GANZ OFFEN GESAGT
Über das Dick-Pic-Verbot - mit Eva-Maria Holzleitner
Die türkis-rot-pinke Bundesregierung will das ungefragte Versenden von Genitalbildern unter Strafe stellen - ein entsprechender Entwurf für eine Ergänzung des Strafgesetzbuchs liegt seit 25. April im Parlament. Im Gespräch mit Georg Renner erklärt Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ), warum es diese Maßnahme braucht, mit wie vielen Urteilen sie rechnet und ab wann sich betroffene Frauen an die Polizei wenden können.
Georg Renner
Hallo und herzlich willkommen bei ganz offen gesagt, dem Podcast für Politikinteressierte. Mein Name ist Georg Renner, ich bin freier Journalist und heute probieren wir etwas Neues. Statt euch wie üblich hinter die Kulissen der Politik mitzunehmen, mit Expertinnen und Experten darüber zu sprechen, was sich da auf der Bühne tut, gehen wir heute direkt auf die Bühne. Wir sprechen mit den Hauptakteuren, wir haben einige der neuen Ministerinnen und Minister zu Sachgesprächen gebeten. Bedingung wir sprechen über genau ein Thema, um möglichst konkrete Informationen zu bekommen, ohne dieses ganze drumherum Gerede über Parteien, Politikintrigen, das Verhältnis zur Opposition. Nein, wir sprechen über ein einziges Sachthema. Den Auftakt zu dieser losen Serie macht heute Eva Maria Holzleitner, die neue Ministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung.
Mit ihr habe ich über den sogenannten Dick Pic Paragraphen gesprochen, der vergangene Woche in Begutachtung gegangen ist. Warum das ungefragte Versenden von Genitalfotos verboten werden soll, wem das was bringt, was das die Republik kostet und warum man da mit dem Strafrecht drauf fahren muss, das haben wir in den nächsten 20 Minuten besprochen.
Hallo, grüß Gott und herzlich willkommen, Eva-Maria Holzleitner.
Eva-Maria Holzleitner
Hallo, danke für die Einladung.
Georg Renner
Wir sitzen hier bei ihnen im Büro. Ausnahmsweise nehmen wir nicht im Missing Link Studio auf. Das hängt damit zusammen, dass sie jetzt Ministerin sind, nämlich Ministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung. Trotzdem fängt ganz offen gesagt immer noch mit der traditionellen Transparenzpassage an. Wir sprechen darüber, erstens, woher wir einander kennen und zweitens, welche politischen Funktionen sie haben. Ich glaube, wir hatten miteinander zu tun, mehrmals, als sie noch in der SPÖ Oppositionspolitik waren, haben da unter anderem über Kindergrundsicherung, Armutsbekämpfung und ähnliches gesprochen. Und die zweite Frage, welche politischen Funktionen haben sie?
Eva-Maria Holzleitner
Es stimmt, ich glaube eines der ersten ausführlicheren Gespräche war rund um das Thema Kinderarmut, Kindergrundsicherung, wo wir uns ausgetauscht haben. Aktuell ist meine Funktion einerseits in der SPÖ SPÖ Bundesfrauenvorsitzende und als aktive Politikerin Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung seit dem 3. Mär. Ein Datum, das mir vermutlich für immer in Erinnerung, in positiver Erinnerung bleiben wird.
Georg Renner
Dankeschön. Wir haben uns vorgenommen für diese Sonderfolgen von ganz offen gesagt auch mit aktiven Politikerinnen und Politikern zu sprechen, und zwar immer über ein sachpolitisches Thema. Und zwar diese Woche, sehr, sehr aktuell, geht es um den sogenannten Dick Pic Paragraphen. Können sie uns kurz sagen, was ist denn das?
Eva-Maria Holzleitner
Es geht um den Dick Pic Paragraphen, ein sehr klingender Name. Es geht eigentlich darum, dass das unerwünschte Versenden von Genitalbildern strafbar gemacht werden soll. Etwas, das vielen jungen Frauen tagtäglich passiert, wenn sie mit der U Bahn fahren, wenn sie irgendwo im öffentlichen Raum unterwegs sind oder auch zu Hause. Sie schalten ihr Smartphone ein, gehen auf irgendwelche Online Plattformen oder einfach so am iPhone per AirDrop bekommen sie eine Anfrage und Männer schicken einfach so Genitalbilder herum, Penisbilder herum. Das passiert leider häufiger, als man es vermuten möchte und deswegen haben wir uns als Bundesregierung auch vorgenommen, das unter Strafe zu stellen. Und das ist mit dem Dick Pic Paragraphen jetzt auch so in Vorbereitung.
