Das Orakel
Ist Herbert Kickl wirklich so beliebt?

In der 28. Folge von "Das Orakel" schauen wir uns an, wie zufrieden bzw. unzufrieden die Bevölkerung mit der Arbeit der Bundesregierung ist. Dazu gibt’s die aktuellen Zahlen der Sonntags-Frage an und wir erläutern, was es mit der neuen Rubrik „Zahl der Woche“ auf sich hat – diesmal die Vierundzwanzig.

Peter Hajek
Und dementsprechend würde ich ja jetzt gar nicht abschwächend hinein von den Reformen. Ich würde volle Wäsche reingehen, weil die schlechte Nachred’ hast eh, aber sie haben jetzt Zeit und sie haben jetzt die die Möglichkeit wirklich was durchzuziehen. Sie müssen auch, die Bundesregierung muss auch die Auseinandersetzung mit den Bundesländern führen, mit den Kammern führen, mit den Interessensvertretungen führen, mit allen Stakeholdern, die da zum politischen System gehören. Wenn‘st da anfängst beim Gesundheitssystem, hast eh schon mal genug zu tun, aber auch eine ganz grundsätzliche Bundesstaatreform – und das muss man jetzt machen.

Willkommen zum demoskopischen Podcast ‚Das Orakel‘. Mein Name ist Peter Hajek. Ich bin Meinungsforscher und Politikwissenschaftler und schaue mit Ihnen in die politische Gegenwart, immer wieder in die Vergangenheit und ab und zu auch in die Zukunft, die ja bekanntermaßen schwer zu prognostizieren ist.

Michael Stebegg
Hallo und herzlich willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, zur 28. Folge von ‚Das Orakel‘. Mein Name ist Michael Stebegg und mir gegenüber sitzt wie immer Meinungsforscher Peter Hajek. Hallo Peter.

Peter Hajek
Hallo Michi.

Michael Stebegg
Möchtest du dich zum 347. Wiener Derby äußern?

Peter Hajek
Ich hab gewusst, dass das kommt. Nein, möchte ich nicht. Dazu fällt einem auch nix ein.

Michael Stebegg
Unser eigentliches Thema heute ist die österreichische Bundesregierung oder besser gesagt, die Zufriedenheit der Bevölkerung mit ihr. Dazu hast du eine große Umfrage für ATV und Puls 24 gemacht, die wir uns heute anschauen wollen. Da geht es darum, wie gut performt die Regierung, welche politischen Themen stehen gerade im Fokus und welche Partei hat dafür die besten Konzepte. Und wir haben natürlich auch die aktuelle Sonntagsfrage im Gepäck und mein Liebling: die fiktive Kanzlerinnenfrage.

Zuvor wollen wir aber eine Unkorrektheit in der letzten Folge berichtigen, auf die uns ein aufmerksamer Hörer hingewiesen hat. Danke dafür an unseren Hörer Thomas. Und zwar, wir haben nämlich fälschlich die Frage aufgeworfen, warum die FPÖ nicht das Gesundheitsministerium wollte, obwohl sie in den damaligen Koalitionsverhandlungen genau dieses Ressort für sich reklamiert hat.

Peter Hajek
Na ja, Michi, also ich möchte nicht Unkorrektheit sagen, sondern – also, wir haben natürlich im Vorfeld recherchiert, ob denn die Freiheitliche Partei das Gesundheitsressort für sich reklamiert hat und ich habe in der letzten Folge das auch vorgelesen. Und der Thomas hat uns darauf aufmerksam gemacht. Er hat gesagt, es ist schon lustig, ihr lest vorher vor, dass die Freiheitliche Partei ein Ressort haben möchte aus Gesundheit, Sport und Tourismus – gut, das ist auch ein bisschen breit gestreut, das ist nicht rein Gesundheit – und 20 Minuten später sag ich: ‚Na und Michi, warum haben die das nicht für sich reklamiert?‘ Was mal erstens, dein Fehler war!

Michael Stebegg
Natürlich. Mir hätt‘s auffallen müssen.

Peter Hajek
Genau!

Michael Stebegg
Liebe Hörerinnen und Hörer, es ist mein Fehler wie immer.

Peter Hajek
Und der Fehler auch aller anderen Hörerinnen und Hörer. Thomas war der einzige, dem es aufgefallen ist, oder der einzige, der es geschrieben hat.

Michael Stebegg
So, bitte, der einzige, der nicht schuld ist, ist der Herr Hajek.

