Die Dunkelkammmer
Hocheggers "Schattenrepublik" #1: Begeistert von uns selbst"

Teil 1 unserer Serie zu den Memoiren des Lobbyisten Peter Hochegger. Wir stellen diese ab dem 21. September auf allen großen Podcast-Plattformen frei zur Verfügung, über unseren Dunkelkammer-Kanal bei YouTube spielen wir die Aufzeichnung erstmals auch als Video aus.

Die weiteren Episoden werden wir nach und nach veröffentlichen.

Unsere Abonnentinnen und Abonnennten bei Steady und Apple Premium bekommen bereits am 21. September Zugang zu den ersten drei Episoden, vollständig und werbefrei.

In dieser Episode blicken Stefan Kaltenbrunner und ich mit Peter Hochegger ein Stück weit in dessen Vergangenheit. Hochegger erzählt, wie er einst einer schlagenden Burschenschaft beitrat, weil dort die “wüderen Hund” waren, wie er dann der SPÖ beitrat, weil er Bruno Kreisky beeindruckend fand und wie er dann der FPÖ beitrat, weil er nicht zum Bundesheer wollte.

Schon ganz am Anfang seiner Karriere begann Hochegger, die Öffentlichkeit zu manipulieren. Stets im Auftrag von Unternehmen, die stets im Verborgenen blieben. Übrigens: Die unternehmerische Karriere des Peter Hochegger begann mit der Scientology-Sekte.

Michael Nikbakhsh
Herzlich willkommen zur heutigen Ausgabe der Dunkelkammer. Mein Name ist Michael Nikbakhsh und diese Episode ist der Auftakt zu einer mehrteiligen kleinen Serie. Und diese Serie basiert auf einem Buch, es heißt „Die Schattenrepublik - Ein Lobbyist packt aus“ und es erscheint im Verlag edition a, erhältlich ab dem 22. September.

Dieses Buch, das sind die Memoiren des Lobbyisten Peter Hochegger, Die Schattenrepublik, das ist ein spezielles Buch. Es ist so speziell, dass wir uns gedacht haben, wir machen daraus eben eine kleine Serie. Ja, und nicht nur das, wir nehmen das auch zum Anlass, um etwas auszuprobieren, das ich schon die längste Zeit mal machen wollte.
Wir lassen erstmals in der Geschichte dieses Podcasts auch Videokameras mitlaufen. Das bedeutet, diese Serie zur Schattenrepublik gibt es ab dem Erscheinen nicht nur als Podcast, sondern eben auch als Video und zwar abrufbar über unseren YouTube-Kanal Die Dunkelkammer, den wir schon einige Zeit haben, wo wir bisher aber immer nur die Podcasts ausgespielt haben, jetzt eben auch als Video. Ich mache das Ganze nicht allein. Mit mir im Studio sitzt Peter Hochegger. Hallo Peter, herzlich willkommen.

Peter Hochegger
Hallo Michael, danke für die Einladung.

Michael Nikbakhsh
Und weiters, bevor wir mit Peter Hochegger in das Leben von Peter Hochegger eintauchen, möchte ich einen sehr geschätzten Kollegen begrüßen, der das heute mit mir moderieren wird und auch die weiteren Folgen zu dieser Serie, den Journalisten und Autor Stefan Kaltenbrunner. Hallo Stefan.

Stefan Kaltenbrunner
Hallo.

Michael Nikbakhsh
Ich möchte auch gleich bei dir bleiben, Stefan, weil du sitzt natürlich nicht nur hier, weil ich dich sehr schätze, sondern weil du einen ganz erheblichen Anteil an der Entstehung des Buches Die Schattenrepublik hattest. Erzähl doch mal.

Stefan Kaltenbrunner
Naja, ich muss vorausschicken, ich kannte den Peter Hochegger nicht persönlich. Ich habe zwar in meiner Funktion als Journalist die letzten 20, 30 Jahre immer wieder berichtet über die Causa Buwog und über die Causa Telekom und ich habe dann vor ein paar Monaten über einen Kollegen das Manuskript bekommen von der Biografie des Peter Hochegger, was er so die letzten 20 25 Jahre aufgezeichnet hat. Und habe mir am Anfang gedacht, okay, da will sich einer reinwaschen und was soll da Besonderes drinnen stehen? Da geht es um die Buwog, um die Telekom. Das haben wir jetzt über zwei Jahrzehnte ausführlich besprochen und diskutiert und er ist auch verurteilt worden deswegen und habe das Manuskript ein paar Tage liegen gelassen und habe dann doch reingeschaut und bin dann nach zehn Minuten völlig reingekippt, weil das ist eine Geschichte, die nicht nur die Buwog und die Telekom nochmal aufarbeitet, sondern es ist eine Geschichte und zwar eine Geschichte über die dunkle Seite der Republik und auf mehreren Ebenen einfach spannend. Auf der einen Seite die Geschichte des Peter Hochegger, der vom Land kommt, von der Steiermark in die große Stadt nach Wien und sich dort über ein, zwei Jahrzehnte zum mächtigsten Lobbyisten des Landes hocharbeitet und Millionen verdient. Ich glaube, das profil hat geschrieben so 40, 45 Millionen Euro, was er verdient hat.

Und es ist dann das passiert, was oftmals passiert, dass man größenwahnsinnig wird, dass man gierig wird, wie der Peter Hochegger selber sagt, und dann die Grenzen zwischen Lobbyismus, PR und Korruption verschwimmen und dann dieser Abstieg des Peter Hochegger begonnen hat mit einem Anruf eines Journalisten, wo die ganze Buwog-Affäre dann aufgedeckt wird. Die andere Ebene ist, wie Korruption in Österreich funktioniert, wie sehr die Wirtschaft, Politik, Medien und Wissenschaft zusammenarbeiten, wie die Öffentlichkeit manipuliert wird und das steht da alles drinnen und das werden wir die nächsten Folgen besprechen ausführlich.

Michael Nikbakhsh
Genau das werden wir ausrollen. Peter Hochegger, vielleicht müssen wir das jetzt vorwegschicken zum besseren Verständnis. Du sitzt jetzt mit uns in einem Podcast TV Studio, Wir zeichnen eben diese Serie auf anlässlich des Erscheinens deines Buches. Aber eigentlich sollte Peter Hochreger zu diesem Zeitpunkt im Gefängnis sitzen. Du bist rechtskräftig zu einer teilbedingten Haftstrafe verurteilt worden. Ein Jahr unbedingter Haft.

Peter Hochegger
Ein Jahr, ja.

Michael Nikbakhsh
Du hast die Aufforderung zum Haftantritt ja auch schon bekommen, hast Haftaufschub bekommen. Wie ist da jetzt der Stand? Warum bist du nicht im Gefängnis?

Peter Hochegger
Ich habe mich ja schon für die OGH-Verhandlung entschuldigen lassen aufgrund von gesundheitlichen Problemen. Und zu diesen gesundheitlichen Problemen gibt es laufende Untersuchungen, die sind vielleicht im Oktober abgeschlossen und dann wird sich entscheiden, was ist der nächste Schritt? Brauche ich Operationen oder kann ich die Fußfessel beantragen, die mir dann zusteht?

Michael Nikbakhsh
Das heißt, es ist ein Prozess, der derzeit in Prüfung ist, in Untersuchungen ist und ab dann, ab dem späteren Herbst, würde feststehen, ob du die Haft antrittst oder nicht.

Peter Hochegger
Also die Haft werde ich wahrscheinlich nicht mehr antreten, sondern ich werde eine Fußfessel beantragen.

Michael Nikbakhsh
An dieser Stelle eine nachträgliche redaktionelle Mitteilung: Zum Zeitpunkt der Aufzeichnung dieses Podcasts waren die gutachterlichen Prüfungen zu Hocheggers Gesundheitszustand beziehungsweise zu dessen Haftfähigkeit noch im Laufen. Mittlerweile ist das abgeschlossen und das Oberlandesgericht Wien hat entschieden, dass Peter Hochegger haftfähig ist. Zurück zum Podcast.
Das gesagt: Zu diesem Buch. Der Stefan hat schon einiges angerissen, um das zu kontextualisieren und ich würde gerne wissen, wie es aus deiner Sicht zu diesem Buch kam. Warum gibt es das und wie kam es dazu?

Peter Hochegger
Da müssen wir in das Jahr 2012 zurückblicken. Wenn wir uns erinnern, im Februar 2012 gab es den ersten Auftritt von mir im Untersuchungsausschuss und am Tag, als ich dort sozusagen Fragen beantworten musste, erschien eine Geschichte im News zur Personalpolitik des Lobbyisten Peter Hochegger. Und in dieser Geschichte waren angeführt 28 ehemalige Bundeskanzler, ehemalige Minister, Kabinettschefs undundund. Das war ein unerwarteter Schlag für die Politiker, mit dem hatten sie nicht gerechnet. Und die ersten vier Stunden im Untersuchungsausschuss wurden nur dafür verwendet, dass jede Partei versuchte, ihre zurechenbaren Politiker darzulegen. Das war ja keine Korruption, sondern die haben nur für den Peter Hochegger gearbeitet als Lobbyisten, als Berater. Und das hat natürlich auch große Schlagzeilen verursacht: Die Millionenshow des Peter Hochegger. Nicht Heidi Klum war im Parlament heute, sondern Peter Hochegger und viele Schlagzeilen mehr. Einige Tage später war ich bei einer Beschneidungsfeier von einem lieben Freund von mir und neben mir sitzt ein Branchenkollege, der sich spezialisiert hat auf die Beratung von berühmten Persönlichkeiten, Professor Barnard, Waris Dierie, den Maler Gottfried Helmwein. Und er sieht mich: Peter, du musst ein Buch schreiben. Wieso soll ich ein Buch schreiben? Nein, du bist so berühmt und du musst ein Buch schreiben. Na, wie geht das?
Ich habe keine Ahnung. Er sagt, Lass das meine Sorge sein. Ich mache das für dich.

