Große Töchter
Felicia Stern über Frauensolidarität und Spaltung
Beatrice Frasl
Hallo und herzlich willkommen bei Große Töchter. Mein Name ist Beatrice Frasl und ich freue mich sehr, dass ihr wieder eingeschaltet habt und wieder mit dabei seid. Wie immer zu Beginn jeder Folge möchte ich auch heute meinen neuen Supporter innen danken. Danke Tina, Helga, Lucia, Mattea, Julia, Sarah, Esther, Clara, Sandra und Sabine. Vielen lieben Dank euch. Dank euch kann es diesen Podcast weitergeben und kann ich noch weitere Folgen dieses Podcasts produzieren.
Denn große Töchter ist Community finanziert. Es gibt diesen Podcast nur dank der Unterstützung seiner Hörerinnen. Und wenn ihr große Töchter gut findet und wollt, dass es den Podcast weitergibt, dann könnt ihr große Töchter auch supporten. Und zwar unter Steady H. Großetöchter Podcast. Ich arbeite auch gerade dran und ich habe das in der letzten Folge groß versprochen, dass es die Möglichkeit geben wird, große Töchter auch auf Apple Podcast zu supporten. Allerdings stellt sich das komplizierter heraus, als ich dachte, dass es ist, denn ich schaff's grad nicht durch die Review bei Apple.
Und sobald das geklappt hat, werde ich es euch an dieser Stelle mitteilen. Aber fürs Erste und in der Zwischenzeit könnt ihr große Töchter auf Steady supporten. Der Link dazu findet sich in den Shownotes. In der heutigen Folge ist Felicia Stern vom Keine Liebe Kollektiv zu Gast. Und was das Keine Liebe Kollektiv ist, das wird sie euch selbst erzählen. Wir sprechen in dieser Folge über Frauensolidarität und Überspaltung in feministischen Diskursen und feministischen Communities und darüber, warum es Sinn macht, sich im echten Leben zu treffen und sich nicht nur online zu befetzen. Viel Spaß mit der heutigen Folge.
Hallo liebe Feli. Vielen Dank, dass du den Weg ins große Töchterstudio gefunden hast heute und dir Zeit genommen hast für den Podcast.
Felicia Stern
Danke für die Einladung, ich freue mich wirklich sehr.
Beatrice Frasl
Ich beginne ja alle meine Folgen immer mit der wer bist du und was machst du? Magst du kurz meinen Zuhörerinnen sagen, wer du bist und was du so treibst?
Felicia Stern
Also ich freue mich voll, dass mir die Frage jetzt gestellt wird, weil ich höre den Podcast seit fünf Jahren sicherlich und jetzt habe ich mir Gedanken darüber machen müssen. Also ich bin Feli, ich bin ursprünglich Grafik und Kommunikationsdesignerin, ich bin auch Künstlerin, ich arbeite auch ein bisschen journalistisch ab und zu und heute bin ich aber hier in meiner Rolle als Gründungsmitglied des Keine liebe Kollektivs für kritisch feministischen Austausch und Frauensolidarität. Ja genau und da werde ich ein bisschen was über meine und unsere Arbeit erzählen heute.
Beatrice Frasl
Der Grund, warum ich dich unbedingt einladen wollte, ist, dass ich ja ganz oft Zuschriften kriege von jungen Frauen, die meinen Podcast hören und die sagen, sie würden gerne in Wien sich irgendwie feministisch vernetzen oder feministisch aktiv werden. Ich hab denen schon ganz oft gesagt, sie sollen sich an euch wenden oder bei den Stammtischen dazu stoßen und deshalb habe ich mir gedacht, es ist eine gute Idee, das auch im Podcast dann mal zu erzählen, was das keine Liebe Kollektiv so ist und deshalb stelle ich dir diese Frage jetzt auch gleich was ist denn das keine Liebe kollektiv?
Felicia Stern
Also wir verstehen uns als Netzwerk, das feministische Gespräche aus dem Internet holen und ins real life zurück oder verlagern möchte und wir sind bekannt geworden durch unser Frauenstammtischformat. Unsere Stammtische finden so alle ein bis zwei Monate statt und wir halten diese Stammtische ab, immer zu einem bestimmten Thema, zu dem es einen kurzen Input gibt, 20 Minuten, halbe h und danach wird zu diesem Thema diskutiert, zuerst in der Runde und dann anschließend gibt es noch Drinks und es ist Zeit für Vernetzung, Freundschaften finden, sich streiten, sich anfreunden. Unsere Arbeitsthemen, zu denen wir uns gegründet haben, sind eben Frauensolidarität, Kapitalismuskritik, Religionskritik und Prostitutionskritik, die uns ein ganz wichtiges Anliegen ist. Wir haben aber auch andere Veranstaltungsformate, wie z.B. Vorträge, wir halten ab und zu Vorträge, wir werden zu Workshops eingeladen, also Workshops zu halten zu unseren Themen, zu unseren Vorträgen. Wir haben auch seit jetzt einem Jahr fast einen Podcast, bei dem wir nicht so regelmäßig publizieren, wie wir es gern würden, aber der Podcast soll an und für sich die Möglichkeit darstellen, dass wir unsere Inhalte, die wir bei den. Also ist kein Laber Podcast, kein Interview Podcast, es ist ein Podcast, wo wir die Vorträge und Inputs, die wir vorbereiten für unsere Stammtische oder für unsere Veranstaltungen online zu stellen nachher zum Nachhören, damit wir auch eine größere Zielgruppe erreichen oder eben z.B.
auch Männer, weil Männer dürfen zu unseren Frauenstammtischen oder zu unseren Stammtischen halt nicht kommen, aber sollten natürlich trotzdem mit unseren Themen konfrontiert werden.
Beatrice Frasl
Den Podcast werde ich dann auch verlinken in den Shownotes. Wie groß ist denn die Gruppe aktuell oder wie viele Leute kommen zu diesen Stammtischen in aller Regel?
Felicia Stern
Also unsere Gruppe, wir sind momentan sieben Personen, sieben Frauen aus ganz unterschiedlichen Kontexten. Wir kennen uns aus Uni, aus Arbeit, aus Freundschafts und wir veranstalten diese Sachen gemeinsam, haben verschiedene Arbeitsthemen auch. Und unsere Veranstaltungen sind eben offen. Und bei unseren Stammtischen sitzen da normalerweise, kommt drauf an, ob Ferienzeit ist oder Studienzeit gerade sitzen da so zwischen 15 und 50 Personen. Also in der Regel so kommen um die 25 Leute.
Beatrice Frasl
Warum heißt es keine Liebe kollektiv denn keine Liebe kollektiv? Das finde ich ja sehr spannend, weil ich ja gerade zu dem Team ein Buch geschrieben hab.
Felicia Stern
Also ich finde die Frage voll spannend, weil es immer wieder aufkommt. Und die Leute, die uns diese Frage am öftesten stellen, sind lustigerweise Männer, die warum so negativ? Oder ihr könntet doch mehr Leute oder besser Leute erreichen, wenn ihr irgendwie da eine positive Botschaft senden würdet mit eurem Namen oder sowas.
