Große Töchter
LIVE! Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner über Frauenpolitik zwischen Vision und Realität

Diese Folge ist ihm Rahmen der Missing Link Podcastnacht am 13. Juni 2025 im Palais Ehrbar in Wien entstanden.

Beatrice Frasl
Hallo und herzlich willkommen bei Große Töchter. Schön, dass ihr wieder eingeschaltet habt und mit dabei seid bei dieser letzten 5 Folge vor der Sommerpause. Ich habe heute was ganz Besonderes für euch, aber davor möchte ich wie immer meinen neuen Supporter:innen auf Steady danken. Danke Angelika, Veronika, Manuela, Oliver, Sarah, Victoria, Minerva, Verena, Markus und Brigitte. Vielen lieben Dank euch. Denn nur dank euch, dank aller Stunden Steady Supporterinnen, ist es mir überhaupt möglich, diesen Podcast zu machen. Große Töchter gibt es ja seit 2018 also mittlerweile schon seit sieben Jahren.

Das ist eine richtig lange Zeit für einen Podcast. Und in all der Zeit war Große Töchter hauptsächlich Community finanziert. Das bedeutet, man kann den Podcast jederzeit gratis hören und gratis abonnieren, aber man kann auch freiwillig für den Podcast bezahlen und so ist es mir auch möglich, ihn weiterzumachen. Das geht auf Apple Podcasts und auf steadyhq.com/großetöchterpodcast. Und wenn ihr Große Töchter auch supporten wollt, den Link dazu findet ihr in den Shownotes.

Das Gespräch, das ihr in Folge hören werdet, ist entstanden im Rahmen der Missing Link Podcast Nacht am 13. Juni im Erbersaal in Wien und ich hatte niemand geringeren als Frauen Frauenministerin Eva Maria Holzleitner zu Gast. Ich habe mit ihr über ihre Vorstellung von Feminismus gesprochen, darüber, welche feministischen Themen sie besonders drängend und dringend findet, auch in ihrer Arbeit als Frauenministerin. Wir haben über Gewaltschutz gesprochen, über ökonomische Diskriminierung, über das nordische Modell und darüber, was sie jungen Frauen rät, die in die Politik gehen möchten. Viel Freude mit der heutigen Folge.

Hallo und herzlich willkommen bei Große Töchter, sage ich an dieser Stelle in aller Regel. Herzlich willkommen bei der Podcast Nacht. Es freut mich sehr, dass ich sie mit Große Töchter eröffnen darf und es freut mich noch viel mehr, dass niemand Geringeres als die Frauenministerin Eva Maria Holzleitner heute zu Gast ist. Danke dir, dass du dir Zeit genommen hast.

Eva Maria Holzleitner
Vielen Dank für die Einladung. Es freut mich auch sehr, dass ich heute hier dabei sein darf beim großartigen Podcast Große Töchter.

Beatrice Frasl
Danke dir. Die lieben Kolleg:innen von ganz offen gesagt, die heute den letzten Slot, also das große Highlight darstellen werden heute, die beginnen ihre Folgen immer mit zwei Transparenzfragen an ihre Gäste. Die erste Frage ist bist du oder warst du aktiv bei einer politischen Partei? Das brauchen wir bitte, glaube ich. Also das wissen wir alle. Du bist in der SPÖ. Die zweite Frage woher kennen wir uns? Warum sind wir per Du oder per sie? Und wir sind uns schon öfter über den Weg gelaufen bei bestimmten feministischen Anlässen und kennen uns auch von Social Media und haben immer du zueinander gesagt und haben jetzt auch entschieden, dass wir das im Podcast auch so machen. Und ich beginne meine Folgen immer mit der Wer bist du und was machst du? Und die gebe ich auch an dich weiter.

Eva Maria Holzleitner
Also ich bin Eva Maria Holzleitner, darf und das steigt mir immer die Gänsehaut auf, wenn ich das überhaupt sagen darf, ich bin Frauenministerin in unserer Republik, also Bundesministerin für Frauenwissenschaft und Forschung und es ist eine unglaublich große Ehre für die Frauen in unserem Land, aber auch darüber hinaus aktiv sein zu dürfen in dieser Rolle. Es freut mich wirklich sehr, dass wir heute dieses Gespräch haben.

Beatrice Frasl
Wie war denn dein Weg zur Frauenministerin?

Eva Maria Holzleitner
Ich bin schon ganz lange frauenpolitisch aktiv. Also einerseits bei uns bei den SPÖ Frauen, wo ich seit 2021 Vorsitzende sein darf, bin Gabriele Heinisch Hosek nachgefolgt, die beim ersten Große Töchter Podcast bei der ersten Folge auch dabei war.

Beatrice Frasl
Das stimmt über Jonathunal damals.

Eva Maria Holzleitner
Ja, genau. Und bin davor auch schon sehr lange eigentlich auch frauenpolitisch aktiv gewesen in unseren Jugendorganisationen, in meinem Fall in der jungen Generation. Aber vor allem habe auch ich mein Lebensweg durchaus auch geprägt. Einerseits, weil man in der Schule mitbekommt, dass es immer noch viel Diskriminierung auch aufgrund des Geschlechts gibt. Man merkt bei Studienkolleginnen, bei Studienkollegen, wenn man sich umhört, was einfach die Unterschiede auch sind zwischen Männern und Frauen entlang ihres Lebenswegs. Und das hat mich auf jeden Fall zur Feministin gemacht, weil klar war, da gibt es noch ganz, ganz viel Aufholbedarf und ganz viel, wo man einfach auch für mehr Chancengerechtigkeit sorgen muss.

Beatrice Frasl
War das eigentlich ein Lebenswunsch von dir, Frauenministerin zu werden?

Eva Maria Holzleitner
Ehrlicherweise habe ich mir sowas nie erträumen getraut. Ich habe auch schon nie geglaubt, Nationalratsabgeordnete sein zu dürfen. Also für mich ist Demokratie sowas unglaublich Wertvolles und so was wirklich auch nicht nur Beschützenswertes, sondern etwas, wofür es sich auch zu kämpfen und sich einzusetzen lohnt. Und in meiner Lebensrealität wäre ich irgendwann einmal vielleicht in den Welser Gemeinderat gekommen. Aber überhaupt Teil des österreichischen Parlaments sein zu dürfen und wie gesagt, jetzt Teil der Bundesregierung, das habe ich mir so nie vorgestellt oder auch träumen getraut. Ein kleiner Scherz, den ich vielleicht gemacht habe in jungen Jahren. Viele in meiner Jugend haben nach dem 18. Lebensjahr ist irgendwie der 21er das Coole, weil dann darf man international in den USA Alkohol trinken. Ich habe immer gesagt, eigentlich der Nächste Step ist 35, weil da erreicht man auch das Wahlalter, dass man für den Bundespräsidenten oder die Bundespräsidentin kandidieren darf, ist jetzt kein Lebensziel, aber es war halt immer so im politischen Kontext ein Gag oder halt irgendwie eine spannende Zahl, dass sie da das passive Wahlalter einfach unterscheidet zu anderen Wahlen.

