Die Dunkelkammer
Fake News, Propaganda, Hetze: Medienexperte Luis Paulitsch über die irre Welt der alternativen Medien
Von Edith Meinhart. In Deutschland wird die angesehene Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf mit falschen Vorwürfen, orchestrierten Massen-Mails und einer KI-generierten Social Media-Kampagne so lange diskreditiert, bis ihre Wahl zur Verfassungsrichterin platzt. Es stellt sich heraus: Hinter der Schmutzkübelkampagne stecken rechtspopulistische Online-Portale. Nicht zum ersten Mal. In Österreich werden politische Gegner, kritische Journalist:innen und engagierte Bürger:innen in FPÖ-nahen und rechtsextremen Medien-Portalen schon lange angegriffen und verhöhnt. Für die Demokratie ist das eine schlechte Nachricht. Der Medienexperte Luis Paulitsch hat sich für sein neues Buch in der irren Welt sogenannter alternativer Medien umgesehen. In dieser Episode spricht er über Desinformation, Fake News, Propaganda, orchestrierte Kampagnen, grenzüberschreitende rechte Netzwerke und das Versagen etablierter Medien, darüber angemessen zu berichten.
Edith Meinhart
Herzlich willkommen zu einer weiteren Folge der Dunkelkammer. Mein Name ist Edith Meinhart. Luis Paulitsch ist heute hier. Er ist Historiker und Medienethiker. Er hat für den Österreichischen Presserat gearbeitet, ein Gremium, das über ethische Richtlinien und professionelle Standards in der Branche wacht. An den Ehrenkodex des Presserats respektive die Grundsätze für die publizistische Arbeit halten sich alle Medienschaffenden, die sich einem seriösen, unabhängigen Journalismus verpflichtet fühlen.
Seit dem Vorjahr ist er in der Datum-Stiftung für den Bereich Journalismus und Demokratie verantwortlich und kürzlich ist sein Buch zu alternativen Medien im Springer Verlag erschienen. Das ist unser heutigesThema: Alternative Medien Ihnen gegenüber die angebliche Lügenpresse. Journalismus, was ist das? Was schaut nur so aus, als wäre es Journalismus? Wie gefährlich oder vielleicht auch gut sind alternative Medien für die Demokratie?
Können damit Wahlen beeinflusst werden? Können damit Bestellungen von Verfassungsrichterinnen vereitelt werden, wie derzeit in Deutschland im Fall Frauke Brosius-Gersdorf debattiert wird? Hallo Luis Paulitsch, herzlich willkommen im Dunkelkammer Studio. Schön, dass du da bist.
Luis Paulitsch
Hallo, vielen Dank für die Einladung.
Edith Meinhart
Warum und für wen hast du das Buch Alternative Medien Definition, Geschichte und Bedeutung – so ist der genaue Titel – denn geschrieben?
Luis Paulitsch
Also ich habe mich in der Vergangenheit immer wieder schon mit dem Thema Alternative Medien befasst. Als ich beim Österreichischen Presserat gearbeitet habe, haben wir auch immer wieder Beschwerden zu sogenannten Alternativmedien, vor allem im Umfeld der FPÖ bekommen. Und ich habe dann nach meiner Zeit beim Presserat auch in wissenschaftlichen Fachzeitschriften zu diesem Thema publiziert. Und dann sind die Herausgeber von der Medienreihe „Medienwissen Kompakt“ an mich herangetreten aus Deutschland und haben gefragt, Herr Paulitsch, können Sie sich vorstellen, zu diesem Thema ein kompaktes Buch von in etwa 100 Seiten zu schreiben? Und das war durchaus eine Herausforderung, aber ich habe die gerne angenommen.
Edith Meinhart
Das ist für Studierende oder für die Allgemeinheit?
Luis Paulitsch
Genau, also das Buch richtet sich einerseits an Studierende, vor allem aus der Publizistik und der Kommunikationswissenschaft, aber auch an interessierte Laien und Journalisten. Also es soll mit einer einfachen Sprache, würde ich sagen, den aktuellen Forschungsstand zum Thema Alternativmedien darlegen, aber eben nicht zu theoretisch werden. Also ich habe versucht, das Thema auch eben aus einer politischen Perspektive zu analysieren.
Edith Meinhart
Aus meiner Sicht, ich habe es ja gelesen, ist es wunderbar gelungen und ich würde das Buch eigentlich allen Medienkonsumentinnen empfehlen. Es gibt ja von dem Medienprofessor Bernhard Pörksen die Aussage, wir müssen in eine redaktionelle Gesellschaft uns hineinentwickeln, weil jeder kann publizieren, dann sollte auch jeder die Standards für Publizieren kennen und wissen, was ist ethisch vertretbar und was nicht.
Luis Paulitsch
Danke für diese Rückmeldung, das freut mich natürlich sehr. Und ja, ich finde, dass gerade Bernhard Pörksen da einen sehr wichtigen Ansatz hat, nämlich auch mit Blick auf diese Zunahme an Propaganda oder pseudojournalistischen Medien, wo ich auch im Buch am Ende zu dem Ergebnis gelang, wir müssen umso mehr schauen, dass wir als Medienkonsumenten auch diese journalistischen Standards, die die Berufsgruppe befolgen möchte, dass die auch jedem einzelnen Leser und jeder Leserin bekannt sind, dass ich eben beurteilen kann, habe ich es hier mit einem seriös recherchierten Artikel zu tun oder mit einem Kampagnenbeitrag.
Edith Meinhart
Schauen wir kurz nach Deutschland. Dort lässt der erwähnte Fall Frauke Brosius-Gersdorf gerade die Wogen hochgehen. Ich hol kurz aus. Es geht um eine namhafte Rechtsprofessorin, die im Juli als Verfassungsrichterin angelobt werden hätte sollen. Doch die CDU hat sich quergelegt und zwar, wie sich herausgestellt hat, nachdem die 54-jährige Rechtswissenschaftlerin gezielt als unwählbare, ultralinke Juristin angepatzt worden ist. Es wurden falsche Behauptungen in Umlauf gesetzt. Es gab automatisierte Massen-E-Mail Aktionen und eine Schmutzkübel Kampagne auf Social Media mit KI generierten Inhalten.
Und im Hintergrund ging es um Positionen zu einem Parteiverbot der AfD, zur Impfpflicht in der Corona Pandemie und zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Da hat die Haltung der Kandidatin rechten Kreisen offenbar nicht gepasst. Dann trat auch noch der Plagiatsjäger Stefan Weber auf den Plan und behauptete, mit der Doktorarbeit von Brosius-Gersdorf stimme etwas nicht. Die angegriffene Juristin hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die Vorwürfe zu klären und hat auch öffentlich zu den Vorwürfen Stellung genommen. Aber am Ende wurde sie als Verfassungsrichterin verhindert, weil die CDU CSU Druck auf die SPD gemacht hat, die Kandidatur zurückzuziehen. Was zeigt dieser Fall? Welche Schlüsse sind daraus zu ziehen?
Luis Paulitsch
Also Diese Kampagne, die wir da jetzt beobachten konnten in den vergangenen zwei Wochen gegen die Richterkandidatin Brosius-Gersdorf, ist definitiv nicht neu. Wir kennen dieses Playbook seit mehreren Jahren, das funktioniert in der Regel aus dem rechten Lager beginnen einzelne Akteure im digitalen Raum ein gewisses Thema zu lancieren. Und das sind sehr häufig Vorwürfe gegen einen politischen Gegner und dann Attacken auf einer persönlichen Ebene. Und in der jüngeren Vergangenheit sind das ganz häufig sogenannte Plagiatsvorwürfe. Das heißt, eine Person, die mir politisch nicht passt, wird versucht auf der persönlichen Ebene kaputt zu machen. Das Ziel dahinter ist nicht, dass man in seiner Echokammer bleibt, sondern dass dann nach wenigen Tagen oder Wochen etablierte Medien auf diesen Zug aufspringen und irgendwann das in der politischen Öffentlichkeit debattiert wird. Und im Fall Brosius-Gersdorf, muss man sagen, sehen wir das erstmalig in einer Intensität, die würde ich sagen, neu ist, weil das sogar bis in den Bundestag es geschafft hat.