Beatrice Frasl
Z.B. ihr könntet euch nennen wir lieben Männer.
Felicia Stern
Ja, voll. Das wäre total toll.
Oder wir lieben Männerkollektiv. Ich bring das mal einem nächsten.
Beatrice Frasl
Beruf dich gerne auf mich dabei.
Felicia Stern
Ja, perfekt. Ich gebe dir ein Shoutout.
Beatrice Frasl
Danke.
Felicia Stern
Also der Name keine Liebe ist aus unserer Warte als so stolze und energische Weigerung zu verstehen, sich diesen veralteten gesellschaftlichen Vorstellungen von Liebe zu beugen, die halt oft auch im Kontext von so weiblicher Zartheit und Unterwürfigkeit. Ste, da kannst du ja ganz viel dazu sagen auch oder mehr als ich, wenn du ein Buch geschrieben hast dazu. Und ja, auf die warum so negativ, warum keine Liebe? Warum können wir positive Botschaft Leute zusammenbringen, wenn wir Leute zusammenbringen möchten mit unserem Kollektiv, antworte ich halt auch gerne, dass Frauen dazu sozialisiert worden sind, angesichts männlicher Aggression immer freundlich, immer lieb, immer höflich zu bleiben und dass wir auch mal sagen dürfen, nein, es reicht. Und dass eigentlich diese Bitte darum, mal freundlich zu sein oder positiver zu sein, eigentlich immer so ein Lächel doch mal ist. Und darauf haben wir halt keinen Bock. Da stellen wir uns halt voll dagegen, weil auch in dem Kontext, wie oft wird Liebe als Begründung oder Rechtfertigung für die Unterdrückung von Frauen oder Gewalt an Frauen missbraucht, wenn man nur an den Begriff des Liebesdramas denkt z.B.
also das ist eigentlich so Boulevardsprache. Und dagegen sprechen wir uns natürlich auch ganz stark aus. Und auch Frauen wird ja gerne auch gesagt, dass sie machen das was sie tun für die Familie, für die Männer, das tun sie aus Liebe. Aber die aus Liebe entspringt, muss ja auch nicht bezahlt werden. Es wird ja freiwillig gemacht. Also das ist auch so ein Aspekt. Aber der bestimmt wichtigste Aspekt, warum wir uns keine Liebe genannt haben, ist, dass der Name den prostitutionskritischen Ansatz des Kollektivs auch unterschreibt.
Weil käufliche Liebe ist keine Liebe aus unserer Sicht. Und die sogenannte käufliche Liebe mit Liebe auf Augenhöhe zu verwechseln, ist schädlich. Es hat mit Liebe nichts zu tun. Und Prostitution als käufliche Liebe zu bezeichnen, verschleiert auch die in der Prostitution stattfindende Gewalt. Auch daran knüpft eben unser Name an.
Beatrice Frasl
Zum Thema Prostitutionskritik würde ich gerne später nochmal kommen. Ich würde jetzt gern noch mal eine Frage stellen zu einer Sache, die du gerade gesagt hast, nämlich, dass ihr gerne Diskussionen aus dem Internet ins echte Leben holen wollt. Warum denn? Was ist denn so schlecht an diesem Internet und an den Diskussionen im Internet? Ich muss lachen, während ich diese Frage.
Felicia Stern
Sage, aber also gerade in jungen Generationen, aber ja auch schon deinen. Ich meine, du bist ja Millennial. Ich bin so an der Grenze. Verzeihung. Also ich bin ja an der Grenze Millenial Gen z. Ich bin ein komisches Zwischentier. Ich bin mit dem Internet aufgewachsen, ich wurde darin sozialisiert, auch feministisch.
Und für mich war von Anfang an aber völlig klar, dass dieser feministische Austausch, der vor allem online stattfindet, mittlerweile total abstrakt bleibt und sich oft auf das Konsumieren und Sharen von Inhalten, von Content beschränkt. Das heißt, es setzt sich gar nicht in die Praxis um. Und wir alle wissen, was das Internet herausholt aus Leuten. Wenn man Menschen nicht gegenübersitzt oder gegenüber steht, dann diskutiert man eigentlich mit einer Projektionsfläche. Und jemanden, der eine minimal andere Meinung vertritt oder einen Punkt versucht zu erklären, der nicht verstanden wird, der mir natürlich dann gleich mal. Weil dieses gegenseitige Abchecken fehlt noch. Diese Höflichkeit, die man sich ja dann doch gewillt ist entgegenzubringen, wenn man miteinander in der Öffentlichkeit steht oder in einem Café sitzt oder so, ja, die geht verloren.
Und dadurch, ja, dadurch nimmt man sich halt als Feindbild wahr. Und dadurch, dass man sein Gegenüber nicht mehr als menschlichen Diskussionspartner wahrnimmt, was diffuse Feindbilder halt entstehen lässt oder bestärkt, egal wie marginal der Streitpunkt ist, führt Diskussion im Internet halt auch nur so weit. Und wir, wir haben da eigentlich keinen Bock drauf. Wir wollen eigentlich praktisch was machen oder wir wollen, wie es uns auch selber ein Anliegen ist, wir wollen uns selbst weniger unnütz fühlen. Wir wollen selbst etwas bewegen. Und das kann man halt nur machen, indem man sich zusammensetzt und darüber spricht und einen Raum öffnet, wo das auch passieren kann. Das ist eigentlich unser Wunsch gewesen von Anfang an.
Beatrice Frasl
Wie verlaufen dann Diskussionen im Kollektiv anders, als das im Internet stattfindet? Hast du den Eindruck, dass das sehr produktiv ist, dass das sehr freundlich oder freundschaftlich ist? Im Vergleich zum Internet ist es sehr anders.
Felicia Stern
Ja, ich muss schon wirklich sagen, es ist total befreiend, bei unseren Stammtischen zu sitzen und zu reden. Man muss natürlich da auch vorweg greifen und es ist schon auch eine bubble Veranstaltung. Man kommt da nie ganz raus aus. Oder lass es mich anders formulieren, man muss auch dazu sagen, es ist natürlich so, dass Menschen, die sich für das Thema nicht interessieren oder davon sehr getriggert wären, dann oftmals natürlich nicht kommen zu den Veranstaltungen, außer sie haben wirklich eine Agenda, ihren Standpunkt einzubringen, was aber sehr selten ist.
Genau, ja, voll. Das findet nicht verstärkt statt. Aber was schon so ist, dass schon häufig, gerade auch beim Thema Prostitutionskriterien, Menschen bei unseren Veranstaltungen sitzen, die auch eine konträre Meinung haben und die einbringen. Und das ist auch sehr willkommen, weil anhand davon entsteht ja eine Diskussion, die dann total produktiv geführt wird. Und ich muss wirklich sagen, wir hatten auch Veranstaltungen, wo wir im Vorhinein gedacht haben, oder könnte es mal hitziger werden oder so. Und in Wahrheit sind aber alle Diskussionsteilnehmerinnen, wage ich es mal zu behaupten, ich kann Leuten nicht in den Kopf schauen, aber alle sind irgendwie gestärkt aus der Diskussion hervorgegangen. Also es ist niemand, hoffentlich, aber ich sage es mal, es ist niemand mit dem Gefühl nach Hause, oh Gott, was war das da?
