Rohrer bei Budgen
"Mahrer ist nicht Manns genug"
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In Folge 18 von "Rohrer bei Budgen" analysiert Innenpolitik-Journalistin Anneliese Rohrer bei ORF-Moderator Patrick Budgen die Causa Harald Mahrer. Außerdem spricht sie über die mögliche Aufhebung der Diversion im Fall Wöginger und den Gesundheitsgipfel bei dem "nix" rausgekommen ist.
Patrick Budgen
Frau Doktor, haben Sie schon den November Blues eigentlich?
Anneliese Rohrer
Überstanden?
Patrick Budgen
Haben Sie schon überstanden? Wirklich?
Anneliese Rohrer
Ja, ja. Die letzten Tage waren ja herrlich. Sonne, nicht warm, aber Sonne. Wir warten jetzt auf den Dezember Blues
Patrick Budgen
Das heißt, auch die Innenpolitik kann Sie nicht in den Blues versetzen.
Anneliese Rohrer
Nein, im Gegenteil.
Patrick Budgen
Sie freuen sich auf heute, oder? Wir uns auch. Hallo und herzlich willkommen. Das ist Rohrer bei Budgen, der politische Podcast. An dieser Stelle wollen wir alle zwei Wochen die innenpolitischen Geschichten des Landes, die Aufreger, die Skandale, kurzum alles, worüber gesprochen wird, analysieren und einordnen. Wir, das bin ich, Patrick Budgen, seit 20 Jahren ORF Journalist und Moderator und sie muss sich wie immer nicht vorstellen, sie ist die Stimme im heimischen Innenpolitikjournalismus. Vielfach ausgezeichnet. Frau Dr. Anneliese Rohrer, hallo.
Anneliese Rohrer
Hallo.
Patrick Budgen
Ja, wir haben viel zu besprechen in dieser Woche. Natürlich der Prozess gegen August Wöginger, der nach der Diversion jetzt in die Verlängerung gehen könnte, Ein umstrittenes Symposium im Parlament, die Arbeitskreise zum Gesundheitssystem und natürlich das Thema Nummer eins derzeit, die negativen Schlagzeilen rund um Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer.
Ich würde also sagen, wir legen los mit Folge 18 von Rohrer bei Budgen. Frau Doktor, ich habe auf Blue Sky von unseren Hörerinnen und Hörern den Auftrag bekommen, ganz genau ihren Blick zu beschreiben, wenn Sie über die Causa Mahrer sprechen. Wie haben Sie denn reingeschaut, wie Sie da vorne erfahren haben?
Anneliese Rohrer
Ich musste schmunzeln, weil irgendwie ist die Causa Mahrer eine Bestätigung von gewissen Sachen in der Politik. Nummer eins, du sollst nicht lügen, weil, wie man bei Mahrer sieht, eine Lüge oder Halbwahrheit ist dann im Endeffekt schlimmer als die Tatsache, wenn er gleich gesagt hätte, wir haben versucht, euch hinters Licht zu führen, ist uns nicht gelungen, wir werden uns. Aber lügen. Und dann sind die zweiten Dinge schlimmer als die ersten. Ist beim Wöginger genau dasselbe. Und das zweite auch beim Wöginger ist, es ist nicht so sehr die Tatsache, die aufregt schon auch, aber es ist die Art, wie mit ihr umgegangen wird. Also der Herr Mahrer würde nie so in die Ziehung kommen. Und wenn man sich die Postings anschaut auf Kommentaren, also ich weiß nicht, wo der jetzt noch Freunde hat, dann merkt man, die Leute regen sich über seine Art auf, über die Art der letzten Jahre, nicht so sehr über die Nationalbank, das ist vielen wahrscheinlich gar kein Begriff, aber über die Art, über dieses Belehrende und das Besserwissende und das von oben herab. Nicht nur die Leute, sondern auch natürlich die Unternehmer. Ich meine, ich kenne jemanden oder habe von jemandem gehört, sagen wir so, die ist 30 Jahre Kammermitglied, zahlt 30 Jahre, weiß nicht wie viel. Dann braucht sie einmal etwas, geht zur Kammer und trifft niemanden, der ihr helfen will oder kann und jeder sagt, die kommen nicht aus und gehen dorthin und nehmen sich selber einen Rechtsanwalt. Das regt die Leute auf.
Patrick Budgen
Sie sagen, es geht mehr um die Art und Weise, wie damit umgegangen ist, als um die Tatsache an sich. Wobei die Tatsache an sich nämlich fangen wir vielleicht an mit diesem Gehaltsplus von 4,2 Prozent für die Mitarbeiter, das geplant war. Warum kommt da intern niemand auf die Idee zu sagen, Leidl, das ist keine so gute Idee in der Zeit.