Das heißt, wir haben gesehen, es beginnt bei Medienportalen wie News, das ist dieses Krawallportal aus Deutschland, von einem deutschen Multimillionär finanziert. Dann gab es andere Medien wie Tichys Einblick, Apollo News, die haben alle relativ zeitgleich begonnen, über die Richterkandidatin zu berichten. Und am Anfang waren es vor allem ihre differenzierte Haltung zum Thema AfD verboten und zu einer Impfpflicht. Man hat aber gesehen, das funktioniert noch nicht so gut. Die haben zwar darüber berichtet, aber es war noch nicht so weit, dass das bis in den Mainstream Journalismus gekommen ist. Erst dann, wie es um das Thema Abtreibung ging, ist wirklich fast jedes Medium und auch immer mehr politische Akteure auf diesen Zug aufgesprungen. Das heißt, ich würde sagen, zusammengefasst, der Fall zeigt uns, wir haben es zunehmend mit einer eigenen digitalen Parallelöffentlichkeit zu tun, der es vermutlich auch in Zukunft immer wieder gelingen wird, mit ihren Wordings und Themenschwerpunkten in die politische Mitte und in die bürgerliche Öffentlichkeit vorzudringen.
Edith Meinhart
Und das wissen wir, weil der Berliner Thinktank Bullisphere diese Kampagne akribisch nachgezeichnet hat, aber auch, weil medienunabhängige etablierte Medien berichtet haben und zum Beispiel die NDR Medienredaktion ZAP über die Kampagne auch auf YouTube dann berichtet hat. Für normale User innen wäre das ja nicht zu durchschauen. Gleichzeitig haben einige etablierte Medien aber die Vorwürfe gegen die Juristin einfach übernommen oder sich zumindest nicht die Mühe gemacht, die Hintergründe zu recherchieren. Was heißt das für die Demokratie und den unabhängigen Journalismus?
Luis Paulitsch
Ja, also ich würde auch sagen, man kann jetzt nicht nur solche Krawallportale als allein verantwortlich machen, sondern ich würde sagen, es ist eine gewisse Dynamik, die ausgelöst wird, die einerseits dadurch funktioniert, dass es im digitalen Raum sehr viele ideologisch nahestehende Player gibt, die koordiniert vorgehen. Das heißt, man verhilft sich gegenseitig zu Reichweite, man kommentiert die jeweiligen Postings untereinander und dann entdecken etablierte Medien das Thema, beginnen es vielleicht in einem Leitartikel aufzugreifen, berichten, dass es da Vorwürfe gibt, die erhoben wurden und so gelangt das immer mehr dann auf die Mainstream Agenda. Und das ist, glaube ich, schon eine Herausforderung, vor der wir stehen. Nämlich einerseits sind unsere seriösen Medien vor diesen Kulturkämpfen und Falschmeldungen, die da passieren, ausreichend gewappnet. Man muss sagen, bei Brosius-Gersdorf sind ganz abstruse Falschinformationen verbreitet worden, wie zum Beispiel, dass sie für eine Legalisierung der Schwangerschaftsabbrüche bis zum neunten Monat sei. Und auf dieser Ebene wurde dann auch im digitalen Raum über dieses Thema debattiert. Das heißt, da ist es gelungen, den Diskurs so verschiedene zu verschieben, dass wir auf einmal auf einer Basis von Falschbehauptungen diskutieren, obwohl das in Wahrheit eigentlich eine sehr moderate Richterin ist, die eher im FDP-Umfeld von Beobachtern davor verortet wurde.
Und auf der anderen Seite stellt sich die Wie sollen seriöse Medien angemessen über diese Kampagnen berichten? Weil auch da ist das Problem, dass man, auch wenn man versucht, das einzuordnen, sehr häufig dann die Vorwürfe schon in der Überschrift zum Beispiel wiederholt ein Was ist dran an den Vorwürfen gegen Frau Brosius-Gersdorf? Das heißt, ich wiederhole eigentlich schon in der Überschrift, dass es Vorwürfe gibt, obwohl sich die, wenn ich genau recherchiert hätte, bereits als falsch herausgestellt haben.
Edith Meinhart
Du hast es vorhin erwähnt, es gab zwar noch nie so eine aggressive und auch gleichzeitig erfolgreiche Kampagne, aber sie ist nicht die erste ihrer Art. In deinem Buch beziehst du dich auch auf Recherchen der Plattform Correctiv aus dem Jahr 2021 als ein rechtes Netzwerk versucht hat, damals die Bundestagswahl in Deutschland zu beeinflussen und die Masterminds für diese Kampagne wurden dann in Oberösterreich ausfindig gemacht und haben sich durch FPÖ nähe ausgezeichnet. Das ist eigentlich damals recht neu und interessant gewesen, wie wirkmächtig diese grenzüberschreitenden Allianzen auch sind.
Luis Paulitsch
Ja, das war eine sehr interessante Geschichte auch und würde ich sagen, war auch relativ neu so als Kampagne in einem politischen Wahlkampf. Zur Erinnerung, damals ist Annalena Baerbock gewählt worden zur Spitzenkandidatin der Grünen und war sehr stark in den Umfragen und auch die etablierten Medien sind ihr zu Beginn sehr wohlwollend gegenübergestanden und auf einmal wurde dieser Vorwurf erhoben. Es gibt in ihrem Lebenslauf Unregelmäßigkeiten. Anmerkung, schon damals war das Stefan Weber, der das öffentlich gemacht hat. Das heißt, der Akteur, der diese ganze Lebenslaufdebatte angestoßen hat, war bereits ein Akteur aus Österreich. Gut, das hat auch gestimmt, da gab es gewisse Ungenauigkeiten, die wurden dann auch angepasst. Ich würde aber sagen, das wäre ein bis zwei Tage in einem Mainstream Medium wahrscheinlich ein Thema gewesen.
Was dann jedoch passiert ist, ist, dass gewisse rechtsalternative Medien begonnen haben, weitere Vorwürfe zu erheben, haben fast täglich einen weiteren Beitrag gebracht, wo es hieß, hat die möglicherweise gar keinen Bachelorabschluss, ist der Bachelorabschluss erfunden. Also man hat begonnen, dieses Thema gezielt über mehrere Tage und Wochen zu lancieren und wir haben dann auch die Auswirkungen gesehen. Auf Twitter zum Beispiel hat auf einmal der Hashtag getrendet „Studieren wie Baerbock“. Das heißt, es ist gelungen mit ganz vielen Beiträgen die Glaubwürdigkeit der grünen Spitzenkandidatin zu zerstören und Correctiv hat sich auf die Suche begeben, wer steht hinter dieser Kampagne und ist draufgekommen, das sind sogenannte Alternativmedien aus Österreich. Das heißt gar keine deutschen Player, sondern eben Projekte wie der Wochenblick, Report 24 oder eben infodirekt. Und das war schon, würde ich sagen, erstmalig, dass das so in der Breite dann auch diskutiert wurde, dass österreichische Medien beginnen in den deutschen Wahlkampf einzugreifen. Das hat jetzt möglicherweise recht simple Gründe, weil natürlich auch Medien in Österreich wissen, wenn ich ein Thema, das auch in Deutschland relevant ist, aufs Tapet bringe, dann werde ich wahrscheinlich mit diesem Beitrag mehr Reichweite und Klicks gehalten. Und das sehen wir bis heute, dass zum Beispiel auch ein Sender wie Auf 1 extrem viel über Deutschland berichtet, weil man eben auch weiß, es bringt mir Reichweite.
Edith Meinhart
Du hast das auch schon erwähnt. Da spielen dann etablierte namhafte Medien, oft auch die Handlanger. Jetzt im Fall Brosius-Gersdorf kritisiert zum Beispiel Daniel Binswanger vom Schweizer Online Medium Republik, die Neue Züricher Zeitung NZZ, dass sie immer wieder diese Spielchen, wie er das nennt, mitmacht und damit den rechten Kampagnen noch Glaubwürdigkeit in der Mitte der Gesellschaft verschafft. Und er sagt, wenn wir da nicht aufpassen, dann drohen in Europa irgendwann amerikanische Verhältnisse, also Verhältnisse wie in den USA heute unter Trump. Siehst du die Gefahr auch?