Das war fürchterlich, ich wurde niedergeredet, was auch immer, sondern es hat eigentlich immer ein Austausch stattgefunden, weil sich auch in den Diskussionen immer ergeben hat, dass alle Beteiligten drauf kamen, in Wahrheit wollen wir dasselbe. Wir haben nur andere Vorstellungen davon, wie das zu erreichen ist. Und auf der Basis kann man sich auch begegnen, wenn man das versteht, weil man merkt, die Motivation ist die gleiche, nur über Zweckmäßigkeiten kann man diskutieren.
Beatrice Frasl
Ja, das ist auch, glaube ich, eines der Grundprobleme in so feministischen Spaltungsdebatten, dass es eben nicht nur inhaltliche Debatten sind, sondern ganz schnell mit dieser, dass es sehr schnell überformt wird mit dieser Vorstellung, dass die andere Person böse Absichten hat, oder? Also gerade wenn es dann online stattfindet, ist es, wie du gesagt hast, sehr einfach, Menschen als Feindbild zu markieren.
Felicia Stern
Absolut.
Beatrice Frasl
Und was total fehlt, finde ich, ist so diese, wie man benefit of the doubt, also diese Grundannahme, dass die andere Person nicht deshalb diese Position vertritt, weil sie bösartig ist und auch blöd, das wäre mir neu oder beides in Kombination. Sondern dass die einfach aus bestem Wissen und Gewissen, aus eigentlich wahrscheinlich sehr menschenfreundlichen Grundannahmen heraus, aus denselben Zielen heraus vielleicht sogar, die man selber hat, zu anderen Schlüssen kommt z.B. zu anderen Schlüssen, was Strategie betrifft oder zu anderen Schlüssen, was irgendwelche irgendwelche Einzelpositionen betrifft, die vielleicht ein bisschen von der eigenen abweichen.
Felicia Stern
Absolut, ja, dazu, also das ist ja enorm abschreckend auch. Also ich kenne wirklich auch ganz viele junge Frauen, die ein großes Eigeninteresse an feministischen Themen haben, an Austausch, an Frauenpolitik, an feministischer Politik etc. Die aber gar nicht den Mut haben, sich einzubringen oder sich zu informieren, wo sie sich einbringen können, weil sie extreme Angst haben. Also es ist wieder so eine Klassenfrage natürlich auch die richtige Sprache verwenden, sich eines gewissen Habitus bedienen, um dazuzugehören etc. In vielen Bereichen des feministischen Aktivismus muss man sich eben eines gewissen Habitus bedienen, um dazuzugehören. Fehltritte werden schwer verziehen und in dem Kontext traut man sich natürlich dann eventuell auch weniger, sich einzubringen, wenn man sich damit noch nicht weit genug auseinandergesetzt hat oder sich nicht sattelfest fühlt. Was das Ganze halt zu so einem elitären Club macht auch hin.
Also das ist nicht Meine Formulierung, das hat eine junge Frau gesagt, die bei unseren Events war. Die hat von einem elitären Club gesprochen, der ihr relativ viel Angst gemacht hat, sich auch zu engagieren. Und ich fand es ein großes Kompliment, dass sie dann eben im nächsten Satz gemeint hat, dass sie dieses Gefühl bei unseren Events nicht hatte, sondern dass es da völlig OK war, sich extrem gut auszukennen. Aber auch, dass man sich nicht unangenehm, nicht schämen muss oder nicht peinlich berührt ist, wenn man dann noch mal nachfragt, was bedeutet oder seine eigene Perspektive in seinen eigenen Worten formuliert oder so. Das finde ich total toll.
Beatrice Frasl
Du hast ja schon gesprochen davon, dass bei euch sehr viele junge Frauen sind, die so Gen-Z wahrscheinlich sind. Ich finde diese Generationenbegriffe auch immer ein.
Felicia Stern
Bisschen schwierig, aber mit Vorsicht zu genießen.
Beatrice Frasl
Aber wie siehst du das denn? Welche Angebote, auch ideologisch, gibt es denn für Frauen in diesem Alter, wenn es um Feminismus geht? Und wie würdet ihr euch da verorten?
Felicia Stern
Das mit der Verortung ist eine spannende Frage, die wir uns selbst gar nicht mal so stellen sind. Wir sind bei unseren Positionen, wir sind auch sehr offen für vieles generell. Ja, also es lässt sich ja beobachten, dass sich die feministische Bewegung seit Jahrzehnten immer weiter spaltet und zerstreitet. Und ja, ich glaube darin feministische Strömungen aufzuzählen, bist du besser als ich? Und ich würde so weit gehen zu sagen, dass es aber gar nicht mehr so relevant ist zu sagen, ich bin queer Feministin, ich bin Ökofeministin, ich bin marxistische Feministin. Also das hört man eigentlich niemanden mehr sagen. Ich glaube eher, ich beobachte, dass es eher, dass sich alles in noch kleinere Teile spaltet, die sich vor allem dadurch definiert, dass sie in Abgrenzung zu anderen Bewegungen oder Gruppierungen steht innerhalb des Feminismus. Genau, absolut. Ja, absolut.
Und dass man sich so seine eigene politische Identität vor allem aus Abgrenzung zu anderen politischen Positionen zusammenbastelt. Und gerade in den letzten zwei Jahren seit dem siebter Oktober ist wahnsinnig viel passiert und das hat das alles noch mal viel mehr, viel mehr durcheinander gewürfelt. Also ich würde sagen, vor zwei Jahren hätte ich noch gesagt, okay, es gibt eine ganz krasse Spaltung momentan zwischen Queer Feminismus und radikal Feminismus, was ich absolut wahnsinnig finde in vielen Belangen, was ich nicht notwendig finde. Und mittlerweile wäre das aber für mich gar nicht mehr so krass einzuteilen, weil es auch innerhalb dieser beiden Strömungen, um jetzt ein Beispiel, sondern weil auch da so krasse Spaltungen stattgefunden haben und auch in linken Gruppen und feministischen Gruppen allgemein sich alles immer in kleinere Teile aufspaltet, dass man da gar nicht mehr richtig zusammenfassen kann, wer jetzt auf welcher Seite steht. Also nicht, dass man von Seiten sprechen möchte oder können sollte, aber ja, das ist alles eine sehr konfuse Sache geworden.
Beatrice Frasl
Wie lang gibt es denn das keine Liebe Kollektiv schon?
Felicia Stern
Uns gibt es jetzt seit bald zwei Jahren.
Beatrice Frasl
Das heißt, es gab auch vor dem 7. Oktober schon.