Er hat mich überzeugt. Dann hat er einen Termin organisiert mit dem Verlagsleiter und wir haben uns getroffen. Ich habe zwei Journalisten mitgenommen, die sich bereit erklärt haben, meine Geschichten aufzuarbeiten. Und ich habe dem Verlagsleiter so das erzählt, was du vorher schon angesprochen hast, erzählt. Und er findet das unglaublich, diesen Blick durch das Schlüsselloch in die Hinterzimmer der Mächtigen, wo sie sich ihre Deals ausmachen. Und dann frage ich ihn: Ist das interessant für den deutschsprachigen Markt? Unbedingt! Da gibt es eine Schicht von Leuten, die wollen wissen, wie das in Österreich abgeht.Und dann haben wir uns getroffen. Ende Juli waren die ersten Kapitel fertig. Er war begeistert. Und zwei Tage später hat einer meiner Freunde und Journalisten müssen zurücktreten aus dem Projekt, weil seine Frau zwei Monate zu früh Zwillinge zur Welt gebracht hat. Und es war ein Ding der Unmöglichkeit, das Manuskript fertigzustellen.

Der Verlag hat das verstanden. Wir haben gesagt ok, beenden wir das Projekt. Aber für mich war es nicht beendet. Ich habe dann nach jedem Ereignis das zu Papier gebracht bis jetzt zur OGH-Verhandlung, wo du dann das Manuskript bekommen hast.

Stefan Kaltenbrunner
Genau. Und bevor wir in medias res gehen, müssen wir eigentlich einmal ergründen, wie der Peter Hochegger zum mächtigsten Lobbyisten dieses Landes wurde. Das heißt, wir müssen ein bisschen zurückgehen in deine Vergangenheit. Vielleicht kannst du ein bisschen erzählen, woher kommst du eigentlich? Also was ist dein familiärer Background? Wo kommt Peter Hochegger her?

Peter Hochegger
Ich wurde in eine kleine Unternehmerfamilie in der Obersteiermark in einem kleinen Dorf Mürzsteg hineingeboren. Mürzsteg, bekannt durch das kaiserliche Jagdschloss, das heute die Sommerresidenz des Bundespräsidenten ist. Das waren so verschiedene Zweige im Unternehmen, ein Gasthaus oder ein kleines Hotel, ein Sägewerk, eine Landwirtschaft und ein Fuhrwerksunternehmen. Und für sich war jeder Teil zu klein, um daraus irgendwo Profite zu erwirtschaften. Also das war ein ständiger Überlebenskampf. Das hat aber auch bedeutet, dass weder meine Eltern noch meine Großmutter viel Zeit für mich hatten. Wir sind frei aufgewachsen.
Also wir haben uns nur getroffen zu den Mahlzeiten, da ist die Familie zusammengesessen. Aber sonst war das relativ frei. Und diese Freiheit am Land, das ist sowas Unschätzbares, weil man hat die Möglichkeit, Abenteuer zu erleben, sich zu formen auch wie muss man überleben? Und das hat mich sehr geprägt. Und was mich auch geprägt hat, waren die Erzählungen meiner Großmutter. Die hat mir erzählt von ihrem Schwiegervater wie er als junger Mann nach Nizza ging, dort im Service gearbeitet hat, sich dann mit dem ersparten Geld ein Gasthaus gekauft hat und irgendwann sind sie dann nach St. Pölten, dann nach Mürzsteg und haben halt dort das Unternehmen aufgebaut.Und da ist für mich schon der Wunsch gereift, ich möchte auch selbstständig sein, möchte auch ein Unternehmen haben. Das waren die ersten Jahre in Mürzsteg.

Michael Nikbakhsh
Du hast recht früh lernen müssen, auf dich selbst aufzupassen. Im Buch ist nachzulesen, dass deine Eltern dich bereits im Alter von neun Jahren ins Evangelische. Internat in Fürstenfeld geschickt haben. Du bist Jahrgang 1949, damals lagen Mürzsteg, Mürzzuschlag und Fürstenfeöd auch gerade um die Ecke voneinander. Und du hast auch geschrieben, dass du nur alle zwei Monate für zwei Tage nach Hause durftest, was im Alter von neun Jahren wahrscheinlich herausfordernd ist. Wie war das denn?

Peter Hochegger
Ich erinnere mich, wie ich dort angekommen bin. Mein Vater hat mich hingeführt und wie ich dann plötzlich alleine war ohne meinen Vater, meine Eltern, das war schon eine gewisse Umstellung. Warum haben meine Eltern das gemacht? Es gab in Mürzsteg keine gute Schule, es war eine dreiklassige Volksschule, also das war schon vom Bildungsangebot her nicht so optimal. Und dann haben sie halt das Gefühl gehabt, es ist für mich ganz gut, wenn ich einmal in die große, weite Welt geschickt werde.

Stefan Kaltenbrunner
Du hast aber in diesem Internat einiges gelernt, was dir später geholfen hat. Auf das werden wir noch kommen in den nächsten Folgen – und zwar fürs Gefängnis.

Peter Hochegger
Also es gibt natürlich Unterschiede, graduelle. Ich musste mir einen Schlafsaal im ersten Jahr mit 17 oder 18 Schülern teilen und wenn man sich nicht an die Regeln gehalten hat, gab es Bestrafung. Und da hatten wir einen Heimleiter, der hat es ein bisschen übertrieben. Er hat seinen Schlüsselbund genommen und hat den schlimmen Schülern eine Kopfnuss verpasst. Eltern haben sich beschwert und nach acht Monaten ist er dann ausgetauscht worden. Ein anderer Erzieher, das war der Messner von der Kirche, der hat sich an einen Schüler vergangen. Die beiden hatten ein Verhältnis und da lernst du die Welt ist nicht so kennen, wie sie dir erzählt wird, sondern die ist sehr, sehr viel mit Schattierungen und jeder ist für sich gefordert, da sein Überleben zu finden.

Michael Nikbakhsh
Du warst mit neun im Internat und bist dann auch später im Laufe deiner schulischen Karriere, nicht mehr oft daheim gewesen. Du warst räumlich auch getrennt. Was hat das mit dem Verhältnis zu deinen Eltern gemacht?

Peter Hochegger
Also ich würde sagen, das war vielleicht gar nicht so schlecht, weil ich konnte abseits von meinen Eltern selbstständig werden. Also ich hatte meine eigenen Vorstellungen von Leben.Bis zu meinem 14. Lebensjahr gab es immer wieder gewisse Konflikte mit meinem Vater, weil der hat sich das anders vorgestellt. Aber irgendwann hat er erkannt, lass ihn sein eigenes Leben leben. Er hat zu mir gesagt, schau, das Wichtigste ist, du musst am Jahresende das Schuljahr positiv abschließen und alles andere ist dann deine Angelegenheit. Und das hat sehr gut funktioniert. Und dadurch ist es mir auch gelungen, mit meinen Eltern ein sehr, sehr amikales Verhältnis zu entwickeln.

Michael Nikbakhsh
Wie viel von dem, was aus dir wurde, haben die noch mitbekommen?

Peter Hochegger
Also meine Mutter hat meinen Absturz miterlebt, mein Vater nicht mehr. Der ist im Jahr 2006 verstorben und also der war stolz und zufrieden, was einer seiner Söhne geschafft hat. Und meine Mutter hat mir dann gesagt nach den Hausdurchsuchungen: Es ist gut, dass der Vater das nicht mehr erlebt.

Stefan Kaltenbrunner
Das heißt aber die Mutter hat das voll mitbekommen. Wie hat die damals reagiert? Wie war das Verhältnis zueinander dann?

Peter Hochegger
Also das Verhältnis war nach wie vor gut. Also das hat nichts trüben können. Wir haben uns auch darüber ausgetauscht. Also ich habe es dann schon auch ein bisschen reflektiert und sie ist ja selbst auch durch Höhen und Tiefen durchgegangen. Also die hat nicht immer nur den Sonnenschein erlebt.

Michael Nikbakhsh
Ich habe beim Nachlesen deiner frühen Jugend überrascht festgestellt, dass aus einem der einflussreichsten Lobbyisten der Zweiten Republik beinahe ein Flugzeugingenieur geworden wäre. Wie war das?