Anneliese Rohrer
Naja, so viel ich gehört habe, sind schon Leute auf die Idee gekommen und wollten ihm das ausreden. Man müsste den Herrn Kopf zum Beispiel fragen, der Generalsekretär war und jetzt Kammerpräsident in Vorarlberg. Also so viel ich erfahren habe, sind, wurde er schon gewarnt.
Patrick Budgen
Warum hat er es trotzdem gemacht?
Anneliese Rohrer
Weil er die Losung ausgegeben hat, das stehen wir durch, die Aufregung wird sich legen. Und dann hat er sich einfach geirrt und das ist für einen Spitzenpolitiker natürlich nicht sehr fein, würde ich mal sagen.
Patrick Budgen
Der zweite Punkt, über den es viel Aufregung gibt, ist, dass die Funktionärsentschädigung um bis zu 60 Prozent erhöht wurde. Dieselbe Frage, wieso kommt dann niemand auf die Idee vorher? Das könnte vielleicht nicht so gut ankommen bei der Bevölkerung?
Anneliese Rohrer
Naja, weil die neuen Kammerpräsidenten, das hat man ja beim Wiener, was mich sehr erstaunt hat, ich habe den eigentlich anders eingeschätzt, den Wiener Kammerpräsident Ruck, hat man ja gesehen, weil die natürlich selber betroffen sind und dann wurde ihnen wahrscheinlich irgendwas erklärt. Auch das ist es irgendeine Formel, die jetzt und so und seinerzeit und wir haben das 30 Jahre nicht erhöht. Wirtschaftsleute, die 30 Jahre ihre Praxis nicht anpassen, nicht anpatzen, anpassen und dann nach 30 Jahren 60 Prozent. Was denken die sich? Was geht in solchen Wirtschaftsunternehmerhirnen vor sich?
Patrick Budgen
Sie haben übrigens jetzt den Vogel gezeigt mehrfach, nur weil unsere Hörer immer wollen, dass ich beschreibe, was sie gerade tun.
Anneliese Rohrer
Auf die Stirn geklopft.
Patrick Budgen
Na gut, man weiß, was Sie meinen. Harald Mahrer ist diese Woche ja dann vor die Presse getreten, hat ein bisschen mit den Tränen gekämpft und da hören wir kurz hinein in diese Pressekonferenz.
Patrick Budgen
Ich habe mich daher entschieden, meine Tätigkeit im Präsidium der Nationalbank abzuschließen und zwar nicht mit einer halbherzigen Lösung, wie Sie manche gefördert haben. Ich bin nicht für halbe Sachen zu haben.
Patrick Budgen
Wie beurteilen Sie denn seinen Auftritt da vor der Presse diese Woche?
Anneliese Rohrer
Wiederum muss ich ehrlich sagen, letztklassig. Ich meine, jemand, der sich so aufführt oder aufgeführt hat, nämlich befördert in der Kurz-Zeit und hofiert und was weiß ich was alles, der dann, Entschuldigung, wenn ich das jetzt sage, tut mir wirklich.
Patrick Budgen
Jetz bin ich gespannt.
Anneliese Rohrer
Aber der dann nicht Manns genug ist zu sagen, ich habe Mist gebaut und ich versuche jetzt das irgendwie wieder gerade zu biegen. Das war eigentlich, es hat einem richtig wehgetan, weil du willst keinen Vertreter der österreichischen Wirtschaft und Unternehmer, der eine so jammervolle Präsentation gibt. Willst du einfach nicht.
Patrick Budgen
Wir haben es in dem Ausschnitt gerade gehört. Er hat ja dann einen seiner drei Jobs zurückgelegt bei der Nationalbank. Er hat gemeint, er wolle keine halben Sachen machen. Ich habe mich ja dann gefragt, was war das bisher?
Anneliese Rohrer
Ja genau. Ich meine, seltene Einigkeit, würde ich sagen.
Patrick Budgen
Naja, wir sind uns schon öfter einig.
Anneliese Rohrer
Wir haben uns dieselbe Frage gestellt. Allein das.
Patrick Budgen
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Anneliese Rohrer
Ich mein, ist er drei Jahre oder wie lang ist er in der Nationalbank?
Patrick Budgen
Länger auf jeden Fall.
