und haben gesagt: ja, das wird der Doskozil bei der Landtagswahl nach dem Ergebnis nie schaffen. Und da muss man sagen, das hat mich dann in der Analysefähigkeit der Kolleginnen und Kollegen aus den Medien doch … also das hat mich erschüttert, weil es war ganz klar. Also ich hab denen gesagt: Der gewinnt das haushoch …
Michael Stebegg
… weil 2 Paar Schuhe.
Peter Hajek
Na vollkommen! Weil ich wusste ja aus den Umfragen für die SPÖ Burgenland, dass Babler einfach dort nicht ankommt. Er kommt einfach nicht an. Jetzt kannst du jetzt drehen und wenden, dass das unfair ist oder nicht unfair und wieso ist es so? Es ist halt einfach so. Und Doskozil kommt extrem gut an. Warum ist das so? Weil wir haben auch im Vorfeld damals abgetestet: Wer hat die größere Themenkompetenz, nämlich Doskozil oder Norbert Hofer, sein großer Herausforderer? Und es war klar, dass die ÖVP auf Platz 3 zurückfahren wird. Das ist auch neu im Burgenland gewesen. Und Hofer war eben sehr, sehr stark, der hat auch die Freiheitliche Partei auf 23% hochgezogen. Ist natürlich ein Erfolg, keine Frage, man dachte, es wird höher hinaufgehen. So. Und wir haben uns das angesehen und haben gesehen, bei allen Themen Pflege, Gesundheit, Wirtschaft, Bildung führt Doskozil. Und beim Thema Integration und Migration waren beide gleich auf. Und damit wussten wir, die Flanke da hinüber ist geschlossen. Und das zeigt eigentlich auch auf, wie wie man es anlegen könnte als Sozialdemokratie, ohne dass man dabei seine sozialdemokratischen Wurzeln …
Michael Stebegg
… dass man sie vergisst.
Peter Hajek
Übrigens, Niki Glattauer, der ja letzte Woche freiwillig verstorben ist, hat in seinem letzten Falter-Interview – und auf Newsflix war er ja auch bei Christian Nusser – hat dort zum Beispiel auch darauf verwiesen, dass er gesagt hat: Naja – und er war ein klar prononcierter Linker – ihm wäre ein Doskozil-Kurs … den hielte er auch schon aus Schulgründen doch für netter oder besser. Und er hat auch die dänische Sozialdemokratie gebracht. Also das Burgenland hat gehalten. Und jetzt gibt es aber noch etwas Interessantes im Burgenland, mit dem keiner gerechnet hat.
Michael Stebegg
Die Koalition.
Peter Hajek
Genau, nämlich aus?
Michael Stebegg
Roten und Grünen.
Peter Hajek
Genau! So und das war dann doch sehr erstaunlich, aber im Burgenland gab es wirklich mittlerweile alles. Also: rote Alleinregierung, rot-blau, rot-schwarz - und jetzt hat man rot-grün. Wird spannend, wir haben noch keine Zahlen vorliegen …
Michael Stebegg
Aber war das dein demoskopisch spannendster Moment dann? Als die Koalition stand?
Peter Hajek
Nein, weil da bin ich nicht mehr im Spiel. Also, da wird der Meinungsforscher nicht gefragt. Die führen ihre Verhandlungen. Fertig. Da stehst du nur noch an der Seitenlinie und schaust halt zu. So. Und dann kam Wien. Und Wien – sehr, sehr interessant, du warst ja involviert, ich war auch involviert – war …
Michael Stebegg
… war eigentlich viel früher als gedacht.
Peter Hajek
Genau, viel früher als gedacht. Ich war ja heilfroh darüber!
Michael Stebegg
Wir haben das ja schon mehrfach thematisiert: es war ein ruhiger Sommer.
Peter Hajek
Ja genau, richtig, wegen dem Sommer war es super. So und in Wien … Wien war auch sehr, sehr spannend, weil also erstens die Freiheitlichen haben ganz, ganz stark zugelegt. Nicht so stark wie sie schon einmal waren. Man darf nicht vergessen unter Heinz-Christian Strache hatten sie 30 plus. Aber sie haben jetzt immerhin knapp knapp 20% erreicht. Aber man sieht, dass der großstädtische Bereich …
Michael Stebegg
… ein schwieriges Pflaster ist.
