Bühneneingang
New Work, Diversität und die "Kunst des Aushaltens": Arbeitskultur in der Kultur - mit Pamela Rath
Als Expertin für New Work, Diversität und Female Leadership berät und prägt Pamela Rath das Personalwesen von großen Organisationen. Ihre Analysen haben sie zu einer der wichtigsten österreichischen Influencer*innen für Human Resources gemacht. Nun hat Pamela Rath ihre Erfahrungen in ein Buch gegossen, das bezeichnenderweise "Die Kunst des Aushaltens" heißt. In Folge 41 zeigt sie auf, wie man das "Aushalten" in den Kulturbetrieb überträgt und welche Potenziale ein sensibler Umgang mit dem Thema Personal auch dort freisetzen könnte.
Fabian Burstein
Hallo und herzlich willkommen am Bühneneingang. Mein Name ist Fabian Burstein, ich bin Kulturmanager und Autor und in diesem Podcast zeige ich euch den Kulturbetrieb von innen, so wie er wirklich ist. Mein heutiger Gast ist Pamela Rath. Als Expertin für New Work und Diversität berät und prägt sie das Personalwesen von großen Organisationen. Sich selbst beschreibt sie ich führe ein klassisch konservatives Leben, AHS, Uni, Hochzeit, Kinder, Katzen, wohne am Wiener Stadtrand. Ich bin schwarz, aber autochthon, traditionell österreichisch erzogen. Ich gehöre zur Generation x, verstehe mich als intersektionale Feministin und Philanthropin und ich bin eine Verfechterin von Diversity und von Female Leadership.
Es ist wohl genau diese Mischung aus Expertise und persönlichen Einblicken, die Pamela Ra zu einer der bekanntesten HR Influencer innen Österreichs gemacht hat. Mit Die Kunst des Aushaltens tritt sie nun auch als Autorin in Erscheinung. Wir besprechen heute, was all das mit der Kultur zu tun haben könnte. Liebe Pamela, herzlich willkommen im Bühneneingangsstudio.
Pamela Rath
Herzlichen dank für die Einladung.
Fabian Burstein
Ich habe zu Beginn eine ganz grundsätzliche Frage. Du bist eine ausgewiesene Expertin in der Personalberatung und im Recruitment. Und ich bin ein bisschen verwirrt, weil ich habe mitgenommen, dass es bei der Fachkräftesuche heutzutage um Selbstverwirklichung geht. Darum, dass man denen, die diese Arbeit machen soll, möglichst viele frei und Spielräume und auch Exiträume gibt. Was hat dich dazu bewogen, gerade jetzt ein Buch über die Kunst des Aushaltens zu schreiben? Was ist da die zentrale These und warum ist das Aushalten dann doch wieder so relevant?
Pamela Rath
Das Thema Aushalten hat sich eigentlich weniger jetzt, also in der Eingangsphase, weniger im Arbeitskontext aufgedrängt, als eigentlich eher im globalen gesellschaftspolitischen Kontext. Grundsätzlich glaube ich, dass es in allen Lebensbereichen relevant ist. Aber das, was sich wirklich für mich aufgedrängt hat oder wo ich das aushalten für mich in Frage gestellt habe oder wo ich mich dann aktiv damit beschäftigt habe, war wirklich gesellschaftspolitisch. Und da geht es darum, auch im Buch, dass ich der Meinung bin, wir erleben es ja gerade, was in Amerika los ist, dass es sein kann, dass wir mitten in einer Zeitenwende sind. Also wirklich, dass das, was jetzt gerade passiert, mehr oder weniger irreversible Änderungen in der Art, wie wir leben, der Art, wie wir denken, in der Art, wie wir wirtschaften, hervorrufen kann. Es ist immer noch ein kann, es ist noch zwingend ein Muss, aber wir können es sehen. Und ich glaube, wir haben noch Spielraum, aber wir können sehen, wohin die Reise gehen könnte oder wohin die Reise geht.
Und da habe ich einfach für mich beschlossen, ich möchte es, wenn es schlimm wird, aushalten können. Und hab gemerkt, auch retrospektiv, dass ich jetzt aber keine Weltmeisterin im Aushalten bin. Es gibt Dinge, die ich gut aushalten kann, aus diversen Gründen, aus einer ganz persönlichen Vorgeschichte. Und dann gibt es Dinge, die ich überhaupt nicht aushalten kann. Ich habe mich es gibt aber so viele Menschen, die wahnsinnig gut im Aushalten sind, in unterschiedlichsten Disziplinen, Perspektiven. Und dann gibt es Menschen, die sich weniger leicht damit tun. Aber ich glaube, und das sieht man ja auch jetzt in Amerika, es braucht aber für so eine Anstrengung ein kollektives Aushalten.
Wenn wir, die jetzt unter Umständen die anderen sind nämlich die, die noch an eine, ich sage es jetzt einmal ganz provokant, noch an eine eurozentristische, liberale Demokratie glauben. Wenn wir das aushalten wollen, müssen wir uns überlegen, wie. Und darum ist es eigentlich gegangen. Das ist das große, große Bild am Ende des Buches. Aber ich sage es gleich, das ist kein Ratgeber, es ist kein klassisches Sachbuch, sondern es ist, ich sage immer, eine Einladung zum Diskurs, weil ich finde, dass wir als Gesellschaft, wir auch z.B. als Eltern, ich mache mir auch Gedanken um meine Kinder, dass wir einfach darüber sprechen müssen, dass es unter Umständen das Leben anders werden wird. Dass wir unter Umständen an Wohlstand verlieren könnten, dass wir unter Umständen unsere Freiheit verlieren könnten, dass wir im schlimmsten Fall, wir haben es gesehen, also Krieg ist nicht weit weg.
Also wer weiß, was in den nächsten 20 Jahren alles passieren kann, auch hier in Mitteleuropa. Und dementsprechend schlage ich vor, wir reden über das Aushalten.
