Das Orakel
Steht Österreich am Abgrund zur Diktatur?

Diese Special-Folge ist ein Live-Mitschnitt, aufgenommen im Rahmen der Missing Link Podcastnacht. Wir beschäftigen uns mit der Wahrnehmung von Politiker:innen und ob sich diese in den letzten 50 Jahren verändert hat. Und wir gehen der Frage nach, wie es die Bevölkerung mit der Demokratie hält – und ob Österreich am Abgrund zur Diktatur steht.

Peter Hajek
Und jetzt habe ich eine ganz, ganz große Bitte: Sie streichen aus Ihrem Sprachschatz das Wort illiberale und liberale Demokratie. Es ist der greste Bledsinn, den ich je gehört hab, leider Gottes vom Bundespräsidenten runter, alle: Es gibt eine Demokratie und es gibt keine Demokratie. Und dann kommt immer die Frage: Aber was ist dann Ungarn? Und meine Kollegen auf der Politikwissenschaft sagen das ist eine hybride Demokratie. Und ich sage dann bei Hybrid denke ich an Toyota, aber nicht an Demokratie. Wir müssen es benennen, was es ist. Es stammt übrigens nicht von mir, sondern von Peter Ullram, der mir das zugeflüstert hat. Es ist eine beschädigte Demokratie.

Willkommen zum demoskopischen Podcast Das Orakel. Mein Name ist Peter Hajek. Ich bin Meinungsforscher und Politikwissenschaftler und schaue mit Ihnen in die politische Gegenwart, immer wieder in die Vergangenheit und ab und zu auch in die Zukunft, die ja bekanntermaßen schwer zu prognostizieren ist.

Michael Stebegg
Hallo und herzlich willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, zu einer neuen Folge von Das Orakel. Mein Name ist Michael Stebegg und mir gegenüber sitzt heute nicht nur wie immer Meinungsforscher Peter Hajek. Hallo Peter.

Peter Hajek
Hallo Michi.

Michael Stebegg
Sondern auch eine große Anzahl von Menschen. Wir nehmen heute live auf und zwar im Rahmen der Missing Link Podcast Nacht im Ehrbasaal. Und darum auch herzlich willkommen, liebe Live Dabeiseiende. Wenn Sie sich in diesem historischen Podcast verewigen wollen, einfach dazwischen grätschen.

Nicht nur das Ambiente ist heute außergewöhnlich, sondern auch unser Thema. Wir sprechen nämlich über die Wahrnehmung von Politikerinnen und Politik, also ihr Image. Und davon abgeleitet schauen wir uns an, wie es die Österreicherinnen mit der Demokratie halten. Das heißt, wie gefestigt ist die Demokratie in Österreich? Und das ist gerade in Zeiten von illiberalen Demokratien, die auf der Vormarsch sind, ein spannendes wie brisantes Thema.

Peter Hajek
Nur, dass das klar ist, das wird jetzt keine Vorlesung, sondern wir haben uns gedacht, wir werden sowieso von der Aktualität immer wieder überholt und haben uns gedacht, na gut, dann machen wir das jetzt einmal gescheit und fundiert und nicht wie immer ein bisschen drüber streichen. Und dementsprechend haben wir uns ein Spezialthema für Sie heute ausgesucht.

Michael Stebegg
Genau. Und Peter, du hast dazu eine Umfrage mitgebracht und zwar von dir.

Peter Hajek
Überraschung.

Michael Stebegg
Genau. Und wie ich mir die im Vorfeld angeschaut habe, war ich etwas verblüfft, nämlich darin sind Daten von 1974 enthalten. Wie alt warst du da eigentlich oder wurde dir die Meinungsforschung schon in die Wiege gelegt?

Peter Hajek
Ich glaube schon, dass mir die Meinungsforschung in die Wiege gelegt wurde, weil es tatsächlich schon sehr früher war. 1974 war ich drei Jahre alt und war noch nicht Meinungsforscher, aber bei den Barmherzigen Schwestern im Kindergarten. Und ich muss sagen, die Barmherzigen Schwestern, das war eine raue Barmherzigkeit, zum Beispiel Schwester Konradine, wir schweifen ab, aber die war so, wie es geheißen hat.