Peter Hajek
Doch natürlich auch. Des Rätsels Lösung ist: Es gab, ich habe das jetzt noch mal nachrecherchiert, eine ORF Meldung aus dem Februar 2025, wo dieses Ressort angeführt wurde. Aber – und deshalb ist es auch bei der Vorrecherche beim letzten Mal aufgeschlagen – die FPÖ hat sich sonst nie auf dieses Thema draufgesetzt oder zumindest es ist an mir vorbeigegangen. Und was ich gemeint habe ist, dass sie wirklich nachhaltig darauf insistiert hat, das Gesundheitsministerium haben zu wollen, weil sie ja das Corona Thema zu ihrem Leib und Magen Thema erläutert hat. Und auf diese Diskrepanz wollte ich hinweisen. Aber ja, der Thomas hat recht, wir haben hier eine kleine Unsauberkeit drinnen gehabt.

Michael Stebegg
Sollte Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, auch eine Unsauberkeit auffallen, aber auch wenn Sie etwas Positives zu vermelden haben, so schreiben Sie doch bitte an frag@dasorakel.at

Peter, die Bundesregierung ist mittlerweile über 200 Tage im Amt. Wie geht es ihr?

Peter Hajek
Naja, also privat oder beruflich?

Michael Stebegg
Bitte beides!

Peter Hajek
Privat weiß ich nicht. Aber beruflich geht es Ihnen wahrscheinlich nicht so gut und das hat einen ganz simplen Grund. Und da möchte ich jetzt … oder da gehen wir jetzt Vorderhand gar nicht mal auf die die Sonntagsfrage ein, sondern wir haben eine Fragestellung, die die wir seit 2009 machen, also seit Faymann-Pröll. Und die lautet ganz simpel: ‚Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit der österreichischen Bundesregierung?‘

Da gibt es eine Viererstufe ‚Sind Sie sehr zufrieden‘, ‚Eher zufrieden‘, ‚Eher unzufrieden‘ und ‚Gar nicht zufrieden‘. Und wir fassen dann die beiden Pole immer zusammen. Und was wir jetzt haben, ist: wir haben, glaube ich, 65%, die sagen ‚unzufrieden‘ und 31%, die sagen ‚ich bin zufrieden‘. Und das ist natürlich, wenn man davon ausgeht, dass diese Bundesregierung auch auf Basis der Sonntagsfrage eine Mehrheit hat von 53% – also sagen wir, jeder Zweite ist bei der Bundesregierung. Na dann sind 31% Zufriedenheit nicht nur bescheiden, sondern das heißt auch, dass auch ein Teil der Regierungswählerschaft unzufrieden ist mit der österreichischen Bundesregierung.

Was ist aber das tatsächlich ganz, ganz Auffällige? Weil mit diesen Werten unterscheiden sie sich weder von der grün-schwarzen Bundesregierung, noch unterscheiden sie sich von Faymann-Spindelegger und auch von Kern-Mitterlehner nicht, das war immer so. Aber das Auffällige war, dass wie diese Bundesregierung angelobt wurde im März, war die Differenz deutlich knapper. Da hatten wir 39%, die gesagt haben ‚Ich bin zufrieden‘ und 44% haben gesagt ‚Ich bin unzufrieden‘. Und da hat man gesagt, ja gut, das sind quasi schon Vorschusslorbeeren, es ist eine Fifty-Fifty-Haltung. Und das konnten sie halt – freundlich formuliert – nicht ausbauen.

Michael Stebegg
Du hast damals im März auch gesagt, dass diese Werte eigentlich eine Chance für die Regierung sind. Und jetzt könnten wir fragen: Wann fangen Sie denn an, diese Chancen zu nutzen?

Peter Hajek
Man muss ein bisschen … man muss fair bleiben. Diese Bundesregierung hat tatsächlich nur ganz, ganz geringe Möglichkeiten, etwas Positives an die Bevölkerung zu bringen. Ich finde ja es sehr, sehr positiv, dass die Bundesregierungen Einsparungen macht. Aber natürlich kommt es bei den unterschiedlichen Wählergruppen anders an, weil das Reformvorhaben in Österreich funktioniert immer nach dem Floriani-Prinzip: Bitte beim Nachbarn beginnen und nicht bei mir.

Nehmen wir zum Beispiel her, jetzt die geringeren Zuwächse bei den Pensionistinnen und Pensionisten, was die Inflationsabgeltung betrifft. Bitte 70 bis 80% der Pensionistinnen und Pensionisten bekommen die volle Inflationsrate mit 2,7% abgegolten. Und Menschen, die halt über 2.500 netto liegen, die bekommen es nicht. Natürlich ist das Wording, die ‚Luxus Pensionen‘ bekommen es nicht, ein bisschen hoppertatschig, weil mit 2.500 netto hast knapp keine Luxuspension.