Peter Hochegger
Ich hatte das Glück, dass mich der Direktor im Gymnasium nicht haben wollte. Und Waidhofen hat mir sehr gut gefallen, Da bin ich in die HTL gewechselt. Ich habe dort eine HTL gemacht für Werkzeug und Vorrichtungsbau und in den Sommerferien habe ich in den ersten Jahren als Monteur gearbeitet oder in Stahlwerken oder in Walzwerken und ab der Matura dann als Konstrukteur für Ingenieurbüros. Und einer dieser Jobs hat mich dann zur Firma MBB geführt, wo ich am Airbus Projekt mitgearbeitet habe. Und meine Aufgabe war, die Konstruktionszeichnungen für den Frachtraum 3 zu machen. An das kann ich mich noch erinnern.

Stefan Kaltenbrunner
Wenn wir nochmal zurückgehen in die Schule. Du hast gesagt, du bist in die HTL Waidhofen gegangen. Was hat dich dort geprägt? Also hat es da Schlüsselmomente gegeben, die dir für den weiteren Lebensweg was gebracht haben, die da wichtig waren? Hat es da Lehrpersonen gegeben oder wie kann man sich das vorstellen? Was war der Peter Hochecker mit 15, 16, 17 Jahren in der Schule? Wie war der unterwegs?

Peter Hochegger
Es haben mich einige Personen in Waidhofen geprägt. Die erste Person war ein Deutschlehrer schon im Gymnasium und der hat die Schüler motiviert, Referate zu halten. Also das war so vorgesehen. Jede Deutschstunde hat mit einem Referat begonnen. Es hat sich jemand müssen melden zu einem Thema und das ist dann von den anderen analysiert worden, Was war gut, was war nicht so gut, wie baut man Reden auf? Es war wirklich sehr spannend und da habe ich entdeckt, dass mir das Spaß macht. Und wenn sich gerade niemand gemeldet hat, dann war ich da und habe gesagt ok, Professor, ich würde gerne jetzt zu einem Thema sprechen.
Und wie das Schicksal es so wollte, ist dieser Professor dann auch an die HTL gewechselt. Und dort hat er mich motiviert, bei Redewettbewerben mitzumachen, die die UNO jährlich veranstaltet hat. Und das habe ich auch gemacht. Und er war so nett und hat mir private Stunden gegeben, hat mir erklärt, wie baut man eine Rede auf, wie macht man das dialektisch, wie zieht man das Publikum in seinen Bann, Stimme variieren undundund. Das hat dazu geführt, dass ich in Waidhofen einmal in der HTL den Redewettbewerb gewonnen habe, dann auch im Wettbewerb mit den anderen Schulen und dann in Wien, da bin ich natürlich dann auf Bessere gestoßen, aber trotzdem, das hat mich sehr geformt. Die zweite Person, die für mich ein Vorbild war, das war ein junger HTL-Schüler, der kam mit 16 Jahren aus New York in das Städtchen Waidhofen an der Ybbs und der war wie ein Alien. Marlon Brando, Schirmkappe, Lederjacke, Cowboystiefeln und ein sehr athletischer Typ.

Der hat dann beim Fußballclub im Tor gespielt und der war auch ein Mitglied bei der Schlagenden Burschenschaft Silesia und der hat mich einfach fasziniert. Das war mein Vorbild, war ich natürlich dann dort auch dabei, vier Jahre lang, und wie sich dann unsere Wege getrennt haben, dann hat sich auch natürlich mein Weg von der Burschenschaft getrennt. Aber die vier Jahre habe ich natürlich genossen.

Michael Nikbakhsh
Du hast vier Jahre bei einer schlagenden Burschenschaft genossen.

Peter Hochegger
Richtig.

Michael Nikbakhsh
Was gab es da zu genießen?

Peter Hochegger
Die Freundschaft unter den Mitgliedern. Wir waren eine eingeschworene Truppe. Wir haben sehr viel Sport miteinander gemacht. Wir haben auch gegen andere, gegen den CV, also das waren von der schwarzen Seite, da gab es einmal im Jahr ein Fußballturnier, haben wir nie gewonnen, aber es ging ja um das anschließende Fass Bier. Es war einfach eine schöne Zeit geprägt von Kameradschaft und Freundschaft.

Stefan Kaltenbrunner
Aber ideologisch war dir das nahe, hattest du keine Probleme damit?

Peter Hochegger
Also so wie man das heute ideologisch versteht, das hat es bei uns nicht gegeben. Also mein Freund, der Horst, der ist in den USA aufgewachsen, der war einfach ein cooler Typ. Also da ist sozusagen die Freundschaft, die Kameradschaft und natürlich auch sozusagen die Liebe zum Vaterland. Aber das war damals überhaupt nichts Negatives.

Michael Nikbakhsh
Die Gesangsbücher waren wahrscheinlich nicht geschwärzt damals.

Peter Hochegger
Die Gesangsbücher waren nicht geschwärzt. Wir haben fleißig gesungen.

Stefan Kaltenbrunner
Auch einschlägige Lieder?

Peter Hochegger
Nein, das sicher nicht. Also es hat bei uns, daran kann ich mir noch erinnern, gab es zwei von 25, da würde ich sagen, die waren so ins rechte Eck zu stellen, aber die waren Außenseiter und wir alle anderen waren einfach eine coole Truppe, und es war in dabei zu sein. Und ich habe Jahre später mal mit Michael Häupl drüber geredet, weil der war ja dabei bei den Rugen in Krems zur selben Zeit wie ich bei den Selesen war, und er hat gesagt: Peter, das waren die wüderen Hund. Deswegen war ich dabei. Und genauso war es bei mir.

Michael Nikbakhsh
Diese schlagende Burschenschaft ist ein erster Vorgeschmack auf die Netzwerkfähigkeit des Peter Hochegger, auf die wir im weiteren Verlauf unserer Gespräche noch kommen werden. Ich möchte nochmal zurückkommen auf deine Tätigkeit im Flugzeugbau. Da hast du nämlich offenbar eine interessante Erkenntnis gemacht. Ich zitiere das jetzt mal aus dem aus dem Buch. Die Arbeit erfüllte mich nicht besonders, doch ich lernte einige wichtige Dinge für meine spätere Karriere. Mein Abteilungsleiter verriet mir, dass mir das Ingenieursbüro zwar 12,5 D-Mark zahle, aber für jede Ingenieursstunde 65 Mark an MBB, also die Firma, um die es da ging, verrechnete und MBB wiederum vom Staat für jede dieser Fachkraft Arbeitsstunden 235 D-Mark kassierte. Zu diesem Zeitpunkt war für mich klar, dass ich von einem solchen System profitieren wollte.Habe ich das jetzt richtig verstanden? Du hast mit Anfang 20 beschlossen, den Staat auszunehmen?

Peter Hochegger
Also ich habe nicht beschlossen, den Staat auszunehmen. Ich habe für mich beschlossen, nicht meine Arbeitskraft für wenig Geld zur Verfügung zu stellen, sondern einfach selbst Projekt und Dinge zu entwickeln und damit Geld zu verdienen.

Stefan Kaltenbrunner
Aber diese Erkenntnis hast du in deiner beruflichen Laufbahn bis zum Exzess, sagen wir es einmal so, durchgezogen.

Peter Hochegger
Ja, so kann man das im Nachhinein natürlich sagen. Also ich habe immer versucht, Dinge perfekt zu machen, auch schon für meine Kunden und natürlich auch für mich. Und das hat mich immer geprägt, Dinge sehr präzise und organisiert und durchgedacht zu machen.

Stefan Kaltenbrunner
Wenn wir jetzt ein bisschen zurückgehen nach Schule, fertig. Du bist aus München, hast zum Studieren angefangen, vielleicht du mal ein bisschen die Zeit Studium und wie du dann zu deinem Doktortitel auch gekommen bist, deine Zeit in Südafrika und dass wir dann Richtung erste Firmengründung kommen, was da passiert ist. Was ist nach der Schule passiert?

Peter Hochegger
Also ihr habt mich nach Personen, die mich geprägt haben und das gab es ein wirklich einen spannenden Moment. Ich treffe mich mit meinem Bruder im bekannten Kaffeehaus in Waidhofen an der Ybbs und wir sitzen dort und dann geht die Tür auf und wer kommt herein? Der Bruno Kreisky.

Stefan Kaltenbrunner
Das war so Anfang der 1970er Jahre, da war Kreisky in der Opposition.

Peter Hochegger
Genau. Also das war mein letztes Schuljahr und Kreisky war in Opposition und im Herbst waren Wahlen und er kommt bei der Tür herein, geht von einem Tisch zum anderen, begrüßt die Leute und dann wirft er so einen Blick herüber, sieht meinen Bruder und mich und dann kommt er zu uns her und verwickelt uns in ein Gespräch und wir plaudern und dann fragt er, ob wir dann eh hineinkommen, uns seinen Vortrag anhören. Da haben haben wir Ja gesagt, weil da kannst du nicht Nein sagen, hatten wir nicht vor. Und dann war mir, nachdem er gegangen ist, klar, warum er uns angesprochen hat. Ich hatte an diesem Tag eine rote Krawatte umgebunden. Zufall oder auch nicht. Das hat dann gewisse Konsequenzen gehabt. Wir haben uns den Vortrag angehört und die Dinge, die er von sich gegeben haben, die waren so anders von dem Politsprech, das man bis damals gehört hatte: Die Fenster aufmachen, Reformen, Experten einbinden, Talente entwickeln. Das waren Dinge, die hast du damals von anderen Politikern nicht gehört. Und er hatte die Gabe, das sehr bildhaft vorzustellen und er hat auch so nicht schnell gesprochen. Ich war begeistert und mein Bruder natürlich auch. Und das hat uns dann bewogen, während des Studiums sozusagen ein Stück des Weges mit den Sozialdemokraten zu gehen.