Felicia Stern
Ja, wir haben uns gegründet. Unser erstes Treffen hatten wir am Achter Mär. 2023 und an die Öffentlichkeit getreten sind wir kurze Zeit später, ein paar Monate später und der siebter Oktober ist ja bekanntlich dann ein halbes Jahr später passiert. Wir waren dann tatsächlich auch die erste feministische Gruppe in Wien, die sich dazu geäußert hat oder die es als sehr wichtig fand, hier Solidarität auszusprechen von Antisemitismus Betroffenen und mit den Opfern des siebte Oktobers und mit den Opfern des nova Festivals. Wir haben auch daraufhin einen Vortrag gehalten mit der jüdischen Hochschülerinnenschaft gemeinsam zu dem Thema und ja, es war auch in dem Rahmen extrem arg zu beobachten, was für eine Projektionsfläche wir dadurch geworden sind. Also erstens, wie viel Zulauf wir dazu hatten, einfach dadurch, dass wir uns geäußert haben und unser Mitgefühl ausgedrückt haben und andererseits wie viel projektiver Hass und Wahn uns da vor allem Internet wo sonst entgegengeschlagen ist. Also wir haben uns ja nicht hingesetzt und gesagt wir wissen, wie man den Ostkonflikt löst.
Wir haben ja nicht gesagt, wir sind pro Israel, wir sind Antipalästina. Uns war es einfach ein Anliegen, unser Mitgefühl mit den Opfern des Angriffs des siebten Oktobers auszudrücken und einzuordnen, warum diese Gewalt passiert ist und die Verschränkung von Frauenhass und Antisemitismus aufzuzeigen, die da stattgefunden hat.
Beatrice Frasl
Du hast schon gesagt, dass das keine Liebe. Also eines der wichtigsten Themen, um das herum ihr euch organisiert, ist der Begriff der Frauensolidarität. Was meinst du denn damit und warum findest du das so wichtig? Wie äußert sich das auch in der Arbeit dann?
Felicia Stern
Ich glaube, um über das Thema Frauensolidarität sprechen zu können, muss man sich mal anschauen, was Solidarität generell ist oder für einen selbst bedeutet. Also das ist ja, dass man für andere einsteht, mit deren Schicksal man sich entweder identifiziert oder dem man sich verbunden fühlt, ein Anliegen unterstützt, das einen selbst entweder betrifft oder nicht betrifft, aber zu dem man Verbindung fühlt. Und Frauensolidarität bedeutet in meinen oder unseren Augen eben konkret auch eine Form der weiblichen Klassensolidarität aufzubauen, die historisch schon immer bekämpft wurde, also die es nie geben durfte und die es auch extrem schwer ist zu erreichen, weil Frauen werden ja von Grund auf dazu erzogen, andere Frauen nicht zu mögen, sage ich jetzt mal. Und in dem Kontext ist es extrem wichtig zu erkennen, dass man als Frau im gleichen Boot sitzt und dass man sich selbst in anderen auch erkennt, auch wenn man ihre Lebensrealität nicht unbedingt teilt, aber man weiß, man steht grundsätzlich vor dem gleichen Problem. Und das Problem, das mag es Patriarchat heißen im wenn man dem einen großen Namen gibt, das mag kleinere Namen oder Problematiken haben oder sich in kleineren Kontexten zeigen. Für Frauensolidarität einzustehen bedeutet für mich anzuerkennen, dass man prinzipiell Frauen gegenüber ein Verbundenheitsgefühl zulassen sollte, das man grundsätzlich mal aberzogen bekommen hat seit der Geburt. Ich glaube auch gerade wenn wir über das Thema Frauen und Frauensolidarität sprechen, ist es auch voll wichtig zu betonen, dass wir als Kollektiv, wir sind ein Frauenkollektiv, wir sind alle Frauen, wir möchten auch akut Frauen ansprechen mit unseren politischen Aktivismus, mit unseren Themen, weil wir finden, dass wir damit auch ein bisschen so eine Leerstelle füllen, einen safe space zu bieten, sich abseits des männlichen Blicks auszutauschen.
Es ist mir aber auch extrem wichtig zu betonen, dass Personen, die sich nicht als Frauen identifizieren, sich aber trotzdem in unseren Themen verbunden fühlen oder von unseren Themen betroffen sind, sehr wohl willkommen sind bei unseren Veranstaltungen. Es ist uns zeitgleich aber auch wichtig, an dem Wort Frau festzuhalten, eben weil das unser Projekt ist. Es ist ein Projekt von Frauen für Frauen. Und wir finden es wichtig, dies auch sprachlich zu benennen, um dieser Identitätskategorie Frau, in die wir nun mal reinfallen, auch eine feministische Sichtbarkeit zu gewährleisten. Also uns ist es ein Anliegen, einen Raum zu schaffen, in dem man sich gegenseitig Verständnis entgegenbringt und in dem das eigene in der anderen auch erfahren werden kann, um daraus halt dann einen Gesamtzustand oder Universalität ableiten zu können. Also dass man merkt, wir sitzen im gleichen Boot, wir sprechen die gleiche Sprache, wir haben die gleichen Probleme, auch wenn sie sich an unseren Körpern oder Lebensrealitäten in unterschiedlichen Ausprägungen zeigen. Und was uns aber auch extrem wichtig ist, wir wollen uns keinesfalls einem absoluten Zwang zum Frausein unterwerfen, indem wir definieren, was das zu sein hat, oder indem wir die Identitätskategorie Frau als etwas total Positives affirmieren, indem wir sagen, Frauen sind, indem wir das Frausein extrem romantisieren oder als einen idealen soll Zustand beschreiben, sondern wir wollen das natürlich auch kritisieren.
Was bedeutet es, eine Gesellschaft, eine Frau zu sein? Aber es ist erstmal wichtig, dass man sich selbst setzt und findet, bevor man die herrschenden Zustände dann gemeinsam kritisieren kann. Macht das Sinn?
Beatrice Frasl
Ja, das macht total Sinn. Was ich mir nur gedacht habe jetzt die ganze Zeit ist, weil du eben gesagt hast, Frauensolidarität beinhaltet auch immer so eine Grundverbundenheit sozusagen mit anderen Frauen oder zumindest ein ein wohlwollendes Zugehen auf andere Frauen, irgendwie sowas wie Schwesterlichkeit im Umgang miteinander, auch wenn es dann große Differenzen geben kann. Das würde ja aber dann auch bedeuten, dass ganz viel, was an Feminismus gerade passiert, eigentlich Frauen entsolidarisiert, weil es gibt diese sieben Spaltungsdebatten. Also ist es so, dass Feminismus ganz oft das Gegenteil dessen macht, was Feminismus eigentlich tun sollte, nämlich Frauen noch mehr spalten. Wie siehst du das?
Felicia Stern
Ja, ich sehe, dass diese ganze Spaltungsthematik sich wunderbar in die patriarchalen Zustände einreiht, die wir gerade haben. Weil wir sind erzogen worden dazu, uns über andere Mädchen durstig zu machen, wenn die andere Haare, anderes Aussehen haben, nicht rosa tragen dürfen, was auch immer. Und wir sind jetzt gelandet, du bist keine richtige Feministin, wenn du nicht das machst, wenn du nicht diesen machst, wenn du zu diesem Thema diese Meinung hast oder nichts sagst dazu. Genau. Oder dich gar nicht erst äußerst. Silence is violence. Und ja, das ist eigentlich nur eine.