Michael Stebegg
Wo fängt die denn an?

Peter Hajek
Das ist eine gute Frage. Also meistens bei den Altpolitiker-Pensionen und jenen aus den Kammern.

Michael Stebegg
Die, wie ich vermute, etwas höher liegen

Peter Hajek
Etwas höher, ja. Aber wie gesagt, man hat nichts Positives zu verkünden und dementsprechend muss man ein bisschen fair bleiben, was das betrifft. Aber was dieser Bundesregierung fehlt, ist eine positive Erzählung oder wie es so schön heißt, einen positiven Narrativ. Das heißt, man macht ganz, ganz klar: Passt auf, es wird jetzt da und dort wirkliche Einschränkungen und Einschnitte geben, aber in zwei bis drei Jahren wird das wirklich Erfolg zeitigen und dann geht es wieder aufwärts.

Und dementsprechend würde ich ja jetzt gar nicht abschwächend hinein von den Reformen. Ich würde volle Wäsche reingehen, weil die schlechte Nachred’ hast eh, aber sie haben jetzt Zeit und sie haben jetzt die die Möglichkeit wirklich was durchzuziehen. Sie müssen auch, die Bundesregierung muss auch die Auseinandersetzung mit den Bundesländern führen, mit den Kammern führen, mit den Interessensvertretungen führen, mit allen Stakeholdern, die da zum politischen System gehören. Wenn‘st da anfängst beim Gesundheitssystem, hast eh schon mal genug zu tun, aber auch eine ganz grundsätzliche Bundesstaatreform – und das muss man jetzt machen. Wenn man das jetzt nicht macht – mit Beginn 2027 ist es schon wieder vorbei. Man muss es jetzt beginnen zu machen und im sechsundzwanziger Jahr machen.

Michael Stebegg
Ich würde noch gerne kurz bei der Zufriedenheit bleiben und zwar nach Parteipräferenz aufgesplittet. Und da ist es so, wenn man die Werte der Zufriedenheit vom Juni, wo wir das letzte Mal abgefragt haben, mit heute vergleicht, ist es so, dass der Anteil der Zufriedenen versus Unzufriedenen bei der ÖVP relativ gleich geblieben ist. Also es ist 64% zu 34% was im Juni jetzt im Oktober sind es 63% zu 36%, wohingegen bei der SPÖ waren es im Juni 73%, die zusammengefasst zufrieden und eher zufrieden waren und 20% unzufrieden. Und jetzt sind es nur mehr 43%, die zufrieden sind und 57%, die unzufrieden sind. Weil du das Thema Pension schon angesprochen hast, aber eigentlich ist ja auch die ÖVP so eine Pensionist:innen-Partei. Warum trifft es die SPÖ oder sind das andere Sachen?

Peter Hajek
Na, es sind andere Pensionisten. Das ist mal der Grund. Die ÖVP Pensionisten sind sicher, wie soll ich sagen, ökonomisch besser gestellt, im Klischee halt. Es wird da natürlich auch Ausreißer geben, aber grundsätzlich wird das so sein. Und bei der SPÖ Wählerschaft hat man das Gefühl, dass die Einschnitte in ihrer Hemisphäre möglicherweise größere sind. Wir haben ja – ich weiß gar nicht, ob wir das beim letzten Mal erwähnt haben – wir haben ja eine Befragung gemacht. Ich glaube, es war für Heute oder war es wieder ATV. Ich weiß nicht, einer von den beiden. Da haben wir die Frage gestellt, wessen Handschrift erkennt man denn am meisten in der Regierung. Und da war es auch die ÖVP. Und das dürfte es offensichtlich auch bei der SPÖ Wählerschaft so ankommen und dementsprechend fordert man hier wahrscheinlich auch eine klarere Profilierung.

Was aber wieder ein Problem ist in einer Koalitionsregierung. Wenn dann einer anfängt, uuuhhh meine Leute sehen das kritischer, da müssen wir jetzt dagegenhalten, dann ist das reformtechnisch ein Problem. Deshalb ist es besser, man einigt sich auf gemeinsam etwas, wo – das darf man nicht vergessen – der österreichische Staat noch immer an sehr, sehr vielen wichtigen Positionen rot-schwarz besetzt ist, noch aus der alten Proporz-Zeit auch heraus. Und da kann man schon gemeinsam was auf die Beine stellen, wenn man denn möchte.