Fabian Burstein
Das ist auch der Grund, warum ich dich unbedingt einladen wollte, weil tatsächlich diesen Diskurs, den du beschreibst, der ist omnipräsent in der Kunst und Kulturszene auch. Nämlich anhand der was bedeutet dieses Aushalten eigentlich? Bedeutet aushalten in den heutigen Zeiten mit illiberalen Strömungen, mit auch wirklich aggressiven Einschränkungen von gewissen Meinungsfreiheiten etc. Bedeutet das, dass wir kämpfen müssen, also einen hochpolitischen Kunst und Kulturbegriff entwickeln müssen und dagegen ankämpfen müssen? Oder bedeutet das, dass wir uns davon nicht beirren lassen dürfen und unser Kunst und Kulturding in sich ruhend durchziehen, egal ob um uns herum die Welt untergeht. Wie kannst du dieser Szene helfen, diese Frage schlüssig zu beantworten?
Pamela Rath
Der erste Impuls ist, auf die Frage zu es muss beides gelingen oder es wird beides gelingen müssen. Ich glaube, das ist so eine. Das beschreibt einfach aus meiner Sicht, die generelle Haltung im Leben ist für mich die Ambiguität. Es geht nicht mehr. Es geht derzeit in der aktuellen Komplexität, es geht nicht mehr in richtig und falsch, in schwarz und weiß, das auseinanderzuhalten, in plus und minus. Es geht aus meiner Sicht derzeit immer nur mit sowohl als auch. Und das ist eigentlich die größte Schwierigkeit.
Die Menschen tun sich damit schwer, dass sie keine eindeutigen Antworten mehr kennen, keine eindeutigen Meinungshoheiten, die Orientierung fehlt. Und der Auftrag ist, ich muss mich selbst schlau machen. Und hier ist natürlich die größte Gefahr, dass viele, die dieses Vakuum erkennen, natürlich versuchen, Menschen in ihren Bann zu ziehen, indem sie Pseudoorientierung vorgeben. Ich glaube, das ist genau das, was Kunst und Kultur jetzt machen soll. Erstens, wie immer schon, den Spiegel der Gesellschaft vorhalten, auch provokant zu sein, weil nur wenn es weh tut, schaut man hin. Aber auf der anderen Seite eben das aushalten im Sinne es kann sein, dass wir vielleicht auch Zensur erleben, ich weiß es nicht, ich spreche es einfach mal aus. Und dann aushalten, dass die Bühnen sich verlagern werden müssen, aushalten, dass man, wie soll ich sagen, vielleicht irgendeine Form von Untergrundwahrnehmung herstellen muss, aushalten, dass sich etwas verändert.
Also in Wahrheit geht es beim Aushalten immer um Veränderung. Und es geht bei der Veränderung darum, ob die Veränderung selbst herbeigeführt wurde, quasi freiwillig und in Eigenverantwortung, oder ob sie fremdgesteuert ist. Das ist eigentlich das einzige, worum es geht, sich darüber Gedanken zu machen. Weil daraufhin sollte man dann entscheiden, wenn es z.B. fremdgesteuert ist, wie stark kämpfe ich dagegen oder wie lang kann ich mitgehen? Weil man muss eigentlich nur wissen, wo ist schneller die Grenze des Aushaltens erreicht, im Kampf oder im Aushalten?
Fabian Burstein
Das ist ein sehr interessanter Punkt, der mich auch sofort triggert. Ich war kürzlich in einer Runde, wo auch sehr bekannte Juristen dabei waren, in einer zivilgesellschaftlichen Runde. Und da gab es auch die ganz klare Botschaft, wir haben dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass wir, wenn der Moment käme, beispielsweise, wo wir eine rechtspopulistische oder rechtsradikale Regierung haben, dass wir im Vorgang verhindern könnten, dass das Auswirkungen auf all unsere Lebensbereiche hat. Es gibt keinen Schutzschirm davor, es würde passieren. Was wir nur tun können, ist, uns darauf vorzubereiten und zu begünstigen, dass diese Konsequenzen im Rahmen unseres rechtlichen, demokratischen Kosmos nicht zu radikal ausfallen. Das ist genau das eigentlich, was du sagst, oder?
Pamela Rath
Das Schlimme ist ja, dass als ich, also der Prozess des Buches, ich sage es ganz offen, das Projekt hat knapp drei Jahre gedauert. Also so lange beschäftige ich mich schon mit dem Thema. Und im Endeffekt war das auch, sich eben damit auseinanderzusetzen, was wäre, wenn wir in Österreich die erwartbare rechtsradikale Regierung bekommen. Jetzt haben wir sie nicht bekommen, haben eine kurze Durchschnaufpause, aber das, was in Amerika gerade passiert, das war ja, als ich begonnen habe, damit noch gar nicht absehbar. Und ganz ehrlich, ich habe es auch nicht. Also ich habe nicht daran geglaubt, das habe ich nicht kommen sehen. Ja, es war ein.
Es war eine Möglichkeit, dass es Trump werden kann. Es war eine Möglichkeit, dass er zurück zu dem kommt, was er schon in der ersten Amtszeit alles gemacht hat. Aber die Auswüchse jetzt, ich habe es nicht kommen sehen. Ich weiß nicht, ob es wirklich viele Kenner auch so in der Drastik ist das ein Wort, gesehen haben. Aber aus meiner Sicht ist das jetzt ideal, dorthin zu schauen und zu schauen, wie halten es die Amerikaner aus, wie halten es die Demokraten aus? Ich glaube, die üben sich gerade sehr stark im Aushalten und konsultieren gerade alle Möglichkeiten des Aushaltens bis zum Widerstand. Das heißt, wann ist der Kipppunkt oder was kann man, was soll man aushalten, um sich dann z.B. auf einen Widerstand vorzubereiten? Das heißt, da ist auch eine große Debatte im Sinne kann man oder soll man Aktionismus vermeiden? Soll man eben aushalten, um sich besser vorzubereiten? Also es sind Fragen und ich glaube, es gibt keine Antwort, weil es jedes Mal abhängig davon ist, wo, in welcher Situation, in welcher Phase, in welcher Problematik man steht. Wie gesagt, wir haben jetzt einmal nur über politische Dimensionen gesprochen, aber das gleiche gilt für Krankheiten, das gilt für Trauer, das gilt für schlechte Beziehungen, das gilt auch für den Arbeitsplatz, den du angesprochen hast, wo mein Haupttätigkeitsfeld ist. Wie lang soll man in einem schlechten Arbeitsumfeld bleiben? Oder ist es vielleicht gar nicht so schlecht und man kann vielleicht an kleinen Schrauben etwas ändern, um es aushaltbarer zu machen, erträglicher zu machen.