Luis Paulitsch
Ja, das muss uns auf jeden Fall Sorge machen, dass immer mehr seriöse, anerkannte Medien die Tendenz zeigen, auf diesen Kulturkampf aufzuspringen. Wir sehen das interessanterweise, würde ich sagen, in Österreich weniger als momentan in Deutschland, wo wir mit der Welt oder Cicero das Problem haben, auch eben mit der Deutschlandausgabe der NZZ. Das sind Medien, die in den vergangenen Jahren zunehmend die Wordings und Themenschwerpunkte rechter Portale übernehmen. Das sehen wir bei Themen wie Gendern, bei Klima, bei Thema Verbotskultur. Und ich sehe das grundsätzlich von der Pressefreiheit auch gedeckt. Also ein Medium muss die Möglichkeit haben, sich in seinen Positionen auch einer rechten Partei wie der AfD anzunähern. Aber es gibt trotzdem gewisse journalistische Prinzipien und dazu gehört auch die Ausgewogenheit, das Objektivitätsgebot.
Und wenn ich mich immer stärker als politischer Player wahrnehme und wenn ich mir teilweise Kolumnen in der Welt anschaue, dann hat das für mich weniger mit Journalismus als mit Aktivismus zu tun. Dann kann das langfristig dazu führen, dass auch das gesellschaftliche Klima angeheizt wird und dass wir in diese Polarisierung gehen, die wir in den USA mittlerweile ganz stark haben, wo wir eigentlich zwei mediale Lager haben, die sich zunehmend als verlängerter Arm der jeweiligen politischen Partei begreifen. Und da, glaube ich, ist es ganz wichtig auch, dass wir mehr Medienkritik momentan auch an den etablierten Medien üben und nicht nur an diesen rechten Krawallportalen.
Edith Meinhart
2016 als Donald Trump das erste Mal Präsident der USA wurde, haben sich ja so gut wie alle namhaften Medien gegen ihn gestellt. Er hat aber sogenannte alternative Medien hinter sich gehabt, zum Beispiel das Onlineportal Breitbart News, das unter Stephen Bannon zu einer Sprache der Alt Right Bewegung geworden ist. Gibt es den Präsidenten Trump vor allem wegen dieser alternativen Medien?
Luis Paulitsch
Also in dieser pauschalen Aussage würde ich das nicht unterschreiben. Also ich glaube schon, dass der Aufstieg von Donald Trump natürlich auch mit den ökonomischen und gesellschaftlichen Zuständen in den USA zu tun hat. Aber was schon auffällt, ist, dass in diesem Wahlkampf 2016 sich so viele etablierte Medienhäuser wie überhaupt noch nie gegen Donald Trump positioniert haben und man eigentlich danach sich die Frage gestellt Wie kann das sein? Es war noch nie so ein großer Konsens bei den großen Medienhäusern da, dass dieser Präsident gefährlich für die USA ist und er wird trotzdem gewählt. Und sehr schnell kam damals nach dem Wahlkampf dann der Name Breitbart auf, weil dieses Portal gezielt Stimmung auf Social Media für Donald Trump im gesamten Wahlkampf gemacht hat. Und das glaube ich schon war eine Besonderheit, dass erstmalig in diesem Wahlkampf Social Media eine wesentliche Rolle gespielt hat und man gesehen hat, dass diese rechten Krawallportale, die sich nicht mehr an journalistische Grundsätze halten, extrem befördert werden von den dortigen Algorithmen, die auf Polarisierung und Reichweite basieren. Insofern, das glaube ich auf jeden Fall, dass damals schon uns viel stärker hätte bewusst sein müssen, diese Portale sind ein enormer Antreiber für den Rechtspopulismus und wir hätten uns wahrscheinlich schon 2016 stärker damit befassen. Müssen, weil wir letztlich ja dann auch in der Corona Pandemie gesehen haben, wie wichtig diese Medien für viele Menschen als Informationsquelle werden.
Edith Meinhart
Inzwischen sind wir wieder ein paar Umdrehungen weiter. Diese Plattformen, Social-Media-Kanäle sind geradezu ein Sprachrohr für rechtspopulistische und autokratische Politiker geworden. Der US-Präsident erklärt sich hier, kündigt hier Vorhaben an, gibt diesen Medien exklusiven Einblick und schneidet die anderen etablierten Medien von Informationen ab oder attackiert sie sogar. Was heißt das dann für renommierte Medien wie zum Beispiel die New York Times oder die Washington Post?
Luis Paulitsch
Also ich glaube, Donald Trump hat das ja selbst schon in seiner ersten Präsidentschaftszeit formuliert: „You are the enemy of the people“. Also der Präsident der USA sieht seriöse Medien als Feind an und nicht als Kontrollorgan. Das heißt, ich muss mir als Medium natürlich die Frage stellen, wie gehe ich um mit einem Präsidenten, der mich einerseits bewusst ablehnt, bewusst gegen mich kampagnisiert und gleichzeitig bin ich an das Objektivitäts- und Neutralitätsgebot verpflichtet. Das ist ein ganz schwer aufzulösender Konflikt. Und insofern glaube ich auch, das wird in den nächsten Jahren spannend, weil wahrscheinlich viele Medien sich langfristig entscheiden werden müssen. Sehen Sie sich auch als Verteidiger der Pressefreiheit.
Das heißt, muss ich auch aus dieser etwas komfortablen Position, wo ich nur Berichterstatter bin, keine Position beziehe heraus, muss ich mich aktiv auch dafür einsetzen, dass die Pressefreiheit weiter gesichert bleibt in meinem Staat? Oder eben werde ich langfristig so weit geschwächt, dass es mich irgendwann nicht mehr geben kann. Und ich würde sagen, momentan schaut es eher danach aus, dass sehr viele Medien es schwierig haben, schwieriger haben werden in den kommenden Jahren in vielen westlichen Ländern.
Edith Meinhart
Aber gibt es zur Entscheidung, sich für die Pressefreiheit einzusetzen, überhaupt eine Alternative aus deiner Sicht?
Luis Paulitsch
Also ich habe das Gefühl, dass Medien nach wie vor sehr zurückhaltend sind, wenn es darum geht, eigene politische Forderungen zu formulieren, weil es natürlich auch dem Grundgedanken des objektiven Journalismus widerspricht, weil ich mich in dem Moment ja positioniere. Gleichzeitig sind Medien zunehmend so unter Beschuss, dass ich glaube, man wird gar nicht darum herumkommen, auch kritisch mit jenen Akteuren zu sein, die bewusst an der Abschaffung der Pressefreiheit arbeiten.
Edith Meinhart
Ja, du formulierst das sehr neutral analytisch. Also ich würde als Journalistin sagen, da geht es nicht um politischen Aktivismus, da geht es um die Grundlagen und die Pressefreiheit leitet sich aus dem demokratiepolitischen Erfordernis nach Kontrolle ab. Also wenn man da jetzt nicht kämpft, wüsste ich nicht, wann dann.
Luis Paulitsch
Ja, also ich würde es auch sehr hoffen. Also ich hoffe auch, dass sich Journalistinnen und Journalisten stärker organisieren werden in den kommenden Jahren, aber natürlich mit der ganzen ökonomischen Krise. Also wir sehen ja auch, dass Medienhäuser eingehen, dass gerade im regionalen Journalismus zunehmend richtige Nachrichtenwüsten entstehen und dementsprechend sind Journalisten auch unter einem enormen Druck. Aber da glaube ich eben auch, dass eben zivilgesellschaftliche Initiativen, wie zum Beispiel auch die Datum Stiftung, wo ich jetzt Mitglied bin, oder der mediafaud Fonds, genau die richtigen Signale sind, die auch wieder zeigen, wir haben das Problem erkannt und wir versuchen jetzt aus der Zivilgesellschaft heraus den Journalismus wieder zu stärken.
Edith Meinhart
Was ist denn von Sendern wie Fox News zu halten, die sich einerseits so als Alternative zum verhassten Establishment gerieren, aber gleichzeitig selbst sehr viel Reichweite generieren?