Man hat ja gesehen, dass es auch geht – bei den Kollektivvertragsverhandlungen mit dem Metallern. Ich weiß schon, da die Bundesregierung nichts zu tun, das sind die Sozialpartner, aber das ist doch die schwarze Wirtschaftskammer und die rote Gewerkschaft. Und da geht schon was, wenn man möchte.

Michael Stebegg
Ein letzter Punkt zur Zufriedenheit: Was auffällt, ist, inzwischen hat ganz Österreich eine Meinung zur Bundesregierung. Also im März waren es noch 16%, die keine Angabe gemacht oder es nicht wussten. Jetzt sind wir vielleicht bei 0,5%, die keine Meinung haben.

Peter Hajek
Also eine Meinung haben wir natürlich immer.

Michael Stebegg
Eine Meinung haben auch die Menschen zum einem großen Thema, das uns schon länger beschäftigt, nämlich das Thema der Sparmaßnahmen. Da habt ihr die persönliche Betroffenheit abgefragt und was spannend ist, dass der Anteil der Personen, die denken, dass es sie stark oder spürbar trifft, zurückgegangen ist gegenüber dem Juni und die Leute, die glauben, dass es sie nur geringfügig oder überhaupt nicht betrifft, gestiegen ist. Woran liegt das?

Peter Hajek
Na, dass manche drauf kommen: ‚Ich habe mich zu Tode gefürchtet.‘ Es trifft halt nicht jeden gleich oder man merkt, aha, die Auswirkungen sind ja gar nicht so stark. Oder – erinner dich – was wir noch vor dem Sommer besprochen haben, wo wir gesagt haben, es wurden Förderungen gestrichen. Na ja OK, es wird die Förderung für Photovoltaikanlagen gestrichen oder stark eingeschränkt. Na ja, dann baue ich es halt nicht. Das heißt, der Staat spart sich die Förderung, ich habe keine Photovoltaikanlage am Dach, aber es hat mich nichts gekostet. Ja, ich meine, außer dass ich halt vielleicht mehr Kosten durch die herkömmliche Energie-Beschaffung habe. Aber das heißt, manche Menschen machen sich immer vorab Sorge, dass sie jetzt wahnsinnig viel zahlen müssen und kommen dann drauf, na so viel war es dann eigentlich doch nicht oder ‚Ich merk‘s auch nicht‘.

Und das ist ja das Interessante daran, darauf haben wir auch immer so oft schon verwiesen. Österreich ist – auch wenn es mancher nicht glauben mag – trotzdem ein wohlhabendes Land. Ich sage jetzt nicht reiches Land, aber ein wohlhabendes Land. Und viele sehen sich auch finanziell und ökonomisch viel, viel kleiner als sie tatsächlich sind. Und in den Momenten merken sie dann ‚Ahh, ich merk‘s ja doch nicht so stark.‘ Wobei man natürlich noch immer sagen muss: der Großteil sagt noch immer, man ist stark davon betroffen.

Michael Stebegg
Ein weiteres Thema, dass du abgefragt hast, ist: ‚Welche Partei hat die besten Konzepte für die Wirtschaft?‘ Die genaue Frage lautet: ‚Welche Partei beziehungsweise Parteien haben ihrer Ansicht nach die besten Konzepte, um Österreich wirtschaftlich wieder nach vorne zu bringen?‘ Und da liegt in Führung die ÖVP. Fünf Punkte dahinter landet die FPÖ und an dritter Stelle die NEOS. Und was ich spannend finde, ist, dass jeder Fünfte der Befragten sagt: ‚Ich traue das gar keiner Partei zu.‘

Peter Hajek
Wir haben da ein paar interessante Ergebnisse drin – und kleiner Teaser: Morgen am Freitag kommen die Zahlen auf ATV und Puls 24 ganz konkret raus, Morgen um 7 in der Früh. Deshalb nennen wir sie jetzt auch nicht. Aber dankenswerterweise dürfen wir das Ergebnis mal grundsätzlich im großen Stil verwenden, mehr oder weniger.

Michael Stebegg
Teasern, nicht spoilern.

Peter Hajek
Genau. Aber … also, dass jeder Fünfte sagt: ‚Das weiß ich nicht‘, verwundert mich jetzt nicht. Weil angesichts der Lage müsste das eigentlich, finde ich, ja viel mehr sein. Weil so mit Ruhm bekleckert haben sich die österreichischen Parteien, was ihr Wirtschaftsverständnis betrifft, nicht. Weil sonst wären wir nicht dort, wo wir sind. Das ist die erste Auffälligkeit.