Georg Renner
Das ganze Projekt gibt es ja schon länger. Die Idee unter anderem 2022 von der damaligen SPÖ Opposition beantragt, damals von der türkis grünen Bundesregierung grundsätzlich eh begrüßt worden, aber vertagt worden. Warum passiert denn das gerade jetzt? War das in den Regierungsverhandlungen irgendwie ihnen ein besonderes Anliegen oder wie ist das entstanden?
Eva-Maria Holzleitner
Wir haben das in den Regierungsverhandlungen aktiv eingebracht als Thema, weil, wie sie schon angesprochen haben, wir auch in der Opposition, im Justizausschuss das Thema mehrfach auf die Tagesordnung gesetzt haben, das Thema immer wieder angesprochen haben, aber in der letzten Regierung offenbar hier keine Einigung erzielt werden konnte. Uns war aber wichtig, dass wir hier auch wirklich ein Signal senden an vor allem viele junge Frauen, dass wir an ihrer Seite stehen. Und der Justizministerin Anna Spora war das ab tag eins auch ein großes Anliegen, das schnell umzusetzen. Hier hat es mit den beiden Koalitionspartnern ÖVP und NeoS auch sofort eine Schnittmenge gegeben, dass wir alle gesagt ja, für uns muss das im Strafrecht verankert sein. Da hat es ja auch in der Vergangenheit eben unterschiedliche Ansichten gegeben. Für uns war aber das Strafrecht ist der Platz, wo das hingehört. Und hier ist die Justizministerin auch sehr schnell ins Tun gekommen.
Und nun ist auch ein Vorschlag ans Parlament geschickt worden und ist aktuell in Begutachtung.
Georg Renner
Genau, das Ganze ist am 25. Apr. In Begutachtung gegangen. Der Paragraph, der da dem Paragrafen für sexuelle Belästigung 218 Strafgesetzbuch angefügt werden soll, heißt ebenso ist zu bestrafen, nämlich mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder 360 Tagessätzen Geldstrafe, wer eine andere Person belästigt, indem er ihr im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems eine Bildaufnahme von Genitalien unaufgefordert und absichtlich übermittelt. Das wird dort angefügt und ist damit in diesem Tatbestand der sexuellen Belästigung drin. Jetzt gibt es einige Fragen, die ich dazu habe. Zunächst einmal, sie haben gesagt, das passiert vielen Frauen.
Gibt es da irgendwelche zahlen, gibt es Umfragen oder wie oft so was passiert?
Eva-Maria Holzleitner
Unsere Einschätzung basiert tatsächlich eher auf wirklich Berichten, die wir von jungen Frauen bekommen, von Gesprächen, die geführt worden sind. Aber an sich wissen wir, dass grundsätzlich in Österreich jede dritte Frau von Gewalt betroffen oder bedroht ist in ihrem Leben. Und da zählen auch diese Dinge dazu, die digitale Gewalt mittlerweile. Wir wissen von den Frauen und Mädchenberatungsstellen, dass sie in den vergangenen Jahren immer wieder auch bewusst einen Schwerpunkt auf digitale Gewalt gesetzt haben, weil sie auch in der Beratung sehr, sehr viele Rückmeldungen bekommen von Frauen, dass die digitale Gewalt auch zugenommen hat in den letzten Jahren. Also hier greifen wir auf Berichte, Erfahrungswerte von einerseits Expertinnen und Experten zurück und auch wirklich von persönlichen Schilderungen von Bürgerinnen aus den letzten Jahren. Und wie gesagt, alleine, dass die politische Debatte nun schon einige Jahre andauert, zeigt, dass es einfach ein Problem ist, dem wir uns jetzt auch in dieser Regierung schnell gewidmet haben und das auch notwendig war, um eben da ein Signal vor allem an viele junge Frauen zu senden.