Luis Paulitsch
Ja, das ist so ein klassischer Grenzfall. Also, wenn wir jetzt mal diesen durchaus kritisierten oder viel diskutierten Begriff Alternativmedium hernehmen, ist Fox News ein sehr gutes Beispiel, wo man sieht, das ist schwer einzuordnen. Das ist auf der einen Seite ein Sender, der eben mit diesem Etikett Alternative zum Establishment kokettiert. Das heißt, der präsentiert sich als der Sender gegen die liberalen, pro demokratischen Mainstream Medien. Gleichzeitig aber gilt er als einer der reichweitenstärksten Fernsehkanäle und auch als das wichtigste Medium nach wie vor der Republikaner. Das heißt, es ist eigentlich ein Medium, das so stark, so sehr im Mainstream ist wie wenig andere in den USA. Und was hinzukommt auch, und das spricht wieder für ein alternatives Medium, das dort sehr fragwürdige Personen ausführlich zu Wort kommen. Also ich erinnere an Tucker Carlsen, der sehr lange dort Moderator war, der vertritt Positionen, die ich jetzt nicht unbedingt als förderlich für einen demokratischen Diskurs werten würde.
Genau, insofern würde ich sagen, das ist so ein klassischer Grenzfall. In Österreich können wir dasselbe beim Sender ServusTV auch sagen. Da haben wir auch auf der einen Seite einen durchaus anerkannten oder reichweitenstarken Privatsender, auf der anderen Seite, gerade in der Pandemie haben wir gesehen, dieser Sender gibt prominenten Querdenkern ein sehr breites, unkritisches Podium. Was wir eigentlich eher von typischen Alternativmedien kennen. Also auch hier wieder ist diese etabliertes Medium Alternativmedium sehen wir, die ist gar nicht so leicht bei solchen Medien dann zu beantworten.
Edith Meinhart
Und auch die Frage, ob ein Medium wie ServusTV nicht letztlich die Vielfalt fördert, den Meinungspluralismus verstärkt oder eben auf der anderen Seite durch die Polarisierung und das gezielte Schüren von Misstrauen gegenüber Medien und Institutionen die Demokratie beschädigt.
Luis Paulitsch
Ja, das ist immer so schwierig, weil auf der einen Seite beruft man sich auf den Meinungspluralismus und die Meinungsfreiheit und das stimmt ja auch irgendwo. Also es ist ja auch wichtig, wenn in einer Pandemie sich die Mehrheit der Bevölkerung einig ist, welche Maßnahmen jetzt gesetzt gehören, dass es dann Medien gibt, die vielleicht eine andere Perspektive einnehmen. Die Frage ist aber für mich, erfolgen diese Entscheidungen oder diese Gegenöffentlichkeit, die dann aufgebaut werden soll, erfolgt das weiterhin auf gewissen journalistischen oder medienethischen Standards? Und sehr häufig kann ich auch bei ServusTV diese Befolgung medienethischer Prinzipien nicht mehr erkennen, weil das für mich dann eine Form von False Balance ist, die gewissen Minderheitenpositionen ein so großes prominentes Podium bietet, dass beim Zuseher ein falscher Eindruck entsteht. Und auch wenn ich mir die Diskussionsrunden anschaue, dann erkenne ich sehr gut, dass gegenüber diesen problematischen Positionen man sehr unkritisch als Moderator ist. Gleichzeitig aber bei denjenigen, die eigentlich den Mainstream der Wissenschaft vertreten, dass die dann sehr hart angegangen werden. Und deswegen würde ich schon in diesem Zugang ServusTV durchaus in diesen Bereich der Alternativmedien hinzuzählen.
Edith Meinhart
Du gehst in deinem Buch auf die Geschichte der alternativen Medien auch ein, die reicht weit zurück. Aber wenn wir jetzt mit den 68-ern beginnen, dann gab es damals quasi die Herausbildung einer alternativen Presselandschaft als Ausdruck einer linken Gegenöffentlichkeit. Später gab es dann die freien Radiosender, die Piratenkanäle und die dritte Generation der alternativen Medien. Die setzt du mit dem Beginn der Ära der Social Media an. Gibt es eigentlich historische Parallelen in diesen Entwicklungen mit dem Schluss, dass die Gegenöffentlichkeit damals von links und heute eben von rechts kommt?
Luis Paulitsch
Ja, die gibt es auf jeden Fall, nämlich dass wir auf der einen Seite sehen, der Aufstieg von sogenannten Alternativmedien war immer mit technischen Möglichkeiten verbunden. Also eben das waren zum Beispiel bei den freien Radios die Nutzung von Radiofrequenzen, die man zeitweise beanspruchte, oder eben dann in jüngerer Vergangenheit Social Media, was es mir ermöglicht hat, über meine Zielgruppe hinaus ein viel größeres Publikum als kleines Medium zu erreichen. Aber noch viel wichtiger sind das in meinen Augen gesellschaftliche Zäsuren und Krisenereignisse. Also wenn wir uns anschauen, wann entstanden neue sogenannte Alternativmedien oder Medien, die für sich beansprucht haben, eine Gegenöffentlichkeit zur etablierten Medienlandschaft aufzubauen, dann waren das in den 60-er Jahren der Eintritt der USA in den Vietnamkrieg, die Studierendenrevolte, die Erschießung von Benno Ohnesorg. Also das waren so bestimmte Ereignisse, die dazu geführt haben, dass an den Universitäten zunehmend eigene neue Medien entstanden sind, also kleine Zeitungsblätter, Magazine, die vor allem die deutsche Öffentlichkeit und die Boulevardpresse, also insbesondere den Springer Verlag kritisiert haben. In den 80-er Jahren war es dann vor allem die Anti AKW und Umweltbewegung, da sind in diesem Bereich ganz viele eigene Publikationen entstanden und auch eben die freien Radiosender, die waren auch sehr oft in Zusammenhang oder waren ein Organ der Anti AKW Bewegung. Und dann eben in der jüngeren Vergangenheit mit dem Aufstieg der extremen Rechten oder auch der Rechtspopulisten, die ja auch zunehmend auf Medien gesetzt haben, die sich selbst als Alternative bezeichnen.
Das war vor allem die sogenannte Flüchtlingskrise 2015 und dann später die Corona Pandemie. Also da zwei Ereignisse, wo es zu einer gewissen Spaltung oder einer gewissen Unsicherheit in der Bevölkerung kam und zugleich man aber gesehen hat, in den Medien wird ein gewisser Mindestkonsens abgebildet. Da haben es neue, selbsternannte Alternativmedien durchaus leichter gehabt, eine Zielgruppe für sich zu erschließen, die nämlich auch sich wieder kritisch gegenüber der herrschenden Öffentlichkeit positioniert.
Edith Meinhart
Wenn mich mein geschichtliches Wissen nicht trügt, war Österreich, zumindest was jetzt in den 68-ern die linksradikalen und linken Szenen betrifft, nicht führend. Also da gab es viel mehr Aktivität in Deutschland. Anders dann bei den Rechten. Österreich war nämlich 2009 mit der Gründung der FPÖ-nahen Seite in Unzensuriert.at sehr früh dran. Und dann nach der Flüchtlingsbewegung kamen noch viele Weitere dazu, auch InfoDirect, das auf seiner ersten Titelseite geschrieben Wir wollen einen wie Putin oder der Onlinesender Auf 1, dann der Status, das Nachfolgeprojekt des eingestellten Wochenblicks und einige mehr. Warum ist Österreich für diese Art von alternativer Publizistik so ein Nährboden?
Luis Paulitsch
Das ist nicht ganz einfach für mich zu beantworten. Ich würde sagen, da gibt es zwei mögliche Erklärungen. Zum einen muss man sagen, Österreich hatte immer schon eine große rechtsextreme Szene im deutschnationalen Burschenschafter-Milieu, die ja schon im 20. Jahrhundert auf eigene Publikationsorgane gesetzt hat. Also ich darf erinnern an die rechtsextreme Zeitschrift Zu Aula. Das war damals schon eine Zeitschrift, die als Brücke fungiert hat zwischen der FPÖ und außerparlamentarischen rechtsextremen Strömungen. Also ich würde sagen, da war schon ein gewisses Know-how da im Umgang mit eigenen parteinahen Medien. Das andere war, und da ist die FPÖ sicher ein Vorbild für alle rechtspopulistischen Parteien in Europa, dass sie extrem früh die Stärke oder die Bedeutung von Social Media für die politische Kommunikation erkannt hat.