Fabian Burstein
Da möchte ich gleich ins Konkrete kommen. Wir haben tatsächlich in diesem Podcast immer wieder auch das Thema Machtmissbrauch gehabt, auch in Kooperation mit der Dunkelkammer von Michael Nikbakhsh. Wir haben die Causen Theater in der Josefstadt und Theater in der Jugend hier unter anderem behandelt. Und da ist schon auffällig, da ging es ganz oft um das Aushalten. Und zwar um das Aushalten teilweise über mehrere Jahre, Jahrzehnte, weil das verstetigte Systeme des Machtmissbrauchs waren, die auch ein bisschen mit diesem Genie Kult zu tun haben, den großen Intendantinnen, die dann so sein müssen, damit das künstlerische Produkt so überirdisch gut wird etc. Ich könnte mir vorstellen, dass wenn man dort den Betroffenen anrät, quasi das Aushalten zur Kunst zu machen, dass man unter Umständen sogar empört reagiert, weil man sagt, wir haben das jetzt schon lang genug ausgehalten, wir müssen lernen, wie wir das überwinden können. Ist das genau dieser Kipppunkt, den es auszuloten gilt, von dem her du gesprochen hast?
Pamela Rath
Es kommt einfach darauf an, weil es im Endeffekt geht es beim Aushalten darum, ob ich ein Ziel habe, ob ich ein persönliches Ziel hab. Gibt es irgendetwas, was ich erreichen möchte damit? Wenn es ein positives Ziel ist, ich sage jetzt Hausnummer, das Beispiel, das du gerade gebracht ich habe eine große Karriere vor mir, ich habe hier eine Bühne, eine große Sichtbarkeit und aus dieser Sichtbarkeit schöpfe ich mehr Kraft, als ich Schaden durch das toxische Verhalten von einer Person habe, die mir machtvoll gegenüber auftritt. Das ist ein Plus Minus Spiel, das ist eine Rechenaufgabe und das ist so unfassbar persönlich natürlich. Wir müssen zumindest sagen, schauen wir dorthin, wo ist das Strafgesetzbuch, schauen wir dorthin, wo wir, sag ich jetzt mal, in einer Illegalität landen. Da ist natürlich eine Grenze zu wahren, weil man schon auch dann darüber nachdenken muss, okay, wenn das mir passiert, passiert es vielleicht auch anderen. Also da sollte man dann schon hinschauen.
Aber sage ich jetzt mal, solange wir im legalen Bereich, und ich habe jetzt Krähenfüsschen gezeigt, um auch den Graubereich mehr oder weniger zu unterstreichen, solange wir im legalen Bereich sind, ist das tatsächlich eine Sache der Persönlichkeit. Was hat die Person davon auszuhalten? Gibt es ein darüber geordnetes Ziel? Ist es aber auch vielleicht ein Weg von. Das heißt, das Motiv des Aushaltens ist so ein unfassbar wichtiges. Und ich bin wahrscheinlich auch deshalb dazu gekommen, weil, also wie ich mein Zweitstudium abgeschlossen habe, Arbeits- und Organisationspsychologie und HR Management, habe ich meine Masterthesis zum Thema Anreizsysteme geschrieben. Das heißt, ich habe mich ganz stark mit Motivationstheorien beschäftigt und irgendwas darin ist eben hängen geblieben.
Und Das Aushalten ist für mich deshalb so faszinierend, weil es eben sowohl aktiv als auch passiv gemacht werden kann, je nachdem, auf welcher Seite der Handlung das Motiv steht. Und dementsprechend wird es auch als positiv oder als negativ wahrgenommen. Und diese Ambiguität hat mich so fasziniert. Ich habe dann tatsächlich auch ein sprachwissenschaftliches Kapitel dazu geschrieben, weil ich im Erststudium Sprachwissenschaftlerin bin. Und wie gesagt, ich war so fasziniert von der Semantik, das Kapitel hat es nicht ins Buch geschafft, aber ich spreche trotzdem gerne darüber, dass das etwas mit uns macht, wie wir mit dem Wort umgehen, was das Wort für uns transportiert. Denn wenn Personen z.B. ausschließlich den Faktor der Resilienz betrachten, dann ist es automatisch positiv konnotiert.
Da sehen wir Sportler, die trainieren, da sehen wir Personen, die aus schweren persönlichen Erfahrungen emporgestiegen sind und eigentlich nur gewachsen sind. Wenn wir es aber beim Aushalten nur auf die Belastungssituation schauen, dann ist es negativ konnotiert und dann sind wir schnell sogar im Opferkult. Und ich glaube, das auszuloten, ob wir auf der einen Seite das aushalten mit der Fremdsteuerung und der Opferperspektive anschauen, oder ob wir das aushalten im Kontext der Resilienz und im Kontext des Wachstums anschauen, das ist eine ganz individuelle und auch subjektive und situationsbedingte Entscheidung.
Fabian Burstein
Sehr interessant, weil das ist ja eigentlich ein Plädoyer für eine hochgradig individuelle Kosten Nutzen Rechnung, um es jetzt mal ganz runterzubrechen. Also, dass ich mir überlege, auf der.
Pamela Rath
Individuellen Basis auf jeden Fall, dass ich.