Michael Stebegg
Aber vielleicht erzählst du kurz, wie die Umfrage zustande gekommen ist, wie sie überhaupt entstanden ist, wenn sie schon 1974 angefangen hat.

Peter Hajek
Ja, also ich habe politikwissenschaftliche Geschichte studiert und ich habe meinen alten Dissertationsvater, Doktorvater, den Peter Ullram, der Ihnen vielleicht noch ein bisschen bekannt ist, GFK und Fessler Institut, der mit Fritz Plasser sehr, sehr viele Publikationen gemacht hat, der jetzt ein halbes Jahr immer in der Toskana sitzt und bei ihm dort ein bisschen fad ist, hat er gesagt, du pass auf, ich habe die alten Daten ausgegraben aus dem Archiv und machen wir doch damit was, verlängern wir ins Heute hinein. Und das habe ich natürlich dankbar angenommen und wir greifen jetzt tatsächlich auf Daten zurück, die das erstmalig 1974 erhoben wurden und die wir dann weitergezogen haben. Und das ist natürlich das aller interessanteste, weil da ist mir ja wurscht. Sie wissen, wir können ja nicht exakt messen, wir rechnen ja auch nicht und wir messen auch nicht, Wir zählen nur und wir schätzen und das heißt aber, es gibt keine exakte Zahl. Aber was wir da sagen können anhand des Verlaufs, dass wir einen schönen Trendverlauf zeichnen können, wie sich etwas in Österreich verändert hat und über das werden wir heute reden.

Michael Stebegg
Genau. Und die erste Frage ist eben, du hast dir das Image der Politikerinnen im Zeitverlauf angeschaut, beginnend mit 1974 bis heute.

Peter Hajek
Du zählst aber jetzt nicht alle, bitte? Du zählst aber jetzt nicht alle Zahlen rein auf.

Michael Stebegg
Wir haben eine Live Situation. Warum machen wir nicht die weltweit erste Live Umfrage?

Peter Hajek
Das ist… weltweit.

Michael Stebegg
Zumindest für das Orakel, die weltweit erste, nein, die das Orakel umfasst.

Peter Hajek
Weltberühmte in Österreich, genau.

Michael Stebegg
Weltberühmte in Österreich, genau. Liebes Publikum, die Frage lautet: Politiker kümmern sich nicht viel um das, was Leute wie Sie denken. Stimmen Sie dieser Aussage zu, dann heben Sie jetzt bitte die Hand.

Peter Hajek
Sie weichen leider ab. Es passiert uns ja öfter. Wer stimmt der Aussage nicht zu? Gegenprobe. Fifty-fiftyweil die österreichische Bevölkerung tickt anders. Und wie man sieht, ein kleiner Auszug, das bringt nichts. Also erzähl einmal, wie schaut's denn aus eigentlich?

Michael Stebegg
Das Sample ist einfach ein anderes. Also wie es ausschaut im Zeitverlauf von 1974 bis 2024 ist, dass 73 Prozent 1974 dieser Aussage zustimmen und 2024 70 Prozent. Also es ist einfach eine relativ flache Kurve, aber eigentlich a flache Kurven.

Peter Hajek
Also es ist relativ gerader Strich, weil dazwischen Dazwischen sind noch 77 Prozent und 75 Prozent dafür. Das ist gut. Also kurz gesagt, die Menschen haben in den Ern schon gesagt, die kümmern sich nicht um das, was wir reden und heute ist es genauso. Aber es hat sich was verändert.

Michael Stebegg
Genau, was sich nämlich verändert hat, dass die Fragestellung, die ihr gemacht hab Politiker machen ihre Sache im Großen und Ganzen nicht gut. Und da haben der 70er Jahre 30 Prozent gesagt, ja, dem stimme ich zu. Und Inzwischen sind es 58 Prozent, die zustimmen. Das heißt, da ist es wirklich nach oben gegangen.

Peter Hajek
Also wir haben quasi eine, nochmal Daumen mal Pi. Also wir haben eine Verdoppelung dessen, was die Leute sagen. Erstens, sie kümmern sich nicht um das, was wir wollen und zweitens, sie bemühen sich auch nicht redlich um den Wähler. Und was noch viel, viel Ärger ist, ich greife dir Da vorne weg. 1981 wurde gefragt, Politiker, Stimmen Sie der folgenden Aussage Politiker sind korrupt und bestechlich. Damals waren es 38 Prozent, heute sind es circa 66 Prozent. Also da haben wir auch eine Verdoppelung.