Beatrice Frasl
Wiederholung dieser Muster, also eines der wesentlichsten Spaltungsdebatten. Wobei jetzt, also ich nehme das gar nicht mal so stark wahr, du wirst mir dann gleich sagen, ob das in deiner Generation, du hast ja falsch gesagt, anders ist, aber ganz lange war eins der Spaltungsthemen im Feminismus, und das ist ja auch ein Thema, das ihr ganz stark bearbeitet, das Thema Prostitution versus Sexarbeit. Da standen auf der einen Seite Liberalfeministinnen, die gesagt haben Sex work is work. Und es geht darum, sie verwenden auch diesen Begriff Sexarbeit möglichst zu liberalisieren, möglichst wenig einzuschränken und das wie Arbeit zu betrachten, mit Arbeitsrechten und so weiter und so fort.
Also das ist quasi der Weg zur Befreiung. Und auf der anderen Seite standen radikal Feministinnen, materialistische Feministinnen, die gesagt nein, es ist erstens mal nicht Sexarbeit, sondern Prostitution. Und zweitens ist es eine der grausamsten Formen patriarchaler, kapitalistischer, je nachdem, aus welcher Ecke man dann genau gekommen ist, Unterdrückung und gehört eigentlich abgeschafft. Also die Abolitionistinnen sozusagen. Und diese zwei Lager standen sich in den letzten Jahrzehnten wirklich unversöhnlich gegenüber. Gab es ja auch diesen berühmten Begriff, oder gibt es immer noch Spurve, also Sex Worker Exclusive Radical Feminist ist ein Begriff, der ganz oft herumgeschmiert ist, wo Frauen links und rechts gecancelt wurden damit. Diese Swives sind dann ganz oft selber Prostituierte gewesen oder Ex Prostituierte, was die Sache besonders ironisch macht.
Also es sind so zwei, so beide Lager warfen den anderen vor, dass sie auf Prostituierte bzw. Sexarbeiterinnen scheißen und ihre Rechte ihnen egal sind und sie irgendwie die Ausgeburt des Bösen sehen, so ungefähr. Und es gab irgendwie, wie soll ich sagen, nichts Versöhnliches zwischen diesen Lagern. Und ich hatte den Eindruck, dass das in den letzten Jahren besser geworden ist. Und da wollte ich dich fragen, wie du das siehst in deiner Generation und wie es euch denn, also wie ihr zu dieser klaren Position auch gekommen seid und warum?
Das waren zwei Fragen. Ich frage noch mal die erste. Also wie du das wahrnimmst.
Felicia Stern
In meiner Wahrnehmung wird das eindeutig besser. Also mit besser meine ich natürlich eine öffentlichere Akzeptanz gegenüber abolitionistischen oder prostitutionskritischen Positionen. Das nehme ich schon ganz stark wahr. Also ich wurde Ende meiner Teenie Jahre, Anfang meiner er war es total en vogue, von Sexwork zu sprechen, davon zu sagen, dass Sexpositivität oder dass gelebte Sexpositivität auch immer beinhalten muss, Sexwork positiv zu sein. Und dass Prostituierte oder Sexarbeiter innen zu unterstützen generell bedeutet hat, auch Freiertum zu unterstützen. Und dass das Ganze irgendwie alles nicht so schlimm ist, wie das in den Medien immer skandalisiert und dargestellt wird oder dass das alles nicht so verrucht und nicht so eklig ist, wie es irgendwie wirkt. Und wenn man diesen Eindruck hat, dass man sich da auch hinterfragen soll und seine eigenen Vorurteile.
Das war so das, mit dem ich aufgewachsen bin, wo ich aber immer so ein Unwohlsein damit hatte, dem ich dann zum Glück auch nachgegeben habe und gemeinsam halt auch mit Freundinnen, die in derselben Situation gesteckt sind wie ich. Und da habe ich auch schon so ein grundlegendes Gefühl, dass Realisierens in einem größeren Kontext wahrgenommen, dass es eigentlich gar nicht geil ist. Und ich finde im Nachhinein werte ich das als extrem positiv, weil es ja tatsächlich zusammengefasst darum geht, dass Frauen angefangen haben, ihrem eigenen Gefühl zu vertrauen und nicht dem zu, also nicht das zu wiederkäuen und sich selbst einzureden, was einem von außen aufgedrückt worden ist, nämlich, dass der eigene Missbrauch oder das Missbrauch am eigenen Geschlecht etwas Empowerndes ist, dass man begrüßen und willkommen heißen soll. Und ich habe das Gefühl, dass das eben eine gesamtgesellschaftliche Wende ist, auch ein bisschen bei jungen Frauen, dass man diesen fragenden Unwohlsein da auch Raum gibt. Und das hat eben auch dazu geführt, dass wir uns als Kollektiv überhaupt getroffen haben, weil über das Thema Prostitution waren wir uns einig, bevor wir über ganz andere Sachen gesprochen haben. Und es war uns wirklich ein Anliegen, dieses Kollektiv auch zu gründen, mit dem Ziel in Wien, weil in Österreich gibt es ja, in Deutschland gibt es viele Initiativen mittlerweile, viele Organisationen, wo sich erstens Betroffene hinwenden können, um Informationen zu erhalten, unterstützt zu werden beim Ausstieg oder in ihrer Tätigkeit selbst, die grundsätzlich abolitionistisch eingestellt sind. Und in Österreich gibt es das irgendwie, aber nicht als eine Leerstelle.
Und ich meine, wir können sozialarbeiterisch nicht fühlen, das wissen wir nicht ausgebildet, das ist nicht unser Ziel. Aber unser Ziel ist sehr wohl, Frauen einen safe space zu bieten, wo sie sich über das Thema austauschen können und ihrem Unwohlsein damit auch einen Ausdruck verleihen können oder sich auch weiterbilden können, um diskussionssattelfester zu werden etc. Was das Thema Prostitutionskritik anbelangt, da haben wir einen enormen Zulauf bekommen. Wir haben auch unter unseren Followerinnen den enormen Wunsch, zu diesem Thema viel, viel mehr zu arbeiten.
Beatrice Frasl
Ja, also ich hab den Eindruck, dass so vor 10 Jahren etwa war es wirklich eigentlich nicht möglich, sich prostitutionskritisch zu äußern als Frau, ohne sofort als SWERF geschützt zu werden. Und mittlerweile ist es so, also ich habe ja in meinem Podcast auch z.B. Huschke Mau gehabt oder Fräulein Gaga heißt sie auf Instagram, die auch beide Ex Prostituierte sind, die Abolitionistinnen sind, sich für das Knowledge Modell aussprechen. Und das sind die voll Folgen, die eigentlich, also die Folge mit Huschke Mau ist überhaupt die meistgehörte Folge des GEMAs, gab in diesem Podcast extrem viel Zuspruch. Und also es gibt, also ich konstatiere das selber, dass es so einen extrem großen Bedarf gibt an Austausch zu dem Thema und auch daran, überhaupt diese Positionen mal zu hören, weil die so lang im öffentlichen und veröffentlichten Diskurs überhaupt nicht stattgefunden haben. Also da gab es einfach ständig diese Erzählung der selbstbestimmten Sexarbeiterin, die irgendwie das so ein bisschen nebenbei macht und sich alle freier selber aussucht und richtig gutes Geld verdient und total happy ist mit allem. Und es gab halt überhaupt keinen Reality Check dieser Erzählung in den Medien auch ganz lange.