Fabian Burstein
Mir überleg, OK, was gewinne ich durch das Aushalten und was verliere ich? Ich verliere, wenn ich jetzt auf unser Beispiel zurückkomme, ich verliere unter Umständen für den Moment mein Glück an der Arbeit, ich verliere vielleicht auch sogar einen Teil meiner Würde gewinne, aber ein sich etablieren an einem Ort, der ein Sprungbrett sein könnte und mich auf ein neues Karrierelevel hebt.
Pamela Rath
Und dann kommt deine eigene Werteskala und dann musst du für dich entscheiden, was ist in dem Moment für dich wichtiger? Wo gewinnst du mehr? Wo ist das Wachstum für dich mehr? Ist das Wachstum mehr relevant auf dieser Karrierebühne? Oder ist das Wachstum jetzt relevanter als Mensch in deiner Würde, in deiner Integrität? Und das ist genau diese individuelle Entscheidung. Natürlich haben wir vielleicht oder hoffentlich viele von uns auch einen moralischen Kompass, aber grundsätzlich geht es auch darum, und ich sage das wirklich genauso pragmatisch, wie ich es meine, diese Kosten Nutzen Rechnung, wo leiden wir weniger? Und das muss man heutzutage in einer wohlstandsorientierten Welt auch tatsächlich überleiten, weil wir können so oder so Leid erfahren. Und die Frage ist, könnte man auch volkswirtschaftlich betrachten, wo leiden wir weniger, wenn wir Menschen haben, die, sage ich jetzt einmal, zumindest in der Subsistenz abgesichert sind und am zweiten Weg psychologisch psychisch abgesichert sind oder umgekehrt.
Also das ist immer eine Frage auf der einen Seite der Individualität natürlich, dann das umliegende Kollektiv, das umliegende Umfeld ist ja auch davon betroffen, wie belastet oder wie empowered eine Person ist. Und on the long run und on the big scale ist es ein gesellschaftliches Thema, wie empowered wir sind. Oder wie belastet oder bevormundet wir sind.
Fabian Burstein
Damit sprichst du etwas an, was gerade in mir rumort. Ich habe dich total verstanden, was jetzt sozusagen die individuelle Ebene betrifft. Das ist für mich völlig schlüssig. Und dann gibt es ja, das hat natürlich was zu tun mit dem, was du genannt hast, eine Werteskala. Dann gibt es natürlich schon noch diese solidarische Facette. Also mag ja sein, dass das für mich in der Kosten Nutzen Rechnung mehr Nutzen, mehr und weniger Kosten mit sich bringt, das auszuhalten. Dass ich aber genau weiß, ich perpetuiere damit das System, unter dem viele andere unter Umständen leiden und daran zerbrechen.
Wie gehe ich mit diesem inneren Widerspruch um?
Pamela Rath
Ich glaube, das ist wirklich etwas, worum es eben geht, in den Diskurs zu gehen, in den Dialog zu gehen, zu schauen, wo stehe ich jetzt auf meiner Werteskala? Weil es ist total wichtig, dass wir uns selbst gegenüber integer sind. Das ist auch eine ganz wichtige Bilanz, denn das entlastet immens, wenn wir uns selbst in den Spiegel schauen können, wenn wir selbst sein können. Das ist eine unfassbare Entlastung. Und jetzt kann ich eben schauen, entweder z.B. ich maskiere mich und mache es so, wie ich glaube, dass es gemacht gehört. Es ist eine Belastung.
Wenn aber das Maskieren mir einfacher fällt, weil ich z.B. vielleicht eh Schauspieler bin und das trainiert habe, und da sind wir genau beim Kern der Sache, dann werde ich wahrscheinlich das Maskieren fahren, weil es mir leichter fällt, als in den Widerstand zu gehen. Und dann ist es aber aus meiner Sicht wichtig, dass die Menschen in der Maskerade überleben können und dann Ressourcen freimachen können, wo sie vielleicht eben nicht in den kämpferischen, direkten Widerstand gehen, sondern wie können wir denn das System anders verändern, indem wir nicht zugrunde gehen? Weil wenn wir uns überlegen, welchen Schaden ein öffentlicher, offener Kampf, ein Krieg, was der herausfordern kann, ist aus meiner Sicht doch besser, die Ressourcen zu schonen, um konstruktiv eine Veränderung herbeizuführen. Und eben, und da bin ich total ressourcenorientiert, lassen wir die Menschen in ihrer Kraft. Und wenn es eben heiß, ich bin besser in meiner konstruktiven, verändernden Kraft, wenn ich zunächst das tue, was mir weniger Belastung erzeugt, dann ist das auch eine kollektive Agenda, auch wenn es in erster Linie nicht als solche ersichtlich ist.
Fabian Burstein
Aber das ist ja auch eine entlastende Erkenntnis, dass man sagt, auch hier gilt wiederum kein entweder oder, sondern hier gibt es ein sowohl als auch. Wenn ich diese Entscheidung, die vielleicht für den ersten Moment egoistisch anmuten mag, treffe ich, ist das vielleicht gar keine egoistische Entscheidung, weil ich erst daraus die Kraft gewinne, um mir on the long run, wie du gesagt hast, die Ressourcen freizuschaufeln, um meinen Weg zu finden, dieses System zu verändern, oder?
Pamela Rath
Absolut. Also ich denke, da kann man ein gutes Beispiel dazu nehmen, wenn man sich einfach überlegt, wenn man sich Eltern anschaut mit kleinen Kindern oder auch größeren Kindern, ist egal, jeder Elternberater wird dir schau zuerst auf dich selbst. Oder Das klassische Beispiel, wenn du im Flugzeug sitzt und es kommt die Sauerstoffmaske runter, setzt sie zuerst dir auf und erst dann dem Kind. Weil du kannst nur dann anderen helfen, wenn du selbst in der Kraft bist. Und genau darum geht es im Aushalten immer zu schauen, in der Balance darauf zu schauen, dass ich in der Kraft bleiben kann. Weil wenn ich nicht in der Kraft bin, kann ich auch niemandem helfen.