Die zweite Auffälligkeit ist, dass die ÖVP, die dieses Thema oder dieses Image seit Jahrzehnten besetzt hat, jetzt nur noch 5 Punkte vor den Freiheitlichen liegt. Das ist sehr, sehr erstaunlich. Also da merkst du, dass die ÖVP in diesem Bereich unglaublich viel an Reputation verloren hat und vice versa die NEOS aufbauen konnten. Weil dass sie Dritter sind, noch vor den Sozialdemokraten – für eine Kleinpartei ist das unglaublich toll und spricht natürlich – also ‚unglaublich toll‘ – aber es ist ein demoskopischer Erfolg für NEOS, der schon auch für ihre Positionierung spricht oder vice versa gegen die Positionierung im Wirtschaftsbereich der SPÖ spricht. Also das ist grundsätzlich eine deshalb interessante Bestandsaufnahme, weil sie einen Zeitenwechsel auch andeutet, was dieses Image betrifft.

Michael Stebegg
Ein anderer Themenkomplex in der Umfrage ist die militärische Sicherheit.

Peter Hajek
Da ist ein weiter Sprung.

Michael Stebegg
Möchtest du mittendrin noch etwas anderes verkünden?

Peter Hajek
Nein, alles gut.

Michael Stebegg
Gerade im Licht der kürzlichen Drohnensichtungen in Skandinavien und den Luftraumverletzungen im Baltikum, in Polen, ist das schon eine relevante Frage. Die Frage war eben: ‚Welche Partei beziehungsweise welche Parteien haben ihrer Ansicht nach die besten Konzepte für militärische Sicherheit und Verteidigung des Landes.‘ Und da liegt die FPÖ mit 22% an erster Stelle, knapp gefolgt von der ÖVP mit 21%, an dritter Stelle die NEOS und die SPÖ ist mit 5 Punkten an vierter Stelle, dann kommen die Grünen und KPÖ. Wie kommt es, dass hier die FPÖ – wenn auch knapp – vor der ÖVP liegt?

Peter Hajek
Das wundert mich gar nicht, das ist das ist arithmetisch bedingt. Weil das Thema Verteidigung und Sicherheit in Österreich ein – wenn du so willst – neues ist. Wir haben uns ja jahrzehntelang keine Sorgen gemacht, weil: Wir sind ja neutral. So und das Bundesheer hat man – wahrscheinlich nicht zu Tode und nicht kaputt – aber man hat es wirklich finanziell unglaublich downgesized und jetzt kommen wir drauf, hhhmmm, wenn wir neutral sein wollen, müssten wir vielleicht wenigstens eine halbwegs gescheite Landesverteidigung haben. Also so eine, die man halbwegs ernst nehmen kann.

Abgesehen davon, dass ich ja die, wir kommen danach noch zu einer Fragestellung, die Bedrohungslage ja verändert hat, dass ich … Ich habe mal mit Josef Cap diskutiert und habe gesagt, wir sollten mal das Thema Sicherheit und Militär in Österreich neu diskutieren, jetzt unabhängig von der Neutralität, einfach nur, wie stellen wir sicherheitsmäßig auf, auch wenn wir neutral sind. Und Cap hat dann zu mir gesagt, er hat da kein großes Problem, weil wir sind ja umringt von NATO-Staaten und das war natürlich aus der früheren Zeit heraus eine logische Haltung, wenn man so möchte.

Wie gesagt, wir sind neutral, wir sind die Vermittler, wir liegen im Westen, uns wird man schon schützen. Nur – siehe Drohnen – es wartet heute kein stehendes Heer, das zu Fuß und mit Panzern über Rumänien, über die Ukraine kommt, dann bist du schon in Ungarn und dann stehen sie vor den Toren Wiens. Sondern das wird heute so nicht mehr in diesem Stil stattfinden – und jetzt bin ich kein Militärexperte Aber siehe Dänemark, Norwegen, die ganzen Drohnenverletzungen. Ich war genau zu der Zeit in Lublin, wie da die 19 Drohnen da reingeflogen sind. Also, ich hab keine gesehen, aber wir waren genau zu dem Zeitpunkt dort. Und diese neue Bedrohungslage hat uns jetzt in der Bevölkerung, im Staat in die Nachdenkerrolle versetzt. Und dadurch hat sich einiges auch da verändert.

Und die Freiheitliche Partei hat jetzt eine Position eingenommen, die, wenn du so willst, die Neutralitätsdoktrin der österreichischen Bevölkerung der letzten Jahrzehnte einnimmt. Weil in den meisten Teilen der österreichischen Bevölkerung, wenn man fragt: ‚Sind sie für die Neutralität?‘ ‚Ja, ich bin für die Neutralität.‘, aber was heißt das? ‚Na, wir mischen uns nirgends ein.‘ Und das stimmt halt so nicht.