Und das hat sich wirklich in den letzten Jahren total gedreht. Das finde ich total spannend und ich finde es auch total schön. Ich finde es auch total schön, dass ein Diskurs möglich ist. Gleichzeitig, was ich aber sehe, ist, dass sich einfach diese Spaltungen auf andere Themen verlagern.
Felicia Stern
Absolut, das wollte ich auch aufbringen. Also, dass ich glaube, Entschuldigung, also ich.
Beatrice Frasl
Glaube, es ist insgesamt nicht besser geworden. Es geht jetzt um andere Themen einfach.
Felicia Stern
Genau, voll. Also ich nehme das eben auch so wahr, dass es eben nur deshalb gerade möglich ist, sich dazu zu äußern und eine breitere Vielfalt an Meinungen zu hören, auch im öffentlichen Raum, ohne dass man sofort gecancelt wird, wie du es gesagt hast, wenn man sich vermeintlich falsch äußert. Ich glaube, das ist wirklich nur deswegen möglich, weil sich in den letzten Jahren ganz viel auf andere Themen verlagert hat, die drängender sind, was ich gar nicht schlecht finde, um ehrlich zu sein, weil jedes bisschen mehr, dass man frei über Prostitutionskritik sprechen kann, ist ein Gewinn für die Gesellschaft, also zumindest für Frauen. Von dem her würde ich das jetzt gar nicht so kritisch beleuchten, sondern mich einfach über die Entwicklung freuen.
Beatrice Frasl
Gleichzeitig würde ich mir wünschen, dass gerade im feministischen Kontext daraus lernen könnte.
Felicia Stern
Genau, absolut. Also dass man sich das halt auch für andere Themen merkt. Aber ja, ich finde, worauf sich eine Linke einigen sollte, wäre es, dass es kein Recht auf Sex gibt, dass es ein Recht auf ein Ausleben der eigenen Sexualität gibt, solange sie nicht zu Ungunsten einer anderen Person stattfindet. Aber es gibt kein Recht auf Sex und es gibt kein Recht auf Sexualdienstleistungen. Und es muss doch jeder Person, die sich als grundsätzlich links versteht oder einfach sich, oder einfach ein Gefühl für soziales Gespür hat, für die muss es doch völlig klar sein, dass es schwierig ist, Sexualität monetär zu entschädigen. Also dass diese Rechnung nicht aufgeht, dass man das Intimste, was Menschen haben, dass man den intimsten Teil des eigenen Lebens nicht verkaufen kann. Und dass auch das Argument nicht aufgeht, dass man das entkoppeln kann voneinander.
Also dass man Sexualität von Intimität, also das kann man ja in einzelnen Bereichen vielleicht tun, aber insgesamt greift das die Psyche zu sehr an. Also der Mensch und seine Sexualität sind so miteinander verwoben, dass es einfach nicht trennbar ist. Und diese Trennung zu erzwingen, geht halt eigentlich nur durch Dissoziation. Und das dann monetär zu entschädigen, ist halt einfach nicht möglich.
Beatrice Frasl
Was ich sehr spannend finde, ist, dass Sex Work is work ein Slogan ist, der gerade von Leuten auch vorgebracht wird, denen Intersektionalität als, ich sage jetzt mal Schlagwort besonders wichtig ist, während sie, wenn es um Prostitution geht, Intersektionalität völlig ausblenden. Nämlich dass es hauptsächlich migrantische und arme Frauen sind, die davon betroffen sind. Und dass eigentlich die Forderung nach einer völligen Liberalisierung oder nach einer Beibehaltung des Status quo sogar, dass das eigentlich eine Entsolidarisierung mit genau diesen Frauen darstellt, aus einer sehr privilegierten, weißen, verhältnismäßig wohlhabenden Perspektive.
Felicia Stern
Absolut. Ich stimme da 100 % zu.
Und ich finde es ganz wild, wenn einem gesagt wird, dass es Sexarbeiter innen feindlich wäre, sich gegen die Prostitution als Geschäfts Modell einzusetzen, weil ein Großteil der Sexworker:innen migrantisch queer behindert ist oder was auch immer. Wenn eine Person deswegen in der Prostitution ist, weil sie als Transfrau keine andere Möglichkeit findet, Geld zu verdienen, dann ist die Antwort nicht, dass ich sie in ihrer Tätigkeit als Sexworkerin unterstütze, sondern dass ich ihr Alternativen anbieten kann, dass sie nicht in einer Gesellschaft leben muss, in der sie ihren Körper verkaufen muss oder Sexualdienstleistungen anbieten muss, um zu überleben.
Also was ist das für eine Logik? Das geht für mich nicht auf.
Beatrice Frasl
Wir haben ja schon darüber gesprochen, dass es ein bisschen besser wurde in dieser Debatte in den letzten Jahren. Wie schwierig ist es für euch als Kollektiv, diesem liberalen Mainstream etwas entgegenzuhalten? Stößt ihr auf sehr viel Widerstand oder auf sehr viel Unverständnis oder wie ist eure Erfahrung auch in der Praxis?
Felicia Stern
Also in der Praxis schaut das tatsächlich so aus. Auf unseren Veranstaltungen selbst wird zugewandt diskutiert. Da kann es schon mal auch konträr zugehen, wie ich auch vorher ein bisschen erzählt habe, aber es ist trotzdem so, dass man bereit ist, auf einen Nenner zu kommen. Im Internet, in den Kommentarspalten schaut es anders aus. Das ist aber nichts, was uns große Sorgen macht. Das ist was, das wir auch zulassen, weil wir eben unseren Fokus auch nicht darin sehen, im Internet diskutieren oder da Diskurse zu führen. Wo es aber tatsächlich akut Auswirkungen auf unsere Arbeit hat, ist tatsächlich, wenn es darum geht, Räume zu finden, wo wir Veranstaltungen abhalten können.
Also da nenne ich jetzt mal ein Beispiel. Unsere allererste Veranstaltung, das war ein Stammtisch zum Thema Freiwilligkeit in der Prostitution. Offene Fragestellung, haben den Input gegeben, wie wir das immer machen und danach hat eine Diskussion stattgefunden. Geplant und abgesprochen war die Veranstaltung im in Wien. Und ich glaube drei oder vier Tage vorher, da hatten wir das. Wir hatten denen unser Selbstverständnis geschickt, wir hatten mit denen gesprochen darüber, wir haben denen auch unser Plakat geschickt für die Veranstaltung etc. Und ein paar Tage vorher, ich glaube drei, vier Tage vorher, haben wir eine E Mail bekommen, so hey, das war jetzt aber nicht so ganz abgesprochen und das Thema, also das ist jetzt schon irgendwie ein bisschen kritisch und naja, sie wissen nicht, ob der Raum noch verfügbar ist für uns etc.