Fabian Burstein
Ich habe eine Hypothese, nämlich, dass die Kunst des Aushaltens in der Kulturbranche sogar besonders stark verbreitet ist, weil da gibt es gerade in dem Umfeld sehr viel Unsicherheiten, starke Projektfinanzierungslogik, das heißt wenig kontinuierliche Sicherheit. Wir haben sehr kurzfristige Engagements häufig, wir haben die genannten Probleme mit Machtmissbrauch. Siehst du irgendwie eine Tendenz, dass es im allgemeinen HR Markt einen Willen gibt, von der Kunst und Kultur zu lernen?
Pamela Rath
Also erstens glaube ich, dass moderne Personalarbeit auch erkannt hat, dass es zwei Wege geben muss. Es gibt auf der einen Seite immer den qualifizierten Bereich, auf der anderen Seite gibt es eben auch Quereinsteiger, Wiedereinsteigerinnen, weil man eben genau von dieser Vielfalt der Perspektiven lernen kann. Und das, was du gerade angesprochen hast, das ist ja auch kein Geheimnis, dass gerade und da sind wir wieder voll in meinem Thema der Diversität, gerade Minderheiten besonders viel aushalten gelernt haben im Leben. Die haben ein Training in diversen Dimensionen. Also sämtliches, ich nehme jetzt bei dir z.B. in der Kunst z.b. prekäre Arbeitsverhältnisse, Prekariat, in welcher Ausprägung auch immer, ist natürlich eine Stärkung.
Und da sind wir genau da zu wie kann ich aus einem Aushalten wachsen? Wie kann ich von einem Aushalten lernen? Wie kann ich von dem aushalten Ressourcen ziehen für mich, für mein Umfeld und es eben nicht als Belastung erleben? Ich gebe auch noch ein gutes Wir können dessen sicher sein, dass Menschen mit Fluchterfahrung auf der einen Seite vielleicht ein Trauma haben, wenn sie aus dem Kriegsszenario kommen. Auf der anderen Seite haben sie so viel Lösungskompetenz gelernt, Überlebenskampf gelernt. Also die gehen sicher nicht ein, weil irgendwann einmal ein Tag stressig ist oder weil irgendwann einmal irgendeine toxische Führungskraft einen Zuckers bekommen hat. Das heißt, die haben eine Resilienz aufgebaut.
Menschen mit Fluchterfahrung, wir kennen z.B. auch den klassischen Minderheitenstress, z.B. auf der Ebene LGBTQ, die haben gelernt, sich zu maskieren, bis zu dem Tag, wo sie sich geoutet haben. Und auch dann ist es noch nicht fix, dass ich wirklich so sein kann, wie ich wirklich, wirklich bin. Das heißt, da gibt es ganz viele Mechanismen, die wir gelernt haben. Und das ist der springende Punkt. Und darum geht es in meinem Buch.
Und deshalb haben wir es auch die Kunst des Aushaltens genannt, weil ich mich mit dem geflügelten Wort beschäftige. Kunst kommt von können und darauf hinaus will, dass aushalten gelernt werden kann, trainiert werden kann. Und dass es sich aus meiner Sicht um eine Kompetenz handeln kann, wenn wir ihr diesen Raum geben. Und wenn wir dort genau hinschauen und dann sagen, Menschen, die gut aushalten können, können dadurch auch vielleicht ihrem Umfeld das beibringen, können dann vielleicht der Gesellschaft einen Dienst erweisen, indem wir in so schwierigen Zeiten hier von diesen Menschen lernen oder diese Menschen dann vielleicht auch Leader werden in so einer Übergangszeit oder für vielleicht auch Widerstandsszenarien.
Fabian Burstein
Es gab einmal ein bekanntes Buch von Hermes Phettberg, das hieß die Krücke als Zepter. Das ist ein bisschen das, was du beschreibst und ist ja auch Werbung für neues Selbstbewusstsein. Also dass die scheinbar unterprivilegierte Ausgangssituation eine unglaubliche Kraftquelle ist, weil man, blöd gesagt, daraus Ressourcen mobilisieren musste, die man dann viel leichter abrufen kann. Ich kann das insofern gut nachvollziehen. Ich habe mal hier im Podcast mit Samuel Koch gesprochen. Wir haben darüber gesprochen über ausflippende Regisseure. Und er hat auch gesagt, das ist der Moment, wo andere vielleicht wirklich Angst kriegen und wo es für ihn humoristisch wird, weil er ist auf der Bühne, merkt, wie der tobt und brüllt und sich was ist denn los mit dir?
Pamela Rath
Absolut. Also ich glaube, dass genau diese Erfahrungen, und ich weiß nicht, ich möchte nicht für alle sprechen, aber ich sehe es bei mir auch als Person of color. Ich bin mein ganzes Leben lang mit meiner Hautfarbe konfrontiert worden. Nicht immer negativ, auch oft positiv, aber immer mit Fremdzuschreibung. Das heißt, ich für mein Selbst, ich bin in einer komplett autochthonen Kernfamilie aufgewachsen. Ich hatte kein Konzept für meine Hautfarbe, sondern das wurde mir von außen zugetragen. Und da ist mitgeschwungen, dass man eben gemeint hat, ich wäre im Verhalten anders, ich wäre in gewissen Dingen anders.
Und diese Zuschreibung habe ich dann mehr oder weniger zu einer Kraft für mich gemacht. Ich war dann einfach auch anders. Ich habe mir halt einfach dann auch Dinge erlaubt. Und im Nachhinein gesehen sind es auch viele Entscheidungen, die ich für mich getroffen habe, weil ich gelernt habe in jüngsten Jahren, ich habe mir einfach diese Selbstermächtigung gegeben und habe dann einfach mein Ding gedreht. Und das ist auch etwas, warum auch Menschen wie ich, und ich kenne so viele, die dann eben keinen immer geradlinigen Lebenslauf erzeugen, die mehrere Sachen ausprobieren, die vielleicht auch so ich mehrere Sachen gleichzeitig machen, aber die einfach vor allem auch gelernt haben, a, was sie alles können und b, dass sie es einfach können und einfach tun. Weil wenn man von der Gesellschaft auch gewisse Erwartungshaltungen aufobstruiert bekommt und lernt, auch die manchmal zu erfüllen und manchmal auch entscheidet, das nicht zu erfüllen, das ist ein unfassbarer Schatz an Ressourcen, etwas auszuhalten oder zu entscheiden, wann ich es nicht mehr aushalten will.