Peter Hajek
Auf deiner Seite für Freiheitliche ein schwieriges Pflasters oder anders gesagt: Man sieht die zunehmend aufgehende Schere der Lebensrealitäten zwischen Stadt und Land. Ich war übrigens letzte Woche in Polen auf einer kleinen Reise. Auch dort hat man gesehen – ich war in Breslau, in Krakau und in Lublin, das sind Universitätsstädte, du hast dort sehr viel junge Leute, internationales Publikum. Und mit denen wir dort gesprochen haben, die haben gesagt: Ja, aber wisst's eh, am Land schaut's anders aus. Und das ist ein Trend, der sich auch durch Europa zieht. Werden wir sehen, wie sich das in in in Zukunft auswirkt.
So und all das war begleitet von den Koalitionsverhandlungen. Ich möchte bei den Koalitionsverhandlungen auf eins hinweisen. Nämlich die Koalitionsverhandlungen zwischen Freiheitlichen und der der ÖVP …
Michael Stebegg
… nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ, ÖVP und zeitweise den NEOS.
Peter Hajek
Genau, richtig. Wo es heißt, dass sich der Babler nicht gut verhalten hat. Auf der anderen Seite hat es geheißen: ja, aber gut der Nehammer war aber auch nicht rasend hilfreich. Für manche sind die NEOS zu früh aufgestanden und so weiter und so fort.
Michael Stebegg
Für alle, die sich nicht mehr dran erinnern können, das war Anfang des Jahres: am 3. und 4. Jänner 2025. wurden diese Koalitionsgespräche abgebrochen oder beendet.
Peter Hajek
Genau. Aber ich, ich möchte auf einen einen ganz besonderen Aspekt hinweisen, nämlich bei der Freiheitlichen Partei in den Koalitionsverhandlungen. Die Freiheitlichen wollten in den Koalitionsverhandlungen haben – no na das Bundeskanzleramt, okay, das ist klar, wenn wenn ich stärkster bin, dann dann fahre ich das natürlich. Sie wollten das Innenministerium, das Finanzministerium. Sie wollten ein Arbeitsministerium mit dem Thema Integration. Sie wollten Gesundheit, Sport, Tourismus-Ministerium. Und die Resorts unter dem Kanzleramt wären gewesen: Verfassung, Deregulierung, Medien und Digitalisierung …
Michael Stebegg
Bleiben da noch irgendwelche Ressorts übrig?
Peter Hajek
Da bleiben noch genug Resorts über. Da bleibt Wirtschaft über, Landwirtschaft, Bildung, Soziales, Gesundheit, Justiz etc. Mein Punkt ist der: Ich frage mich gerade oder ich habe mich schon gefragt – und ich habe natürlich auch eine Antwort darauf: Warum eine Partei, die sich so dem Thema Corona annimmt, nicht das Gesundheitsministerium wollte?
Michael Stebegg
Warum?
Peter Hajek
Das kann ich dir sagen: Weil es nichts zum Gewinnen gibt! Gesundheit ist ja nicht nur Corona-Maßnahmen – Gesundheit ist ja: was machen wir im Spitalsbereich, wie regel' ich den niedergelassenen Bereich, wie regle ich das Zusammenspiel: 9 Bundesländer, 9 Ärztekammern, Player Ende nie. Eine ÖGK, die in den Zeilen hängt. Ja, also das wollte man nicht. Man wollte auch kein Wirtschaftsministerium – die Freiheitliche Partei sagt immer: sie sind eine Partei mit Wirtschaftsexpertise. Wäre schön, wenn sie es bewiesen hätte. Sie wollte doch nicht das Sozialministerium, sie wollte ein Arbeitsministerium mit Integration. Warum kein Sozialministerium? Soziales heißt …
Michael Stebegg
…sich kümmern.
Peter Hajek
Sich kümmern. Und heißt: Kürzen! Weil sie wussten ja, was kommt. Es wussten ja alle, dass die die Situation nicht besser wird. Dass sie sich noch mal verschlechtert, ist eine andere Frage. So, aber man wollte …
Michael Stebegg
… darf ich da kurz reingrätschen: Wie sie damit angetreten sind – wenn man sich jetzt die Liste anschaut oder in dem Fall noch mal rekapituliert – haben sie sich irgendwelche Chancen ausgerechnet, dass das bei den Schwarzen durchgeht?
Peter Hajek
Na ja, ich glaub, der Knackpunkt war tatsächlich das Innenministerium am Ende des Tages. Mein Kollege Thomas Hofer sagt immer, er glaubt ja, der Plan von Kickl war immer gar nicht in eine Regierung zu gehen. Und wenn er in wenn in die Regierung geht, dann muss sein Paket zu 100% erfüllt sein. Das ist OK. Das ist überhaupt nicht verwerflich. Ja, so so kann ich es machen, das ist vielleicht sogar gescheit, also politisch taktisch gescheit. Spricht nicht für ein staatstragendes Animo. Nennen wir es einmal so und höflich.