Beatrice Frasl
Aber das hast du noch gar nicht erreicht, das passive Wahlalter für die Bundesverfassung. Da müssen wir noch drei Jahre warten, bis antreten kannst.

Eva Maria Holzleitner
Wie gesagt, ich habe auf jeden Fall nicht vor. Eigentlich wollte ich Erwachsenenvertreterin werden.

Beatrice Frasl
Du bezeichnest dich ja stolz und gerne als Feministin. Das hast du gerade vorhin auch gesagt. Jetzt könnte man behaupten, als Feministin und Frauenpolitikerin ist man in der Rolle der Frauenministerin in Österreich eigentlich signifikant überqualifiziert, weil bis jetzt die Frauenministerinnen haben sich selten als Feministinnen bezeichnet. Aber was meinst du eigentlich, wenn du dich als Feministin bezeichnest? Also was bedeutet für dich und was bedeutet das auch in deiner Arbeit für dich?

Eva Maria Holzleitner
Für mich ist Feminismus und Johanna Dohnal hat den Feminismus ja auch wirklich sehr maßgeblich in unserem Land geprägt. Und ich denke da immer sehr stark an ihr Zitat: „Feminismus heißt eine menschliche Zukunft“. Und ich glaube gerade das ist eigentlich diese extrem wichtige und gute Richtschnur, nämlich dass man gleiche Chancen haben möchte, sozusagen auch für Frauen, insbesondere in der Arbeitswelt, wo wir einfach sehen, dass es, wir kommen sicher vielleicht auch später noch auf Gender Pay Gap, Pension Gap etc. Alle diese Dinge zu sprechen, aber dass man eben auch zum Beispiel für Männer andere Männlichkeitsbilder schafft. Caring Masculinity ist etwas, was sehr stark diskutiert worden ist, auch rund um den Vatertag, wo es auch diese Aktion gegeben hat, dass man quasi männliche Statuen mit Wickeltüchern und Babys ausstattet, auch diese anderen Männlichkeitsbilder und Männer auch zu sagen, in einer Familie ist es wichtig und wertvoll, wenn auch sie Karenzzeiten übernehmen, wenn auch sie sich um Hausarbeit kümmern. Wenn man sich den Mental Load aufteilt, dann ist es für alle einfach ein Stück einfacher. Und auch ihnen wird dieser Druck genommen vom klassischen Male Breadwinner Model, also dass sie das ganze Geld heimbringen müssen. Das ist eine menschliche Zukunft, die stell ich mir eigentlich nicht nur gleichberechtigt, sondern auch wesentlich positiver vor.

Beatrice Frasl
Du hast jetzt einige Sachen angesprochen, die ich heute auch noch besprechen werden natürlich, aber ich würde gerne noch zu einem anderen Thema jetzt kommen. Österreich befindet sich ja gerade gelinde gesagt, in einer etwas schwierigen Budgetsituation und auch schon davor war es so, dass Frauen in vielfältiger Weise von ökonomischer Diskriminierung betroffen sind. Du hast schon den Gender Pay Gap angesprochen, den Pensionsgap, den Vermögensgap gibt es auch noch, gibt es keinen Erbgap in Österreich. Männer erben mehr als Frauen. Also insgesamt haben Frauen einfach viel weniger Geld und viel weniger Kapital als Männer. Sie sind auch öfter von Armut betroffen, deshalb trifft sie eine sich verschlechternde wirtschaftliche Situation auch oft viel härter. Auch eine steigende Inflation trifft sie viel härter. Wie kann man denn dafür sorgen, dass diese schwierige Situation nicht sozusagen hauptsächlich auf dem Rücken von Frauen lastet?

Eva Maria Holzleitner
Also es gibt unterschiedliche Ansätze. Einerseits war es uns ganz wichtig, dass wir trotz des großen Konsolidierungsbedarfes das Frauenbudget nicht kürzen. Es gibt 2026 sogar eine kleine Erhöhung. Ich glaube, das ist notwendig. Ja, das ist auch in den letzten Jahren gelungen etwas, weil im Publikum, es ist ja eine Live Podcast Aufnahme, auch einen Kollegen, einen ehemaligen Kollegen von den Grünen sehe, das möchte ja durchaus sagen, in den letzten Jahren, ja ist das Frauenbücher gestiegen und das glaube ich war auch wichtig und gut, weil wir gerade auch im nicht nur individuellen Frauenbereich sehen, sondern auch im institutionellen, dass Fraueneinrichtungen immer sehr oft unterbudgetiert waren und einfach sehr oft damit zu kämpfen haben, wie sie ausgeht. Auch dass man zum Beispiel die Leistungen in einer Beratungsstelle auch wirklich tatsächlich aufrechterhält bei knappen Budgets. Deswegen war für uns klar, hier darf es keine Einsparungen geben, sondern da muss man auf jeden Fall das absichern, was in den letzten Jahren durchaus gelungen ist.

Auf der anderen Seite gibt es einige Maßnahmen, wo wir auch Abhilfe schaffen wollen. Der Unterhaltsgarantiefonds kann hier, glaube ich, wirklich ein sehr wichtiger Punkt sein, weil natürlich insbesondere Alleinerzieherinnen doppelt und dreifach oftmals von insbesondere ökonomischen Engpässen betroffen sind. Wir haben in den letzten Jahren, wie die Inflation so gestiegen ist, sehr oft davon gesprochen, dass die Einmalzahlung nicht mehr leistbar ist. Da wurde die Waschmaschine irgendwie als Bild gezeichnet, aber auch Eine Spirale kostet 500 Euro auf einen Schlag und das ist alle paar Jahre zu leisten. Oftmals zahlen das Frauen eben alleine im Bereich der Verhütung und hier werden wir auch die Steuer streichen auf Menstruationsprodukte und Verhütungsmittel. Ich glaube, das ist auch wichtig. Aber ganz allgemein gesehen und hier haben wir grundsätzlich eine gute Grundlage.

In Österreich ist das Gender Budgeting hier ein wesentlicher Schlüssel, dass bei allen Konsolidierungsmaßnahmen, aber auch bei Ausgaben man tatsächlich schaut, wie wirkt sich das auf Geschlechtergerechtigkeit aus. Steht in Österreich grundsätzlich in Verfassungsrang schon seit vielen, vielen Jahren, aber in der Umsetzung sind wir noch nicht perfekt. Gibt auch noch Adaptierungsmöglichkeiten, dass man sie eben auch vor allem vorab Auswirkungen anschaut in einem sogenannten Gender Budget Statement technisch. Aber ich glaube, dass wir beim Doppelbudget ist es uns noch nicht gelungen, aber gerade bei den Budgets darüber hinaus darauf schauen müssen, dass wir auch bei diesem Gender Budgeting einfach nur besser werden und das besser anwenden, damit wir wirklich auch vorab schon prüfen können, wie wirkt sich eben eine Ausgabe oder eine Einnahme auch aus.