Fabian Burstein
Wir sind da jetzt eben mitten in dem Thema Diversität. Auch das muss man ehrlich sagen, zu den großen Buzzwords, zumindest der Kunst und Kulturbranche gehört, ähnlich wie Niederschwelligkeit, Inklusion, Teilhabe. Also es ist wirklich teilweise so, dass die Leute das schon als Provokation empfinden. Warum als Provokation? Weil das so offensiv nicht gelebt wird. Also sprich in Anträgen abgebildet ist, in Prosa rund um Selbstdarstellungen, aber dann, wenn es hart auf hart geht, im Betrieb an sich eine völlig untergeordnete Rolle spielt. Ist das insgesamt ein Problem am Arbeitsmarkt, dass das so ist?
Pamela Rath
Also garantiert. Also wenn du das willst, das sehen wir, wenn wir eben die Begriffe wie dann eben Greenwashing oder Pinkwashing erleben. Das heißt im Endeffekt, die Übersetzung ist, dass das, dass die Botschaft, die gesendet wird, dass das nicht integer ist. Und da sind wir wieder beim springenden Punkt Integrität. Das ist so wichtig. Das ist genauso wichtig wie das Buzzword Authentizität, aber das ist tatsächlich wichtig. Ich möchte gerne authentisch sein können, denn wenn ich es nicht sein kann, muss ich Ressourcen anzapfen, nämlich mich zu verstellen.
Anstrengend, welche Richtung, auch immer. Das gleiche. Ich habe eine Erwartungshaltung durch deine Kommunikation erhalten, stelle fest, deine Kommunikation entspricht nicht der Wahrheit. Ich habe quasi mehr oder weniger einen Abgleich gemacht und merke, die Integrität ist nicht da und habe dann mehr oder weniger ständig einen Entscheidungskampf mit mir zu führen. Was tue ich jetzt?
Gehe ich jetzt weg? Kämpfe ich gegen diesen integriert Integritätsverlust an oder passe ich mich an? Und das ist dann wieder ein Aufwand. Und wir haben eben immer, also das ist in der Psychologie festgeschrieben, weil du das auch vorher so nochmal unterstreichend erwähnt hast, es ist immer eine Aufwand Nutzen Entscheidung. Jede Entscheidung, die wir treffen, die wir kognitiv treffen, sowieso, manchmal aber auch einfach emotional bestes, wenn du mehr Gewicht hast und eigentlich abnehmen könntest, weil das ist eine freiwillige Entscheidung, sofern du nicht irgendwie krank bist, dann ist es für dich einfach eine ist es mir das wert, diesen Aufwand zu betreiben? Oder kann ich eigentlich, wenn ich zwei Kleidungsgrößen größer kaufe, habe ich weniger Probleme, als den Aufwand zu betreiben? Ich sage es jetzt ganz provokant, wenn wir jetzt weggehen von einem krankhaften Übergewicht, nur ein Beispiel, weil ich es von mir selber kenne.
Offensichtlich habe ich noch nie diese Art von Aufwand für mich als reell betrachtet oder als relevant betrachtet. Sonst hätte ich mich ja dafür entschieden, dass ich irgendwann einmal abnehme. Habe ich noch nie gemacht. Und genau solche Entscheidungen treffen wir immer. Viele Entscheidungen treffen wir nicht mehr, weil wir treffen Entscheidungen am Tag, da rennen Gott sei Dank sehr viele automatisch, weil sonst würden wir nichts anderes tun, als überlegen, was wir als nächstes tun. Aber das ist ein Aufwand. Und das Gehirn ist eben das ressourcenstärkste Organ im Körper.
Deshalb wollen wir auch oft Entscheidungen nicht treffen oder so ressourcenschonend wie möglich. So, wenn wir jetzt uns überlegen, es ist ressourcenschonender, mich anzupassen und dann vielleicht einen Kampf, um dann zu überlegen, wie ich Widerstand leiste, dann ist das das ressourcenschonendste und das vom rein vom Menschen als Lebewesen das logischste zu tun.
Fabian Burstein
Dieser Podcast lebte auch immer wieder von Rollenwechseln. Okay, um nämlich nicht in so ein bisschen so moralische Überlegenheitshaltungen zu verfallen, und ich rede jetzt mal aus meiner eigenen Kulturmanagement Erfahrung, da habe ich folgende Beobachtung gemacht, die mich auch hier und da sehr belastet hat. Ich habe als Programmverantwortlicher bewusst diversitätssensible Entscheidungen getroffen. Tatsächlich. Du bringst mich jetzt zum Nachdenken. Warum habe ich sie getroffen? Ich glaube, es hatte was mit einem Wertekanon zu tun.
Also ich habe mir gedacht, da stehe ich dahinter, hinter dieser Transformation, die will ich verkörpern und ich will sie vielleicht umso mehr verkörpern, weil ich ein weißer Mann bin. Also das hat alles mitgeschwungen. Und ich habe unter anderem hier und da, nicht immer und nicht oft, aber hier und da die Erfahrung gemacht, dass wenn ich dann in diesen Programmpunkten in Gewissen eigentlich organisatorischen Dingen nicht nachgegeben habe, gesagt habe, nein, das muss jetzt so organisatorisch funktionieren oder nein, das darf nicht mehr als das kosten oder wie auch immer. Also so ganz rationale Entscheidungen, dass das Gegenüber zu mir gekommen ist und gesagt aha, du nimmst das mit der Diversitätssensibilität gar nicht so ernst.