Michael Nikbakhsh
Also konkret SPÖ Parteimitglieder zu werden. Du bist es einige Zeit geblieben, dein Bruder bis an sein, er ist mittlerweile verstorben, an sein Lebensende, Stimmt das?

Peter Hochegger
Der Paul war bis an sein Lebensende Sozialdemokrat und ich habe für mich entschlossen, am Beginn meiner Unternehmerkarriere das Parteibuch zurückzulegen, weil ich mir gedacht habe, es ist besser unabhängig zu sein, als irgendwo in ein Eck gestellt zu werden. Habe ich dann aber nicht durchgehalten.

Stefan Kaltenbrunner
Du bist zur FPÖ.

Peter Hochegger
Ich wurde Mitglied bei der FPÖ und das war auch wieder sehr spannend. Ich wollte ja überhaupt nicht zum Bundesheer gehen.

Stefan Kaltenbrunner
Genau, das wäre meine Frage gewesen. Nach der Schule geht man ja zum Bundesheer. Du warst nicht beim Bundesheer, Warum eigentlich?

Peter Hochegger
Ich habe mir überlegt, überhaupt aus Österreich wegzugehen, weil ich nicht zum Bundesheer gehen wollte. Also ich hatte eine Abneigung, eine Waffe in die Hand zu nehmen, auf andere Menschen zu zielen. Also das war mir zutiefst zuwider. Und mein Vater, der wollte, dass ich im Lande bleibe und hat mir dann, da war ich in Deutschland, in Deutschland gearbeitet, hat gesagt, du, ich habe in der Zeitung gelesen, wenn du auf der Technischen Universität Maschinenbau studierst, dann kriegst du einen Aufschub vom Bundesheer. Ich wollte ursprünglich auf die Welthandel, hab mir gedacht, okay, studierst halt Maschinenbau, aber nach einem Jahr gab es die Möglichkeit eines ordentlichen Doppelstudiums, habe ich auf der Technik immatrikuliert und studiert habe ich dann auf der WU, so wie ich es ursprünglich vorgehabt habe. Und dann am Ende des Studiums wollte ich mit meiner Frau ins Ausland gehen. Und dann kam mein Bruder und sagt, du ich habe die Möglichkeit, wir können gemeinsam eine Beratungsfirma machen – und da galt es dann, die Frage des Bundesheers zu lösen. Und wir hatten aufgrund unserer umtriebigen Tätigkeiten einige Leute kennengelernt und da war auch ein Manager dabei, der den damaligen Parteichef der FPÖ, den Norbert Steger, gut kannte. Und wir haben für den viele Konzepte geschrieben, der hat sich gefreut. Und dann haben wir ihn halt eines Tages gefragt, ob er uns nicht helfen kann, damit wir aus wirtschaftlichen Gründen nicht zum Bundesheer müssen. Hat er gesagt: Überhaupt kein Problem. Ist er zu uns ins Büro gekommen, hat gesagt: Da geht‘s zum Herrn sowieso, den weiß ich noch, den Namen will ich aber nicht erwähnen.

Michael Nikbakhsh
Also jemand aus dem Verteidigungsministerium, oder?

Peter Hochegger
Nein, der ist im Parlament gesessen, ein parlamentarischer Mitarbeiter, irgendwo in der FPÖ. Da geht‘s hin, bringt‘s ihm die Unterlagen. Und übrigens, da ist das Mitgliedsformular für die FPÖ, das unterschreibt‘s. jetzt. Das haben wir beide unterschrieben, wir wollten ja nicht zum Bundesheer.

Stefan Kaltenbrunner
Das heißt, ihr seid du und dein Bruder Mitglied in der FPÖ geworden, weil euch die FPÖ ermöglicht hat, dass ihr nicht zum Bundesheer gehen wollt. Das war ein Austauschgeschäft.

Peter Hochegger
Es war ein Tauschgeschäft.

Michael Nikbakhsh
Ein erstes frühes. Einige andere kamen. Darf ich da jetzt kurz rekapitulieren? Also du kommst von einer Schlagenden Burschenschaft, du wechselst zur SPÖ als Mitglied und von da zur FPÖ. Und in in deinem Buch lese ich, ein Kapitel, das den Titel hat: Wie ich von Scientology meine erste Firma bekam. Also Scientology kommt da jetzt auch noch dazu. Machen wir es vielleicht einfach. Wo warst du nicht dabei?

Peter Hochegger
Gut, das ist jetzt schwierig nachzudenken … bei der ÖVP.

Stefan Kaltenbrunner
Aber vielleicht gehen wir nochmal zurück zur Firmengründung. Also du hast in Wien studiert, hast dein Studium fertig gemacht, warst auch im Ausland, in Südafrika, was dich sehr geprägt hat. Mit deinem Bruder hattest du den Kontakt verloren. Er ist für ein Jahr verschwunden, soweit ich mich erinnere, und ist dann wieder zurückgekommen. Und ihr habt dann begonnen, gemeinsam etwas zu tun. Vielleicht erklärst du, was da passiert ist? Das war so Mitte der er 1970er Jahre.

Peter Hochegger
Also mein Bruder hatte das Gymnasium nicht abgeschlossen, er musste dort ausscheiden, weil er halt kein guter Schüler wa. Er hat dann verschiedene Lehrberufe versucht und es hat ihm alles  keinen Spaß gemacht. Er hat nicht das gefunden, das seinen Talenten entsprochen hätte. Und dann ist er irgendwann einmal verschwunden und nach zwei Monaten kriegen meine Eltern einen Brief, wo drinnen steht: Ich bin da in Kopenhagen, mach eine Ausbildung zu einem Auditor. Das hat mir damals überhaupt nichts gesagt. Auch Scientologen hat mir nichts gesagt. Und nach einem Jahr kriege ich einen Anruf, er ist in Österreich und er würde mich gerne treffen. Wir haben uns im Café Westend getroffen. Er ist gekommen, Anzug, kurze Haare, keinen Alkohol mehr bestellt und hat plötzlich ganz anders gesprochen. Also für mich war er ein anderer Mensch. Und dann haben wir uns gut unterhalten, haben über Kommunikation gesprochen. Für mich war das eines der Hauptgegenstände in meinem Studium, Unternehmensführung. Und irgendwann hat er erwähnt, er ist bei den Scientologen und er würde mir das empfehlen. Du, ich brauche das nicht, das mache ich eh auf der Uni. Und er hat den richtigen Zeitpunkt abgewartet, wie es mir mal nicht so gut gegangen ist emotional und hat gesagt: Komm, mach bei uns einen Kurs, dann wird dein Liebeskummer bald verschwunden sein und du wirst drüber lachen. War auch so.
Aber es war nicht so einladend. Ich bin dann auch nach Südafrika gegangen für fast ein Jahr, um zu recherchieren und dann meine Dissertation zu schreiben. Und als ich wieder zurück in Wien war, sagt Peter du, ich arbeite in einer Beratungsfirma, komm vorbei. Die hätten dich gerne als Mitarbeiter. Bin ich dort hingegangen, die haben das gut inszeniert, um mich zu beeindrucken. Und dann wollten sie mir eine Mitarbeit schmackhaft machen.
Habe ich gesagt: Nein, das interessiert mich nicht. Ich mache lieber meine Prüfungen fertig, schreibe meine Dissertation und mache meinen Abschluss.

Michael Nikbakhsh
Das war eine Scientology Firma oder wie soll man das nennen? Das war ein Büro, in dem Scientologen Scientologen geworben haben.

Peter Hochegger
Nein, das war eine Firma, die hat geheißen Expansion Service. Also das heißt, mit den Theorien und Kenntnissen von Ron Hubbard von Scientology wurden Firmen beraten. Und es gab ja bei den Mitgliedern bei Scientology gab es ja auch Unternehmer und die haben blind vertraut und haben sich gedacht, das ist das Wissen, das goldene Wissen und das führt uns in ungeahnte Höhen. Und deswegen haben sie dort auch bei dieser Beratungstruppe Beratungsleistungen in Anspruch genommen und auch bezahlt.

Michael Nikbakhsh
Also du bist als Unternehmer quasi zu diesem Expansion Service gegangen und dort hat man da was über Außerirdische erzählt.

Peter Hochegger
Nicht über Außerirdische, aber über deine persönlichen Fähigkeiten. 

Stefan Kaltenbrunner
Das heißt eine Coaching Firma oder was.Ist da beraten worden?

Peter Hochegger
Also die Idee sagt: Wir machen die Fähigen fähiger und jeder trägt ungeahnte Potenziale in sich, die müssen nur freigesetzt werden. Und freigesetzt werden sie dadurch, indem du deine Bremsklötze einfach beiseite schiebst.

Stefan Kaltenbrunner
Das ist jetzt Scientology-Sprech.