Beatrice Frasl
Nun gab es aber trotzdem zwei Maßnahmen, die auch argumentiert wurden mit Budgetkonsolidierung, die eher Frauen treffen. Das eine war das Ende der Bildungskarenz, das ja oft von Frauen genutzt wird, um das sozusagen an die oft zu kurze Elternkarenzzeit anzuhängen. Und das zweite war das Ende des Familiennachzugs. Wie kann man das aus einer feministischen Perspektive argumentieren? Stehst du hinter den Maßnahmen? Wie würdest du das beurteilen?

Eva Maria Holzleitner
Also grundsätzlich ist es so, dass ich Teil der Bundesregierung bin und deswegen schon natürlich auch mit zu dem bekenne, was wir als Bundesregierung ausgehen, gemacht haben, was wir gemeinsam auf den Weg bringen. Die zwei angesprochenen Maßnahmen bei der Bildungskarenz zum Beispiel, was uns auch aus sozialdemokratischer Perspektive wichtig Es hat ja bei Verhandlungen davor die Option gegeben, dass die Bildungskarenz einfach ersatzlos gestrichen wird. Da wird gerade auch im Arbeitsministerium mit wirklich auch starkem Tatendrang daran gearbeitet, dass es eben auch ein Nachfolgemodell geben soll, weil was wir bei der Bildungskarenz in der Vergangenheit gesehen haben, ist, dass sie vor allem geringer qualifizierte Personen oftmals eben diese Bildungskarenz nicht leisten haben können oder sie nicht genutzt haben. Und hier bei einem Nachfolgemodell besser darauf zu schauen, dass es wirklich auch quer durch die Bank gut nutzbar ist, das Instrument zur Weiterbildung. Das ist so ein wichtiges Ziel. Aber ja, und natürlich habe ich auch Zuschriften bekommen von insbesondere Frauen, die gesagt haben, ja, nach der Elternkarenz habe ich die Bildungskarenz gemacht, das geht jetzt dann nicht mehr. Warum? Und wie gesagt, ich kann da einfach nur darauf verweisen, dass wir gesagt haben, es braucht ganz dringend ein Nachfolgemodell.

Und grundsätzlich zeigt ja auch dieses Beispiel, dass wir einfach in der Kinderbildung, im institutionellen Kinderbildungsangebot einfach nur unglaublich viel Nachholbedarf haben in Österreich, auch wenn man europaweit schaut, also mehr Krabbelstuben, mehr Kindergärten und die müssen einfach länger offen haben. Das wäre hier einfach der Schlüssel, wie man hier auch tatsächlich Abhilfe schaffen kann, also institutionelle Unterstützung. Und beim Familiennachzug ist es eine temporäre Aussetzung, was ich sehr bedauere, dass Österreich in den letzten Jahren nicht mehr gemacht hat, weil es wird ja dann oft eben als Argument herangezogen, die Planbarkeit und irgendwie, man möchte ja auch planen können, wer kommt, wann kommt und so weiter. Und es gibt eigentlich ganz kluge Programme, unter anderem von UNHCR, Resettlement Programme, wo man wirklich auch Familien, Frauen einerseits sichere Wege verschafft, um auch tatsächlich dann eben einen neuen Lebensmittelpunkt zu finden. Das ist planbar, das ist nicht gefährlich für die Personen und hat man vor allem auch da einen besseren Schutz für Frauen und auch Kinder und Ich glaube, es muss einfach perspektivisch möglich sein oder muss wieder in den Vordergrund gestellt werden, dass man eben auch bei solchen Resettlement Programmen aus Österreich aktiv teilnimmt.

Beatrice Frasl
Ich würde gerne auf deinen letzten Punkt zurückkommen, als du gesagt hast, es braucht mehr institutionelle Kinderbetreuung, mehr Krabbelstuben, mehr Kindergartenplätze und so weiter. Es braucht aber auch mehr Beteiligung der Väter.

Eva Maria Holzleitner
Definitiv.

Beatrice Frasl
Es gibt ja in feministischen Kontexten schon ganz lange diesen Slogan, das Private ist politisch. Und ein Thema, auf das ich in meiner feministischen Arbeit auch immer wieder zurückkomme, ist so dieser, dieses Faktum, dass der Dreh und Angelpunkt von ganz viel Ungleichheit und ganz viel Ungleichberechtigung die Art ist, wie ganz oft heterosexuelle Beziehungen organisiert sind, nämlich dass die unbezahlte Arbeit fast ausschließlich auf den Schultern von Frauen lastet. Also der Mental Law, die Beziehungsarbeit, die Haushaltsarbeit, die Kinderbetreuung, die Pflege kranker und alter Angehöriger und so weiter und so fort, kennen wir alles. Und Linda Hörschmann hat dazu ja auch mal den Satz gesagt, die wahre gläserne Decke befindet sich zu Hause, weil selbst Frauen, die oft sehr gut ausgebildet sind, Frauen studieren mittlerweile besser und schneller als ihre männlichen Kollegen, verschwinden die danach sozusagen zu Hause in der Kinderbetreuung und in der Betreuung, also ich sage es jetzt bewusst so polemisch, in der Betreuung ihrer Ehemänner und die Frage, was kann die Politik tun, kann sie was tun, kann sie sich einmischen? Und so soll sie.

Eva Maria Holzleitner
Also ich finde, das Private als politisch ist ganz ein wichtiger Grundsatz, den ich so auch doppelt und dreifach unterschreiben und unterstreichen würde, weil würde man diesen Grundsatz nicht anwenden auf politische Arbeit, dann wären wir zum Beispiel bei Gewalt im häuslichen Kontext auch blind. Und gerade hier auch zum Beispiel das Wegweisungsrecht, unabhängig von wer mietet die Wohnung, wem gehört das Haus, hat eben genau diesen Grundsatz auch verfolgt. Das Private ist politisch, weil man muss politisch dahin schauen. Und meiner Meinung nach ist es so, wie du auch angesprochen hast, natürlich auch bei der Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit. So und wenn man sich jene Länder anschaut, die hier auch eine bessere Aufteilung haben, zum Beispiel in der Zeitverwendungsstudie kann man solche Zahlen, Daten, Fakten auch nachlesen, dann haben die eine verpflichtende Aufteilung, Karenzzeiten in Island beispielsweise, aber auch in anderen skandinavischen Ländern. Und ich glaube, perspektivisch muss man auf jeden Fall auch dorthin, dass man in Österreich auch Karenzzeiten verpflichtend zwischen beiden Elternteilen aufteilt. Ein Schritt in die richtige Richtung war hier auf europapolitischer Ebene schon die Work Life Balance Richtlinie, wo man versucht hat, zu einem ersten Ansatzpunkt auch zu schaffen, dass sich Karenzzeiten eben aufgeteilt werden.