Du betreibst xxx Washing. Das war für mich wirklich eine Angst, auch wirklich eine Angstdrohung, weil ich gewusst habe, da bin ich vulnerabel und da würde es mir auch wirklich wehtun, wenn ich deshalb in der Zeitung stehe. Z.B. kennst du diese Konflikte aus Arbeitsumfeldern, diese unglaublichen Ambivalenzen? Ist das vielleicht sogar positiv im Sinne deines Empowerments, dass du sagst, jetzt haben sie endlich mal gelernt, das Spiel der Macht zu spielen und gescheit einzusetzen?
Pamela Rath
Könnte man genauso sehen. Und der erste Gedanke, der bei mir aufgekommen ist, als du das erzählt hast, manchmal treffen wir politische Entscheidungen. Also da sind wir mitten im Thema, weil eben in dem Moment, wo es über mein eigenes Individuum rausgeht, wo es irgendwo darum geht, dass ich andere Interessen mitberücksichtigen muss und vielleicht dem vom Herrn Bundespräsident viel zitierten Kompromiss finden muss, in dem Moment muss ich politisch sein und dann muss ich auch mal Entscheidungen treffen. Oder sagen wir so, da muss ich Meinungen ändern oder muss ich Standpunkte ändern, muss ich mich anpassen. Da sind wir wieder in der. Und dann musst du in dem Moment, so wie du es beschrieben hast, deine eigene verletzte Integrität aushalten, weil du eine Entscheidung getroffen hast, die auf einer anderen Ebene richtig ist. Und dann musst du deine eigene Verletzlichkeit aushalten.
Du musst den Shitstorm aushalten, der von der Belegschaft dann kommt. Du musst dann aushalten, dass du eine Entscheidung getroffen hast, die auf einer anderen Ebene, auf ein anderes Motiv die richtige war.
Fabian Burstein
Und das heißt aber auch, wenn ich dich richtig verstehe, ich kann diese Entscheidung insofern leichter dann treffen, weil ich das System besser durchschau mit dieser Betrachtungsweise und merke, das Gegenüber attackiert mich nicht persönlich als in meinem Fall Fabian Burstein, sondern es hat gelernt, seine Interessen durchzusetzen und dafür die gesamte Klaviatur der Druckinstrumente zu spielen.
Pamela Rath
Ja, und vor allem hat es gelernt in seiner Lernreise, dass es gewisse Sachen nicht mehr hinnehmen will oder dass es einfach nicht mehr aushalten will, unhinterfragt oder unkommentiert Entscheidungen hinzunehmen. Das heißt, dieses Individuum hat dann auf seiner Aushalteskala entschieden, nein, jetzt sage ich.
Fabian Burstein
Was, lasst uns das. Total verständlich, finde ich auch extrem hilfreich. Ich glaube, das ist auch wirklich ein Riesenthema für ganz viele Kulturmanagerinnen und Kulturmanager, weil da bin ich kein Prototyp oder Einzelfall. Das ist, glaube ich, relativ gängig. Aber lass uns jetzt wieder wechseln auf eine total positive Seite in dem Sinne, wir waren ja auch davor jetzt positiv, aber in so eine Ratgeberseite, nennen wir es mal so. Beschreib doch einfach einmal ganz klipp und klar, welche echten Vorteile Diversität in einem Unternehmen bringt.
Pamela Rath
Ich halte jetzt definitiv keine Brandrede, weil es einfach für mich so plausibel wie pragmatisch ist, dass wenn ich Menschen a so sein lasse, wie sie sind, habe ich weniger Reibungsverluste. Es ist einfach ganz, ganz effektiv und wirtschaftlich gedacht, dass und da gibt es Studien, da gibt es Zahlen, dass Menschen weniger oft krank sind, wenn sie sich nicht verstellen und maskieren müssen. Dass Menschen weniger krank und mehr committed sind, wenn sie in psychologischer Sicherheit beschäftigt sind, dass die Kreativität dadurch steigt. Und wenn wir über Diversität reden, dann müssen wir nicht immer nur über die sieben Kerndimensionen der Diversität sprechen, weil über die sprechen wir eigentlich dann, wenn wir über Diskriminierung oder quasi über Antidiskriminierung sprechen. Aber das ist ja wiederum eigentlich nur die negative Seite der Medaille und ich spreche lieber über die positive Seite der Medaille. Es sollte einfach dieses jeder darf so sein, wie er ist. Jede Person soll in ihrem vollsten Ganzen wahrgenommen werden.
Und da ist wiederum, da sind dann die Kerndimensionen relevant, weil es die Hintergrundstory des Menschen ist und weil es eben das ist, was den Menschen von klein auf prägt. Da sind seine Wahrheiten drinnen, da sind seine Glaubenssätze drinnen, da ist die Realität des Menschen drinnen, wie er die Welt kennengelernt hat. Und das ist das, worauf wir Rücksicht nehmen sollen. Weil wenn wir da drüber fahren, fahren wir über das Wertesystem drüber, dann kommen wir in den Widerstand und dann kommen alle möglichen Probleme, die daraus resultieren. Und wenn ich mir dessen bewusst bin, dass jeder eben sehr gerne integer sein möchte, sehr gerne authentisch sein möchte und dann eben in einem Umfeld auch diese Wertschätzung und diesen Respekt gegenseitig leben kann, profitieren alle davon. Das ist das großartige. Auf der einen Seite muss man natürlich eben auch lernen, dass mitten im Aushalten, dass diese Diskrepanzen oder Divergenzen, sagen wir mal so, oder diese Unterschiede zeitintensiv sind zu betrachten, zeitintensiv sind zu diskutieren, Dialoge zu führen, Debatten zu führen, die Partizipation zuzulassen, die Inklusion zu leben.