Aber sehr, sehr spannend sind die Ressorts, die unter dem Kanzleramt gewesen wären: nämlich Verfassung, Deregulierung – von mir aus, ja – Medien und Digitalisierung. Und da kannst du dann bald 1 und 1 zusammenzählen. Wenn nämlich eine Partei, insbesondere Proponenten wie Herbert Kickl, sagen: Sie haben Viktor Orban zum Vorbild. Und dann schaue ich mal ganz kurz hinüber nach Ungarn und schaue, was sie auf der Verfassungsebene gemacht haben. Die haben zum Beispiel – wie Viktor Orban wieder an die Macht gekommen ist 2010 – hat man die Anzahl der Verfassungsmitglieder erhöht. Und musste dann leider, leider Gottes fürs Verfassungsgericht Mitglieder nachnominieren. Das waren dann natürlich alles Fidesz Mitglieder. Die Medien- und Digitalisierungswelt in Ungarn ist – na wie soll man sagen …
Michael Stebegg
… bescheiden …
Peter Hajek
… und festgezurrt. Und genau diese Bereiche wären im Kanzleramt angesiedelt gewesen. Ich sage nicht, dass es dann in diese Richtung gegangen wäre. Ich sage nur: Es lässt bei mir doch einige Fragezeichen stehen. Und es ist dann wenig verwunderlich, dass man jene Ministerien nicht haben wollte, wo es wirklich ans Eingemachte gegangen wäre. Das heißt nämlich: wirkliche Reformen durchzuführen und unangenehme Wahrheiten zu vermitteln.
Wenn ich die ÖVP gewesen wäre, hätte ich es ja genau umgedreht. Ich hätte dann gesagt: Ihr kriegt jedes Ministerium, ihr kriegt alle – ihr kriegt nur nicht Inneres, Medien, Digitalisierung und Kultur. Alles andere könnt's haben. Und das wäre dann spannend gewesen, was die Freiheitliche Partei dann macht. Wie gesagt, aktuell ist es so, dass wir eine Dreierkoalition haben …
Michael Stebegg
… es ist ja dann anders gekommen.
Peter Hajek
Genau, es ist dann anders gekommen und jetzt stehen wir genau ein Jahr danach da. Und das schauen wir uns jetzt an.
Michael Stebegg
Genau, also ich habe parallel dazu stichprobenartig den APA-Wahltrend im Jahresverlauf konsultiert, um so die Stimmungslage zu machen. Und was sehr spannend ist, dass wenn man jetzt von der Nationalratswahl am 29. September ausgeht – zu dem Zeitpunkt stand die, ich bleibe jetzt mal bei der FPÖ, bei 28%. Und als dann die Koalitionsverhandlung gescheitert waren, lag die FPÖ bei 37%. Am 4. März, als dann die neue Regierung angelobt wurde, war sie bei 34%, dann ist sie sogar im Juni runtergegangen auf 32% und wenn wir jetzt uns den aktuellen Trend anschauen über alle Umfragen, steht die FPÖ bei 34%. Im APA-Wahltrend ist eine Umfrage drinnen, die das OGM Institut gemacht hat. Die wurde am 13. September veröffentlicht und da steht die FPÖ bei 33%.
Warum ich das alles so ausführlich erzähle, ist: Weil es noch eine andere Umfrage gab, die nämlich in der Kronen Zeitung am 14. September veröffentlicht wurde. Die wurde vom Institut für Demoskopie und Datenanalyse unter Christoph Haselmayer durchgeführt. Das Spannende ist, dass die Zahlen sich jetzt gar nicht so stark unterscheiden: die FPÖ kommt da auf 36%, also schon ein bisschen höher. Die ÖVP liegt bei 21%, die SPÖ bei 18%, die NEOS bei 10% und die Grünen bei 11%. Das ist jetzt zum APA-Wahltrend – bis auf dass die FPÖ ein bisschen höher eingestuft wird – relativ ähnlich. Aber was ich so spannend fand, ist, was die Krone draus gemacht hat – ich zitiere: 'Es ist eine Umfrage, die einem politischen Erdbeben gleicht.", "Das hat es in diesem Jahrhundert noch nicht gegeben.' Ist dem so, Peter?
Peter Hajek
So, ich tu mir gerade ein bisschen schwer, weil es immer heikel ist, von der Kollegenschaft Umfragen zu interpretieren und zu kommentieren. Aber: Ich bin da mehr bei OGM. Ich glaube: Ja, die Freiheitliche Partei wird im Vergleich zum Wahlergebnis – also zur Erinnerung 28,8% – sie wird bei 30% plus liegen. Ja, die 33% von OGM schon sehr sehr plausibel aus. So, was wissen wir demoskopisch?