Aber ich glaube, dass das tatsächlich ein ganz wichtiger Punkt wäre, der, muss ich auch in aller Offenheit sagen, nicht im Regierungsprogramm steht, weil andere Parteien, andere Fraktionen haben hier natürlich auch eine gewisse Skepsis und sagen eben genau nein, in das private Familienleben darf man sich nicht einmischen. Meine Meinung ist, ich glaube, man muss hinschauen und Politik hat einfach auch den klaren Auftrag, Rahmenbedingungen zu schaffen und den, das wäre zum Beispiel eben auch die verpflichtende Aufteilung Konkurrenzzeiten.

Beatrice Frasl
Du hast schon die EU Ebene angesprochen und ich springe da jetzt ein bisschen in meinen Fragen, weil eine Sache, die ich mit dir auch noch besprechen wollte, das ist auch etwas, was auf EU Ebene schon zweimal diskutiert wurde und es ist in feministischen Kreisen ein sehr umkämpftes Thema, nämlich das Thema Prostitution bzw. Sexarbeit. Da standen sich in den letzten Jahren, Jahrzehnten ja zwei Lager sehr unversöhnlich gegenüber und im EU Parlament gab es jetzt bereits zwei Abstimmungen eigentlich, die sich pro nordisches Modell ausgesprochen haben, also für ein Sexkaufverbot tatsächlich zuletzt im September 23 als die Sozialdemokratin. Maria Neuchl einen Bericht ausarbeiten ließ. Und dann wurde eben pro nordisches Modell oder Empfehlung vom EU Parlament ausgesprochen, dass die Länder der EU das nordische Modell umsetzen sollten. Die EU Parlamentarierin und Vizepräsidentin des EU Parlaments Evelyn Regner hat sich auch sehr klar dafür ausgesprochen. Die österreichische Sozialdemokratie ist da sehr gespalten zu dem Thema, wie ich den Eindruck habe.

Und da wollte ich dich fragen, wie deine Haltung dazu ist. Ist irgendwas in diese Richtung geplant? In Österreich hat die österreichische Regierung vor diese Empfehlung der EU, weil es ist ja keine verpflichtende Regelung, sondern es ist eine Empfehlung, dem nachzukommen.

Eva Maria Holzleitner
Es ist ein sehr diffiziles Thema und ja, es gibt absolut zwei Denkschulen. Die Resolution im Europaparlament habe ich auch zur Kenntnis genommen. Wir haben bei den SPÖ-Frauen keine Beschlusslage für das Nordische Modell. Es hat in der Vergangenheit bei Konferenzen dafür keine Mehrheit gegeben und und dieser Beschlusslage oder Nicht Beschlusslage in dem Fall fühle ich mich auch verpflichtet. Wir haben bei uns im Ministerium auch eine Arbeitsgruppe Sexuelle Dienstleistungen, wo von Beratungsstellen über auch teilweise andere Organisationen bis hin zur Polizei auch alle an einem Tisch sitzen und sie regelmäßig auch über das Thema austauschen, berichten von aktuellen Problemlagen etc. Und im Rahmen dieser Arbeitsgruppe wurde auch ausgewertet eine Befragung durch die Beratungsstellen, Fragebögen von den Sexarbeiterinnen, was sie so als die wichtigsten Problemstellungen angegeben haben. Und da war nicht Gewalt das erste Thema, wie man oftmals vermuten möchte, sondern steuerliche Fragen, dienstrechtliche Fragen, diese Dinge.

Und wir haben auch, es wurde auch im Rahmen dieser Arbeitsgruppe diskutiert, welche Erkenntnisse man aus der Corona Zeit ziehen kann, weil da hat es ein temporäres Sexkaufverbot auch in Österreich gegeben, ein Berufsverbot. Und die Erkenntnis war, dass in dieser Zeit, wo es dieses Verbot gegeben hat, dass durch das Verschwinden im Öffentlichen die Gewaltzahlen tatsächlich gestiegen sind und dass vor allem auch die Illegalität ein großes Thema war. Mir ist vollkommen bewusst, dass das Nordische Modell versucht, die Frauen – sind vorwiegend Frauen – zu schützen und den Käufer, den Mann zu bestrafen. Aber in der Realität funktioniert das leider tatsächlich oft nicht so, sondern es sind trotzdem die Frauen, die in der Illegalität landen, die, die keinen Schutz haben, die vielfach dann eben auch Angst haben, wenn sie illegal tätig sind und ihnen tatsächlich etwas angetan wird, dass sie sich an offizielle Stellen auch wenden. Deswegen ist mir der Schutz von Frauen sehr wichtig. Und ich glaube, dass das aber im Rahmen der Legalität trotzdem stattfinden muss, damit man trotzdem eben alle möglichen Anlaufstellen auch hat, auch Ausstiegsprogramme natürlich ganz klar, dass man hier eben auch die Frauen bestmöglich schützt. Also das Nordische Modell hat von der Motivation, die dahintersteckt, glaube ich, einen absolut richtigen und guten Ansatz, nämlich Frauen zu schützen. Aber in der Effektivität wirkt es nicht so, wie die dahinterliegende Motivation eigentlich ausgestaltet ist. Sehr spannend finde ich auch, dass Norwegen zum Beispiel gerade auch diskutiert oder in den letzten Jahren diskutiert hat, eben dieses Nordische Modell abzuschaffen und hier auch legale, sichtbare Modelle auch zu schaffen, weil sie einfach sehen, es funktioniert vielfach nicht. Was aber nicht heißt, dass wir nicht gegen Menschenhandel aktiv werden. Also das Frauenministerium ist zum Beispiel auch Teil der Taskforce Menschenhandel, die sich aber mit Menschenhandel gesamt und natürlich auch mit Frauenhandel beschäftigt. Aber wie gesagt, bei insbesondere dem Thema Prostitution bzw. Sexarbeit stütze ich mich sehr auf die Zahlen, Daten, Fakten dieser Arbeitsgruppe und der Expertise, die dort auch wirklich regelmäßig eingebracht wird.

Beatrice Frasl
Aber kann man wirklich die Erfahrung aus der Corona Zeit vergleichen mit dem nordischen Modell? Weil da gab es, also während der Corona Zeit gab es tatsächlich ein Berufsverbot und die Idee hinter dem nordischen Modell ist ja tatsächlich eine Form vollständige Legalisierung des Angebots. Also es wäre Prostitution vollständig legalisiert, sogar noch in einem größeren Ausmaß, als das jetzt der Fall ist und nur das Sexkauf wird verboten. Das ist was ganz anderes.