Inklusion heißt immer, ich muss irgendetwas zusätzliches hinstellen, damit jemand anderer teilnehmen kann. Das ist Aufwand, der ist manchmal einigen zu viel, diesen Aufwand zu tätigen. Aber wenn der Aufwand einmal getan ist, dann ist das Umfeld viel leichter, inklusiver, partizipativer und in Folge dann gerechter, vielfältiger, auch in Lösungsorientierungen. Da sind wir wieder bei dem Beispiel, das ich vorher gesagt es ergibt für alle mehr Möglichkeiten daraus. Und in Zeiten wie diesen, wo wir, wo alles komplex ist und wo es eben keine Deutungshoheiten mehr gibt, muss es so viel wie möglich Lösungsvorschläge geben, weil wir eben heute noch nicht linear absehen können, wie der richtige Weg in zwei Wochen, in zwei Monaten, in zwei Jahren, in 20 Jahren ist. Wenn wir da nur das anschauen, was wir bereits kennen oder bereits gemacht haben, kann es richtig sein, aber es ist genauso die 50 prozentige Chance, dass es der falsche Weg ist. Deshalb brauchen wir Menschen, die uns alle möglichen Wege denken lassen.
Fabian Burstein
Meine Frage in diese Richtung war übrigens schon ein erstes Learning aus unserem Gespräch, eine Kosten nutzen Rechnung. Ich hätte die Frage nicht gestellt, weil aus meiner Perspektive es eigentlich ein generisches Merkmal sein muss, dass Diversität in Organisationen da ist, weil man ja haben will, dass das ein Spiegel der Gesellschaft ist. Und die ist divers. Aber der Nutzen, habe ich mir gedacht, ist einfach schlicht und ergreifend der, wir leben in einer sehr idyllistischen Welt. Das heißt, die Leute wollen wie in Bullet Points runtergebetet bekommen, was sind die Vorteile. Lass mich, wenn ich jetzt schon einmal so eine Human Resources Expertin hier habe, zum Abschluss noch eine Frage stellen. Personalberater innen sind ja wirklich auch oft ein wichtiger Flaschenhals dahingehend, ob Personalbesetzungen funktionieren oder nicht, ob die Integration von Arbeitskräften funktioniert oder nicht.
In der Kultur haben wir oft das Phänomen, dass wir wirklich so ein paar Forrest Gumps der Postenschacher Geschichte haben. Also das heißt, wir sehen wirklich in der Historie bei ganz vielen geschobenen Postenbesetzungen, dass immer dieselben Personalberater innen involviert waren. Und wenn die schon auftauchen, weiß man, okay, da gibt es einen Deal im Hintergrund. Was würdest du deiner Branche raten? Welchen Weg muss sie gehen, um all diesen Werten, die du ja zurecht propagierst, gerecht zu werden?
Pamela Rath
Also grundsätzlich möchte ich kurz unterscheiden Personalberater und Inhouse Recruiter, die beide mehr oder weniger mit der Vorselektion und dann mit dem Vorschlag des Personals mehr oder weniger an die Fachkräfte zu tun haben. Das eine ist eine kommerzielle Dienstleistung, das andere ist eine interne Dienstleistung. Grundsätzlich, und das muss man so sagen, wir sind als gelernte Österreicher innen natürlich auch immer damit betroffen, dass es Vitamin B gibt. Das gibt es, das wird es auch weiterhin geben. Dass es auch vielleicht Posten gibt, die auf Personen zugeschnitten werden. Das hat auch wahnsinnig viele Vorteile, wenn das Vitamin D nicht vorgelagert ist. Vitamin B?
Habe ich Vitamin D gesagt?
Fabian Burstein
Das Vitamin B.
Pamela Rath
Und das, was die Recruiter auf beiden Seiten des Tisches aus meiner Sicht auch lernen sollten, ist da auch viel bewusster und auch viel empowernder aufzutreten und eben die Vorteile gerade auf das Diversitätsmerkmal eines Kandidaten, einer Kandidatin hinzuweisen, warum das ein zusätzlicher Mehrwert für die Gesamtbelegschaft darstellt. Eben genau nach Unterschieden auch zu suchen und da zu schau, diese Kompetenz, dieses Persönlichkeitsmerkmal, diesen Erfahrungsschatz haben wir noch nicht im System. Das heißt, es sollte eigentlich viel mehr nicht danach gesucht werden, was wir eh schon haben, was wir schon kennen, was wir eh schon reproduziert haben, sondern vielmehr schauen, welche welche Kompetenzen haben wir noch nicht im Haus und die auch ganz bewusst und die mutigen Firmen machen das auch, dass sie ohne Personalanforderung jemanden einstellen, der genau diese Kenntnis hat. Wenn man sagt, vielleicht wenn wir es noch nicht jetzt brauchen, aber ich glaube, Trends sagen, wir könnten es in eineinhalb Jahren brauchen, diese mutigen Entscheidungen zu treffen, Menschen zu nehmen, die nicht 100 % auf die Personalanforderungen passen. Und zwar ganz bewusst deshalb, weil man will, dass es jemand ist, der auch etwas anderes kann. Sowohl das, was wir brauchen, aber auch was komplett anderes.
Fabian Burstein
Liebe Pamela, vielen Dank für dieses Schlusswort. Es war eine tolle Dreiviertelstunde mit dir.
Pamela Rath
Vielen Dank für die Einladung. Nochmal danke Fabian, für die tollen Fragen.
Fabian Burstein
Danke, dass ihr beim Bühneneingang vorbeigeschaut habt. Ich würde mich freuen, wenn ihr den Podcast abonniert, in eurem Netzwerk teilt und auf der Plattform eures Vertrauens mit fünf Sternen bewertet. Feedback und Geschichten aus dem Inneren des Kulturbetriebs sind natürlich herzlich willkommen. Schreibt mir am besten eine e Mail. Die Adresse findet ihr auf at bühneneingang mit ue. Alle Nachrichten werden natürlich streng vertraulich behandelt. Dort auf gibts auch einen Link zu steady.
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Autor:in:Fabian Burstein |