Also Heinz Christian Strache hat etwa zur selben Zeit, als Unzensuriert on Air ging, auch seine eigene Facebook Seite gestartet. Und diese Facebook Seite war ein direkter Weg zu den Userinnen und Usern zu kommunizieren. Andere Parteien sind erst viel später auf diesen Zug mit aufgesprungen. Und das ist überhaupt bei der FPÖ, auch bei anderen Social Media Plattformen, zum Beispiel bei TikTok, sehen wir auch dass die FPÖ dort die Nase vorne hat, weil sie das einfach sehr früh immer kennt, dass man bei Social Media Plattformen sich eine Reichweite aufbauen kann und damit dann auch nicht mehr auf etablierte Medien angewiesen ist. Und was dann entstanden ist, nachdem unzensuriert funktioniert hat, dass in den darauffolgenden 10, 15 Jahren man immer weitere Medien in diesem Umfeld aufgebaut hat, die jetzt nicht klassische Parteimedien der FPÖ waren, aber die durch ihre Personen, durch ihre Inhalte und auch auf der ökonomischen Ebene durchaus Verbindungen zur Partei aufweisen. Deswegen halte ich es durchaus für gerechtfertigt, dass man heute von einem blauen Paralleluniversum oder einer FPÖ-Medienwelt spricht, weil wir sehen da einfach, sind mittlerweile glaube ich an die 10, 12 Medienprojekte, die alle in irgendeiner Form eine Verbindung oder eine Nähe zur FPÖ haben und auch in ihrem Sinne berichten. Also die FPÖ hat sich da wirklich ein eigenes Ökosystem aufgebaut, was es eben auch jetzt ermöglicht, nicht mehr mit seriösen Medien unbedingt zu kommunizieren.
Und das gibt ja auch mehrere Fälle in den letzten Jahren, wo immer wieder das auch dann bekannt wurde, dass die FPÖ das Gespräch verweigert.
Edith Meinhart
Diese Medien zitieren einander, die posten einander auf Social Media und generieren dadurch ständig mehr Reichweite. Außerdem füttern rechte Politiker innen diese Medien mit Insider Informationen, gewähren Zugang, den sie etablierten Medien verwehren und dadurch werden diese Medien wieder aufgewertet bis hin, du hast es erwähnt, sich dann die Politiker stark genug fühlen, auf etablierte Medien überhaupt zu verzichten. FPÖ-Chef Herbert Kickl zum Beispiel hat 2023 einen Puls Auftritt abgesagt, weil es sich aus seiner Sicht bei Puls um einen linken Sender handle. Kurz davor war er mit der AfD Spitzenkandidatin Alice Weidel auf dem Verschwörungskanal auf 1 aufgetreten. Haben das unabhängige Journalistinnen zu wenig am Radar?
Luis Paulitsch
Ja, ich glaube schon. Also mir fällt das auch schon seit mehreren Jahren auf, dass diese alternativen Medien für die FPÖ eine enorme Bedeutung erlangt haben, sowohl was ihre Kommunikation betrifft, wie auch ihre Wahlkampfarbeit. Und ich habe oft das Gefühl, dass etablierte Medien nach wie vor da in ihrem Zugang sich sehr stark auf das Wahlprogramm der FPÖ fokussieren, auch auf mögliche Koalitionen nach der Wahl dann. Aber diese ganze Ebene der der eigenen Medienarbeit, die ja sehr oft auch mit dem rechtsextremen Milieu verbunden ist, die wird eigentlich in vergleichsweise wenigen seriösen Medien in Österreich thematisiert. Und das, glaube ich, ist durchaus etwas, wo auch etablierte Journalistinnen und Journalisten vielleicht ein bisschen ein Sensorium dafür bekommen müssen oder dafür sensibilisiert werden müssen, wie bedeutsam mittlerweile der digitale Raum auch ist für die FPÖ und dass man viel stärker das auch einordnen muss. Denn wir sehen alle momentan, dass sich bei den Umfragen wenig bewegt und da ist durchaus die Ist es nicht auch mittlerweile eine Folge davon, dass die FPÖ es vielleicht einfach geschafft hat, dass sich 30 Prozent der Bevölkerung nur noch oder hauptsächlich über ihre Kanäle informieren? Also da müssten wir, glaube ich, auch in der Zukunft viel stärker darüber diskutieren.
Was heißt das eigentlich, wenn ein Herbert Kickl ein PULS-Interview absagt und stattdessen bei einem der reichweitenstärksten rechtsextremen Verschwörungsmedien des deutschsprachigen Raum auftritt? Also wie kann so eine Person überhaupt Bundeskanzler eines demokratischen Landes sein, wenn das ihr Haus und Hofmedium ist? Und ich finde es schon interessant oder auch ein bisschen merkwürdig, dass etablierte Medien diese Frage eigentlich kaum öffentlich thematisieren.
Edith Meinhart
Vereinzelten Kolleginnen abgesehen, wie du erwähnt hast.
Luis Paulitsch
Aber zum Beispiel auch jetzt in solchen Formaten wie den Runden der Chefredakteure wird eigentlich diese ganze Thematik eigentlich meistens nicht öffentlich thematisiert oder auch nicht in der politischen Analyse in der ZIB 2.
Edith Meinhart
Menschen, die sich zu Recherche oder Forschungszwecken in diesen rechtsalternativen Netzwerken aufhalten, sagen, dass sich ihre Sicht auf die Welt auch verändert, wenn sie sich selbst beobachten oder das Vertrauen in Institutionen und Medien schwindet. Es gibt immer wieder extreme Desinformationskampagnen. Es ist ja auch anstrengend, die Fakten zu recherchieren. Von dem bereits genannten Steve Bannon stammt ja das berühmte Zitat Flood the zone with shit. Also das beschäftigt einen unablässig und offensichtlich verändert es einen auch. Welche Beispiele für solche Kampagnen sind dir denn in Erinnerung aus diesen Netzwerken?
Luis Paulitsch
Ja, also wir Menschen neigen dazu, dann eine Information eher für wahrzuhalten, wenn verschiedene unterschiedliche Quellen das berichten. Und das haben rechtsalternative Medien sehr gut erkannt, dass sie oft eigentlich dasselbe berichten und dadurch eben diesen politischen Effekt erzeugen. Und das führt eben auch dazu, dass ich dann zunehmend in so einer medialen Echokammer mich irgendwie auch befinde, wo ich permanent mit gewissen Narrativen befeuert werde und dadurch eben auch dann irgendwann wirklich glaube, dass die gesamte Gesellschaft sich auf dem Weg in den Untergang befindet. Ich zitiere da gerne immer den deutschen Politikwissenschaftler Markus Linden, der beschreibt das als negative Öffentlichkeit. Das heißt, das ist mittlerweile diese ganze rechtsalternative Medienwelt schafft ein eigenes Ökosystem, das eigene Expertenbetrieb besitzt, eigene Wahrheiten, nie diskursiv ist. Und es ist eigentlich immer klar, es gibt am Ende irgendeine globale Elite, die bewusst gegen die Bevölkerung im Geheimen agiert. Und ein ganz bekanntes Beispiel ist die Corona Pandemie, wo dieses Narrativ verbreitet wurde.
Es gibt eine Plandemie, eine sogenannte Plandemie. Das heißt, die Pandemie wurde von einzelnen Globalisten erfunden und man strebt langfristig eine WHO-Diktatur an. Und sämtliche Schutzmaßnahmen der Pandemie waren eigentlich irgendwann nur noch Teil eines größeren globalen Plans, der sich gegen die Bevölkerung richtet, um eine totalitäre sogenannte neue Weltordnung aufzubauen. Und hätte das ein Medium vielleicht gemacht, hätten diese Narrative vielleicht nicht so verfangen. Aber mittlerweile haben wir ja an die 40, 50 Medien, die alle dann über diese Pläne zur WHO-Diktatur berichten und dementsprechend bin ich dann auch als Leserin oder Leser eher geneigt, das für bare Münze zu nehmen. Und das ist immer bei großen Krisen mittlerweile der Fall, dass wir sehen, dass ein gewisser Mindestkonsens, der sich abbildet in der Gesellschaft und den wir auch brauchen, um gewisse Krisen zu lösen, also wir müssen uns ja auch beim Klimaschutz auf gewisse Maßnahmen einigen und der wird inzwischen konsequent von diesen rechtsalternativen Medien angegriffen und das macht mir schon Sorge. Wie soll uns überhaupt noch was gelingen, wenn 30 40 Prozent der Gesellschaft irgendwelchen Verschwörungsdesinformationskanälen anhängen und all das, was an politischen Maßnahmen in demokratischen Staaten gesetzt wird, nur noch radikal delegitimiert wird.