Peter Hochegger
Scientology-Sprech, ja gut. Mich hat das nicht so sehr bewegt, dass ich gesagt hätte, dort arbeite ich jetzt mit. Ich habe zu meinem Bruder gesagt, die Typen haben ja alle keine Ahnung. Und das hat ihn aber bewogen, dort näher hinzuschauen. Dann ist er eines Tages draufgekommen, dass der Geschäftsführer den Eigentümer betrogen hat. Der hat nämlich immer Geld aus der Kassa rausgenommen und ist ins Casino gegangen, hat sich gedacht, mit meinen überirdischen Fähigkeiten kann ich jetzt viel Geld verdienen oder gewinnen. Ist nicht eingetreten. Mein Bruder ist draufgekommen und hat geistesgegenwärtig ihm einen Wechsel hingelegt und gesagt: Entweder du unterschreibst es oder wir machen eine Betrugsanzeige. Der hat das gemacht. Mein Bruder hat dem Eigentümer den Wechsel gegeben und der hat gesagt: Um Gottes Willen, das ist ja alles so schwierig und furchtbar. Bitte übernehme die Firma, ich schenke dir die Büromöbel auf dem Bankkonto sind 100.000 Schilling, bitte mach das weiter. Und der Paul hat zu gesagt: Peter, ich habe eine Firma, machen wir es gemeinsam. Ich war noch nicht so ganz Feuer und Flamme. Während ich die Seminare für die Unternehmensberaterausbildung hat mich das dann doch fasziniert und wir haben Firma übernommen. Wir hatten vier oder fünf Kunden, alles Scientologen. Wenn du dich selbstständig machst und eine Kundenbasis von fünf Kunden hast, ist es genial.

Stefan Kaltenbrunner
Das heißt aber zusammenfassend, das Hochegger-Imperium, das spätere, basiert auf einer Firma von Scientology. Zwei Fragen dazu. Dein Bruder, ist der ausgetreten oder war der immer Scientologe? Und was war mit dir? Du hast dort Kurse gemacht bei Scientology, Audits, wie es dort heißt. War dir damals bewusst, dass das doch nicht eine ungefährliche Sekte ist? Da ist damals Mitte der 1980er schon sehr gewarnt davor worden. Es hat in Wien eine Departance gegeben, ich glaube in der Mariahilfer Straße und es ist doch weltweit ein Thema gewesen. War dir das bewusst oder war dir das egal?

Peter Hochegger
Also ich habe mir das natürlich dann angeschaut und was ich so gesehen habe, habe mich nicht bewogen, dort Mitglied zu werden. Ich hab Kurse gemacht und bin dann natürlich auch draufgekommen, dass sozusagen das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht so passt.

Michael Nikbakhsh
Was hast du denn da so bezahlt?

Peter Hochegger
Also die haben das perfekt gemacht. Da gab es eine Gruppe von Promi-Scientologen und die haben immer eingeladen. Da war ein Graf dabei, ein Künstler, Steuerberater, Rechtsanwälte und bei diesem Treffen ist dann halt fallweise ein Mann aus den USA aufgetaucht, ein Deutscher, ein Superverkäufer, der hat sich dann meiner angenommen. Er hat erzählt, wie toll das in Amerika ist, John Travolta, Tom Cruise, wie sie alle heißen und die kann man dort treffen und genauso erfolgreich wie die werden. Und dann habe ich gesagt, na was kostet das Ganze? Dann hat er mir eine Zahl genannt, das waren 260.000 Schilling. Da habe ich gesagt: Das kann ich mir nie leisten, ich bin gerade selbstständig geworden. Sagt er: Kein Problem, da Post-Graduate-Kredit bei der Creditanstalt. Da gehst du zum Herrn sowieso und dann kannst du einen Kredit beantragen, den kriegst du auch, dann bezahlst du das und dann kannst du deine Kurse und deine Beratungen machen.

Michael Nikbakhsh
Verzeihung, die Unterbrechung. Es gab bei der Creditanstalt einen Zuständigen für den Scientologen-Betriebsgründungskredit?

Peter Hochegger
Nein, nein, das war für eine Post-Graduate-Ausbildung.

Stefan Kaltenbrunner
Das war nicht explizit für Scientology.

Peter Hochegger
Also das ist in das Programm hineingefallen.

Michael Nikbakhsh
Das heißt, die CA hat gewusst, was sie da finanziert. 

Peter Hochegger
Die hat das genau gewusst. Die hat das auch so ein bisschen unverdächtig gemacht. So und dann war ich dort und habe gesehen, das stimmt ja hinten und vorne zusammen. Das heißt, du hast keine qualifizierten Leute, die dich befragt haben. Dann die Kurse waren so, da hast du dir Tonbänder angehört mit einer Checkliste und die hast du halt abgearbeitet. Wenn du Fragen hattest an den Kursleiter, der hat natürlich auch keine Ahnung gehabt bei 25 Kursen –  und er hat dann Dinge gesagt, wie: Naja, es liegt an dir, da draufzukommen. Das war mir dann doch ein wenig zu kompliziert. Und ich habe für mich beschlossen, dass die Sache abgehakt ist. Und bei meinem Bruder war es ja so, der hatte eine Ausbildung bekommen und musste die abarbeiten. Und Paul war ein sehr diplomatischer Mensch, der hat nie die Konfrontation gesucht. Der war tagsüber in der Firma und am Abend ist er noch zwei Stunden für zwei Jahre in die Organisation gegangen und hat dort seine Schulden abgedient: Irgendwann einmal war für uns das Kapitel erledigt.

Michael Nikbakhsh
Wie hast du deine Schulden abgedient? Du hast ja 260.000 Schilling Kredit gehabt, wenn ich das richtig verstanden hab. Was ist damit passiert?

Peter Hochegger
Also ich war ja in den USA in Clearwater. Habe dort 100.000 Schilling verblasen oder in den Sand gesetzt oder wie auch immer oder für teure Erkenntnisse.

Stefan Kaltenbrunner
Das war die Zentrale von Scientology. Dort hast du deine Kurse gemacht? 

Peter Hochegger
Genau. Und dann waren noch 160.000 Schilling nicht verbraucht. Ich habe mir natürlich immer wieder überlegt, wie komme ich an die 160.000 Schilling heran? Und irgendwann einmal brauchte ich Geld, um mit meiner damaligen Frau ein Genossenschaftshaus zu kaufe. Sie hat die Hälfte bezahlt und ich die Hälfte und hab mir gedacht, ich hole mir meine Hälfte jetzt aus den USA., Ich hab mir ein Konzept zurechtgelegt, bin dort hingefahren, hab gesagt: Ich habe Steuerschulden, brauche jetzt das Geld. Ob ich nicht zufrieden war? Sag ich: Nein, ich war sehr zufrieden, war alles toll. Aber ich habe jetzt ein Riesenproblem. Die haben halt fünf Tage lang versucht, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Und ich halt wie eine tibetanische Gebetsmühle habe gesagt: Nein, Steuerschulden, es war alles super, aber die 160.000 brauche ich. Und die habe ich dann auch gekriegt.

Stefan Kaltenbrunner
Das heißt, du bist in die USA zu Scientology und hast dein Geld zurückgefordert, was sie dir auch gegeben hat und hast dann in Wien das Reihenhaus gekauft.

Peter Hochegger
Genau.

Michael Nikbakhsh
Ich weiß jetzt ehrlicherweise nicht, wie vielen Menschen das gelungen ist, bei Scientology Geld wieder rauszubekommen. Viele dürften es, glaube ich, nicht gewesen sein, was man alles so hört über diese Sekte. Es ist eher so, dass du einmal dort bist und die dich nie wieder weglassen. Also jedenfalls dein Geld nicht.

Peter Hochegger
Es ist immer die Frage, wie legt man es an? Wie baue ich ein Gespräch auf? Du kannst in unterschiedlichen Empfehlungen nachlesen: Der erste Schritt ist, du agierst mit deinem Gegenüber auf Augenhöhe, auf Verständnis, auf Akzeptanz. Und der zweite Schritt ist, man definiert ein Problem und beschreibt es. Und mein Problem war, ich hatte eine Steuerschuld und die musste ich bezahlen. Und der dritte Punkt ist, da geht es um die Angst und Verschlechterung. Ich hab gesagt: Wenn sich das jetzt nicht ändert, dann ist das für mich katastrophal,  ich muss das lösen und habe den in meine Lösung hereingeholt.

Stefan Kaltenbrunner
Also das hat funktioniert. Aber nochmal zusammenfassend, das heißt, du und dein Bruder habt jetzt eine Firma, die im Prinzip eine Scientology-Firma war. Ihr habt Kunden aus dem Scientology-Umfeld gehabt. Was ist dann passiert? Diese Firma, was hat die angeboten? Was war so das Ziel? Was war euer Business Case oder Businessplan?

Peter Hochegger
Naja, wenn man in eine Branche einsteigt, dann muss man wissen, was ist überhaupt der Bedarf und was kann ich anbieten? Wir haben das sehr einfach aufgesetzt und gesagt, wir machen eine Studie, wir befragen Unternehmer, was sie von Unternehmensberatern erwarten und wie sie die Unternehmensberater sehen. Und natürlich auch mit dem Hintergedanken, wenn wir da jetzt 120, 130 Firmen befragen, da wird doch sicher einer hängenbleiben, der dann sagt: Mit denen will ich arbeiten.
Wir haben diese Studienergebnisse sehr gut ausgearbeitet und haben die medial veröffentlicht, so mit der Headline: Das böse Berater-Image und wer sieht die Unternehmensberater wie? Und damit hatten wir schon einmal die erste Öffentlichkeit, nämlich in der "Presse" und in einem Wirtschaftsmagazin.