Michael Stebegg
Eine Anschlussfrage jetzt noch. Ich meine, man weiß ja, dass die FPÖ gute Kontakte zu Russland pflegt und auch immer sagt, man soll jetzt nicht so draufhauen. Heißt das jetzt, dass 22% es gut finden, wenn wir uns stärker wieder an Russland binden würden?

Peter Hajek
Nein, weil das ist ja auch nicht die Botschaft der Freiheitlichen Partei. Die Freiheitliche Partei vertritt einfach die Position: Österreich ist neutral und wir nehmen an überhaupt nichts teil. In der Logik müssten wir bei der UNO austreten. Die Schweiz war ja jahrzehntelang nicht dabei bei der UNO auf Grund ihrer Neutralität – hat es aber dann auch geändert. Die Schweiz wird auch am Sky Shield teilnehmen. Österreich ja auch, aber die Kritik in Österreich von Seiten der Freiheitlichen ist viel, viel stärker. Aber die Botschaft der Freiheitlichen Partei ist: wir sind neutral, wir mischen uns nirgends ein und wir machen den Vermittler, so wie es früher war. Und knüpft damit ein bisschen an frühere Zeiten an, wobei das so nicht stimmt.

Weil Österreich war politisch nie neutral. Österreich war immer ganz klar positioniert. Wir haben das eh schon mal besprochen in einem Spezial-Podcast. Wir haben ja auch Dissidenten in der Tschechoslowakei unterstützt. Also, wir waren politisch nie neutral, aber die Freiheitliche Partei suggeriert das. Und trifft damit auf den Nerv einer durchaus breiteren Bevölkerungsgruppe.

Was auffallend ist, bei dieser Fragestellung, also bei dieser Konzeptfragestellung, ist die Position wiederum der SPÖ. Die SPÖ wird nur von 5% genannt und ist an vierter Stelle gereiht. Und da muss man sagen: Wahnsinn! Also wenn ich die SPÖ bin, schrillen bei mir diesbezüglich alle Alarmglocken, also wenn sogar Neos vor mir liegt, die eine sehr prononcierte Positionierung haben. Die sagen: Wir müssen über die Neutralität reden, wir müssen über die Sicherheit des Landes reden, wir müssen auch möglicherweise darüber reden, dass es neben der Neutralität ein anderes Konzept gibt – also nicht daneben, sondern stattdessen. Aber man merkt, dass eine klare Position und Positionierung mir mal erstens politisch taktisch als Partei mehr bringt, aber auch einfach Klarheit für die Bevölkerung, weil diesem Thema müssen wir uns einfach annehmen.

Michael Stebegg
Du hast das Stichwort schon gegeben: Sky Shield. Darüber wurde in letzter Zeit – also über den europäischen Sky Shield, nicht Star Wars vom Reagan – wurde viel diskutiert und debattiert. Das habt ihr auch abgefragt und die Frage ist: Sollen wir daran teilnehmen oder nicht? Und über die Gesamtheit der Befragten sagen 38%: ‚Ja, wir sollen daran teilnehmen.‘ 47% sagen: ‚Nein, sollen wir nicht.‘ Und 13% sagen: ‚Ich weiß es nicht.‘

Peter Hajek
Ja, wobei wir hier die Fragestellung in zwei Statements formuliert haben.

Michael Stebegg
‚Österreich nimmt am europäischen Luftabwehrsystem Sky Shield teil. Hintergrund der Initiative ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Welche Meinung zum europäischen Luftabwehrsystem schließen Sie sich an?‘

Peter Hajek
Ja, das ist die Fragestellung. Aber wir haben 2 Statements und zwar: Ja, ich bin dafür, weil Österreich hat keine Luftverteidigung und deshalb müssen wir uns da schützen. Und die Gegenvariante ist: Nein, da nehmen wir nicht dran teil, weil das ist mit der österreichischen Neutralität nicht vereinbar. Weil das sind die großen beiden Pole in der Diskussion, worum es sich da handelt. Und da haben wir eine nicht ganz fifty-fifty Position, aber wir haben eben einen durchaus einen größeren Teil, der sagt: Wir sollten daran teilnehmen. Und einen anderen, der sagt: es ist mit der Neutralität nicht vereinbar.