Michael Stebegg
Jetzt die Warum ist das so?

Peter Hajek
Naja, das ist eine interessante Frage tatsächlich, weil ich glaube ja nicht, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich glaube ja nicht, dass die Menschen früher oder Politikerinnen und Politiker früher weniger korrupt waren als heute. Wir haben es noch nicht gewusst, weil schauen wir uns an, Club 45 Sie wissen im Tema am Kohlgram, wo sich Karl Blecher und Co. Die Klinke in die Hand gegeben. Ich will nicht genau wissen, was dort passiert ist. Die würden heute natürlich durch Sonne und Mond geschossen werden. Vielleicht warten sie und hätten keine Surface gemacht, aber grundsätzlich oder keine Chatgruppen installiert. Aber grundsätzlich glaube ich nicht, dass es so arg geworden ist.

Aber es hat sich natürlich die Medienlandschaft verändert. Wir bekommen andere Einblicke und deswegen ist das so. Jetzt können wir es aber kurz zusammenfassen und können folgendes sagen: Also die Menschen waren schon immer der Meinung in Österreich, die hören nicht auf uns, aber der Dr. Taus und der Dr. Kreisky und der Dr. Andrusch, die wissen schon, was sie tun. Heute sagen sie, die hören nicht auf uns und korrupt und unfähig sind sie auch noch. Und das ist aber tatsächlich ein massives Problem, wenn dieses Vertrauen, dass politische Akteure etwas schaffen können, schwierige Situationen meistern können, Wenn man das heute nicht mehr glaubt, dann ist das natürlich tragisch.

Michael Stebegg
Ich muss kurz nachfragen, dieser Teil der Umfrage wurde betitelt mit Negativ Image Politikerinnen. Gibt es auch ein positive Image?

Peter Hajek
Naja, nein, weil ich da auch ein paar Journalisten im Publikum sitze. Auch die Journaille ist ein bisschen kritisch zu betrachten aus Sicht der Bevölkerung und sicherheitshalber machen wir über die Meinungsforscher keine Umfrage, weil ich glaube, wir wären dabei.

Michael Stebegg
Gehörst du zu die da oben dazu?

Peter Hajek
Ja, genau.

Michael Stebegg
Das ist nämlich eine gute Überleitung zur nächsten Frage, die ihr euch angeschaut habt, nämlich was die Menschen in Österreich über die da oben, also die Eliten denken. Das Fachfremdwort dafür ist Elitenresponsivität.

Peter Hajek
Toll, gell?

Michael Stebegg
Was heißt das? Ich habe es mir herausgesucht, die Bereitschaft politischer Amtsträgerinnen und Amtsträger auf die Interessen der Bürgerinnen und Bürger einzugehen, also die Reaktionsbereitschaft.

Peter Hajek
Genau. Also das heißt, der Begriff der politischen Eliten ist nicht von Herbert Kickl erfunden worden, sondern gab es schon in der Politikwissenschaft in den 70er Jahren.

Michael Stebegg
Genau. Konkret habt ihr abgefragt, Politiker kümmern sich um das, was Leute wie ich denken. Da haben 1974 27 Prozent zugestimmt, inzwischen ist es auf 20 abgesunken.

Peter Hajek
Also es war schon nieder und es wurde noch weniger.

Michael Stebegg
Die Parteien wollen nicht nur stimmen der Wähler, ihre Ansichten interessieren sie. Da haben 24 Prozent gesagt, das stimmt, jetzt sind es nur 17 Prozent. Die Abgeordneten im Parlament verlieren nicht schnell den Kontakt mit dem Volk, ist nach unten gegangen Und Leute wie ich haben einen Einfluss auf das, was die Regierung tut. Das ist das Einzige, was ein bisschen nach oben gegangen ist.

Peter Hajek
Das ist sehr, sehr interessant. Also die Elitenresponsivität misst also wie stark aus Sicht der Bevölkerung die politischen Akteure auf die Wünsche der Bevölkerung oder auf die Sorgen und Nöte, wie es so schön aus der Bevölkerung reagieren. Das war schon immer nieder und ist noch weiter hinuntergegangen. Dann gibt es aber das, was der Michi gesagt hat, diese Fragestellung: Leute wie ich haben einen Einfluss auf das, was die Regierung tut. Das war im Jahr 1974 18 Prozent. Siehst deppad, ein demoskopischer Podcast ohne einer Leinwand, wo man das zeigen kann, ist wirklich mühsam.