Edith Meinhart
Ja, das geht ja eigentlich bis dahin, dass man dann, wenn man einander ausreichend fremd geworden ist, man anfängt sich das Recht Rechte zu haben, um Hannah Arendt zu zitieren, abspricht. Das ist natürlich Gift für die Demokratie.
Luis Paulitsch
Ja, das glaube ich auch. Und eben wir Menschen sind leider sehr anfällig für Propaganda und dementsprechend sind auch oft Faktenchecks oder seriöse Recherchen nicht der Weg, mit dem wir gewisse Leute, die diesen Verschwörungserzählungen anhängen, zurückholen können. Also das ist durchaus auch ein Problem, dass Menschen ja diese Inhalte auch nicht konsumieren, weil sie nur daran glauben, sondern weil sie sich auch damit identifizieren. Also dieses Community Building durch Desinformation und verschwörungstheoretische Inhalte sollte man auch nicht unterschätzen.
Edith Meinhart
Erstaunlicherweise sind auch staatstragende, etablierte konservative Parteien nicht gegen Desinformation und orchestrierte Hetze gefeit und lassen sich davon treiben. In Deutschland im Fall Brosius-Gersdorf die CDU, die nicht dagegengehalten hat. Was heißt das zu Ende gedacht, dass man zulässt, dass Richterbestellungen von einflussreichen Lobbying Gruppen torpediert werden.
Luis Paulitsch
Also mir macht das große Sorge, schon seit längerem zu beobachten, dass eigentlich bürgerliche Institutionen und Parteien diese Strategien der extrem rechten Alternativmedien zu übernehmen. Wir haben das in Österreich zum Beispiel gesehen mit diesem Medium Express, das starke Verbindungen zu Sebastian Kurz hatte, das eigentlich auch schon versucht hat, diesen Ansatz zu wählen, so eines Kulturkampfportals, das ein Scharnierorgan sein soll zwischen Konservativen und Rechten. Das wurde dann von News in Deutschland in noch viel größerem Ausmaß übernommen Und das ist ein klassisches Kulturkampfportal, würde ich sagen, nach US-Vorbild. Also wenn man sich dort etwas länger anschaut, was da für Inhalte verbreitet werden, dann wirkt das völlig grotesk, wo man sich fragt, wie können konservative Politiker dort ernsthaft auftreten? Also das ist so würdelos eigentlich. Aber es folgt natürlich einer gewissen Logik. Es wird betrieben von Julian Reichelt, dem ehemaligen Bild Chefredakteur, der ganz offen auch mittlerweile in Interviews sagt, er macht das, um gewisse Narrative in der Bevölkerung zu zerstören.
Also er nennt Begriffe wie Wärme, Wärmewende oder Energiewende, wo er sagt, die verbindet das Publikum nur mit linken Narrativen. Und ich muss das mit einer neuen Medienmarke komplett in die Luft jagen. Das heißt, ich bin wieder auf dieser Ebene der kulturellen Hegemonie, die ja auch eigentlich etwas ist, was ursprünglich von den Identitären ausging, die das ganz stark propagiert haben im Sinne von Gramsci. Und das übernehmen jetzt immer stärker auch konservative Player. Und das ist durchaus eine Gefahr, weil die Konservativen gerade als Partei so wichtig für die Demokratie sind, auch in diesem Gefüge der demokratischen. Und wenn man sich da von gewissen demokratischen Grundsätzen und Prinzipien verabschiedet und sich von dieser medialen Kampagnenlogik treiben lässt, dann sehe ich wirklich die Demokratie auf einem sehr heiklen Weg. Und das haben wir, finde ich, auch wieder bei Brosius-Gersdorf gesehen.
Wer waren diejenigen, die am Ende diese Wahl verhindert haben? Nicht die Rechten, sondern CDU-Politiker, die auf einmal die Narrative dieser Kampagnenportale übernommen haben. Und insofern glaube ich, auch da brauchen wir eine viel stärkere Debatte. Das ist das, was ich vorhin auch bezüglich dem Verhältnis zwischen der FPÖ und den ihr nahestehenden Medien angesprochen habe. Wir müssen uns auch überlegen, was heißt das, wenn konservative, demokratisch gesinnte Politiker immer stärker bei diesen Krawallportalen auftreten. Also das ist ja auch ein Dilemma, wenn diese Ablehnung der seriösen Medien immer stärker auf bürgerliche Parteien überschwappt. Und wenn ich mir anschaue, wie stark mittlerweile in Deutschland CDU und CSU-Politiker gegen den öffentlichen rechtlichen Rundfunk polemisieren, vor dem Hintergrund, dass wir ein massives Problem in den USA gerade haben mit der Einschränkung der Pressefreiheit, dann sollten wirklich bei jedem von uns die Alarmglocken läuten.
Und da muss das auch in der Öffentlichkeit viel stärker thematisiert werden.
Edith Meinhart
Es ist erstaunlich, dass sie eben nicht schrillen, die Alarmglocken. Die alternativen Medien wollen immer eine Gegenöffentlichkeit schaffen. Sie wollen Tabus brechen und sich aus dem Diktat der politischen Korrektheit befreien. Sie haben die Schnauze voll vom bevormundenden Mainstream Journalismus und so weiter. Das klingt immer so, als wäre man ein Opfer einerseits und andererseits, als wären alternative Medien die wahren und einzigen Streiter für Meinungsfreiheit und Demokratie. Aber immer, wenn dann jemand an die Macht kommt oder an der Macht ist, der ihnen zu Gesicht steht, wie zum Beispiel in Ungarn Viktor Orban, dann geht es ja unabhängigen freien Medien sofort an den Kragen. Also dieser Widerspruch müsste ja eigentlich auffallen.
Luis Paulitsch
Er müsste auffallen und er tut es auch, aber offenbar nicht beim Publikum, das diese Medien gerne konsumiert. Was aber, glaube ich, schon nachvollziehbar ist, weil all diese Medien definieren einen Gegner und das sind die sogenannten liberalen Eliten, die Dinge tun, wie eben das Gendern vorschreiben, uns ärgern mit Klimaschutzmaßnahmen oder eben die Migration nicht lösen wollen. Also das heißt, da ist es gelungen, ein Feindbild aufzubauen, das so stark mittlerweile bei manchen, glaube ich, tief drin sitzt, dass man alles andere negiert. Und gerade Viktor Orban ist so ein wunderbares Beispiel, weil da wird dann über die Einschränkung der Meinungsfreiheit an US-Universitäten sich furchtbar empört. Gleichzeitig werden in Ungarn Bücher verboten, es wird die Pride verboten und all das fällt dann aber nicht in diesen Bereich Einschränkung von Meinungsfreiheit. Und ganz bizarr beim Express sieht man mittlerweile, der permanent sich beklagt über die Einschränkungen durch die Linken, der gibt einem Vertreter des Fides nahen Matthias Corvinus Kollegium eine Gastkolumne, wo er schreiben darf, wie richtig Orban mit all dem, was er tut, ist. Oder es erscheinen Artikel, die eigentlich die Narrative von Viktor Orban und der Fidesz Partei übernehmen.
Also auch da müssen wir wieder uns fragen, was heißt das eigentlich, dass österreichische Alternativmedien sich als Sprachrohre anbiedern von autokratisch geführten Staaten?
Edith Meinhart
Die False Balance ist schon gefallen. Diese Dynamik bringt ja auch seriöse Medien immer wieder unter Druck, weil es in den Redaktionen zunehmend heißt, man muss die Gegenseite zu Wort kommen lassen. Man kann sich dem Vorwurf nicht aussetzen, da einseitig zu berichten und dann werden Positionen gegeneinandergestellt, die eigentlich überhaupt nicht gleichwertig sind oder der Faktenlage komplett widersprechen. Braucht es da auch mehr Schulung, mehr Rollenbewusstsein von Journalistinnen, auch von Medienkonsumentinnen?