Und wir wissen halt einfach, also es ist völlig klar, dass das nur passiert ist, weil sich Leute beschwert haben bei der Location selbst und dadurch Leute vom Team anscheinend noch mal genauer dahin geschaut haben und damit nicht assoziiert werden wollten, dass wir da offensichtlich auch kritische Positionen zulassen. Im Endeffekt ist es gut ausgegangen, weil der Raum wäre viel zu klein gewesen, weil wir saßen da wirklich mit über 50 Frauen am Ende dann da, was extrem toll war und uns wirklich.
Beatrice Frasl
Es war ein ziemlicher Verdienstentgang für sie.
Felicia Stern
Ja, absolut. Voll. Aber uns hat das echt gezeigt, wow, okay, das ist irgendwie, ja, das ist anscheinend ein Problem. Und wir lassen uns davon halt nicht einschüchtern. Wir nehmen das auch nicht so ernst. Das ist auch kein Thema, dass wir so pushen möchten. Wir wollen ja wirklich tatsächlich einfach über die Themen reden und nicht darüber, wie schwierig es ist, über Themen zu reden.
Aber ja, also wir lassen uns davon einfach nicht einschüchtern, weil es uns einfach wichtig ist, weil wir dadurch auch sehen, wie wichtig es ist, über die Themen zu reden und dass man das halt auch wirklich tun muss und dabei bleiben muss.
Beatrice Frasl
Wie findet man denn das keine Liebe kollektiv im Internet? Wo findet man euch? Wie kann man mitmachen? Genau, was magst du den Leuten erzählen?
Felicia Stern
Also man findet uns im Internet unter keineliebe kollektiv bei Instagram und bei Telegram findet man uns auch, da schicken wir Infos raus regelmäßig zu unseren Veranstaltungen und posten, was wir so gerade tun. Wir haben auch einen Podcast, den kann man auf Spotify sich anhören, wo wir eben, habe ich auch schon kurz erzählt, unsere Vorträge hochladen. Und wir haben auch gegründet für Frauen, für Personen, die zu unseren Veranstaltungen kommen, regelmäßig ein Netzwerk auf Telegram, eine Vernetzungsgruppe, der Arbeitsgruppen und Freundschaften entstanden sind mittlerweile, wo man sich auch einbringen und mitmachen kann.
Wo auch z.B. eine Lesereihe draußen entstanden ist oder eine Filmreihe zu prostitutionskritischen Filmen sehr empfehlenswert ist.
Beatrice Frasl
Da war ich auch schon mal auf dem Podium.
Felicia Stern
Ja, das fand ich total toll. Unter dem Titel the most dangerous job in the world. Da finden dann hoffentlich demnächst die nächsten Filmscreenings statt. Und was sich auch aus dieser Vernetzungsgruppe ergeben hat, ist, wir haben unser erstes eigenes Magazin rausgebracht, jetzt Anfang März. Am siebter März war als Auftakt zum internationalen Frauenkampftag das Release von unserem Magazin zu eben unseren Schwerpunktthemen. Also Frauensolidarität, Kapitalismuskritik, Prostitutionskritik, Religionskritik. Und weil wir es so wichtig fanden, weil da ganz viele tolle Einreichungen kamen, auch zu dem Thema Liebe.
Das ist ja auch dein Thema. Ja, schon irgendwie. Voll, aber man muss dem einfach Raum anreden. Also man kann irgendwie nicht über Feminismus sprechen, ohne über die Unterdrückung zu sprechen, die die Liebe als Konzept darstellt für Frauen. Und das ist ein wunderbares Projekt, eben weil es quer aus dem gesamten deutschen Sprachraum Einsendungen gab. Und wir haben gedacht, dass es vielleicht so eine kleine dreiig seitige Publikation werden wird, so ein Zine, so ein schnell selbstgemachtes. Es ist 100 seitiges Magazin mit Kunstbeiträgen, mit wissenschaftlichen Beiträgen, mit Meinungsartikeln, mit Anleitungen, mit Sprachkunst.
Und darauf sind wir extrem stolz.
Beatrice Frasl
Sehr empfehlenswert. Ich habe es auch zu Hause. Ich finde es ja sehr lustig, dass ganz oft ich schon Zuschriften gekriegt habe auf Instagram von Leuten, die glauben, dass keine Liebe Kollektiv ist. Mein Kollektiv.
Felicia Stern
Wirklich?
Beatrice Frasl
Ich wurde schon ganz oft angesprochen darauf, dass. Ja, genau. Also dass Leute irgendwie.
Felicia Stern
Du teilst es auch sehr häufig, das freut uns natürlich sehr.
Beatrice Frasl
Und Leute glauben dann, dass mein persönliches Projekt oder So. Die haben jetzt alle hier gehört, dass ich nicht das Kollektiv bin. Also ich und das Kollektiv sind zur gleichen Zeit im selben Raum. Das ist nicht dieselbe Person. Tatsächlich war ich noch bei keinem einzigen Stammtisch dabei, weil immer irgendwas anderes war. Ich wollte schon öfter kommen nämlich. Genau, aber es ist nicht, also alle die wahrscheinlich hören diese Leute nicht so, aber es ist nicht mein Kollektiv tatsächlich.
Ich fand das Projekt nur total spät und habe es deshalb ganz oft geteilt. Gibt es noch irgendetwas, liebe Feli, was du gerne noch sagen würdest, was dir wichtig ist? Irgendwas, was ich vergessen habe oder was du vergessen hast zu sagen?
Felicia Stern
Ich glaube, wir haben uns zu unserer Gründung die Frage gestellt, ob es schaffbar ist, eine feministische Community aufzubauen, die Widersprüche aushält und ausdiskutiert, wo es möglich ist, miteinander zu reden, wo man drüber spricht, was bedeutet das, eine Frau zu sein? Ist es wichtig zu definieren in dieser Gesellschaft, dass man eine Frau ist, um feministisch zu leben? Oder inwiefern das wichtig ist zu betonen? Wir stellen uns regelmäßig den Fragen, was es bedeutet, eine Frau zu sein in dieser Gesellschaft und was für einen Handlungsspielraum wir eigentlich verfügen. Auch was für Arbeit getan werden muss, um mehr Gemeinschaft unter Frauen zu fördern. Und jetzt habe ich gefaselt, ich habe den Anfang meines Satzes verloren.
Beatrice Frasl
Das macht nichts, kannst auch gerne einen neuen Satz beginnen.