Michael Nikbakhsh
Wir sind jetzt Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre?

Peter Hochegger
Das war 1981.

Michael Nikbakhsh
Wie kommt man da als Unternehmensberater in ein Medium? Wie habt ihr das am Anfang gemacht? Einfach in Redaktionen angerufen und gesagt Peter und Paul Hochegger, wir hätten ein Anliegen. Wie war das?

Peter Hochegger
Einer meiner Studienkollegen hat bei der "Presse" als Volontär gearbeitet, der hat es seinem Chef gegeben und gefragt, ob das interessant ist. Ja, das ist super. Und schon war ich mit Bild in der "Presse". Und ein anderer Kollege, den kannte ich von der Hochschülerschaft, der hat dort ein Magazin herausgegeben und der hat gesagt: Ja, super Geschichte. Und so haben wir vier Seiten in einem Wirtschaftsmagazin gehabt.

Michael Nikbakhsh
Von Scientology war natürlich keine Rede damals.

Peter Hochegger
Nein!

Stefan Kaltenbrunner
Aber gehen wir vielleicht zu den 1980er Jahren. Kreisky war Bundeskanzler. Es war die Hochblüte der Sozialdemokratie in Österreich und trotzdem hat sich einiges schon bewegt in diesem Land. Es haben sich Umweltbewegungen gebildet, Frauenbewegungen, die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, International war auch ein Umbruch. Wir waren noch immer irgendwie im Kalten Krieg und das sind die zwei Hochegger Brüder mitten in Wien. Wie stellt man sie das vor in Wien? Was war das für eine? Was war das für Umfeld? Was war das für ein Biotop, wo ihr da damals eure Firma aufgebaut habt?

Peter Hochegger
Also wir haben die Zeit eigentlich als sehr spannend wahrgenommen. Mein Bruder war  sozusagen der Außenminister. Er hat zu verschiedenen Szenen Kontakte gepflegt und ist halt dann immer wieder gekommen, gesagt, das müssen wir machen, das müssen wir machen. Und weil du gefragt, was haben wir gemacht? Wir haben die klassische Unternehmensberatung gemacht und sind meistens auf Firmen gestoßen, die Sanierungsfälle waren. Und dann hat man mal geschaut, wie schaut es mit der Kostenstruktur aus? Wie kann ich die Kosten runterbringen? Wie kann ich meinen Markt vergrößern durch bessere Kommunikation?
Also die klassische Unternehmensberatung, was uns aber nicht großen Spaß gemacht hat. Und eines Tages kommt der Paul und sagt: Peter, wir müssen uns spezialisieren. Public Relations. Sag ich: Was ist das? Es war für mich ein Fremdwort. Dann hat er mir das erklärt, hat gesagt, er kenne einen, mit dem hat er sich unterhalten. Und das ist auch das, was uns liegt, Kommunikation, Kontakte.
Wir werden uns auf das spezialisieren.
Zwei Wochen später schneit bei uns ein Herr Steinhauser bei der Tür herein, ins Büro der Moosgasse. Der hatte das auch gelesen im Wirtschaftsmagazin über das böse Beraterimage und wollte uns werben für seine Lobbying-Plattform "Gemeinschaft freier Selbstständiger". Das war so ein Gegenpol zur damaligen Wirtschaftskammer  in Wien. Und der wollte man halt das Leben schwer machen. Und der Herr Steinhauser hatte ein paar hundert Unternehmer, die ihm das finanziert haben und wollte uns als Mitglieder werben für seine "Gemeinschaft Freier Selbstständiger". Und nach zwei, drei Stunden Gespräch hat gesagt: Burschen, ich mache euch ein Angebot, wir machen eine Firma gemeinsam, ich bringe euch die Kunden und ihr setzt das um.

Michael Nikbakhsh
Bis zu dieser Begegnung Steinhauser hatte euer Geschäft vom Anspruch her jetzt keine politische Konnotation, oder? Ihr habt Unternehmen beraten in Kommunikationsfragen, strategischen Fragen?

Peter Hochegger
Kommunikation noch nicht, sondern, wie kann ich mein Unternehmen strukturieren, die Kosten runterbringen, also klassische Unternehmensberatung

Michael Nikbakhsh
Also betriebswirtschaftslastig.

Michael Nikbakhsh
Und dann tritt also der Herr Steinhauser in euer Leben, über den wir jetzt auch gleich ein paar Takte sprechen werden. Und ab da verändert sich euer Geschäft, weil es eben eine politische Ebene nach und nach bekommt. Du beschreibst Karl Steinhauser im Buch als skurrile Figur. Ich möchte vorausschicken, mir sagte der Name Steihauser gar nichts, Jahrgang 36, wie ich gelernt habe, strammer Rechter. Die Plattform Stoppt die Rechten nannte ihn zuletzt 2021 einen rabiaten Antisemiten und Hitler-Bewunderer. So einen Mann als meinen Mentor zu nennen, ja also …
.
Peter Hochegger
Als wir ihn kennengelernt haben, da war er noch nicht so extrem. Er war innenpolitischer Redakteur beim "Kurier". Danach hat er sich selbstständig gemacht, hat ein Institut gegründet für politische Konzepte, hatte auch eine Frächter-Demonstration organisiert gegen Androsch und irgendeine Steuer. Und das hat ihm in einer gewissen Branche oder bei gewissen Klientel hohe Akzeptanz verschafft. Das waren Unternehmer, ich habe einige davon kennengelernt, denen hat das gefallen. Also damals war er noch nicht so extrem, ich könnte mich nicht erinnern. Er hat halt immer gesagt, Österreich geht den Weg in den Kommunismus und das ist eine Gefahr. Und die Unternehmer, denen er das erzählt hat, die haben gesagt: Ja, ja, Sie haben Recht, Herr Steinhauser, und haben schon wieder was gespendet.

Michael Nikbakhsh
Stoppt die Rechten hat 2021 einen recht ausführlichen Artikel über den Herrn Steinhauser veröffentlicht und da steht unter anderem, dass er bei der Premiere von Thomas Bernhards Heldenplatz im Burgtheater 1988 gemeinsam. Mit dem Pornojäger Martin Humer, wer ihn noch kennt, gehört auch irgendwie zum Inventar der Zweiten Republik, gemeinsamen haben Steinhauser und Humer eine Fuhre Pferdemist vor dem Burgtheater entleert, während Neonazis und andere Rechtsextreme drinnen die Aufführung zu stören versuchten. Da warst du wirklich in bester Gesellschaft.

Peter Hochegger
Also das hatten wir damals Gott sei Dank alles nicht gewusst, weil sonst hätten wir wahrscheinlich die Zusammenarbeit mit ihm nicht gesucht. Aber zum Beispiel den ersten Kunden, den er uns gebracht hat, das war die Niederösterreichische Wirtschaftskammer. Der Kammeramtsdirektor und der Präsident der Wirtschaftskammer. Und wir haben 200.000 Schilling bekommen, das war eine Rechnung, die wir geschrieben haben, damit wir Konzepte für die Niederösterreichische Wirtschaftskammer entwickeln.

Michael Nikbakhsh
Das war dann schon nicht mehr betriebswirtschaftlich gedacht, sondern schon politstrategisch, oder was genau.

Peter Hochegger
Das war dann schon politstrategisch. Wie kann ich mich als Institution oder als Präsident positionieren, damit mich meine Mitglieder wahrnehmen, damit ich in der Kammerhierarchie aufsteige? Denen hat er eingeredet: Ihr habt das Zeug zum Österreich-Präsidenten, die haben daran geglaubt. Ich nicht.

Stefan Kaltenbrunner
Seid ihr in dieses Polit-Lobbying hineingestolpert? Ist das korrekt so?

Peter Hochegger
Das ist korrekt. Steinhauser hat mich dann gebeten, ich sollte Generalsekretär der "Gemeinschaft Frei Selbstständiger" werden. Ich habe ich mir gedacht, okay, warum nicht? Habe ich gemacht. Und dann ist er eines Tages gekommen und gesagt, er hat ein streng vertrauliches Projekt und er wird mich zu gegebener Zeit einweihen. Das war so seine Masche, indem er gesagt hat, das ist streng vertraulich, hat er die Aufmerksamkeit von den anderen damit geweckt, weil die wollten natürlich wissen, was streng vertraulich ist und dann hat er mich eingeweiht. Er hat mit einigen Unternehmern und auch mit dem Präsidenten der Gewerkschaft und dem Generalsekretär der Industriellen Vereinigung vereinbart, er wird eine politische Plattform gründen, die ins Rennen schicken und die Aufgabe dieser politischen Plattform ist, gegen die Grünen und die Alternativen ins Feld zu ziehen. Aufzuzeigen, dass das für die Wirtschaft schlecht ist, aufzuzeigen, dass das für Österreich schlecht ist.