Michael Stebegg
Ich spiel den Beamer für dich, OK.

Peter Hajek
Ja, da haben die an den Radiogeräten wahnsinnig viel davon. Also 1974 18 Prozent, das stieg dann auf 1989 auf 24 Prozent und 1993 auf 33 Prozent. Sie können den Graphen geistig nachvollziehen. Wir sind in den 90ern und dann geht es wieder hinunter auf 23 Prozent und steigt wieder mit den Nullerjahren an. Fällt dir was auf bei dieser Kurve? Das sind tatsächlich Kurven. Also es sind zwei Kurven sogar.

Michael Stebegg
Der Peak kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhang war.

Peter Hajek
Ja, so könnte man es auch sehen, ist aber ein purer Zufall, glaube ich. Die Kurve geht immer dann nach oben. Also das heißt, die Zustimmung zu der Fragestellung, Leute wie ich haben einen Einfluss auf das, was die Regierung tut, ist immer dann angestiegen, wenn die Freiheitliche Partei stärker wurde. Interpretation. Die Freiheitliche Partei war ja immer so was wie der Blitzableiter in der österreichischen Demokratie, wenn die Menschen unzufrieden waren. Sie wissen, ich glaube einige von Ihnen erinnern sich noch an Jörg Haider, wenn ich so ins Publikum schau und Jörg Haider war ja immer der Hecht im Karpfenteich und die Menschen haben sehr, sehr oft Jörg Haider und der Freiheitlichen Partei die Stimme gegeben, um denen da oben eins auszuwischen. Sie wollten aber wenn man nachgefragt sollte in die Regierung, naja, muss nicht sein, dann ist es 1991 doch passiert und dann ist das wieder hinuntergegangen. Genau wie die Freiheitliche Partei wieder den Abstieg. Sie wissen Gittelfeld und Co. Wie der hinuntergegangen ist und jetzt sind sie wieder obenauf. Also das heißt, da haben die Menschen schon ein Gefühl und das ist eigentlich ein gutes Zeichen, wenn die Menschen sagen. Ich kann meine Stimme abgeben und dann sehe ich schon eine Veränderung, weil entweder kommen die Freiheitlichen die Regierung meistens nicht sehr lang oder die anderen bewegen sich durch meine Stimmabgabe. Also das ist eigentlich ein positives Signal, muss man sagen.

Michael Stebegg
Das ist aber eigentlich das einzig positive Signal. Also wie ich mir die Zahlen angeschaut, war ich wie bei der ersten Frage verblüfft, wie negativ die Meinung der Bevölkerung zu den Politikern ist. Ich habe nicht erwartet, dass es eitle Wohnen ist, aber dass es derart schlecht ist, hätte ich mir nicht gedacht.

Peter Hajek
Wirklich nicht? Nein, also ich schon, aber ich bin schon länger im Geschäft.

Michael Stebegg
Ja, das stimmt. Jetzt haben wir geschaut, wie schauen die Leute auf die Politikerinnen und die Politik. Die nächste Frage ist, wie sie sich selbst einschätzen, also die subjektive Kompetenz in Bezug auf Politik. Und das ist sehr spannend. Das sind drei Fragen, die ihr abgetestet habt, nämlich die Politik ist nicht so kompliziert, dass Leute wie ich kaum noch verstehen können, was vorgeht. Sehr komplizierte Frage. Ich habe zweimal nachgelesen.

Jedenfalls war es so, dass in den 70er Jahren, also 1974 haben dem 26 Prozent zugestimmt, dann ist es in den 90ern nach oben gegangen, sogar auf 42 Prozent, um dann wieder jetzt zum 2024 hin auf 36 Prozent abzufallen.

Peter Hajek
Mach es nicht so kompliziert. Die Politik ist nicht so kompliziert, dass Leute wie ich kaum noch etwas verstehen können, was vorgeht. Hat einen Zuwachs. So macht man das. Ich betrachte mich als ausreichend qualifiziert, um am politischen Geschehen teilnehmen zu können: 1989 38 Prozent. Jetzt sind wir auf 57 Prozent, also auch eine Zunahme. Und dann haben wir noch. Ich glaube, dass ich einen guten Einblick in die wichtigsten Probleme unseres Landes habe. Auch da haben wir einen sanften Zuwachs. Das haben wir früher auch schon gehabt.