Georg Renner
In der wirkungsorientierten Folgenabschätzung. Zu dem Begutachtungswurf, der da am Freitag ans Parlament gegangen ist, heißt es im Wesentlichen werden keine großen personellen Auswirkungen erwartet, weil die erwarteten Fälle circa 300 Anklagen oder 300 Ermittlungen pro Jahr erwartet werden. Ist das nicht ein bisschen wenig, um dafür einen neuen Straftatbestand einzufügen?
Eva-Maria Holzleitner
Nein, das denke ich nicht, weil wir natürlich einerseits vor allem jenen Personen, die davon betroffen sind, trotzdem ein Werkzeug in die Hand geben, dass sie sich wehren können, dass sie auch klar sagen können, hey, du hast mir das Bild geschickt, das ist strafbar, ist dir das überhaupt bewusst? Also dieses auch klar den Tätern machen, dass sie etwas Strafbares machen in diesem Bereich, wenn sie einfach so genitalbilder herumschicken, unaufgefordert, ungewünscht, egal auf welcher Plattform. Es ist ja auch sogar das Fax umfasst, wenn man in den Erläuterungen genau nachliest, aber eben auch Dating Plattformen, Instant Messenger Dienste, also wirklich alles, alles, alles, was es da gibt. Und auf der anderen Seite, wenn sich eben auch vorwiegend Frauen, aber es können natürlich auch Männer machen, wenn sie davon betroffen sind, aber Personen, die davon betroffen sind, trotzdem auch eben hier den gerichtlichen Weg beschreiten können. Also uns ist beides wichtig. Einerseits eine klare gesetzliche Grundlage auch zu schaffen, wenn man sich wehren möchte und auch klar gesellschaftspolitisch das Signal zu senden. Das ist etwas, was wir nicht tolerieren wollen, dass so was einfach auch laufend passiert.
Georg Renner
Das wäre meine nächste Frage gewesen, warum man da ins Strafrecht geht. Es gibt ja immer wieder die Debatte, ob sowas nicht im Zivilrecht z.b. besser aufgehoben wäre, dass man eine Unterlassungsklage oder Schadenersatzklage machen kann. Die letzte Bundesregierung hat dieses Hass im Netzbekämpfungsgesetz, das dann von einer EU Regelung überschrieben worden ist, eingeführt, wo es einen zivilrechtlichen Unterlassungsbefehl gibt, also ein verkürztes Verfahren im Wesentlichen, mit dem sich Betroffene von einem Hass im Netz wehren können. Warum ist man denn nicht diesen Weg gegangen, sondern hat okay, nein, da sollen Staatsanwälte dahinter sein und polizeiliche Ermittlungen stattfinden können.
Eva-Maria Holzleitner
Weil wir schon ganz klar gesagt haben, das ist kein Kavaliersdelikt, sondern es ist für uns einfach strafrechtlich relevant. Das Smartphone ist mittlerweile so ein persönlicher Raum für viele Personen, weil man eben ganz persönliche Daten, Fotos etc. Drauf hat, weil man damit mit dem engsten Umfeld auch kommuniziert. Und wenn dann jemand eindringt in diesen privaten, persönlichen Bereich, ist es schon mehr als eine Grenzüberschreitung. Und deswegen haben wir ganz klar auch festgehalten, es gehört ins Strafrecht. Es ist für uns eben keine harmlose Sache, sondern muss hier auch klar verankert sein.
Georg Renner
Wird es da auch irgendeine Form von Verfahrenshilfe für betroffene Frauen geben? Das ist ja im Endeffekt immer dieses Thema der sekundären Viktimisierung, nennt man das glaube ich, dass betroffene Frauen von sexueller Gewalt oder sexuellen Übergriffen in dem Fall, de facto werden es vor allem Frauen sein, die da betroffen sind, vielleicht irgendwie eingeschüchtert sind, sich mit Staatsanwalt zu wehren, weil dann steht mein Name in einem Gerichtsakt und ich begegne dem Täter noch einmal auf diesem Weg. Gibt es da irgendwelche Sekundärmassnahmen, um das irgendwie auszugleichen?