Anneliese Rohrer
Oder zwei Jahre, weiß ich nicht. Wurscht. Und dann sagt er, er will keine halben Sachen machen. Heißt das, dass er in der Nationalbank halbe Sachen gemacht hat? Was bitte bedeutet das für den Wirtschaftsort Österreich? Ich meine, irgendwie ist er aus der Spur geraten. Was ich menschlich verstehe, wenn jemand ein Selbstbild hat, so wie der Mahrer ich kann denen alles vorschreiben und macht und was weiß ich was und das wird dann beschädigt, dass der sich nicht mehr auskennt und dass er nicht mehr weiß, wer er ist, ist menschlich verständlich. Aber ich mein, willst du so jemanden als obersten Wirtschaftsvertreter haben, die wirklich gute Sache wäre gewesen, das habe ich falsch gemacht, weil er selber, so viel ich gehört habe, hat ja die ganzen Leute beruhigt und es wird Aufregung geben, aber macht euch nichts aus, es wird vorübergehen. Er selbst. Aber das spielt dann auch wieder rein in die österreichische Kultur kann man schon Fehler zugeben. Beim Wöginger genau dasselbe. Was lügt er vorher, was streitet da ab?
Patrick Budgen
Glauben Sie, kann Harald Mahrer mit diesem Schritt, den er da gesetzt hat, nämlich diesen Job, diesen gut dotierten Job bei der Nationalbank zurückzulegen, seine Kritiker besänftigen?
Anneliese Rohrer
Nein, natürlich nicht. Erstens einmal, weil wie gesagt, halbe Sachen in der Nationalbank kannst du halbe Sachen machen. Aber es geht ja um die vielen, nicht einmal um die Funktionäre, die sind alle irgendwie in ihrem Ding gefangen, aber um die vielen Unternehmer, Geschäftsleute, die Monat für Monat das abliefern müssen und keine Wahl haben. Ich wäre ja wirklich für einen Beitragsstreik. Geht wahrscheinlich rechtlich nicht, aber um die geht's.
Patrick Budgen
Was mich gewundert hat, er hat ja dann die Vertrauensfrage gestellt, den neuen Landespräsidenten in der Wirtschaftskammer und die haben ihm seinen Angaben nach alle das Vertrauen ausgesprochen. Können Sie sich da erklären, warum?
Anneliese Rohrer
Naja, weil sie wahrscheinlich ihre 50/60-prozentige Erhöhung nicht gefährden wollen, aber auch die ist ja nicht erklärbar. Da kommt er mit irgendwelchen Formeln und irgendwelchen Dingen daher. Das ist aus dieser Hybris heraus. Ich bestimme das und wenn ihr das nicht glaubt, seid selber schuld. Die Zeiten sind vorüber und ein junger, unter Anführungszeichen.
Patrick Budgen
Anfang 50 ist er.
Anneliese Rohrer
Ja, aber ein Vertreter der jüngeren Politikergeneration, sollte doch mehr Gespür haben zu wissen, diese Zeiten sind vorüber.
Patrick Budgen
Wie beschädigt die Harald Mahrer nach dieser Causa?
Anneliese Rohrer
Das kommt wahrscheinlich darauf an, mit wem Sie reden. Der Herr Ruck wird sagen, dem wird es vielleicht ganz recht sein, weil er dann besser auftreten kann. Wenn Sie mich fragen.
Patrick Budgen
Ich frage Sie.
Anneliese Rohrer
Ja, wenn Sie mich fragen, sage ich Ihnen sehr und sage, er hätte sofort zurücktreten müssen.
Patrick Budgen
Wie beschädigt ist die Wirtschaftskammer als Institution nach der ganzen Sache?
Anneliese Rohrer
Patrick, es werden jetzt Sachen rauskommen, die Leute werden reden anfangen. Das wird sich herausstellen, dass der Schaden für die Interessenvertretung und der Schaden für die Sozialpartnerschaft größer ist, als wir jetzt ahnen. Darf man auch nicht vergessen. Die Sozialpartnerschaft ist irgendwie so die Rückversicherung Österreichs, dass alles ruhig bleibt. Aber wenn die so agieren wie der Herr Mahrer, dann geht das ganze Vertrauen verloren.
Patrick Budgen
Aber was meinen Sie, die Leute fangen zum Reden an. Was glauben Sie, kommt da raus?
Anneliese Rohrer
Sachen, die kann man nicht leisten. So wie gesagt, wenn eine Geschäftsfrau hingeht und die kommen nicht aus, nehmen Sie sich einen Rechtsanwalt und die geht weg und denkt sich, was macht die eigentlich den ganzen Tag? Die müsste das doch wissen, ist eine Rechtsfrage und dann werden solche Sachen hochkommen, wo die Leute sich nicht vertreten fühlen.
Patrick Budgen
Wie sehr ist das Ganze denn aus Ihrer Sicht auch eine Causa der ÖVP? Schließlich ist, wie Sie schon gesagt haben, Harald Mahrer ja ein hoher Parteifunktionär auch.