Und da merkt man, wie amorph die die Stimmungslage ist. Also, wenn wir die Menschen fragen: Neutral? ‚Jaja, neutral ist super.‘ Nach wie vor. Aber es ist die Frage, die wir in Österreich diskutieren müssen: Wie gestalten wir, wenn wir denn neutral bleiben wollen, wie gestalten wir diese Neutralität aus – nämlich diplomatisch, politisch, militärisch und natürlich auch im größeren europäischen Sicherheitsverband und Kontext. Und diese Fragestellung müssen wir uns stellen und die muss … wir müssen das auch neu bewerten und dann müssen wir halt irgendwann mal zu einem gescheiten Ergebnis finden. Ich glaube nur so, wie wir es bisher gemacht haben, kann man nicht weiter.

Michael Stebegg
Was ich überraschend bei den Zahlen – ihr habt‘s dann auch nach Partei, also Wähler:innen abgefragt – sehr überraschend fand, ist, dass zwei Drittel der Grünen Wähler:innen dafür sind, am Sky Shield teilzunehmen. Hätte ich mir so nicht erwartet. Ich dachte, die sagen: ‚Na bitte keine Verteidigung, pazifistisch, …‘

Peter Hajek
Ich glaube … ja, ich bringe immer das Beispiel: 50% der Grünen Wähler haben gesagt, der Außenminister Sebastian Kurz macht eine gute Außenpolitik. Und die damalige Wiener Führung, grüne Führungsspitze hat es vom Sessel gehauen. Also es gibt viel Klischees über Wählerschaften und das ist eines davon. Ich glaube aber auch, es hängt damit zusammen, dass die Grünwählerschaft eine Gegenpositionierung zur freiheitlichen Positionierung einnimmt, Und auch deshalb dann möglicherweise dafür plädiert. Aber wie gesagt, es zeigt auch sehr gut, was ich vorher gesagt habe – die Stimmungslage ist sehr amorph und da ist viel in Bewegung gerade, da wird viel diskutiert.

Michael Stebegg
Auch wenn weit und breit – du hast es schon gesagt – keine Wahlen in Sicht sind, möchte ich trotzdem mit dir kurz auf die Sonntagsfrage schauen. Da ist es so: Wir haben ja in der letzten Folge schon festgehalten, dass dir die Werte der FPÖ in anderen Umfragen etwas zu hoch vorkommen. Und du lieferst dir jetzt selbst die Bestätigung: ihr habt‘s im Rahmen der Umfrage für ATV. und PULS24 auch die Hochschätzung der Sonntagsfrage vorgenommen und da landet die FPÖ bei 33%, die ÖVP bei 23%, die SPÖ bei 19%, NEOS bei 11%, Grüne bei 11% und die KPÖ bei 2%.

Peter Hajek
Das können wir ganz kurz halten – die Lage ist sehr, sehr stabil. Ob jetzt manche Kollegen die Freiheitlichen bei 36% ausweisen oder wir bei 33%, ist am Ende des Tages g’hupt wie g‘hatscht, weil sogar dieser Unterschied nicht signifikant ist, diese 3 Punkte Differenz. Und sonst sind alle Trends sehr, sehr gleich. Also, die Freiheitlichen sind ganz klar bei der 30% Marke. Sie haben einen großen Abstand auf der die nächste Regierungspartei ÖVP und auch auf die SPÖ. NEOS und Grüne sind auch bei allen ungefähr bei der leichten plus 10, schwankend. Also, das Bild ist sehr, sehr klar, sehr, sehr stabil.
Und jetzt wird es aber interessant, insbesondere deshalb, weil die Regierungsparteien eine … Oder anders formuliert, weil ich für die Regierungsparteien eine gute Botschaft habe: Trotz der steigenden Unzufriedenheit, binnen eines halben Jahres, bleiben die Werte für die Bundesregierung stabil. Und zwar nämlich seit dem Herbst 2024, auch für die Freiheitliche Partei. Und das heißt, es ist zwar keine gute Stimmung im Land, aber noch gereicht es den drei Regierungsparteien nicht zum größeren Nachteil. Sie haben noch immer eine Mehrheit im Land hinter sich. Das sollte eigentlich Mut machen, dass man sagt: OK, gehen wir weiter und machen wir die Schritte, die einfach nötig sind.

Michael Stebegg
Bei der Hochschätzung gibt es da noch eine Zahl, die du hervorheben möchtest? Wenn nicht, würde ich nämlich zu einer neuen Rubrik kommen, nämlich:

Peter Hajek
Die Zahl der Woche.

Michael Stebegg
Das ist unsere neue Rubrik und die Zahl dieser Woche ist die 24. 24% der Befragten würden, wenn es möglich wäre, Herbert Kickl zum Bundeskanzler wählen. Und das ist der höchste je gemessene Wert für ihn.