Eva Maria Holzleitner
Ja, aber wie gesagt, da handelte ich mir einfach mit den Argumenten der Realität vor. Und wie gesagt, in der Arbeitsgruppe ist einfach das dezidiert besprochen worden. Es gibt ja auch teilweise zum Beispiel Bundesländer, wo de facto kein offizielles Bordell gibt, aber in der Illegalität ganz viel passiert und das ist einfach auch ein Problem oder halt im Dunkeln passiert, sagen wir es so, Das ist vielleicht korrekter. Und es findet was im Dunklen statt. Es findet etwas nicht offiziell statt, macht halt einfach ganz, ganz viel unsicher und birgt einfach ganz, ganz viel Gefahren. Und das ist einfach die Erkenntnis aus dieser Arbeitsgruppe. Und ja, ich glaube, dass zumindest dieser Teilausschnitt von Corona, auch wenn das kein ganzes Jahr war, wo man halt irgendwie Daten erfasst hat, sondern nur ein gewisser Zeitraum, aber dass das trotzdem bis zu einem gewissen Grad anwendbar ist, weil da in Wahrheit nur Corona dazu geführt hat, dass diese Ausübung von Sexarbeit in Wahrheit verboten war für diese Zeit.

Beatrice Frasl
Die Ausübung, aber eben nicht der Kauf. Also das ist ja was anderes, das ist ja ein Unterschied.

Eva Maria Holzleitner
Aber in den Ländern, wo das nordische Modell halt einfach auch eingeführt worden ist, funktioniert es einfach leider oftmals nicht so, dass der Käufer bestraft wird, sondern die, die diese Leistung anbieten, fühlen sich trotzdem kriminalisiert, trauen sich halt nirgendwo zu offiziellen Stellen geben, wenn sie Gewalt und so weiter erfahren. Das ist eigentlich das Problem. Also die, die man schützen möchte, die haben dann einfach große Angst oder halt irgendwie auch die Sorge, dass ihnen trotzdem nicht geglaubt wird, dass es irgendwie schwierig ist für sie. Und ich glaube, das ist einfach der Dreh- und Angelpunkt, dass die, die man schützen möchte, trotzdem nicht zu diesem Schutz kommen, auch in den Ländern nicht, wo das nordische Modell vorherrscht.

Beatrice Frasl
Eine Sache, in der Österreich sehr im traurigen Spitzenfeld ist, ist die Zahl der Femizide. Und da ist natürlich auch die große Frage, also die Femizide sind ja nur die oberste Spitze des Eisberges, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht. Männliche Gewalt gegen Frauen ist in Österreich ein alltägliches Problem leider und sie sogar am steigen. Was sind denn da die geplanten Maßnahmen gegen diesen Umstand?

Eva Maria Holzleitner
Die Zahl der Femizide ist in Österreich leider wirklich dramatisch oder generell die Gewaltzahlen, weil die Femizide eben ja die Spitze des Eisbergs sind. Wir haben hier relativ schnell auch gestartet mit der Einführung eines Nationalen Aktionsplans gegen Gewalt an Frauen beziehungsweise mit der Erstellung. Ich glaube, das ist sehr wichtig, weil das ist jetzt keine nur sozialdemokratische Idee, sondern das ist einfach eine Empfehlung von Grevio, also dem Gremium, dass die Istanbul Konvention, der Österreich auch beigetreten ist, monitort. Das ist eine Empfehlung des Rechnungshofs auch gewesen, dass man hier eine bessere Zusammenschau auch der Taten und Maßnahmen im Gewaltschutz machen muss und deshalb dieser nationale Aktionsplan auch mit sich bringen. Wir haben da unterschiedliche Arbeitsgruppen, die sich mit verschiedenen Themen beschäftigen, eben eh einerseits Gewalt im häuslichen Kontext, aber natürlich darf man auch digitale Gewalt heutzutage nicht vergessen, auch Gewalt im gesundheitlichen Kontext, also wirklich verschiedene Aspekte. Und mit diesem nationalen Aktionsplan, das sollte kein Arbeitskreis sein, der jetzt unendlich lange stattfindet, wollen wir mit Ende des Jahres schon wirklich einen konkreten Plan vorlegen, wo wir weiter Gewalt gegen Frauen zurückdrängen wollen.

Beatrice Frasl
Bei mir haben immer auch meine Steady Supporter innen die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Lia Luna hat im Zusammenhang mit dem Thema Femizide gefragt, ob ihr euch als Bundesregierung oder ob du dir vorstellen kannst, ähnlich wie in Spanien auch frühkindliche Bildung zu dem Thema einzuführen. Frühkindliche Bildung, frühkindliche Bildung zum Thema Gewalt und Femizide und so weiter.

Eva Maria Holzleitner
Naja, grundsätzlich sind die Bildungseinrichtungen da ganz ein wichtiger Schlüssel und der Bildungsminister ist auch da wirklich total committed. Also wir haben auch eine Arbeitsgruppe vom Kindergarten bis zur Hochschule haben wir es genannt, weil du insbesondere auch was Konfliktprävention, Gewaltprävention betrifft, also das Problem auch tatsächlich an der Wurzel packen. Da haben die Bildungseinrichtungen natürlich einen ganz wichtigen Hebel. Also da auch schon früh anzusetzen, wird unbedingt wichtig sein, auch im Rahmen dieses Nationalen Aktionsplans.

Beatrice Frasl
Das Regierungsprogramm enthält sehr viel Vages, also sehr viel Überschriften, sehr wenig Konkretes, finde ich. Und einige dieser sehr, also eine dieser sehr allgemein gehaltenen Formulierungen fand ich aber sehr spannend. Und zwar war das die Formulierung oder die Ankündigung, dass geplant ist, das Sexualstrafrecht zu evaluieren mit dem Ziel, bestehende Lücken zu schließen und es zu verschärfen. Was ist denn damit konkret gemeint?

Eva Maria Holzleitner
Ja, auch hier, also wir haben vorher von Feminismus gesprochen. Ich bin sehr froh, dass ich nicht die einzige Feministin in dieser Bundesregierung bin, sondern mit Anna Sporer auch eine wirklich großartige Justizministerin, auch mit im Team weiß. Da werden wir uns natürlich anschauen, ob einerseits das Thema Strafausmaß, es wird immer sehr schnell und sehr oft davon gesprochen, müssen die Strafen härter sein, müssen die Strafen raufgesetzt werden. Aber ich glaube, es geht nicht nur um das, sondern mit diesem Passus kann man sich durchaus auch annähern, Diskussionen, die in anderen Ländern stattfinden, dass man Paradigmenwechsel einleitet, dass man trotzdem schaut, wie werden in Österreich auch rechtliche Möglichkeiten, um zum Beispiel nur ein Ja heißt ja umzusetzen. Also da wollen wir wirklich auch schauen, wie kann man im Sexualstrafrecht einfach hier auch noch eine stärkere Firma feministische Perspektive einbringen.