Anneliese Rohrer
Ja, total. Ich meine, verstehe, dass die nichts dazu sagen, dass ihnen nichts mehr einfällt. Das kann ich nachvollziehen. Aber natürlich, wie willst du das von der ÖVP wegkriegen? Die Kammer ist die ÖVP, der Wirtschaftsbund ist die ÖVP. Ich mein, solche Wolken kannst du nicht einmal in Österreich schlagen, dass dir das jemand abnimmt.
Patrick Budgen
Noch dazu ist es ja spannend, weil die Parteilinie der ÖVP die letzten Monate die ganze Zeit ist, wir müssen sparen, sparen, sparen. Alle müssen einen Beitrag leisten und dann macht man genau das Gegenteil, oder?
Anneliese Rohrer
Ja, also nicht nur der Herr Mahrer selber Niedriglohnabschlüsse gehört, sondern die ÖVP sparen, sparen, sparen. Und dann glaubt man, man kommt mit dem durch. Und noch dazu, Patrick, das ist überhaupt das Schlimmste an der Sache ist es einfach nicht wahr. Die Verschiebung von 4,5 Prozent auf Juli 2026 bedeutet nicht die 2,1 Prozent, sondern bedeutet, dass die nächsten Abschlüsse auf der Basis von 4,5 Prozent sind. Das heißt, er spart sich gar nichts. Das heißt, er hat wieder versucht, den Leuten Sand in die Augen zu streuen, indem er Ja, wir halbieren das, die halbieren das überhaupt nicht.
Patrick Budgen
Wobei ja gemeint hat, an der Formel soll gearbeitet werden, die soll überarbeitet werden.
Anneliese Rohrer
Jetzt kommt er drauf. Er ist für keine halben Sachen. Warum kommt er jetzt drauf? I rest my case.
Patrick Budgen
Schade, dass wir noch keinen Videopodcast haben. Es lohnt sich auch die Frau Doktor zu sehen beim Analysieren. Wir haben schon kurz über ihn gesprochen bzw. Sie und ich würde das gerne jetzt vertiefen, nämlich August Wöginger. Kurz nach unserem letzten Podcast, wie wir hier gesessen sind, ist bekannt geworden, dass der Prozess gegen ihn möglicherweise in die Verlängerung gehen wird, denn die WKStA, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft musste die Version überprüfen. Hat sie das überrascht?
Anneliese Rohrer
Ja, ich muss sagen, positiv überrascht, aber als erste Reaktion, als zweite Reaktion vielleicht weniger, weil wie lief das ab? Die Oberstaatsanwaltschaft hat gesagt, die Staatsanwaltschaft muss Einspruch erheben, was ja am Anfang schon komisch war. Zuerst wollte sie keine Diversion, dann wollte sie plötzlich eine Diversion und die Justizministerin von der SPÖ hat es genehmigt. War wieder Aufregung. Aber was hätte sie machen sollen? Wenn sie es abdreht, die Überprüfung, dann sagt ganz Österreich und wir zwei auch das nächste Mal, Parteischacher, was weiß ich, Parteiraison oder Koalitionsräson und eigentlich hätte sie müssen und so. Da kann man niemandem verübeln, dass sie ihr Standing da rausgehalten hat. Wird man sehen. Noch einmal selber schuld. Hätte er nicht gelogen von Anfang an, wäre das Ganze vielleicht in einem Freispruch geendet.
Patrick Budgen
Die Oberstaatsanwaltschaft hat ja eben, Sie haben schon gesagt, gemeint, die Voraussetzungen für eine Diversion seien nicht gegeben und hat das begründet damit, dass ein hohes Maß an krimineller Energie zu sehen war beim Herrn Wöginger und das Verhalten, das Vertrauen in staatliche Institutionen erschüttert habe. Sehen Sie das auch so dramatisch?
Anneliese Rohrer
Ja, aber ein bisschen spät, würde ich sagen. Das hätte man schon seit Jahren so dramatisch sehen können. Also ich finde es mit der hohen kriminellen Energie, das finde ich irgendwie nicht in Ordnung. Da wollte sich jemand populär machen, weil eine hohe kriminelle Energie bei einer Praxis, die faktisch die Basis des österreichischen politischen Geschehens und der Postenvergabe ist, finde ich ein bisschen überzogen.
Patrick Budgen
Was traurig genug ist.
Anneliese Rohrer
Ja, was traurig genug ist. Das hätte man aber auch so formulieren können, nämlich so, dass die Leute verstehen, es muss Schluss sein. Hohe kriminelle Energie.