Eva-Maria Holzleitner
Genau, deswegen ist es auch ein Ermächtigungsdelikt. Das ist auch sehr wichtig. Also es können wirklich die Opfer entscheiden, ob sie diesen Weg gehen wollen oder nicht. Also es liegt wirklich die vollen Entscheidungsfreiheit auch bei den Opfern. Und das ist glaube ich auch sehr wichtig, weil dann kann man eben selber ja, ich gehe diesen Weg oder ich mache eben dem Täter auch einfach nur hey, das ist strafbar, was du da machst. Also dass es als Ermächtigungsdelikt verankert ist, glaube ich, war auch eine sehr richtige und wichtige Entscheidung.
Georg Renner
Ganz kurz, Ermächtigungsdelikt muss man vielleicht erklären, was ist das?
Eva-Maria Holzleitner
Das heißt, dass eben, wenn mir das passiert, dass ich so ein Bild zugesendet bekomme, unaufgefordert, dass ich eben selber entscheiden kann, also die Autonomie beim Opfer lie gehe ich eben diesen Weg über Gerichte etc. Oder weise ich eben den Täter darauf hin, es ist strafbar, damit ich dem auch bewusst mache, das ist nicht in Ordnung. Es bleibt aber meine Entscheidung, es bleibt in meiner Autonomie, ob ich das tatsächlich auch durchfechten möchte oder auch nicht. Und wie gesagt, das als solches zu verankern, glaube ich, war sehr richtig und wichtig von der Justizministerin, dass sie auch klar gesagt nicht jeder Fall wird sofort gerichtsanhängig, sondern es obliegt dem Opfer auch, das ganz persönlich und individuell zu entscheiden. Also von dem her, glaube ich, war diese Verankerung als Ermächtigungsdelikt auch wichtig.
Georg Renner
Jetzt gibt es immer wieder im Großen und Ganzen große Kritik. Wir haben es zuletzt von J. D. West, dem US Vizepräsidenten, gehört, dass die Europäerinnen und Europäer irgendwie alle Kommunikation unter Strafe stellen und immer neue Regeln aufstellen, was im digitalen Raum erlaubt ist und was nicht. Ist da das Strafrecht der richtige Ort, solche Dinge zu verhandeln?
Eva-Maria Holzleitner
In dem Fall glaube ich schon. Also es geht hier um sexuelle Gewalt und eben auch das Versenden von Genitalbildern in den meisten Fällen. Penisbildern ist einfach Gewalt. Und deswegen muss man das auch hier im Strafrecht verankern. Und diese Vorhalte aus den USA finde ich immer besonders lustig, weil hier in diesem Falle geht es eben um das Versenden von Genitalbildern. Und grundsätzlich glaube ich nicht, dass wir in Europa besonders prüde wären, aber da geht es einfach auch darum, dass man ganz klar sagt, es ist das Internet, es ist der digitale Raum, kein rechtsfreier Raum. Und dass man hier auch den Opfern klar ein Instrument in die Hand gibt, dass sie sich auch wehren können.
Und das ist auch für die Politik relevant, dass wenn es eben neue Kommunikationswege gibt, und so neu sind jetzt die diversen Instant messenger Dienste und Dating Plattformen und so weiter auch nicht, aber dass man eben auf neue Erkenntnisse auch reagiert, wie eben dieses Versenden und dass man da als Politik auch das wollen wir, das wollen wir nicht, das ist verboten, ist irgendwie unsere Aufgabe, ehrlicherweise. Und da auch Regelungen zu schaffen für die digitale Welt, glaube ich, ist grundsätzlich wichtig. Deswegen finde ich es persönlich extrem begrüßenswert, dass es solche Dinge gibt wie den AI Act. Wie denn? Dass man einfach auch auf Europaebene sagt, es gibt Dinge, die im Internet auch geregelt werden müssen, und man muss da einfach reagieren, weil wurscht, ob es der Stammtisch ist, wo ich auch nicht alles sagen kann und darf. Also grundsätzlich Meinungsfreiheit ja, aber es gibt einfach Dinge, die nicht erlaubt sind. Wenn es sich z.B.
um Wiederbetätigung oder sonst irgendwelche Dinge auch handelt. Und auch klar im digitalen Bereich zu sagen, es gibt Dinge, die nicht erlaubt sind, muss einfach wirklich gleichermaßen passieren. Auch am Stammtisch darf ich nicht einfach meinen Penis oder meine Genitalien zeigen. Und im digitalen Raum ist es auch nicht erlaubt.