Beatrice Frasl
Das wäre eigentlich genau der Punkt, auf den ich zu sprechen kommen wollte, weil Feministinnen ja schon lange ein konsensbasiertes Strafrecht fordern. Also eben nach dem heißt Ja Prinzip. Österreich ist ja einigen anderen, nicht allen, aber einigen anderen EU Ländern hinterher. Hierzulande gilt immer noch das Nein heißt Nein Prinzip. Also Betroffene müssen sozusagen den sexuellen Akt klar ablehnen, damit das als Vergewaltigung gewertet wird. Und da war eben meine Frage, wird eben schon ganz lange gefordert und das ist leider vor der EU ja gescheitert, dieses Anliegen, dass man Vergewaltigung EU weit einheitlich definiert und die Ja heißt ja Richtlinie oder ein konsensbasiertes Strafrecht hier umsetzt. Und da wollte ich dich fragen, was konkret geplant ist, um Österreich in diese Richtung zu bewegen oder ist das geplant?

Eva Maria Holzleitner
Also wir wollen da auf jeden Fall schauen, ob man in diese Richtung auch was zusammenbringen. Ich glaube, da muss man auf jeden Fall dranbleiben, auch EU weit. Nur weil einmal eben ein Vorhaben gescheitert ist, glaube ich, ist es trotzdem wichtig, das auch auf europapolitischer Ebene weiter voranzutreiben. Und es gibt ja auch durchaus sozusagen Frauenministerinnen Treffen, nennen sie Ratssitzung, formeller Rat, informeller Rat, wie auch immer. Und da kann man dieses Thema auch einbringen. Und das möchte ich europaweit auf jeden Fall machen, dass man hier schaut. Vielleicht gibt es doch noch irgendwelche Bündnisse, die man aktivieren kann, um europaweit auch nur Jahr heißt Jahr voranzubringen. Einige Länder sind da eben schon vorgeprescht, aber auch in Österreich, glaube ich, muss das auf jeden Fall ein Ziel sein, dass wir hier von Nein heißt Nein uns einfach mal in eine modernere Richtung entwickeln.

Beatrice Frasl
Du unterstützt ja auch die Kampagne aus Prinzip. Das ist eine Kampagne, die fordert, dass Abtreibung in Österreich aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wird. Da ist es ja leider, da ist sie, die Abtreibung, also der Schwangerschaftsabbruch ja leider immer noch. Und die Kampagne fordert außerdem, dass Abtreibungen wohnortnah und auch kostenfrei durchgeführt werden sollen. Warum findet sich denn im Regierungsprogramm nichts zu dem Thema? Das habe ich sehr vermisst. Also weder ist dort gefordert, Abtreibung wirklich zu legalisieren, noch dass es eine Kassenleistung wird. Warum ist da nichts ein wunder Punkt?

Eva Maria Holzleitner
Also meine persönliche Meinung diesbezüglich werde ich auch nie ändern. Vor 50 Jahren ist die Fristenregelung eingeführt worden und ich glaube, es war ein unglaublicher Erfolg. Und es haben sie ja auch in der Entstehungsgeschichte der Fristenregelung schon Widerstände gezeigt. Also es war damals eine quasi absolute Mehrheit der SPÖ.

Im Nationalrat, aber nicht im Bundesrat. Und nach quasi dem ersten Beschluss im Nationalrat hat der Bundesrat ein Veto eingelegt und es hat einen Beharrungsbeschluss sogenannt im Nationalrat gebraucht. Also der Nationalrat hat zweimal darüber abstimmen müssen, weil die Mehrheit im Bundesrat nicht da war. Trotzdem, wie gesagt, hat man das auch wirklich geschafft und Es war ein unglaublicher Meilenstein, auch im Bereich der körperlichen Selbstbestimmung von Frauen in Österreich. Meiner Meinung Nach müsste man 50 Jahre danach einfach so weit sein, dass man auch hier darüber spricht, wie kann ein noch weiterer Weg in der Zukunft ausschauen. Und da ist für mich ganz körperliche Selbstbestimmung heiß, Schwangerschaftsabbruch legal, wohnortnah, kostenfrei. Ich muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass es einerseits parlamentarisch, aber auch eben in der Regierung Parteien gibt, die das nicht wollen und die da einfach eine andere Perspektive dazu haben.

Und ja, wir haben hier leider keine Einigung im Regierungsprogramm erzielen können, aber meine persönliche Meinung wird sich nie ändern und ich werde für dieses Thema auch die Werbetrommel rühren, so lange bis, das ist etwas, was viele Themen, die wir schon angesprochen haben, betrifft, so lange bis frauenpolitische Themen wahlentscheidend werden, weil das sind sie aktuell nicht. Wir sehen einfach, dass viele Wahlentscheidungen nicht dahingehend gefällt werden, welche Partei wähle ich und wie stehen sie frauenpolitisch. Und das ist, glaube ich, einfach das große Problem, weil wenn man schauen würde, welche Parteien versuchen wirklich auch progressive feministische Politik voranzutreiben, dann kristallisiert sich da eh ganz schnell raus, wer auf welcher Seite und welche Position vertritt. Aber wie gesagt, beim Schwangerschaftsabbruch. Ein Punkt, den wir schon im Regierungsprogramm auch verankert haben, und ich glaube, das wird wichtig sein in den kommenden Jahren auch tatsächlich dann umzusetzen, sind zumindest die Schutzzonen vor Gesundheitseinrichtungen, die auch Schwangerschaftsabbrüche anbieten.

Warum ist das wichtig? Weil wir auf der anderen Seite schon sehen, dass Abtreibungsgegner wenige Gegnerinnen aggressiver werden, dass die einfach vor Spitälern in westlichen Bundesländern zum Beispiel Gesundheitspersonal bedrängen, Personen, Frauen bedrängen, die ins Spital eingehen, ohne dass sie wissen, was die Frau überhaupt vorhat. Und so was kann nicht sein. Und mit den Schutzzonen, das gibt es im Wiener Landesgesetz beispielsweise schon, kann ich wegweisen und strafen. Und das brauchen wir bundesweit, weil es geht um die Sicherheit des Gesundheitspersonals und es geht um die Frauen, die, wenn die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollen, einfach in Ruhe gelassen werden müssen, egal von wem.

Beatrice Frasl
Aber es geht ja leider nicht nur um irgendwelche Leute, die vor den Abtreibungskliniken demonstrieren, das ist schon schlimm genug. Es geht ja auch darum, dass dieser antifeministische Backlash, wo immer auch die reproduktiven Freiheiten und Rechte von Frauen im Zentrum stehen, also im Zentrum des Angriffs stehen, dass der immer mehr fortschreitet und international. Und da ist meine Frage eben auch, wäre es nicht gerade jetzt wichtig, davor zu preschen? Also ich weiß schon, wenn es um dich gehen würde, wäre es wahrscheinlich schon legalisiert, nach dem, was du jetzt gerade gesagt hast. Aber ist nicht genau das Thema eigentlich so ein ganz, ganz wichtiger Punkt, den man eigentlich prioritär auch angehen müsste?