Patrick Budgen
Die Rede ist in diesem Zusammenhang auch immer wieder von der Generalprävention. Vielleicht können Sie unseren Hörerinnen und Hörern mal erklären, was das eigentlich genau bedeutet.
Anneliese Rohrer
Naja, wenn man sagt, das war Postenschacher und man bestraft das ausreichend, kann man hoffen, dass sich der Nächste, der zum Hörer greift und via Telefon Postenschacher betreibt, sich das zehnmal überlegt. Das ist die Generalprävention.
Patrick Budgen
Und würde das wirken?
Anneliese Rohrer
Also, wenn ich Ihnen eine Ohrfeige gebe und ich werde dafür sehr hoch bestraft.
Patrick Budgen
Dann gibt mir hoffentlich keiner mehr ein. Na gut, das Oberlandesgericht Linz muss jetzt entscheiden, ob das Gerichtsverfahren weitergeht oder nicht. Vermutlich innerhalb der nächsten Wochen wird es eng für August Wöginger.
Anneliese Rohrer
Es ist anzunehmen, aber wieder aus demselben Grund. Ich meine, ich wiederhole mich, aber wieder aus demselben Grund. Hätten Sie von Anfang an das anders gehandelt, dann müssten sie sich da jetzt keine Sorgen machen.
Patrick Budgen
Hätte hätte Fahrradkette, sagt man. Haben Sie das Gefühl eigentlich August Wöginger zeigt sich beeindruckt von all dem, was da passiert jetzt?
Anneliese Rohrer
Naja, ich habe schon das Gefühl, dass er ein bisschen betroffen ist, aber im Sinn von Unverständnis, im Sinn von, das haben wir immer so gemacht. Warum bin ich jetzt plötzlich der Böse mit der hohen kriminellen Energie? Die ganze Republik basiert auf dieser Praxis.
Patrick Budgen
Sehr leise, finde ich. Vielleicht korrigieren Sie mich, sind die anderen Parteien, also Sigi Maurer habe ich gelesen, hat zum Beispiel gesagt, der Klubobmann ist Sache des jeweiligen Klubs. Warum hört man da so wenig kritische Töne?
Anneliese Rohrer
Naja, das ist überhaupt noch einmal zurück zu Mahrer, das sind zwei ähnlich gelagerte Geschichten zu analysieren, auch bei Mahrer. Warum thematisieren die Neos nicht, was sie immer wollten? Die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft, warum nicht? Brauche ich eine Verfassungsmehrheit? Ja, kann ich die mit den Grünen vielleicht kriegen? Ja. Hast du nichts gehört? Und beim Wöginger mit der Maurer ist halt wahrscheinlich auch persönlicher, weil die hat ja fünf Jahre sehr eng mit ihm gearbeitet und hat wahrscheinlich von ihm sehr viel gelernt. Und wie man sieht, sind auch die Grünen nicht fern von der Versorgungsmentalität der eigenen Leute im Posten.
Patrick Budgen
Wen meinen Sie da jetzt?
Anneliese Rohrer
Naja, die Gewessler zum Beispiel, die noch schnell vor Ende der Koalition ihre Leute untergebracht hat auch. Es taucht zwar hier und da auf, die Justizministerin, die Kabinettschefin in der Abteilung, so ja.
Patrick Budgen
Meine Oma hat immer gesagt, wer am Trog sitzt, frisst wer.
Anneliese Rohrer
Was?
Patrick Budgen
Meine Oma hat immer gesagt, wer am Trog sitzt, frisst.
Anneliese Rohrer
Ja, natürlich, stimmt, oder? Aber ich bringe jetzt nicht meine Kinderfrau wieder daher.
Patrick Budgen
Na bitte, tun Sie nur.
Anneliese Rohrer
Die zwei Kinder hatte und ich sage, wieso die zwei Bücher hatte, Rot und Schwarz und ich wieso haben Sie zwei Parteibücher? Sagt ich hab zwei Kinder. Ewig. Das wird wahrscheinlich jetzt nicht mehr so sein, weil die Parteien nicht mehr so viel zu vergeben haben. Aber das ist in den Köpfen der Leute drin.
Patrick Budgen
Haben Sie schon mal eigentlich das Wort gehört? Jemanden wögern?
Anneliese Rohrer
Nein.
Patrick Budgen
Das steht zur Wahl beim Wort des Jahres bedeutet so viel wie jemandem zu einem Job verhelfen, der nicht dafür qualifiziert ist. Wird sich das einbürgern bei Ihnen?
Anneliese Rohrer
Naja, nein, da bin ich oldschool. Ich finde, mit Nachnamen soll man keine Scherze treiben.