Georg Renner
Jetzt, wir sprechen vor allem über Dick Pics, weil das wahrscheinlich der Standard Anwendungsfall sein wird. Trotzdem, ich habe in den Kommentaren zu einschlägigen Artikeln vergangene Woche, als das Projekt vorgestellt worden ist, immer wieder nachgelesen, wo die Frage ist, Aha, und irgendwelche Pornobots, die mir jetzt Tittenbilder schicken oder irgendwas ähnlicher aufnahmen, sind die dann auch von der Strafbarkeit umfasst?
Eva-Maria Holzleitner
Es ist sich bewusst, also es steht eben bewusst, ja, also Dick Pics ist der wahrscheinlich häufigste Anwendungsfall, aber deswegen heißt es auch im Gesetz Genitalbilder, weil man hier natürlich auch nicht unterscheiden möchte. Also da darf es ja nicht um eine Ungleichbehandlung auch gehen. Und diese Bots sind tatsächlich ein Problem, aber die gehören auch anders geregelt, ehrlicherweise, dass man da eingreift.
Georg Renner
Ich will es jetzt auch nicht auf die gleiche Stufe stellen. Es ist natürlich kein gewalttätiger Übergriff, wie sie es richtigerweise sagen, sondern ein automatisierter Prozess. Aber trotzdem finde ich die Parallele interessant.
Eva-Maria Holzleitner
Ja, und grundsätzlich muss man sich eben auch darüber unterhalten bzw. Damit beschäftigen, eben irgendwelche Scamangebote oder sonst irgendwas im Internet, auf digitalen Plattformen, dass man auch auf sowas reagiert. Aber es sind, glaube ich, zwei unterschiedliche Dinge mit unterschiedlichen Hintergründen und unterschiedlichen Zielen und Motivationen, warum es passiert oder passiert ist. Und deswegen, wie gesagt, glaube ich, muss man das da auch klar trennen.
Georg Renner
Meine Frage zielt darauf ab, dass gerade in diesem sensiblen Bereich der digitalen Kommunikation, die irgendwie auf sexuelle Delikte trifft, oft unbeabsichtigte Nebenwirkungen von solchen Gesetzen entstehen. Wir haben z.B. bei den völlig nachvollziehbaren Verschärfungen der Kinderpornografie Regeln in den letzten Jahren erlebt, gibt es wahnsinnig viele Ermittlungen wegen Sextings unter Jugendlichen, die dadurch de facto kinderpornos erzeugen. Haben sie in der Regierung über solche potenziellen Folgewirkungen nachgedacht, was da entstehen könnte?
Eva-Maria Holzleitner
Ja, und es ist auch wirklich ganz klar festgehalten, wenn man sich z.B. die Erläuterungen auch genauer durchliest, dass es schon auch Ausschlussgründe gibt. Also wenn z.B. genitalbilder, Dick Pics herumgeschickt worden sind in einer Beziehung und man eben Sexting betrieben hat, die Beziehung ist aus, man hat sich getrennt, dann kann nachwirkend keine sexuelle Belästigung festgestellt werden oder empfunden werden. Also es ist klar festgehalten, dass es um das unerwünschte, unaufgeforderte Versenden von Bildern geht, insbesondere zwischen Personen, die kein Naheverhältnis haben, privater Natur. Das ist klar festgehalten und somit kann man auch vieles ausschließen und ist eigentlich hier sehr klar eingegrenzt, was gemeint ist. Also eben der klassische Fall, eine junge Frau bewegt sich im öffentlichen Raum, fährt mit der U Bahn, hat Airdrop eingeschaltet und auf einmal kommt irgendwie die Anfrage herein und es versendet ein fremder Mann einfach ein Dickpic an diese junge Frau.