Luis Paulitsch
Also ich glaube, mehr Medienkompetenz und Schulung ist nie schlecht. Ich würde mich auch jetzt nicht vor Positionen oder Minderheitsmeinungen fürchten. Also ich finde es auch durchaus legitim, mal einem sogenannten Querdenker in einer Reportage oder auch einem Interview ein Forum zu bieten. Aber als Journalist ist die Einordnung wichtig und eben auch, wie gestalte ich ein Podium? Ist es wirklich zielführend, eine wissenschaftliche Meinung und eine unfundierte Position einander gleichwertig gegenüberzustellen? Und da war die Corona Pandemie, finde ich, ein ganz gutes Beispiel dafür, wo man gesehen hat, wie schwer sich manche Medien damit tun oder wie auch schwierig dieser Spagat ist zu schaffen. Aber ja, grundsätzlich glaube ich schon, gerade wenn es um auch Bereiche wie Klimaschutz geht, dass wir auch ein größeres Sensorium entwickeln müssen oder Bewusstsein dafür, welche Interessen verfolgt diese Person möglicherweise?
Also ich finde, gerade wenn es eben um Klimaschutz oder Energiepolitik geht, dann kommen sehr oft auch in der Öffentlichkeit Lobbyisten zu Wort, ohne dass das offengelegt wird. Und da glaube ich, würde ich mir wünschen, dass auch der seriöse Journalismus hier stärker auch das dann einordnet für die Bevölkerung, dass oft hinter gewissen Positionen politische oder ökonomische Absichten stehen.
Edith Meinhart
Das heißt, wir sind an dem, dass Menschen uns nicht mehr so vertrauen wie früher, auch ein bisschen Selbstschuld.
Luis Paulitsch
Ja, das glaube ich schon.
Edith Meinhart
In einer liberalen Demokratie ist das Verbot von Medien das wirklich allerletzte Mittel. Dazu griff die EU aber 2022 nach dem Angriff. Russlands auf die Ukraine und sperrte die russischen Nachrichtenportale Sputnik und RT, vormals Russia Today, wegen des Vorwurfs, damit einen Informationskrieg gegen europäische Gesellschaften zu führen. Es gab damals auch Kritik zum Beispiel von Reporter ohne Grenzen. Wie siehst du das Verbot rückblickend?
Luis Paulitsch
Ich sehe Verboten eigentlich selten als den richtigen Weg, weil ich immer glaube, man schafft damit auch eine Märtyrerrolle für diese Medienprojekte. Also ich finde gerade bei Kompakt in Deutschland, diesem rechtsextremen Magazin, wo man jetzt versucht hat, das zu verbieten, hat, finde ich das Bundesverwaltungsgericht zu Recht entschieden, da überwiegt noch die Pressefreiheit. Bei Sputnik und RT sehe ich es etwas differenzierter, weil es da ja um eine außenpolitisch sicherheitspolitische Maßnahme ging. Ich würde sagen im Sinne von Karl Popper, wie tolerant ist man zu den Intoleranten. Und es war einfach klar, dass dass Russland seit Jahren auch über diese Portale in der EU-Desinformation betreibt und die Demokratie destabilisiert. Ich finde, da muss es einem Staat auch möglich sein zu sagen, gewisse Inhalte, die verbieten wir auch in einer Demokratie, auch wenn ich glaube, dass das nicht Schule machen sollte. Also ich habe mich in diesem Fall zurückgehalten mit der Kritik. Ich glaube aber zum Beispiel nicht, dass wenn wir jetzt zurückkommen auf diese FPÖ nahen Medienprojekte, dass es da irgendwie zielführend wäre, ein Verbot zu fordern, obwohl da.
Edith Meinhart
Verbindungen zum Kreml auch dokumentiert sind. Es gibt eine Fallstudie, die heißt Rus Inform und die belegt auch oder geht auch persönlichen und oder medialen, institutionellen Verbindungen zum Kreml nach, unter anderem zum Beispiel von Auf eins. Wie sollen sich denn demokratische Gesellschaften gegen Angriffe von außen, auch von staatlichen Akteuren und Versuche von politischer und gesellschaftlicher Destabilisierung wehren?
Luis Paulitsch
Ja, ich glaube, das sollte man auf mehreren Ebenen sich anschauen und beantworten. Ich habe vorhin schon die Rolle der seriösen Medien genannt. Ich glaube, da wird es durchaus wichtig sein, in den nächsten Jahren sich mehr mit diesen Kampagnenportalen und Alternativmedien auch zu befassen, weil sie eben zunehmend ein Politikum darstellen, weil eben sich zwischen rechtspopulistischen bis autoritären Kräften und diesen Medien ein symbiotisches Verhältnis entwickelt hat, das eigentlich für mich nicht mehr ein Thema des Medienjournalismus, sondern der Innenpolitik darstellt. Und insofern glaube ich, auch seriöse Journalistinnen und Journalisten müssen stärker aufzeigen, wer steht hinter diesen Projekten, welcher Partei stehen sie in der, welche politischen Interessen bedienen sie, um die Bevölkerung auch darüber aufzuklären. Dann auf der Ebene der Politik, glaube ich, wird es wichtig sein, dass man einerseits in Bezug auf Medienförderung viel klarere Standards schafft, dass man wirklich in der Zukunft den seriösen Journalismus fördert und nicht Medien, wo dann irgendwelche Propagandakanäle auch an Förderungen kommen. Das ist gerade in Österreich auch jetzt wieder aktuell. Heute haben wir erfahren, der Express soll Förderung bekommen.
Ich finde, das ist so ein schönes Beispiel, wo man sehen kann, ist es sinnvoll, dass ein politisches oder man kann auch sagen hyperparteiisches Alternativmedium eine Qualitätsförderung vom Staat Österreich bekommt Und auf der anderen Seite auch das richtet sich an die Politiker. Ich finde, wir müssen stärker mit den Politikern darüber debattieren, bei welchen Medien tritt man auf welchen Medien schafft man Reichweite auf seinen Social-Media-Kanälen? Also auch da braucht es eine Sensibilität und ein gewisses Bewusstsein in der Politik, dass ich auch da eine Verantwortung habe. Und die dritte Ebene wäre die zivilgesellschaftliche. Da halte ich es für durchaus sinnvoll, dass man dieses Ökosystem an rechts alternativen Medien, das sich gebildet hat, als eine neue Form der Hegemonie im digitalen Raum anzusehen und dann zu versuchen, Perspektivwechsel dazu eine Gegenöffentlichkeit aufzubauen. Also ich finde gerade wenn ich mir anschau, auf welche Medienstrategien nach wie vor demokratische Akteure setzen, dann ist das teilweise einfach veraltet und da braucht es neue Mittel, da braucht es spannende Influencer, da braucht es vielleicht eigene neue Medienformate auf YouTube, mit denen ich versuche, diese autoritäre Medienwelt, die sich da gebildet hat, wieder zu bekämpfen und Leute, die diese Inhalte konsumieren, auf meine eigenen Kanäle zu holen.
Edith Meinhart
Es ist rechtsalternativen Medien schon vor Express immer wieder gelungen, an staatliche öffentliche Mittel zu kommen. Welche Kriterien soll es denn geben, um einen Journalismus zu fördern, der wirklich die Demokratie stärkt und nicht durch orchestrierte Hetze oder Desinformation gefährdet?
Luis Paulitsch
Das ist in der Tat gar nicht so leicht zu beantworten, weil der Staat ja eigentlich nicht vorgeben sollte oder vorschreiben sollte, was ist guter Journalismus und was nicht. Ich verfolge da eher einen professionsethischen Ansatz. Ich glaube, ganz wichtig ist die Mitgliedschaft in einem repräsentativen Selbstkontrollorgan. Hat diese Medium ein Redaktionsstatut? Also ich glaube, da gibt es schon gewisse Kriterien, die es auch zum Beispiel in Skandinavien viel stärker auf der Gesetzesebene gibt, an denen man sich orientieren könnte. Derzeit ist das Problem, dass man sich nach wie vor eigentlich an quantitativen Kriterien orientiert. Also die Presseförderung hat sich stark an der Auflage der Printprodukte orientiert und die Qualitätsjournalismusförderung jetzt orientiert sich in erster Linie an der Anzahl der Journalistinnen und Journalisten.