Patrick Budgen
Na gut, machen wir nicht. Sprechen wir als nächstes über einen Mann, der eigentlich schon relativ lange nicht mehr vorgekommen ist in unserem Podcast, nämlich der erste Parlamentspräsident Walter Rosenkranz.
Anneliese Rohrer
Deshalb habe ich so Entzugserscheinungen.
Patrick Budgen
Ist er Ihnen schon abgegangen?
Anneliese Rohrer
Ja, ja, absolut.
Patrick Budgen
Es geht um das umstrittene Dinghofer-Symposium, das gestern am Dienstag im Parlament stattgefunden benannt nach Franz Dinghofer. Vielleicht können Sie mal erklären, wer war dieser Mann?
Anneliese Rohrer
Franz Dinghofer war meiner Kenntnis nach Bürgermeister von Linz und dann in den 30er Jahren Gerichtspräsident und bekennender Antisemit. Und da fängt schon wieder die Fälschung an, wie der Herr Prof. Radkolm unlängst erklärt hat, weil die FPÖ sagt, die anderen betreiben Geschichtsfälschung. Der Dinghofer wurde von den Nazis als Gerichtspräsident abgelöst und verfolgt, so irgendwie wollen Sie den Eindruck vermitteln. Die Wahrheit ist aber vielmehr, der ganze Gerichtshof wurde aufgelöst, deshalb hat er den Job verloren und er ist danach, nachdem er 38 ist der Gerichtshof aufgelöst worden, 40 ist er der NSDAP beigetreten und niemand bestreitet, dass er ein bekannter und bekennender Antisemit war. Und die Sache, die der Herr Rosenkranz wieder betreibt, ist einfach provozieren, schauen, wie weit ich gehe. Ich meine, da kann man jetzt eine Liste machen vom Gemälde in sein Büro vom Nazi-Maler. Also du kannst das alles aufzählen.
Ich mein, das verstehe ich auch nicht. Ein erwachsener Mann, zweiter Mann im Staat kann nicht aufhören, politisch zu provozieren. Es stimmt, das Dinghofer-Symposien hat seit, weiß ich nicht wie vielen Jahren, seit 15 Jahren im Parlament, aber immer im Rahmen der FPÖ allein und nie vom ersten Präsidenten, der ja alle zu vertreten hat. Und der Herr Rosenkranz ist offenbar wild entschlossen, nicht alle zu vertreten, sondern die anderen ständig zu provozieren.
Patrick Budgen
Warum macht er das, glauben Sie?
Anneliese Rohrer
Ich nehme an, nicht einmal dem Kickl zuliebe. Ich nehme an, das ist einfach seine Überzeugung. Traurig genug.
Patrick Budgen
Die FPÖ und Rosenkranz, Sie haben es eh schon kurz angesprochen, haben die Veranstaltung verteidigt und haben gesagt, man könne trotzdem die positiven Dinge an einem Menschen sehen, trotz der Schattenseiten. Lassen Sie das gelten?
Anneliese Rohrer
So wie es gesagt wird? Ja, natürlich.
Patrick Budgen
In dem speziellen Fall.
Anneliese Rohrer
Nein, in dem speziellen Fall hätte der FPÖ-Klub das gemacht und dann hätte sich jemand aufgeregt. Dann würde man sagen, warum, jetzt kommt ihr drauf? Was ist mit den halben Sachen vorher? Aber so war es ja nicht. Er hat das absichtlich zu sich gezogen. Das muss er nicht machen als erster Präsident. Das hat er von Anfang ersten Tag an mit der Orbán Einladung nur für die FPÖ. Ich weiß nicht, was ihm da treibt. Berühmt kann er damit nicht werden.
Patrick Budgen
Viel geredet über ihn wird trotzdem ja.
Anneliese Rohrer
Wahrscheinlich, so wie wir immer.
Patrick Budgen
Aber hätte es nicht trotzdem schon früh einen Aufschrei gebraucht, selbst wenn das in den Clubräumlichkeiten der FPÖ ist, wenn das so ein Antisemit, NSDAP Mitglied war, der da quasi gehuldigt wird. Also hättest du nicht schon früher einen Aufschrei gebraucht? Parlament ist ja schließlich Parlament, oder?
Anneliese Rohrer
Ja, hätte früher. Aber da haben sie halt alle geschlafen.
Patrick Budgen
Gut, kommen wir zum nächsten Thema. Es gibt kaum ein Thema, über das in der Politik heuer so viel gesprochen wird, wie über das Budgetdefizit diese Woche sorgt wieder für Schlagzeilen, denn das Defizit dürfte noch höher, wieder mal noch höher ausfallen als gedacht. 4,9 statt 4,5 Prozent. Frau Doktor, was ist jetzt schon wieder passiert?