Was sagt uns das jetzt? Das ist also die Einschätzung der subjektiven Kompetenz. Das heißt, die Menschen haben das Gefühl und attestieren sich selbst Kompetenz im politischen Know how. Warum ist das so?

Michael Stebegg
Entweder es ist am veränderten oder gestiegenen Bildungsniveau oder der veränderten, breiteren medialen Landschaft.

Peter Hajek
Michi.

Michael Stebegg
Na bitte.

Peter Hajek
Unglaublich. Also ja, also das Erste ist, der -

Michael Stebegg
Wenn mich der Herr Hajek mal lobt bitte. Und Sie sind dabei.

Peter Hajek
Also wir hatten in den 70er Jahren eine echte Bildungsexplosion. Also Sie wissen, Bruno Kreisky bla bla bla bla, brauche ich nicht erzählen. Das betrifft aber nicht nur die universitäre Bildung, sondern das betrifft auch den Pflichtschulbereich. Die Menschen, die eine reine Pflichtschulbildung hatten, der ging immer mehr zurück, weil man hat eine Lehre gemacht, eine Fachausbildung. Das Bildungsangebot wurde auch breiter. Also das war das Erste. Das Zweite ist, wir hatten zwei mediale Revolutionen. Die erste Revolution war in den 60er, 70er Jahren. Sie wissen, Hugo Portisch, ORF Öffnung, auch Kreisky hat, hat die Politik anders kommentiert. Es wurden viele, viele neue Zeitungen gegründet und so weiter und so fort. Es wurde offener. Und die zweite Medienrevolution haben wir heute, Ob die so gut ist, weiß ich nicht, Die Digitalisierung. Aber schauen wir uns das einmal an. Ich sage immer, für uns geht es aus, also für mich, für meine Kinder, keine Ahnung. Aber die müssen es selbst bewerkstelligen.

Das heißt also, die Menschen sind nicht nur besser gebildet, sondern sie haben auch Zugang zu ganz anderen Quellen heute. Sie bekommen heute, wenn sie ins Netz gehen, können sie sich bei Ministerien Akten und Daten runterladen. Nie im Leben hätten sie die vor 30, 40, 50 Jahren bekommen. Und jetzt haben die Menschen das Gefühl, Ich bin deutlich besser informiert. Und jetzt kommt noch die zweite Medienrevolution dazu, die Digitalisierung. Da gibt es natürlich noch viel mehr Zugang im breiten Internet, auch zu alternativen Quellen, die ja auch bahnbrechend diskutiert werden.

Und da haben wir natürlich einen Vorteil einerseits für den einzelnen. Er ist wirklich besser informiert. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich in die Quellenwürdigung deutlich mehr investieren, weil wir müssen den Menschen, bitte es betrifft nicht nur die Jungen, sondern auch uns Alte. Ist das eine relevante Quelle? Ist das eine gute Quelle? Ist das eine fundierte Quelle oder ist es einfach nur Fake News? Aber das alles spielt zusammen. Und jetzt haben wir was ganz Interessantes gemacht.

Ich greife dir vor. Darf ich?

Michael Stebegg
Bitteschön.

Peter Hajek
Weil sonst werden wir nicht fertig. Also wir haben jetzt genommen das Image der Politiker, die Elitenresponsivität und die subjektive Empfindung, haben das ganze, ich sage das ganz simpel, haben es zusammengemischt und haben vier Typen an Wählerinnen und Wählern oder Bevölkerungsteilen gebildet. Die erste Komponente lautet Staatsbürger oder Untertan und die zweite Ebene, das sind zwei Achsen. Die eine Achse lautet Staatsbürger und Untertan und die andere Achse lautet Vertraue oder ich misstraue.

Michael Stebegg
Genau.

Peter Hajek
Wie machen wir weiter?

Michael Stebegg
Du darfst weiterreden.