Stefan Kaltenbrunner
Über diese Plattform werden wir noch in der zweiten Folge sprechen. Ich möchte ein bisschen zurückgehen auf die Firma. Ihr habt dann auch erste Aufträge bekommen und bei diesen ersten Aufträgen erkennt man ein Hochegger-Muster. Ich möchte jetzt eine Firma nennen, es ist ein Kakaogetränk, wir dürfen die Marke jetzt nennen, sie steht auch im Buch drinnen. Das ist Ovomaltine, die ihr als einen der ersten großen Kunden bekommen habt. Ihr habt ein System angewandt, das sich, wenn man die Hochegger-PR und Kommunikation etwas verfolgt, das sich durchzieht über die letzten drei, vier Jahrzehnte. Wie seid ihr zum Kunden Ovomlatine gekommen?

Peter Hochegger
Wenn du in die Kommunikation einsteigst, geht es auch darum, ein Feld zu definieren, wo man sich spezialisiert und wir haben schnell erkannt, dass es im gesellschaftlichen Wandel immer wieder Möglichkeiten für Unternehmen gibt, sich auf diese Wellen draufzusetzen. Und ich sage jetzt ganz konkret Umweltthemen, Gesundheitsthemen. Im englischen Sprachgebrauch sagt man issue communication. Das heißt, ich nehme ein Problemfeld her und da setze ich meine Produktbotschaft oder Unternehmensbotschaft auf. Das hat uns sehr gefallen, da habe ich auch Referate gehalten, Abhandlungen geschrieben und das war dann so unser Spezialgebiet. Und wie sind wir zur Ovomaltine gekommen? Wir haben auch immer sehr stark auf Mailings gesetzt, haben halt ein paar hundert Firmen angeschrieben in der Hoffnung, dass ein Rücklauf ist und dass wir dann daraus Kunden gewinnen. Und ein Mailing hat geheißen "Erfolg trotz Krise". 1982 war eine wirtschaftlich eine schwierige und auf dieses Mailing hat sich eine Firma gemeldet, das war die Firma Ovomaltine. Wir sind dort hingefahren, Steinhauser war mit dabei und der Manager war neu in Österreich und hat gesagt, er habe ein großes Problem, die Produktkonsistenz passe nicht, es ist klumpig und die Umsätze gehen zurück.
Und dann haben wir mit ihm einmal eine Analyse gemacht, wie differenziert sich Ovomaltine zu den anderen Kakaogetränken? Da war schnell klar, dass das Ovomaltine-Getränk nicht so viel Zucker enthalten hat, bisschen Vitamine, bisschen Malz, also ein Differenzierungsmerkmal. Und das war dann für uns sozusagen auch schon der Ansatzpunkt. Dann galt es noch, eine Gruppe zu finden, an der wir das aufhängen. Und das waren dann die Jugendlichen, weil die trinken ja gern Kakaogetränke und wir wussten ja schon, was man mit Studien machen kann. Dann haben wir über einen unserer Mitarbeiter die Chance bekommen, in Schulen hineinzugehen, Fragebögen auszuteilen über das Ernährungsverhalten und das Frühstücksverhalten von Schülern. Und die Ergebnisse waren ein Wahnsinn, also total ungesund. Für uns war es natürlich super.

Michael Nikbakhsh
Total ungesund, weil so viel Kakao oder was war das?

Peter Hochegger
Semmeln, also Weißmehl, Kaffee mit Zucker, Marmelade. Und beim Kakao war es halt Benco, Sigi und die anderen Kakaogetränke, also kein Obst, kein Gemüse, wie es damals halt das klassische ungesunde Frühstück war.

Michael Nikbakhsh
Gut, aber Ovomaltine ist jetzt auch kein Obst und Gemüse.

Peter Hochegger
Aber es ist ein gesünderes Kakaogetränk. Und das war ja unser Aufhänger. Der Steinhauser, da war er genial und hat die Studie zusammengefasst, schon für die Medien. Kinderfrühstück: Zuckerbombe mit Kakaogeschmack. Im Fließtext haben wir hineingeschrieben: Einzige Ausnahme ist Ovomaltine. Unser Vereinssekretär, wir hatten damals schon eine Verein "Vorrang für Volksgesundheit", das brauchte man ja, um diese Themen in die Medien zu bringen, damit das unternehmens- und wirtschaftliche Erkenntnis nicht sichtbar ist. Und zwei Tage später ist es in der größten Tageszeitung gestanden.

Michael Nikbakhsh
Ihr habt einen wissenschaftlichen Prozess aufgesetzt, um herauszufinden, wie sich Jugendliche ernähren. Und dieser wissenschaftliche Prozess wurde von einem Verein organisiert, Vorrang Volksgesundheit. Und der hat Geld von Ovomaltine oder vom Betreiber von Ovomaltine bekommen. Das Ziel war aber nicht, dass Ovomaltine zunächst erkennbar ist, sondern nur mal ganz nüchtern erheben, wie sich junge Menschen ernähren.

Peter Hochegger
Genau.

Michael Nikbakhsh
Okay, also ein mit Geld von Ovomaltine gefüllter Verein macht eine Studie, die er dann auch veröffentlicht, legt aber natürlich nicht offen, dass er das Geld von Ovomaltine bekommen hat.

Peter Hochegger
Richtig.

Michael Nikbakhsh
Das heißt, in der Aussendung zu der Studie, wo dann stand, Alternative oder gesunder Ersatz Ovomaltine, war natürlich nicht erkennbar, dass Ovomaltine dafür bezahlt hat. Das war eigentlich Werbung.

Peter Hochegger
Wenn man das so sieht, aber nicht erkennbare Werbung. Also uns ist sehr schnell klar geworden, um Issues und Themen in die Öffentlichkeit zu bringen, brauchst du auch entsprechend glaubwürdige Plattformen. Und wir haben begonnen, viele Vereine zu gründen. Das eine war der Verein "Vorrang für Volksgesundheit", der zweite Verein war "Natur und Wirtschaft, Institut für ein umweltfreundliches Wirtschaftswachstum". Der dritte Verein war "Humanes Wohnen". Und über diese Vereine haben wir dann die Themen in die Öffentlichkeit gespielt und daneben haben wir natürlich geschaut, welche NGOs gibt es und wie können wir dort unsere Themen hineinplatzieren und sie verstärken.

Stefan Kaltenbrunner
Das heißt, die Agentur Hochegger, die ja damals noch anders geheißen hat, war im Hintergrund, die Vereine waren im Vordergrund. Die Vereine sind finanziert worden von den jeweiligen Firmen, die ein Interesse gehabt haben, Botschaften über euch zu publizieren. Im Fall von Ovomaltine muss ich dazu sagen, der Verlag hat das Unternehmen kontaktiert, sie haben gesagt, das ist schon so lange her, sie möchten dazu keine Stellung mehr nehmen, darum können wir das auch so ausführlich besprechen.

Michael Nikbakhsh
Also wörtlich haben sie, wenn ich das ergänzen darf, dem Verlag ausgerichtet: Nachdem wir intern keine Informationen über die Zusammenarbeit gefunden haben, verzichten wir auf eine Stellungnahme..

Stefan Kaltenbrunner
Das heißt, ihr gründet Vereine, diese Vereine publizieren dann Studien, geben Studien in Auftrag bei Wissenschaftlern et cetera. Sie publizieren diese Studien, die finanziert werden von der jeweiligen Firma. Im Falle von Ovomaltine steht dann drinnen: Alle Kakaogetränke sind zuckerhaltig, die Jugend ernährt sich ganz, ganz schlecht, es gibt eine Ausnahme und das ist die Ovomaltine, das ist gesund, da sind Vitamine drin und auch wenig Zucker. Und der Erfolg war, glaube ich, dann auch sichtbar. Der Absatz hat sich gesteigert.

Peter Hochegger
Der Erfolg war natürlich unglaublich, nämlich ein Mitteleinsatz von damals umgerechnet 40.000 Euro und das Ergebnis waren 500.000, 600.000 Euro. Und der Ovomaltine- Manager, der hat die Leute von Deutschland, von der Schweiz nach Österreich geholt, um dieses Fallbeispiel darzulegen, wie man durch geschickte Kommunikation den Markt beeinflussen kann.

Stefan Kaltenbrunner
Aber du nennst das geschickte Kommunikation? Ich nenne es jetzt geschickte Manipulation. Im Prinzip ist das eine Betrugsmasche.

Peter Hochegger
Dann ist unser ganzes System auf Betrug aufgebaut. Also wir leben heute in einer Inszenierungswelt und die Dinge werden für die Menschen alle inszeniert. Und das ist meine Erkenntnis aus dieser Zeit oder aus meiner Tätigkeit in der Kommunikation. Es ist unglaublich.

Stefan Kaltenbrunner
Ich habe eine Nachbarin meiner Großmutter, die hat einmal ganz stolz erzählt, sie hat zwar sehr wenig Geld gehabt und hat sich das alles vom Mund abgespart, aber ihren Kindern hat sie Ovomaltine gegeben, damit die gesund aufwachsen. Das hat sie im Prinzip dem Verein und dem Peter Hochegger zu verdanken.

Peter Hochegger
Also was wäre die Alternative gewesen? Die Alternative wäre gewesen, vielleicht ein anderes Produkt, Sigi, Benco, oder wie die alle geheißen haben, die waren natürlich noch schlechter. Aber Tatsache ist, dass das Wort gesund zu Ovomaltine nicht passt.