Anneliese Rohrer
Passiert ist, dass offenbar die Wiener nachgereicht haben. Die Erhöhung ist absolut nur dem Wiener Budget geschuldet und das ist irgendwie explodiert. Entweder haben sie das unter der Decke gehalten oder es wollte wieder niemand sehen bis zum letzten Moment – hatten wir schon vor einem halben Jahr. Aber irgendwann muss es jemandem, vielleicht dem Herrn Bundespräsidenten, auffallen, dass das so nicht geht, dass du immer falsche Zahlen vorlegst und sagst, Ha, um Gottes willen schon wieder höher. Habe ich nicht gewusst. Auch der Finanzminister, Bin überrascht. Das kannst du den Leuten auf die Dauer nicht zumuten.
Patrick Budgen
Was würden Sie vom Herrn Bundespräsidenten erwarten, wenn sie ihn ansprechen?
Anneliese Rohrer
Dass er die alle in die Mathematiknachhilfe schickt, weil du kannst ja niemandem erklären, warum die Zahlen nicht anständig gelesen werden und addiert werden und immer zuerst die Beschwichtigung wie im Herbst und dann: Um Gottes willen! Plötzlich höher!
Patrick Budgen
Aber ich kenne mich wirklich nicht mehr aus, wem man da glauben soll, weil Sie gerade Wien angesprochen haben. Der Wiener Bürgermeister hat den Ball ja zurückgespielt an den Bund, hat gemeint, der Großteil der Neuverschuldung liegt beim Bund. Was stimmt da jetzt?
Anneliese Rohrer
So viel ich erlesen habe und verstanden hab, ist die letzte Erhöhung hat nichts mit dem Bund zu tun, sondern eben mit den Ländern, sagt man, dabei in Wahrheit mit Wien.
Patrick Budgen
Wie kann es aber sein, dass das Finanzministerium so wichtige Zahlen erst so spät erfährt? Da stimmt ja was im System nicht, oder?
Anneliese Rohrer
Da haben Sie völlig recht. Ich weiß ja gar nicht, ob Sie es so spät erfahren haben, ob Sie es nicht nur unter der Decke gehalten haben und dann, wenn es nicht mehr geht, eben überrascht tun. Und sagen, wo kommen diese Zahlen her? Wir haben sie nicht gesehen. Ich glaube, man tut den Beamten im Finanzministerium sehr unrecht, würde mich nicht überraschen. Aber das kann man in Österreich nicht haben, dass jemand aufsteht und Herrschaften, wir haben dem Bundeskanzler und dem Finanzminister schon informiert, weil jeder an seine Karriere denkt, natürlich
Patrick Budgen
Wenn es jemanden gibt, der das auch anonymisiert machen will, herzlich willkommen bei uns, oder wir haben einen Platz hier frei.
Anneliese Rohrer
Jederzeit.
Patrick Budgen
Aber was heißt das jetzt für uns Steuerzahler? Kommen jetzt noch mehr Einsparungen auf uns zu, wenn das Budget jetzt noch höher ist?
Anneliese Rohrer
Ja, also ich glaube, dass es nicht mit Steuererhöhungen allein zu stopfen ist, aber irgendwer schreibt her mit der Troika, her mit der Troika. Wir schaffen das nicht allein und das ist wahrscheinlich wahr. Es gibt viel zu viel Abhängigkeiten und Rücksichten und Klientelpolitik, dass wir nicht in der Lage sind, es so zu schaffen wie zum Beispiel Griechenland.
Patrick Budgen
Also es bräuchte Hilfe von außen, von unabhängigen Experten.
Anneliese Rohrer
Ja, vor allem die österreichische Politik braucht immer jemanden, dem sie die Schuld gibt. Dann kannst du sagen, die Troika ist schuld.
Patrick Budgen
Eine Möglichkeit zu sparen wäre ja bei der Verwaltung und beim Föderalismus, wie seit Jahrzehnten diskutiert wird. Und da sind wir auch schon beim nächsten und letzten Thema für heute, nämlich dem Spitalswesen. Nachdem eine Frau, Sie haben alle diese furchtbare Geschichte mitbekommen, in Oberösterreich gestorben ist, nachdem es kein freies Intensivbett mehr für sie gegeben hat, hat ein Gesundheitsgipfel stattgefunden mit der Gesundheitsministerin und allen Landesreferenten. Was ist denn dabei rausgekommen?