Peter Hajek
Also das heißt, was ist ein Staatsbürger, was ist ein Untertan? Der Staatsbürger ist der, der ich kenne mich aus, der Untertan, ich kenne mich nicht aus. Und dann haben wir jene, die Ich habe Vertrauen. Das sind jene, die sagen, die Politiker, die machen das, ist schon in Ordnung. Und dann gibt es die, die ein Misstrauen haben und die sagen natürlich, die Politiker sind ganz, ganz furchtbar und machen das nicht gut.

Und jetzt haben wir die vier Typen. Der erste Typus ist der vertrauensvolle Staatsbürger. Also ich kenne mich aus und ich vertraue der Politik. Wie viel Prozent der österreichischen Bevölkerung? Liebes Publikum? Nicht schlecht, nicht schlecht. 12 Prozent. Sehr gut, sehr gut. Also vertrauensvolle Staatsbürger 12 Prozent. Jetzt haben wir den vertrauensvollen Untertanen, also ich vertraue, kenne mich aber nicht aus.

Peter Hajek
30? 4 Prozent.

Michael Stebegg
4 Prozent.

Peter Hajek
Sie liegen gar nicht schlecht gnä‘ Frau in den 70er Jahren dürften es 30 Prozent gewesen sein, jetzt sind es vier. Also das heißt 12 und 4 sind 16 und jetzt verrate ich Ihnen, was die anderen beiden in Summe ergeben 100. Wir haben den misstrauischen Staatsbürger mit 53 Prozent und wir haben den misstrauischen Untertanen mit 31 Prozent. Und jetzt, meine Damen und Herren, wird es bitter. Acht von zehn Personen, also auch hier in diesem Saal, haben Misstrauen gegenüber der Politik. Und wissen Sie, was das ist?

Das ist Gift für die Demokratie. Das ist pures Gift, weil dann kommt der Populist und es ist vollkommen wurscht, ob er von rechts, von links, von oben oder von unten kommt. Und aber ich weiß es und kann es besser und versucht auch noch dieses System natürlich zu destabilisieren, wo ja schon das Misstrauen, weil wo Misstrauen ist, Sie wissen, da kann ich hineinfahren. Das ist ja genau das Gleiche wie in einer Ehe, da kann nur ein Dritter landen, wenn dazwischen irgendwas nicht funktioniert, weil sonst hat der Dritte meistens keine Chance. Und da ist es ganz genauso. Und damit haben wir natürlich ein Problem in der westlichen Welt. Das betrifft ja nicht nur Österreich, sondern es betrifft ja wirklich breite Teile der westlichen Welt. Und Sie merken, wie das Ganze in Bewegung gekommen ist.

Michael Stebegg
Das wollte ich dich nämlich fragen noch Ist dieses Ergebnis der Untertanen und Staatsbürger ein typisch österreichisches oder gibt es das in anderen Ländern auch?

Peter Hajek
Naja, wir haben natürlich keine exakten Vergleichsdaten, aber ich würde davon ausgehen, dass es in anderen Ländern nicht viel anders ausschaut. Möglicherweise in Dänemark, wo man mit Mette Fredriksen, mit der sozialdemokratischen Premierministerin, sehr zufrieden ist an sich die einen, sowohl was die Migrationspolitik einen restriktiven Kurs fährt etc. Also die sind ein bisschen anders gepolt als klassische sozialdemokratische Parteien in Europa, da ist es vielleicht ein bisschen anders, aber grundsätzlich zieht sich das natürlich schon wie ein roter Faden durch die westliche Welt. Das ist auch einer der Gründe, warum Donald Trump in den USA gewählt wurde, abgesehen von dem komischen Wahlsystem. Aber das lassen wir mal.

Michael Stebegg
Dieses Misstrauen, das du gerade angesprochen hast, zeichnet sich auch bei der nächsten Frage ab, die ihr gestellt habt, nämlich die Meinung der Österreicher zu Demokratie versus Diktatur.

Peter Hajek
Und wir haben bitte nicht abgefragt, sind Sie für Demokratie oder Diktatur?

Michael Stebegg
Nein, wir haben quasi drei Zustände zur Auswahl gegeben. Nämlich die Demokratie ist auf jeden Fall besser als eine Diktatur. Unter bestimmten Umständen kann eine Diktatur besser sein als eine Demokratie. Für Leute wie mich ist es ganz egal, ob sie in einer Demokratie oder in einer Diktatur leben.