Wobei das Kuriose Es muss nicht mal ein Journalisten KV sein, es reicht auch ein vergleichbarer KV. Und wenn das dann drei Personen sind, die dieses Medium beschäftigt, dann habe ich eigentlich schon mit einer gewissen Anzahl an Nachrichten Content, den ich selbst erstell, Anspruch auf diese Förderung. Und das war auch beim Express der Fall. Also wenn man das Gesetz sich angeschaut hat vor zwei Jahren, als das kam, war eigentlich relativ klar, ein Medium wie der Express wird da einen Anspruch drauf haben. Und das ist, glaube ich, generell auch so ein bisschen ein Problem, das der Gesetzgeber bislang nicht angehen möchte. Diese Gesetze sind eigentlich dazu da, dass Oligarchen oder wohlhabende Personen, eigentlich Medien sich aufbauen können und dann relativ bald Anspruch auf eine Förderung daraus haben. Und eigentlich das Umgekehrte, was eigentlich viel förderungswürdiger wäre, nämlich dass kleine Medienprojekte, die seriösen, guten Journalismus haben und wachsen wollen, die müsste der Staat fördern und nicht irgendwelche hyperparteiischen Portale, die in erster Linie dazu da sind, politische Ziele zu erreichen.
Edith Meinhart
Also für mich wäre auch das entscheidende Kriterium eigentlich, ob Journalistinnen und Medien sich an ethische, professionelle Standards halten und letztlich ob der Fluchtpunkt der eigenen Arbeit die Demokratie ist, also die Herstellung von Öffentlichkeit, die Aufklärung, Kontrolle, Funktionen, die ja durch Freiheitsprivilegien wie die Pressefreiheit, von der sich wiederum das Redaktionsgeheimnis, der Quellenschutz ableiten, abgesichert sind. Wir haben uns jetzt immer auf die Differenz zwischen Mainstream-Medien und alternativen Medien verlegt, aber in dieser Hinsicht wäre ja das viel Entscheidendere, ob es journalistische Standards gibt.
Luis Paulitsch
Genau deswegen würde ich auch eigentlich wegkommen wollen von dieser Unterscheidung Mainstream und Alternativmedium, sondern ich würde eher unterscheiden, ist es ein journalistisches oder nicht journalistisches Medium? Also ich glaube, das wird die Aufgabe sein, die wir haben in den nächsten Jahren, dass wir da viel stärker unterscheiden. Ist das ein Medium, das das sich an gewisse berufsethische Standards hält oder ist es ein Medium, das in erster Linie eigentlich dazu da ist, politische Kampagnenarbeit zu betreiben?
Edith Meinhart
Weil die bereits zitierte Online-Plattform Republik wäre ein alternatives Medium, aber absolut journalistisch und auch die Dunkelkammer wäre ein alternatives Medium. Wir halten uns aber absolut an journalistische Standards.
Luis Paulitsch
Ganz genau. Also im Buch erwähne ich die Republik als ein gutes Beispiel. Wenn man sich anschaut, die Leitsätze der Republik, dann sagen die ausdrücklich, sie sehen sich als Revolution gegen die Medienkonzerne. Das heißt, das ist eigentlich ein linksalternatives Schlagwort. Das erinnert an Medienprojekte, der er er Jahre. Aber wenn man sich anschaut, ihren Journalismus, der ist extrem seriös und sehr, sehr lesenswert. Aber eben in der Forschung gibt es durchaus einige Arbeiten, wo die Republik explizit bei den Alternativmedien genannt wird, was auch der Grund war, dass ich sie zum Beispiel erwähnt habe oder in Deutschland Kraut Reporter.
Also das sind diese Medien, die sich bewusst abgrenzen vom etablierten Mediensystem, aber gleichzeitig die Regeln des seriösen Journalismus sehr wohl.
Edith Meinhart
Befolgen, aber auch abgrenzen, weil sie sagen, dass in den Redaktionen, die ja finanziell, personell und zunehmend unter Druck geraten sind, manche Recherchen nicht mehr gemacht werden.
Luis Paulitsch
Genau. Also die Abgrenzung liegt darin, dass man sagt, in diesem kommerzialisierten Mediensystem verfallen viele Medien zunehmend der Logik von Clickbaiting. Man baut personelle Stellen ab oder man setzt auf Sensationsberichterstattung, also die klassische Eilt Meldung. Das nimmt immer mehr überhand in den sozialen Medien und dadurch auch eben in den etablierten Medien. Und das führt dazu, dass gewisse Medienprojekte Nein, da machen wir nicht mit. Wir setzen eben auf sogenannten Slow Journalism, auf Hintergrundberichterstattung und grenzen uns dadurch aber wiederum vom Mainstream ab, weil derzeit diese Methoden von Clickbaiting und Co. In den Mainstream Medien dominieren.
Deswegen ist auch so wichtig, dieser Begriff Alternativmedium ist immer auch in einem zeitlichen Rahmen zu sehen. Das kann sich wieder ändern, und gewisse Methoden oder Themen, Die Alternativmedien vor 30 Jahren zu einem Alternativmedium gemacht haben, sind heute ganz normaler Mainstream.
Edith Meinhart
Generell ist das Vertrauen in etablierte Medien ja sehr gesunken, auch nicht ganz ohne Zutun der etablierten Medien, wie wir vorhin schon besprochen haben. Und Journalistinnen und Journalisten reagieren darauf unter anderem, indem sie vermehrt versuchen, ihre ethischen Richtlinien und ihre Arbeitsweise besser zu erklären. Reicht das? Was muss aus deiner Sicht noch passieren? Und könnten alternative Medien vielleicht sogar gut für den Journalismus sein, für das Vertrauen?
Luis Paulitsch
Also ich glaube schon, dass dieser medienkritische Ansatz, den viele Alternativmedien haben, durchaus auch für den seriösen Journalismus förderlich ist. Also ich kann da zum Beispiel die Plattform über Medien als Beispiel nennen oder in Österreich der Watchblog Kobuk. Das sind Portale, die sich auf Medienkritik fokussieren und dadurch auch immer wieder aufzeigen, wo es gewisse Missstände bei den etablierten Medien gibt. Das hat, glaube ich, durchaus auch dazu beigetragen, dass es heutzutage eine größere Fehlerkultur auch im etablierten Journalismus gibt. Und das, glaube ich, ist nie schlecht. Und natürlich muss sich der seriöse Journalismus auch erklären, um attraktiv zu bleiben oder auch wieder attraktiver zu werden. Trotzdem glaube ich, dass auch ein gewisses Misstrauen in den vergangenen Jahren ja gezielt gesät wurde. Also diese permanenten Angriffe auf den ORF, auf die sogenannten Systemmedien, das macht natürlich was mit einer Bevölkerung und das erzeugt ja auch ein bewusstes, großes Feindbild, das dann nicht so leicht wieder aus der Welt zu bekommen ist.
Aber um jetzt auch noch was Positives zu sagen, im aktuellen Digital News Report für Österreich sieht man, dass das Vertrauen wieder zunimmt in Nachrichteninhalte. Also es kann schon auch sein, dass nach diesem Tief, bedingt durch die Corona Pandemie, zunehmend auch die Menschen merken, mit dem, was in den USA passiert und wie problematisch die Social Media Plattformen zunehmend werden. Oder man kann auch sagen, wie unerträglich in dieser ganzen Werbung und diesen Hasskommentaren, die dort dominieren, kann es durchaus dazu führen, dass sich auch mehr Menschen in den kommenden Jahren wieder dem seriösen Journalismus zuwenden werden. Und deswegen glaube ich, ist aber auch so wichtig, dass eben der seriöse Journalismus sich von diesen Kampagnenportalen, wie jetzt im Fall Brosius-Gersdorf, bewusst abgrenzt und nicht in einer Clickbait Logik dann auch deren Narrative und Falschmeldungen übernimmt.
Edith Meinhart
Luis Paulitsch, herzlichen Dank für das Gespräch.
Luis Paulitsch
Vielen Dank für die Einladung.
Autor:in:Edith Meinhart |