Es gibt diese Diskussion schon längere Zeit: Macht man nur online oder macht man einen Methodenmix, wo man Telefon beimischt? Warum bin ich dafür, dass man Telefon beimischt? Weil die ÖVP eine sehr sehr überalterte Wählerschaft hat: Und die in den Online-Panels, wo sich ja Menschen melden müssen, damit wir sie überhaupt interviewen können, dort kaum vorkommt. Bei 70 plus ist es sowieso problematisch. Und das heißt jetzt aber auch: je größer die Stichprobe wird …
Michael Stebegg
In dem Fall war es eine Stichprobe von 1.500 und eine reine Online-Umfrage.
Peter Hajek
Ganz genau, richtig. Also bei der Kronen Zeitung war das eine größere Stichprobe: 1.500. Jetzt sagen immer alle, na bitte 1.500, ist doch eine super Umfrage. Noch einmal: die Stichprobengröße ist nur ein Mosaikstein in der Befragung. Es kann eine Dreitausender-Stichprobe grottenschlecht sein. Das ist mir eine gescheite Sechshunderter, die gut gezogen ist, lieber, es verändert sich nur die Schwankungsbreite. So, also wir haben eine Online Befragung mit 1.500. Je größer die Stichprobe ist, desto mehr kommen die die nicht vorhandenen älteren Wähler quasi unter die Räder. Also, es wird immer enger. Und das heißt, ich habe dann immer weniger dieser Menschen und deshalb fällt dann auch die ÖVP immer weiter runter.
Ich habe gerade für einen anderen Kunden so eine Befragung gemacht, 1.500 online. War gar nichts Politisches, wir haben nur die Sonntagsfrage auch dabei gehabt, weil weil der Kunde das halt gerne gehabt hat. Und dann kam die Frage, aber Herr Hajek, warum ist die ÖVP so nieder? Und ich hab gesagt, ja das ist der Online-Umfrage mit einer größeren Stichprobe geschuldet. Deswegen bin ich da extrem vorsichtig, was erstens die Werte der Freiheitlichen Partei betrifft als auch die Werte der ÖVP betrifft. Und was die Krone draus macht, ist halt – na ja, gut jetzt kann man sagen, gut, ist halt ein Boulevard-Medium, macht halt eine Headline draus. Deshalb macht man auch immer wieder Umfragen in Medien, damit man auch eine Headline hat, wie immer die auch dann ausschaut. Und jetzt muss man dazu sagen, ich glaube, sie haben keine Mehrheit, das heißt sie haben 49% zusammen?
Michael Stebegg
Genau: die drei Regierungsparteien haben zusammen nur mehr 49%. Also das heißt, weniger als die Hälfte. Und das machen sie halt auch groß auf in dem Artikel.
Peter Hajek
Ja, genau. Und das ist, wie wir wissen, genau bei Umfragen eine Null-Aussage. Erstens wegen der Schwankungsbreite. Mit der Schwankungsbreite kann ich ja auch drüber liegen. Das ist mal das erste. Und das zweite ist: Ich kann auch mit 49% eine Mandatsmehrheit haben. Und dementsprechend ist es halt medial natürlich bis zu einem gewissen Grad aufgebauscht und hochgejazzt. Ja, ich hab bis zum gewissen Maß ein Verständnis dafür, aber trotzdem muss man bei diesen Dingen vorsichtig sein, weil ja die Stimmung schon wirklich nicht gut ist. Und man gießt natürlich damit Öl ins Feuer. Und weiß nicht, ob das so gescheit ist.
Michael Stebegg
Auch wenn es die Krone suggeriert, halten wir fest, dass die Regierung wahrscheinlich noch nicht ganz am Ende ist. Im Gegensatz zu uns. Wir sind nämlich ganz am Ende unserer Jubiläumsfolge, der 27. Ausgabe von 'Das Orakel' angelangt. Peter, ich bin jetzt in Feierlaune und lade dich jetzt auf doppelten Espresso ein.
Peter Hajek
Coretto?
Michael Stebegg
Was ist das? Ist da Alkohol drin?
Peter Hajek
Ich glaube schon.
Michael Stebegg
Um Gottes Willen! Bevor wir zum Espresso Correto kommen – mein traditioneller Hinweis. Diese Folge und alle anderen auch gibt es zum Nach- und immer-wieder-hören auf www.dasorakel.simplecast.com und überall dort, wo es gute Podcasts gibt. Die nächste Folge erscheint dann am Donnerstag, den 2.10. Bis dahin sagen wir: Vielen Dank fürs Zuhören, bis zum nächsten Mal.
Peter Hajek
Das Orakel.
Autor:in:Peter Hajek |