Das ist der klassische Fall. Oder man befindet sich eben auf irgendeiner Dating Plattform, wo das reine Anwesen sein auf einer Dating Plattform jetzt auch nicht der Willkommensgruß ist für irgendwelche Genitalbilder. Man ist auf einer Dating Plattform und bekommt per Instant Message einfach ein Genitalbild zugeschickt, unaufgefordert, ungewünscht. Also das ist, wie gesagt schon klargestellt, auch in dem Gesetz. Aber hier ist auch deswegen, und das sage ich auch als langjährige Parlamentarierin sehr gut, dass es eine Begutachtungszeit auch gibt, wo man auch Stellungnahmen abgeben kann, wo man auch eventuelle Bedenken abgeben kann. Die werden wir uns auf jeden Fall auch genau anschauen. Und die Justizministerin ist ja auch in ihrem Fachgebiet wirklich eine großartige Expertin.
Die hat sie einerseits bei diesem Gesetzestext schon etwas gedacht und wird auch diese Begutachtungsstellung nahmen dann auch sich sehr wohl noch mal anschauen.
Georg Renner
Ich würde gerne auf diesen Fall zurückkommen, den sie schildern. Bei der dating Plattform ist man das einigermaßen nachvollziehbar, da gibt es Profile und alles. Aber bei Airdrop, da müsste die Betroffene, die da so ein unerwünschtes dick Pic entgegennimmt, ihr quasi sofort sagen, OK, halt, weil das muss irgendwer aus der Umgebung sein, und dann ist es wahrscheinlich sehr schwer nachvollziehbar, wer das gewesen ist, sobald der oder diejenige aus der U Bahn aussteigt. Oder wie wäre denn da der praktische Anwendungsfall?
Eva-Maria Holzleitner
Naja, dann kann man sich eben an die zuständigen Stellen wenden. Und für uns war es deswegen auch wichtig, das im Strafrecht zu verankern, dass hier eben die Betroffenen auch gut unter die Betroffenen auch gut unterstützt werden. Weil was wir ja auch gelesen haben vor kurzem, war dieser Fall der Aktivistin, die dann einen Privatdetektiv engagiert hat und irgendwie unglaublich viel Geld auch in das Verfolgen der Täter gesteckt hat. Und das soll nicht der Fall sein. Also wir wollen nicht, dass dann auch das Wenden an die offiziellen Stellen davon abhängt, wie viel Geld habe ich zur Verfügung, hier auch den Täter zu verfolgen, sondern das muss dann auch wirklich bestmöglich unterstützt werden.
Georg Renner
Das heißt, der konkrete Fall ist, sobald eine Frau ein solches Dick Pic unaufgefordert bekommt, geht sie zur Polizei und das geht dann den ganz normalen Weg der Strafjustiz.
Eva-Maria Holzleitner
Genau.
Georg Renner
Verstehe. Wie gesagt, in der wirkungsorientierten Folgenabschätzung, das ist der Ort, wo Ministerien ungefähr sagen, wie viel wird uns das kosten, wie viele neue Planstellen braucht etc. Geht man davon aus, dass circa 300 Fälle im Jahr angezeigt und ermittelt werden, braucht es dafür nicht mehr Richterinnen und Staatsanwälte, weil die Richterschaft hat gerade letzte Woche wieder gesagt, wir sind eigentlich schon jetzt viel zu wenige für unsere Arbeit. Eine Budgeterhöhung ist aber nicht mit in das Gesetz gepackt.
Eva-Maria Holzleitner
Wie gesagt, da glaube ich, ist die Justizministerin auch absolute Expertin, das gut einschätzen zu können und hier auch gemeinsam mit natürlich den unterschiedlichen Interessensvertretungen und so weiter auch auf die Gegebenheiten gut eingehen zu können. Und ich habe da vollstes Vertrauen in ihre Arbeit.
Georg Renner
Noch letzte Frage oder kommen wir zum Schluss. Mit den anderen Regierungsparteien, also ÖVP und Neos, gibt es schon einen Konsens offensichtlich hinsichtlich dieses Gesetzes. Haben sie mit den anderen beiden Parteien im Parlament auch schon Gespräche geführt darüber?
Eva-Maria Holzleitner
Ja, also zwischen den Koalitionsparteien gibt es hier absoluten Konsens. Deswegen ist es auch gut, dass das so schnell in Angriff genommen worden ist, dass wir jetzt eben schon einen Vorschlag auch in Begutachtung schicken haben können, weil hier kein Platz zwischen uns passt. Und das glaube ich, ist auch gut und wichtig, dass man bei derartigen Herausforderungen auch hier besteht Konsens. Es wird auch im Rahmen natürlich der Ausschussarbeit Gespräche mit den Oppositionsparteien geben. Ich weiß, auch den Grünen war das in der Vergangenheit ein Anliegen. Ja, sie hätten es rechtlich woanders verankert, aber in der Sache sind wir absolut auch eins. Also von dem her glaube ich, wird insbesondere auch die Justizministerin in dem Fall auch gute Gespräche mit den anderen Parteien führen.