Peter Hajek
Wiederhole nochmal. Unter bestimmten Umständen kann eine Diktatur besser sein als eine Demokratie. Für Leute wie mich ist es ganz egal, ob sie in einer Demokratie oder Diktatur leben. Die zwei nehmen wir zusammen. Wie viel Prozent? Wie viel? Dann wären wir schon Diktatur. 15, 15 Prozent. Auf der anderen Seite 78 Prozent, die sagen, die Demokratie ist auf jeden Fall besser als die Diktatur.

Michael Stebegg
Na, Prack.

Peter Hajek
Wir nennen das diese 15 Prozent autoritäre Potenziale, nur dass sie keine falsche Idee davon bekommen. Die autoritären Potenziale gibt es in jeder Partei. Also wir finden auch fünf Prozent der grünen Wählerschaft, die einer dieser beiden Komponenten zustimmen. Sie ist nicht viel. Aber dass man sagt, wir sind alle davor, Also alle Gruppierungen sind davor gefeit. Das stimmt nicht. Auffallend ist im Vergleich dazu die freiheitliche Partei. Bei den freiheitlichen Wählerschaften sind es 28 Prozent. Das ist dann schon ein ordentliches Stück. So, jetzt ganz, ganz wichtig. Darf ich noch einen Begriffstern machen? Also wir sprechen ja heute eigentlich nicht mehr von Diktaturen im klassischen Sinn. Ja, also gut, Nordkorea ist eine Diktatur und Russland können sie mittlerweile auch als Diktatur wieder bezeichnen. Aber wir sprechen in Wirklichkeit von autoritären Systemen. Und jetzt habe ich eine ganz, ganz große Bitte. Sie streichen aus Ihrem Sprachschatz das Wort illiberale und liberale Demokratie. Es ist der größte Blödsinn, den ich je gehört hab. Leider geht es vom Bundespräsidenten runter, alle. Es gibt eine Demokratie und es gibt keine Demokratie. Und dann kommt immer die Was ist dann Ungarn? Und meine Kollegen auf der Politikwissenschaft sagen das ist eine hybride Demokratie. Und ich sage dann bei Hybrid denke an Toyota, aber nicht an Demokratie. Wir müssen es benennen, was es ist. Es stammt übrigens nicht von mir, sondern von Peter Ullram, der mir das zugeflüstert hat. Eine beschädigte Demokratie. Aber wenn wir hergehen und sagen, das ist eine liberale, wir sind eine liberale Demokratie und das ist eine illiberale Demokratie, ist das Framing, das wir von einem autoritären System übernehmen, das zunehmend in eine gewisse Richtung kippt. Wir können die Türkei noch drei Schritte weiter vorne, weil dort verhaften sie ja schon die Leute im breiten Stil. Aber wenn wir das übernehmen, dieses Framing, dann behübschen wir es. Und wenn dann zum Beispiel und übrigens, ich habe kein Problem mit den Freiheitlichen. Wenn die Freiheitlichen gewählt werden und in die Regierung kommen, kein Thema. Das sollen die machen.

Alles in Ordnung. Wo kriege ich ein Problem? Ich kriege ein Problem, wenn es heiß Viktor Orbán und Ungarn. Also die beschädigte Demokratie ist für uns ein Vorbild. Wenn ein Harald Vilimsky sich dann hinsetzt und Naja, stopp, stopp, stopp, stopp. Mit der illiberalen Demokratie, das ist ja nicht so gemeint. Mit der illiberalen Demokratie wird ja gemeint, dass das halt keine Liberalen sind, sondern Konservative. Das ist ein Blödsinn, weil Demokratie ist immer Demokratie, obwohl es wurscht, ob Sozialdemokraten dort vorstehen oder eine liberale Partei oder eine konservative Partei. Also bitte tun Sie mir diesen Gefallen.

Michael Stebegg
Lieber Peter, danke, dass wir wissen, dass es nur Demokratien und beschädigte Demokratien gibt. Wir sind damit am Ende dieser Folge angelangt. Wir bedanken uns recht herzlich nicht nur bei den Menschen hier im Saal, sondern auch zu Hause an den Podcast und Radiogeräten. Wir sagen danke fürs Zuhören. Bis zum nächsten Mal.

Peter Hajek
Das Orakel.

Autor:in:

Peter Hajek

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