Eva Maria Holzleitner
Absolut, wie gesagt, und da werde ich meine Meinung nicht ändern. Wir sehen es leider auch eben in Polen, wo die letzte Präsidentschaftswahl ja auch wieder gezeigt hat, dass es für die Koalition rund um Donald Tusk noch mal schwieriger wird, auch diese wirklich große Ankündigung, den Schwangerschaftsabbruch einfach auch wieder möglich zu machen in Polen, dass da einfach wieder Steine in den Weg gelegt werden. Und deswegen ist es so wichtig, darüber zu reden und diese Forderungen zum Trommeln, zu Trommeln, zu trommeln, damit wir hier eben keine Rückschritte machen. Weil besonders spannend finde ich vor allem jene Länder, die der Markt regelt, alles Stichwort Argentinien, die wollen gar nichts regeln, außer die Frauenkörper. Und deswegen ist es unglaublich zentral, immer über den Schwangerschaftsabbruch zu reden, diese Forderungen einfach von denen nicht zu weichen und dafür hoffentlich auch andere parlamentarische Mehrheiten zu haben, damit wir die Legalisierung dann auch tatsächlich umsetzen können. Aber die haben wir einfach aktuell leider nicht.

Beatrice Frasl
Ein ganz anderes Thema, das ich auch unbedingt noch ansprechen wollte, ist das Thema Gender Pay Gap. Da ist ja Österreich mit seinen über 18 Prozent leider auch ganz vorne dabei, nur Lettland hat noch einen höheren Gender Pay Gap aktuell. Was ist denn da deine konkrete Vision, was man als Frauenministerin dagegen unternehmen kann? Weil das ist ja eine Schere, die sich so langsam schließt, dass man das eigentlich nicht als schließend bezeichnen kann.

Eva Maria Holzleitner
Also wir haben vorher schon über die bezahlte und unbezahlte Arbeit gesprochen. Ich glaube, da sind ganz wichtige Hebel, die man auch im Bewegung setzen könnte. Was geplant ist, ist auf jeden Fall die Lohntransparenz hier auch. Und das zeigt eigentlich, dass in der letzten Periode auf europapolitischer Ebene viel gutes Frauenpolitisches auch weitergebracht worden ist. Da gibt es ja die Lohntransparenzrichtlinie, die wir auch umsetzen werden, weil ich glaube schon über Gehälter offener zu sprechen. Und in Österreich gibt es sehr viel Geheimniskrämerei in anderen Ländern. In Schweden kannst du die Steuererklärung de facto von allen Bürgerinnen und Bürgern anschauen. Diese Geheimniskrämerei ist immer zum Nachteil der Frauen und deswegen hier auch bei den Gehältern für mehr Transparenz zu sorgen, damit eben klar ist, die Qualifikationen bei den Frauen sind absolut da. Ja, sie sind stärker vertreten an Österreichs Hochschulen. Also es scheitert nicht an den Qualifikationen oder sonst irgendwas, sondern es ist einfach nur eine pure Geschlechterdiskriminierung, die oftmals stattfindet. Das ist, glaube ich, wirklich ein wichtiger Punkt und zeigen ja auch internationale Beispiele, dass so Lohntransparenz echt wirken kann. Vor allem, wenn man dann, wenn man nicht nur mit positiven Anreizen zu dem kommt, wohin man will, dass man irgendwann einmal die Route ins Fenster stellt und auch wirklich straft, wenn es ungerechtfertigte Unterbezahlung gibt.

Beatrice Frasl
Ein Themenbereich, der, wenn es um den Gender Pay Gap geht, nie angesprochen wird und der mir ein besonderes Anliegen ist, weil ich selbstständig bin. Es sind selbstständig Frauen, die selbstständig arbeiten. Und zwar deshalb, weil die meisten Menschen, die selbstständig sind in Österreich, sind ja nicht irgendwie Großindustrielle, die Millionen verdienen oder irgendwie Konzernchefs, sondern Einzelunternehmer innen oder Freelancer innen, die oft ganz prekär leben auch und arbeiten. Und wir haben irgendwie kaum eine politische Vertretung einerseits. Andererseits trifft genau dieser Bereich der Gender Pay Gap ganz besonders hart. Also es wurden vor kurzem die Zahlen für 2024 veröffentlicht und selbstständige Männer in Österreich 2024 hatten ein mittleres - also da sind jetzt auch die dabei, die nicht Vollzeit selbstständig sind, sondern vielleicht auch nebenbei - haben ein mittleres Jahreseinkommen von 20.244 Euro Brutto und selbstständige Frauen 7.579 brutto Jahreseinkommen. Frauen in der Selbstständigkeit verdienen nur 37,4 Prozent von dem, was Männer verdienen. Also es ist weniger als die Hälfte. Also der Gender Pay in der Selbstständigkeit in Österreich beträgt 62,6 Prozent. Das ist eine enorme Zahl. Das liegt weit über den 18 Prozent bei den Angestellten. Und wir freien Autorinnen, Schriftstellerinnen, Speakerinnen, Journalistinnen, was auch immer Musikerinnen haben, auch oft dann auch in unseren Verträgen stehen, dass wir über Honorare nicht reden dürfen, wie man es dann doch tut, obwohl man nicht darf, erfährt man dann, dass der Kollege nebenan das Fünffache gekriegt hat vom eigenen Honorar. Also ich habe da wirklich schon horrende Unterschiede auch selber erfahren. Und das ist ein Thema, das nie besprochen wird im Kontext vom Gender Pay Gap. Und das wird immer relevanter, weil wir werden immer mehr. Es gibt immer mehr Leute, die selbstständig arbeiten und da ist eine Frage, wie die Politik dem beikommen kann oder ist das überhaupt im Schirm?

Eva Maria Holzleitner
Das ist ganz ein wichtiger Aspekt, weil ich sage es ganz offen, das war mir auch in der wirklich Dramatik - also natürlich, dass Einzelunternehmerinnen ausschließlich klein ist, besonders prekär leben und die größten finanziellen Herausforderungen haben, das war mir schon bewusst, aber auch diese Honorar Schweigeklauseln, die dann auch wieder zum Nachteil der Frauen sind, so im Detail war es mir nicht bewusst. Also es ist ganz ein wichtiges Thema, dass man das natürlich auch noch stärker in den Fokus nimmt. Nehmen wir auch irgendwie so als To Do von heute mit. Ich glaube einerseits, was schon sehr wichtig ist, ist natürlich institutionelle Unterstützung. Also egal, das betrifft alle Frauen, egal in welcher Lebensphase oder in welchem Anstellungsverhältnis oder Selbstständigkeit sie sich befinden. Institutionelle Unterstützung ist etwas, was ganz zentral wäre.

Das beginnt natürlich bei Kinderbildungsangeboten, die auch ganztägig zur Verfügung stehen müssen. Wir wissen, dass Frauen natürlich auch im öffentlichen Verkehr vielfach unterwegs sind, weil sie vielfach darauf angewiesen sind, also da ein entsprechendes Angebot zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, das sind so wichtige Dinge. Und darüber hinaus, es scheitert vielfach auch nicht an der Finanzbildung, dass Frauen nicht wissen würden, wie sie bilanzieren müssen, oder? Ich glaube, das ist es nicht. Aber was man eben schon auch schauen kann, ist offenbar da auch Transparenz mit reinzubringen, dass Frauen Fair Pay ist ein Thema in Kunst und Kultur, Fair Pay ist ein Thema im Sport, offensichtlich auch in der Selbstständigkeit.