Felicia Stern
Und ich glaube, dass wir einfach auf viele dieser Fragen eine Antwort gefunden haben, nämlich, dass es möglich ist, eine Community aufzubauen, wo man aufeinander achtet, wo man Widersprüche aushält, wo man sich verschiedene Meinungen anhört, diese aushält und ausdiskutiert und wo das ganze auch in einem Rahmen stattfindet, der extrem positiv ist, extrem zugewandt. Und es gibt uns wirklich nichts mehr Energie und Lust weiterzuarbeiten, als das Feedback, das wir am laufenden Band bekommen. Das ist wirklich, dass Frauen sich dafür bedanken, dass wir Veranstaltungen machen. Also das ist völlig absurd irgendwie. Wir haben ja gedacht, dass wir diese Veranstaltungen machen für uns. Wir haben beim ersten Stammtisch gedacht, okay, da sitzen dann wir damals zu sechst und vielleicht bringt jede zwei Freundinnen mit und dann machen wir so eine Art, wie man das halt in einem Lesekreis macht. Oder sind wir, keine Ahnung, 15 Leute maximal und dann saßen wir da zu 50 und alle hatten diesen Gesichtsausdruck, der so gezeigt hat, dass sie Feuer und Flamme sind dafür, dass sie endlich gerade wo mitmachen können, dass sie wo eingeladen wurden, dass sie eine Plattform kriegen, wo sie sich ausdrucken können.
Und das ist so viel wert. Und ja, also wir haben für unser Projekt so viel Liebe bekommen in den letzten zwei Jahren.
Beatrice Frasl
Für keine Liebe habt ihr sehr viel.
Felicia Stern
Liebe bekommen, dass wir eigentlich überlegen müssen, uns in viel Liebe umzubenennen. Dafür sind unsere.
Beatrice Frasl
Mein Vorschlag ist immer noch, wir lieben Männer.
Felicia Stern
Ja, wie gesagt, das werden wir diskutieren. Wir wollten ein Angebot machen, junge Frauen zur Teilhabe und Community Building auch anzuregen und mit politischen Themen auch zu konfrontieren, die diesen vielleicht neu sind oder neue Erkenntnisse bringen. Und es ist irrsinnig berührend und bereichernd, dass das tatsächlich auch passiert und Wirkung zeigt. Und dass es. Wir haben einfach gemerkt, dass es sich auszahlt, was zu machen, auch abseits des Internets. Abseits des Internets auf jeden Fall. Und auch darauf zu beharren, dass es möglich sein muss.
Also wir haben uns ja am 8. März 2023 mehr oder minder zufällig getroffen am Abend im Schmauswaberl, um drüber zu sprechen, wie es uns geht geht nach diesem Tag und nach den Demos. Wir waren alle extrem demotiviert und hatten alle Bedürfnis, unseren Unmut auszudrücken über die derzeitigen Zustände. Damals war eben Sexwork, Prostitution als Konfliktherd auch noch mal ein größeres Thema als jetzt. Und es war so dermaßen befreiend, sich zusammenzusetzen, auch mit Frauen, die man damals noch gar nicht so gut kannte, und mal offen zu reden und auf den Tisch zu hauen, zu das kann so nicht weitergehen, das ist scheiße, da müssen wir was ändern. Und dass daraus wirklich eine Aktion gefolgt ist, nämlich die Gründung des Kollektivs und die Gründung einer Arbeitsgruppe, die zu dermaßen schönen, tollen Projekten geführt hat, auch die international bekannt ist, die mittlerweile über 4000 Follower auf Social Media hat und die auch ernst genommen wird in linken und aktivistischen kreisen. Also dass wir eingeladen werden, nach Deutschland Vorträge zu halten oder unsere Vorträge in Workshops umzuarbeiten oder Artikel zu schreiben für Zeitschriften.
Das hätten wir uns alles niemals gedacht. Unser Gründungsgedanke war wirklich einfach einen safe space, einen Raum zu gründen für Frauen, sich abfacken zu können über Themen, über die zu wenig gesprochen wird. Und dass wir das geschafft haben, das ist einfach ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist.
Beatrice Frasl
Wie soll es weitergehen mit dem Kollektiv? Was sind so die Pläne für die Zukunft? Vielleicht eine blöde Frage, nachdem gerade ein großes Ziel realisiert wurde mit dem Magazin, aber gibt es irgendwelche Pläne?
Felicia Stern
Akute Pläne gibt es gerade nicht. Es wird jetzt auch spannend, weil ein paar Mitglieder wahrscheinlich irgendwann wegziehen werden. Wir haben auch neue Mitglieder aufgenommen im Organisationsteam etc. Also da tut sich immer ein bisschen was. Aber an und für sich sind wir gerade an einem Punkt, wo wir extrem, extrem glücklich sind mit unserer Arbeit, wie sie jetzt gerade läuft. Der Podcast wird mehr anlaufen, da produzieren wir gerade mehr Folgen. Wir werden unsere Stammtische ganz normal weiterhalten.
Wir arbeiten gerade einen neuen Vortrag über Pornografiekritik, der wird vermutlich ja, das ist ein Snippet, das ist an Information, das wir noch gar nicht rausgegeben haben. Sonst hört ihr fest, der wird im Juni vermutlich stattfinden. Und ja, abseits davon sind wir natürlich immer offen für Anregungen und Wünsche. Und wenn jemand mit uns ein Projekt machen möchte oder wenn jemand eine Idee hat für einen ganz tollen Stammtisch, Input oder selbst etwas vorbereiten möchte oder ein dringendes Bedürfnis, jemanden eingeladen zu wissen oder sowas, dann sind wir extrem offen und freuen uns selber Input auch. Also wenn du ein spannendes Thema hast, das dir am Herzen liegt, das zu uns passen könnte und dich davon angesprochen fühlst, dann schreib uns total gerne auch eine Mail oder Nachricht auf Instagram, um die Einladung auch noch auszusprechen am Ende der Folge.
Beatrice Frasl
Und das du richtet sich an die Zuhörerinnen, nicht?
Felicia Stern
Genau, wobei du auch immer gern gesehen wirst. Also wie gesagt, wir freuen uns, wenn du mal vorbeischaust.
Beatrice Frasl
Das hatte ich sehr lange schon vor. Genau, man findet euch auf Instagram. Ich verlinke das alles in den Shownotes. Und vielen lieben Dank dir, Feli, dass du dir Zeit genommen hast heute.
Felicia Stern
Danke für die Einladung. Es war mir eine Freude.
Beatrice Frasl
Vielen lieben Dank, Feli, für dieses sehr schöne Gespräch und danke an euch fürs zuhören. Alle Links zum Keine Liebe Kollektiv, zum Podcast, zur Instagram Seite, zum Telegram Channel findet ihr in den Shownotes. Dort findet ihr auch alle möglichen Links für große Töchter, unter anderem auch den Link zu Steady, wo ihr große Töchter supporten könnt. Und ich würde mich sehr freuen, wenn ihr das tun würdet. Wenn ihr große Töchter supporten wollt, aber ohne Geld, dann könnt ihr das, indem ihr diese Podcast Folge teilt auf Social Media, indem ihr Freundinnen und Freunden vom Podcast erzählt, indem ihr diesen Podcast weiterempfehlt und indem ihr ihn, wo auch immer ihr gerade hört, mit fünf Sternen bewertet und vielleicht ein paar nette Worte dazuschauen. So finden ihn auch andere Leute. Große Töchter findet ihr auf Instagram, grossetöchterpod.
Mich findet ihr auf Social Media, fraufrasl. Und wir hören einander wieder in zwei Wochen. Bis dahin nicht klein kriegen lassen.
Autor:in:Beatrice Frasl |