Peter Hajek
Das ist korrekt. Bevor sich der Thomas gleich wieder meldet, müssen wir folgendes sagen: Diese 24% sind nicht hochgerechnet.

Michael Stebegg
Es sind die Rohdaten.

Peter Hajek
Ja, man kann wie bei der Sonntagsfrage auch das bei der Kanzlerfrage machen. Das machen wir immer für die Kollegen von Heute. Wenn man jetzt also ins Heute-Archiv hineingeht, dann würde man dort Werte für Herbert Kickl finden, die über 30% liegen. Aber in den Rohdaten sind es die höchsten je gemessenen Werte für Herbert Kickl.

Es ist eigentlich gar keine so starke Veränderung zum letzten Mal, nur um 2 Punkte zugelegt. Aber wie gesagt so hoch war er noch nie. Das heißt nicht, dass jetzt für die anderen alle Fälle schon davon geschwommen sind, weil ja auch ein größerer Teil der Befragten, nämlich – ich glaube, es sind fast ein Drittel – überhaupt keinen Kandidaten nennen. Und wenn man sich diese Werte von Herbert Kickl anschaut, diese 24%, da haben wir Vergleichswerte von Sebastian Kurz, was war da der höchste Wert, Michael, den wir da haben?

Michael Stebegg
Sebastian Kurz war, glaube ich, bei 50%.

Peter Hajek
Ja, genau, nämlich nicht hochgerechnet. Ja und daran sieht man, dass zwar Herbert Kickl sehr gut positioniert ist, gar keine Frage, aber dass die Bäume doch nicht so in den Himmel wachsen, wie man das manchmal glauben möchte.

Michael Stebegg
Aber, wenn wir noch kurz beim Herbert Kickl bleiben. Geht da noch mehr oder ist, wie man so schön sagt, der Plafond erreicht?

Peter Hajek
Na, huhuhu! Das mach ich sicher nicht mehr. Also, diesen Fehler, glaube ich, macht jeder Meinungsforscher einmal in seinem Leben und dann nie mehr. Ich kann mich nämlich erinnern, mein lieber Doktorvater, den unsere Hörerinnen und Hörer schon aus manchen Podcasts kennen: Peter Ulram hat Ende der 80er Jahre gesagt, dass der Plafond der Haider FPÖ bei 10% liegt. Und da sind wir auch ganz knapp dran vorbeigeschlittert. Und ich habe auch bei Herbert Kickl gesagt: na, so 20% - 22%, aber seine Position als Parteichef ist zu hart. Das ist ganz schwer, dann den Menschen anzusprechen – auch knapp vorbei. Knapp vorbei ist auch daneben.

Michael Stebegg
Kurz noch eine andere Zahl, nämlich: 18%. Die gehört dem Christian Stocker. Jetzt hast du es eh gerade vorhin angesprochen, dass Kurz hatte Anfang des Corona-Lockdowns 50% hatte. Jetzt liegt Christian Stocker bei 18%. Wo ist der Kanzlerbonus?

Peter Hajek
Na ja, warten wir es ab. Bei Christian Stocker hängt auch sehr viel davon ab, wie sich einfach die Lage in Österreich weiterentwickelt. Der Strahlekanzler wird er wird er nie werden. Aber da sage ich immer: Vielleicht sollte uns das lieber sein, dass jemand kein Strahlekanzler ist, sondern einfach eine grundsolide Arbeit abliefert. Na dann ist mir das hundert Mal lieber, als ich habe einen Strahlekanzler. Das darf man bei Sebastian Kurz nicht vergessen, der einen sehr steilen Aufstieg hatte, aber halt auch wieder einen steilen Abstieg. Manche Wählerinnen von Kurz werden das als unfair empfinden, wie man damals mit ihm umgesprungen ist und so weiter und fort und dass das jetzt die Gerichte zu klären haben. Am Ende des Tages braucht man solide Werktätige auch in der Politik und das sollte uns allen ein Anliegen sein.

Michael Stebegg
Wir sind auch am Ende – nicht des Tages, aber unserer 28. Folge von ‚Das Orakel‘ angelangt. An dieser Stelle mein traditioneller Hinweis: Diese Folge und alle anderen auch gibt es zum Nach und immer wieder hören auf www.dasorakel.simplecast.com und überall dort, wo es gute Podcasts gibt. Die nächste Folge erscheint am Donnerstag, 16.10. Bis dahin sagen wir vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.

Peter Hajek
Das Orakel.

Autor:in:

Peter Hajek

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