Anneliese Rohrer
Nichts. Der ewige Satz in Österreich, wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis. Das ist seit Kreiskys Expertenrunden ständig. Aber noch einmal, genauso wie bei Mahrer, was denken die sich? Ich muss ehrlich sagen, ich muss meine positive Beurteilung der Frau Schumann zurücknehmen.
Patrick Budgen
Sie waren ja Fan von ihr, bis jetzt.
Anneliese Rohrer
Ich war ein Fan, weil mir gedacht so Gewerkschafterin, so wie seinerzeit die Franziska Faas, die macht einfach was richtig ist, muss ich zurücknehmen, weil auch da, nach all diesen Vorfällen muss ich doch wissen, dass sie die Öffentlichkeit nicht abspeisen kann. Es beginnt im Jänner ein Arbeitskreis, sich damit zu beschäftigen, aber auch mit Sachen, die seit Jahrzehnten bekannt sind. Ich meine, man kann den Spitalsplan der Frau Rauch-Kallat aus den er Jahren hervornehmen. Das ist nicht unser Problem. Unser Problem ist, dass keiner das durchsetzt und keiner in Angriff nimmt. Da brauche ich keinen Arbeitskreis dazu und dann nicht einen großen Gipfel einberufen und mir dann die Blamage antun in meinen Arbeitskreis und das in ein paar Monaten.
Patrick Budgen
Und die ersten Ergebnisse, habe ich gelesen, soll es überhaupt erst im zweiten Quartal 2026 geben. Also vielleicht, ich meine, Sie haben es schon ein bisschen beantwortet, aber warum lässt man sich da so viel Zeit bei so einem dringenden Thema?
Anneliese Rohrer
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es an fehlender Expertise liegt im Gesundheitsbereich, weil es an viel zu viel Sachen schon am Tisch. Ich kann mir nur vorstellen, dass man sich wieder vor Reformen zurückscheut und das stimmt schon auch, die die Leute zwar verlangen, aber im Endeffekt nicht akzeptieren, dass man wieder zurückscheut, festzulegen, welche Spitäler man umorganisieren muss oder auflösen muss und so. Das stimmt, wie wir in der Steiermark gesehen haben. Einsparungen im Gesundheitsbereich haben FPÖ in Liezen zum Beispiel 63 Prozent gebracht. Dann kann ich jetzt mein Hobby-Pferd aufmunitionieren und reiten. Im Endeffekt kommt alles auf die Leute zurück. Im Endeffekt kommt alles auf die Gesellschaft zurück. Wenn die Gesellschaft nicht akzeptiert, dass sie vielleicht oder länger zu einem Spezialisten braucht als in das kleine Spital nebenan und das politisch bestraft, diese Reformen, die notwendig sind, da braucht es schon sehr mutige Politiker und die haben wir nicht, die sagen, und trotzdem, es ist das Geschrei nach Reformen im Gesundheitsbereich irrsinnig laut und das seit Jahr. Jedes Mal, wenn irgendwas durchgesetzt werden soll, wird bei der nächsten Wahl bestraft. Also die Leute müssen sich schon selber fragen.
Patrick Budgen
Es wird ja in letzter Zeit immer wieder darüber diskutiert, die Agenten des Gesundheitssystems entweder ganz dem Bund oder ganz den Ländern zu geben. Wäre das eine Möglichkeit?
Anneliese Rohrer
Ja, sicher. Alles was Entflechtung und Klarheit bringt, wäre eine Möglichkeit.
Patrick Budgen
Und besser beim Bund, oder?
Anneliese Rohrer
Die Gesundheit besser beim Bund.
Patrick Budgen
Warum?
Anneliese Rohrer
Naja, weil das eine viel zu komplizierte Geschichte ist und eben das Klientelpotenzial im Gesundheitsbereich irgendwie größer ist als in den Schulen. Bei den Schulen, leider Gottes, sagen wir es so, ist nicht diese emotionale Aufmerksamkeit, leider. Sollte sein, ist aber nicht wie zum Beispiel im Spitalsfest.
Patrick Budgen
Ich habe nicht mitgezählt, aber so oft wie heute haben Sie sich noch nie auf den Kopf gegriffen bei unserer Podcast Aufnahme, Frau Doktor. Vielen Dank. Das war Rohrer bei Budgen Folge Nummer 18, vielen Dank für die wie immer sehr pointierte Analyse. Dankeschön. Unserem Producer Manuel sagen wir wie immer danke für den guten Ton und bei Ihnen bedanken wir uns fürs Zuhören, wo auch immer Sie uns zuhören. Bis zum nächsten Mal in zwei Wochen. Wir freuen uns auf Sie.
Autor:in:Lara Marmsoler |