Michael Nikbakhsh
Ich muss dazu sagen, dass Ovomaltine heute, ich habe nachgeschaut, nicht mehr so aktiv mit dem geringen Zuckergehalt wirbt, weil sich herausgestellt hat, dass schon große Mengen Zucker in Ovomaltine drin sind, hauptsächlich Milchzucker, wenn ich das richtig verstanden hab. Es ist vergleichsweise wenig zugesetzter Zucker drin im Vergleich zu herkömmlichen Kakao. Aber man hat dann schon enttarnt, dass natürlich Ovomaltine genauso Zuckergetränk ist wie andere auch, weshalb dieser Aspekt jetzt quasi in den Hintergrund gerückt ist. Also habt ihr damals relativ aktiv die Schwächen der anderen betont, indem ihr gesagt hat, es ist wahnsinnig viel Zucker drin. Und gleichzeitig Ovomaltines vermeintliche Stärken betont, Vitamine.

Peter Hochegger
Genau, ja.

Stefan Kaltenbrunner
Das ist eine gewisse Form der Manipulation. Das heißt, das System war ganz einfach, einen Verein zu gründen, der Studien rausgibt, die zum Vorteil des jeweiligen Unternehmens ist, wo ihr der Auftraggeber wart.

Peter Hochegger
Ja, genauso kann man das sehen. Und ich würde das ja heute auch nicht mehr machen. Aber damals war das für uns … . Wir waren begeistert von uns selbst, wie smart wir waren und wie es uns gelungen ist, den Markt zu beeinflussen.

Stefan Kaltenbrunner
Das System habt ihr dann öfter eingesetzt. Wir werden darüber noch ausführlich sprechen in den nächsten Ausgaben, aber vielleicht nennen wir in der heutigen Ausgabe noch ein Beispiel. Das ist die Firma Wienerberger. Vielleicht kannst du kurz erzählen, was der Kunde Wienerberger von euch wollte und was der Christoph Leitl, der ehemalige Wirtschaftskammerpräsident, damit zu tun hat. Also was sind da die Verbindungen und was war der Auftrag von Wienerberger?

Peter Hochegger
Ich kannte den Marketingvorstand von Wienerberger und habe ihm immer wieder erzählt, was wir schon gemacht haben, auch für Ovomaltine und dass wir das endlich im Spiel Ziegel gegen Beton machen könnten. Die Idee hat ihm gefallen, aber er hat sich nicht vorstellen können, wie das funktioniert.

Stefan Kaltenbrunner
Wienerberg ist ein Ziegelhersteller, in den 1980er Jahren  war auch Stahlbeton groß im Kommen und da hat es natürlich ein Konkurrenzverhältnis gegeben.

Peter Hochegger
Also der Fertigteilbeton war marktdominierend, der Ziegel war ganz schwach. Und weil wir das wussten, haben wir gesagt: Ihr braucht das. Die Firma Wienerberger ist nicht gleich aufgesprungen. Und dann hat der Steinhäuser gesagt, wir bieten das dem Christoph Leitl an, der macht das sicher. Dann haben wir uns überlegt, wie müssen wir das für den aufbereiten. Und seine Firma war ja Produzent für Ziegeldecken. Und dann haben wir das im System des Farradayschen Käfigs untergebracht, nämlich dass Stahlbeton in Zimmerdecken nicht gut für die Gesundheit der Menschen ist. Und haben wir dem Leitl das vorgeschlagen, er hat gefragt, was das kostet, War nicht so teuer, hat er gesagt, okay, machen wir. Wir haben die Studie gemacht, die war vom Institut IMAS. Ist Stahlbeton in Zimmerdecken ein Krankmacher, ja oder nein? Und wenn, wieso und warum?

Michael Nikbakhsh
Das war eine Meinungsumfrage oder eine Studie?

Peter Hochegger
Eine Meinungsumfrage bei Herrn und Frau Österreicher. Eine große Mehrheit hat gesagt, ja, ist ein Krankmacher. Und macht noch impotent, ich kann ich mich im Detail erinnern. Und der Steinhauser hat das in eine Aussendung getextet und haben das halt an die APA geschickt, nicht ahnend, dass das einschlägt wie eine Bombe. Am nächsten Tag stündlich in den Nachrichten, dann Headlines in den Tageszeitungen und ich bin ins Büro gekommen und habe schon gehört: Wienerberger, du sollst vorbeikommen. Dann bin ich dort eingetroffen: Herr Hochger, wir haben einen Auftrag für Sie. Und es hat dann vier oder fünf Jahre gedauert, jedes Jahr haben wir zwei, drei Millionen Schilling gekriegt und haben den Ziegel in die Höhe gejubelt und den Stahlbeton hinunter, bis sie zugesperrt haben.

Stefan Kaltenbrunner
Das heißt, da ist nicht einmal um eine Studie gegangen, sondern nur um eine Meinungsumfrage. Das heißt, ihr habt über ein Meinungsumfrageinstitut gefragt, gut oder schlecht?

Peter Hochegger
Ist Stallbeton in Zimmerdecken ein Krankmacher?

Michael Nikbakhsh
Wie kam man auf die Idee, dass das ein Krankmacher sein könnte? Gab es da eine gesellschaftliche oder wissenschaftliche Debatte zu der Zeit?

Peter Hochegger
Also wir haben uns angeschaut, wenn du in geschlossenen Räumen bist, in abgeschirmten, strahlentechnisch, dann ist das nicht sehr gesund. Und wir haben uns gesagt, okay, mit Stahlbeton in Zimmerdecken, das ist wie in einem Farradayschen Käfig. Wir hatten Untersuchungen gemacht und die Ergebnisse waren sehr widersprüchliche. Teilweise haben sie gesagt, das hat keine Auswirkungen. Und andere haben gesagt, das hat gewisse Auswirkungen auf die Gesundheit und das war gut genug, um zu fragen, was denken Herr und Frau Österreicher darüber? 

Stefan Kaltenbrunner
Und Medien haben unreflektiert übernommen, ungeprüft. Die haben gesagt, da gibt es eine Umfrage und die Österreicher sagen Stahlbeton ist ungesund.

Peter Hochegger
Die haben das unreflektiert übernommen.

Michael Nikbakhsh
Ist das je erschüttert worden oder sind wir jetzt alle der Meinung, Stahlbeton ist ungesund, weil du damals dafür gesorgt hast, zumindest in Zimmerdecken?

Peter Hochegger
Ich habe das nicht mehr weiter verfolgt.

Stefan Kaltenbrunner
Abschließend: Das System Hochegger hat wieder funktioniert. Das heißt, man hat ein Gesundheitsthema aufgezogen in puncto Stahlbeton. Bei Ovomaltine war es Kakao macht dick, Zucker und vergiftet die Kinder, aber die Ovomaltine ist gesund. Da hat man jetzt gesagt, Ziegel sind gesund, weil der Stahlbeton, der beeinträchtigt alles Mögliche und deswegen habt ihr auch einen Auftrag von der Wienerberger bekommen.

Peter Hochegger
Die Zimmerdecken waren der Eintritt bei der Wienerberger. Und da sind dann natürlich auch andere Themen gespielt worden, nämlich auch zum Beispiel der Energieverlust. Der Fertigteilbeton, das waren dünnwandige Bauten, keine Wärmedämmung, Ziegel hat ganz andere Werte gehabt, und das haben wir dann auch in die Diskussion eingebracht. Das hat dazu geführt, dass irgendwann die Bauvorschriften geändert wurden. Also energietechnisch hat es dann schon gewisse volkswirtschaftliche Vorteile gehabt.

Michael Nikbakhsh
Das hat auch der Verein "Vorrang für Volksgesundheit" organisiert oder welcher ist da in Erscheinung getreten?

Peter Hochegger
Da haben wir dann schon mehrere Vereine gehabt. Da haben wir den Verein gehabt "Natur und Wirtschaft", da war ein Baumeister der Präsident. Im Verein "Humanes Wohnen" war ein Architekt der Präsident. Überall dort, wo wir Felder aufgemacht haben für den Ziegel, haben wir auch die entsprechenden Vereine und Argumente gehabt.

Stefan Kaltenbrunner
Das heißt für jeden Kunden im Prinzip einen eigenen Verein, der eine gewisse Aufgabe gehabt hat, die Öffentlichkeit, ich sage es jetzt brutal zu täuschen.

Peter Hochegger
Am Beginn waren das eigene Vereine und dann haben wir natürlich erkannt, dass das nicht effizient genug ist. Dann haben wir ein Scanning gemacht, was gibt es für NGOs, welche Themen haben sie, wie kann ich dort die Themen meiner Firmen hineinbringen, wie muss ich sie aufbereiten, dass das immer Win-Win-Situationen sind, nämlich für den Verein, für die NGO und auch für die Firma. Und das haben wir dann weiterhin auch perfektioniert.

Michael Nikbakhsh
Peter Stefan, wir kommen zum Schluss des ersten Teils unserer Serie und ich schlag vor, ich schließe mit einem kleinen Cliffhanger einer Vorschau auf das, was uns noch erwartet und zwar mit einem Zitat aus der "Schattenrepublik", wo Peter Hochhäger über das Geschäftemachen schreibt: Es ist wie eine Droge, wie Sex. An dem Punkt schlage ich vor, machen wir Schluss für heute.

Autor:in:

Michael Nikbakhsh

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