Georg Renner
Sehr gut. Inkrafttreten ist jetzt einmal für 1. Sep. Ins Auge gefasst. Das kann sich aber natürlich mit der Begutachtung noch ändern, je nachdem wie viel Arbeit am Gesetz zu tun ist. Wann rechnen sie damit, dass die Strafbarkeit eintritt?
Eva-Maria Holzleitner
Also ich rechne damit, dass trotzdem dieser Zeitplan auch gut eingehalten werden kann. Begutachtung sehr wichtig. Der Antrag wird natürlich auch durch das Parlament gehen, ganz normal, wird dann im Nationalrat beschlossen, Bundesrat. Also von dem her glaube ich, dass der Zeitplan durchaus auch halten kann, weil die Grundlage, die die Justizministerin hier geliefert hat, eine sehr gute ist, mit auch wirklich vielen Gedanken, vielen Eventualitäten, die abgewogen worden sind. Von dem her glaube ich, ist es eine runde Sache und bin zuversichtlich, dass wir, Herr Bald, auch den Opfern gut unter die Arme greifen können und an ihrer Seite stehen können.
Georg Renner
Wir sind sehr gespannt. Kurze Frage, das Ganze ist ja Teil eines größeren Projekts, eines Masterplans nationaler Aktionsplan.
Eva-Maria Holzleitner
Gegen Gewalt an Frauen.
Georg Renner
Danke. Welche weiteren Projekte werden uns da noch ins Haus stehen in den nächsten Jahren?
Eva-Maria Holzleitner
Wir werden hier beim nationalen Aktionsplan, der ja auch im Minister innenrat letzte Woche beschlossen worden ist, sehr bald starten. Es gibt dann unterschiedliche Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Zielen, Bereichen, weil Gewaltschutz natürlich über alle Bereiche hinweggehen muss, von Gewalt am Arbeitsplatz, über die digitale Gewalt haben wir jetzt schon auch ausführlich gesprochen, aber auch Prävention im Bereich der Bildung etc. Also da wird noch einiges und vieles auf uns zukommen, viel Arbeit vor allem auch. Aber auch hier verspüre ich wirklich bei allen Regierungsmitgliedern, dass die Bereitschaft, an diesem nationalen Aktionsplan zu arbeiten, sehr, sehr groß ist. Und unser gemeinsames Ziel ist auch, Opfer von Gewalt bestmöglich zu unterstützen, zu schützen und vor allem auch in der Prävention einfach auch besser zu werden und noch weiter voranzukommen. Also wir werden hier oder haben schon den Startschuss gelegt, kommen hier auch sofort ins Tun, damit wir diesen nationalen Aktionsplan, der wirklich auch in den verschiedenen Ministerien klare to dos vorsieht, bald ins Tun kommen und in dieser Legislaturperiode auch noch einige Meilensteine im Gewaltschutz legen können.
Georg Renner
Es gibt viel zu tun. Gerade im Bereich der Femizide ist Österreich ja ein Ausreißer nach oben, ein unrühmlicher.
Vielen Dank für das Gespräch. Ich würde mich freuen, wenn wir auch bei den nächsten Projekten wieder ein kurzes Gespräch darüber führen könnten.
Eva-Maria Holzleitner
Sehr gerne. Vielen Dank für das nette Gespräch.
Georg Renner
Vielen Dank. Und das war diese neue lose Serie von ganz offen gesagt für heute. Mich würde interessieren, was ihr von diesen Sachgesprächen haltet. Bitte schickt uns gerne Feedback an die E Mail Adresse in den Shownotes. Ich freue mich auch über Feedback auf Social media. Bitte erwähnt uns dort auch freundlich. Und wenn euch die Folge gefallen hat, verbreitet sie weiter. Vielen Dank fürs Zuhören.
Bis zum nächsten Mal. Adieu.
Autor:in:Georg Renner |