Beatrice Frasl
Also das Signifikanteste, was mir bis jetzt passiert ist, ist, dass ich für einen Vortrag 500 Euro angeboten bekommen und dann habe ich erfahren, dass ein Kollege Angebote, also das war der signifikanteste Unterschied, der mir untergekommen ist, aber dass es riesige Unterschiede gibt, ist fast immer der Fall.

Eva Maria Holzleitner
Das ist wirklich eklatant unfair.

Beatrice Frasl
Wir müssen zum Schluss kommen. Die Regierung ist, wenn alles gut geht, fünf Jahre im Amt. Wenn du dir jetzt vorstellst, es ist 2030 und wir sitzen hier. Was hat sich in Österreich für Frauen verändert, wenn du erfolgreich warst als Frauenministerin? Wie ist die Situation anders? Wie ist sie besser? Was hast du erreicht, wenn du erreicht hast, was du erreichen wolltest?

Eva Maria Holzleitner
Das ist eine ganz schwierige Frage. Ich glaube, was ich mir nach dieser Legislaturperiode wünsche, und das hängt nicht nur von mir ab, sondern ich glaube vom ganzen Regierungsteam, ist, dass es Frauen einfach wieder besser geht und dass man in einigen Themenbereichen vielleicht ein bisschen Linderung von Problemstellungen, die es jetzt gibt, erledigen hat können. Dass man ein bisschen Last von den Schultern genommen hat für die Frauen. Das klingt zwar ein bisschen meta, aber ich glaube, wenn man das so ein bisschen schafft, dass man hier auch einfach sagt, wir nehmen dir ein Stück von deinem schweren Rucksack ab, indem wir eben finanziell schauen, dass es dir besser geht, dass eben infrastrukturell es dir besser geht, dass man einfach schaut, dass die Diskriminierung abgebaut wird. Wenn wir das schaffen, dann wird es ein guter Weg sein. Und ich bin eben sehr froh, dass ich diesen Weg nicht alleine gehen muss, sondern ganz, ganz viele Kolleginnen habe, die selber auch Feministinnen sind und die dann mit mir gemeinsam dafür streiten. Vor allem auch.

Beatrice Frasl
Meine letzte Frage heute, Was kannst du jungen, also du bist selber noch eine sehr junge Frau und hast eine beeindruckende Karriere, eine beeindruckende politische Karriere schon hingelegt. Wir haben heute gehört, vielleicht wirst du auch noch Bundespräsidentin.

Eva Maria Holzleitner
Nein, das wollte ich doch nicht sagen. Es war nur ein Zahlenwitz.

Beatrice Frasl
Jetzt ist es on tape. Was kannst du jungen Frauen raten, die in die Politik gehen möchten? Und dann noch die zweite Frage, würdest du ihnen das überhaupt raten oder würdest du ihnen abraten davon?

Eva Maria Holzleitner
Ich würde unbedingt Frauen sagen, dass sie in die Politik gehen müssen, weil wir viel zu wenig Frauen in der Politik haben. Und wenn man davon spricht, dass man irgendwie auch Gleichberechtigung haben will, dann geht es natürlich um alle verschiedenen Ebenen, alle verschiedenen Branchen und es geht auch um die Politik. Also von dem her, egal ob es die Gemeinde ist, das Land, der Bund, wo auch immer. Wir brauchen ganz, ganz, ganz viele Frauen in der Politik, damit wir auch repräsentativ unsere Gesellschaft da irgendwo widerspiegeln. Also ich würde es jeder Frau bitte unbedingt politisch engagieren. Ganz, ganz wichtig, ganz, ganz dringend notwendig. Und ich würde allen Frauen mitgeben, dass es ganz wichtig ist, Banden zu bilden, weil natürlich insbesondere in der Politik, es ist nicht immer alles lustig, es ist manchmal echt anstrengend und ja, es ist manchmal fast ermüdend.

Man darf aber trotzdem nie die Leidenschaft und das Engagement verlieren. Das ist ganz wichtig. Und es geht einfach leichter, wenn man auch Kolleginnen hat, wenn man auch wirklich andere Frauen hat in der Politik, mit denen man sich gut austauschen kann, vielleicht einmal auskotzen kann, wo man sie aber einfach wieder Kraft holt und wo man sie vor allem auch in Sitzungen gegenseitig unterstützen, dass wenn eine Kollegin was sagt, dass man darauf repliziert und sie unterstützt. Also diese Mechanismen, die müssen einfach zur Selbstverständlichkeit werden. Und das glaube ich, würde ich Frauen in der Politik mitgeben, dass man eben diese Bündnisse ganz dringend braucht, knüpfen muss, weil sie unglaublich viel Energie geben und ganz viel Kraft geben, die man in diesem Geschäft unbedingt braucht.

Beatrice Frasl
Ich glaube, Banden bilden ist in allen Bereichen für alle Frauen überall ein gutes Schluss.

Eva Maria Holzleitner
Vielleicht ein Punkt, wenn ich den ganz kurz sagen darf. Das ist ganz wichtig. Und vor allem, ich glaube, was wir auch in den kommenden Jahren frauenpolitisch wieder schaffen müssen, weil es vor ein, zwei Tagen, vor einer Woche so Debatten gegeben hat, auch zu Buchbeiträgen und so weiter, ich glaube, wir müssen uns frauenpolitisch darauf konzentrieren, bei aller Unterschiedlichkeit in den Ansichten teilweise, dass wir aber ganz, ganz viel auch gemeinsam haben als gemeinsamen Sockel, nämlich Ungleichheiten zu beseitigen, Chancengerechtigkeit zu schaffen und vor allem in so unglaublich wesentlichen Themen wie der Arbeitswelt wie im Gewaltschutz. Alle diese Dinge sind eigentlich frauenpolitisch für ganz, ganz viele Frauen unstrittig. Und wenn wir uns auf diese Sachen konzentrieren und da eben wieder Banden besser knüpfen und solidarisch sind, frauenpolitisch solidarisch, ich glaube, dann können wir wirklich eine kritische Maße auch in der Zukunft schaffen für eben genau diese Themen. Das ist, glaube ich, wichtig.

Beatrice Frasl
Vielen lieben Dank. Meine Kollegen werden schon nervös, deshalb danke Eva Maria, dass du dir Zeit genommen hast heute.

Eva Maria Holzleitner
Vielen Dank.

Beatrice Frasl
Danke an euch fürs Kommen.

Vielen lieben Dank an die Frauenministerin Eva Maria Holzleitner, Frau für das Gespräch. Danke an Missing Link für die Einladung zur Podcast Nacht. Danke an alle, die live vor Ort waren und danke an euch fürs Zuhören.

Autor:in:

Beatrice Frasl

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