GANZ OFFEN GESAGT
Über das Kopftuchverbot - mit Claudia Plakolm

Darf der Staat Minderjährigen verbieten, ein Kopftuch zu tragen - und wenn ja, wie setzt er das durch? Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) spricht mit Georg Renner über die Pläne der schwarz-rot-pinken Regierung für ein neues Kopftuchverbot.


Georg Renner
Hallo und herzlich willkommen bei ganz offen gesagt, dem Podcast für Politikinteressierte. Mein Name ist Georg Renner, ich bin freier Journalist und in unserer losen Folge von Sachgesprächen mit den neuen Ministerinnen und Ministern unterhalte ich mich heute mit Claudia Plakolm. Plakolm ist die neue Ministerin für Familie, Jugend und Europa und ganz besonders für Integration. Mit ihr habe ich die nächste halbe h über das geplante Kopftuchverbot für unter Jährige gesprochen. Grüß Gott. Hallo und herzlich willkommen, Claudia Plakolm.
Vielen Dank für Ihre Zeit.

Claudia Plakolm
Vielen Dank für die Einladung.

Georg Renner
Das ist ein Teil unserer Sachgespräche im Rahmen von ganz offen gesagt. Das heißt, wir unterhalten uns eine halbe h lang über ein spezifisches Thema. Und wir hatten vereinbart, dass wir uns über das Kopftuchverbot, das die neue türkis rot pinke Bundesregierung plant, unterhalten werden. Trotzdem fangen wir an mit der klassischen Transparenzpassage von ganz offen gesagt. Die umfasst zwei Fragen, nämlich woher wir einander kennen und zweitens, ob sie politische Funktionen haben. Das erste lässt sich schnell beantworten. Wir kennen uns aus meiner beruflichen und ihrer beruflichen politischen Vergangenheit, nämlich bei der kleinen Zeitung und als Staatssekretärin früher.
Zweite was sind denn Ihre aktuellen politischen Funktionen?

Claudia Plakolm
Ich darf jetzt seit wenigen Wochen Bundesministerin für Europaintegration und Familie sein und bin darüber hinaus auch Bundesobfrau der jungen Volkspartei und hab parteiliche Funktionen im Rahmen meiner Tätigkeit als Ministerin des ÖVP Regierungsteams.

Georg Renner
Ganz klar Bundesministerin im Kanzleramt für Europa, Familie, Integration, das ist ja weiter Bereich. Wir haben uns heute herausgenommen, das Kopftuchverbot. Und ich muss gleich anfangen damit, dass bei mir im Kopf bisher, bis ich jetzt ein bisschen zu recherchieren begonnen habe, ein Missverständnis vorgeherrscht hat. Nämlich so wie das im Regierungsprogramm vereinbart ist, soll es dann nicht nur um in Schulen gehen, wenn ich das richtig verstehe, sondern allgemein ein Kopftuchverbot für unmündige Minderjährige, also bis zu 14 Jahre alte Kinder.
Ist es so? Und warum ist das so?

Claudia Plakolm
Im Regierungsprogramm haben wir uns auf ein Kopftuchverbot für unter jährige Mädchen verständigt. Regierungsprogramm ist ja immer etwas, was sehr auf den Punkt kommt, wo in Bullets in wenigen Zeilen die politischen Vorhaben kurz gegliedert werden. Jetzt geht es an die praktische Umsetzung. Und das ist natürlich eines der heikleren Vorhaben, die etwas mehr Vorlaufzeit brauchen. Wir sind hier im Austausch mit Verfassungsexpertinnen und Verfassungsexperten, ist dann die politische Entscheidung vor allem, wie wir es umsetzen, in welcher Art und Weise. Und das beginnt schon bei der Gesetzesmaterie.

Georg Renner
Aber wenn sie jetzt machen könnten, wie sie wollten, was natürlich eingeschränkt ist durch die Verfassung einerseits, durch das VfGH Erkenntnis zum vorigen Kopftuchverbot andererseits, auf das wir vielleicht noch ein bisschen zu reden kommen werden. Wenn sie jetzt machen könnten auf grüner Wiese, wie sie wollten, wie wird dann dieses Kopftuchverbot ausgestaltet sein?

Claudia Plakolm
Wenn ich machen könnte, wie ich wollte, und die wichtigste Voraussetzung, nämlich die politische Mehrheit, auch gegeben ist, in diesem Fall eine Zweidrittelmehrheit, dann würde ich es als Verfassungsgesetz verankern. Das heißt mit Zweidrittelmehrheit im Nationalrat beschließen, dass wir ein Kopftuchverbot für unter Jährige verankern.

Georg Renner
Und um den Elefanten im Raum gleich mal aus dem Weg zu räumen, warum gerade ein Kopftuchverbot und nicht ein Verbot aller konfessionell geprägten Kleidungsstücke?

Claudia Plakolm
Ich sehe es weniger als Thema für mich als Integrationsministerin, sondern insbesondere als Jugendministerin, dass ich mich schützend vor junge Frauen, vor Mädchen stellen möchte, dass sie genauso von Kindesbeinen an alle Chancen unserer freien westlichen Gesellschaft haben. Ich bin der Überzeugung und ich bin froh, dass sich das auch im Regierungsprogramm widerspiegelt, dass an einer Achtjährigen, an einer Jährigen ein Kopftuch einfach nichts verloren hat. Wenn sie Mädchen in diesem Alter hinterm Kopftuch verstecken müssen, dann ist es natürlich die prägendste Zeit für Kinder. Das ist die prägendste Zeit, wo sich der Körper entwickelt in den Jahren darauf, wo sie die Persönlichkeit, die kognitiven Fähigkeiten entwickeln. Und wenn ein Mädchen hier von Kindesbeinen klargemacht bekommt, egal ob das über die Familie ist, über Gleichaltrige oder insbesondere auch über Social Media, wo es Influencer in diesem Bereich gibt, die eben dann sagen, wenn man eine anständige Muslima ist, dann hat man ein Kopftuch zu tragen, schon vor der Religionsmündigkeit. Das ist ein ganz wichtiges Thema, dass man hier auch klar macht, was wir als Gesellschaft dulden und was nicht. Und natürlich ist es ein Zeichen dafür, dass wir gegen die Unterdrückung von Mädchen sind.
Und ich bin froh, wenn wir hier auch eine rechtliche Möglichkeit finden, dass wir das endlich umsetzen können. Weil ich möchte, dass Mädchen hier zu nichts gezwungen werden, das sie vielleicht in diesem Alter noch gar nicht verstehen, das ihnen auch nicht immer vorgelebt wird. Meistens ist es wie gesagt Social Media, das sehr stark darauf drängt, dass man seine Glaubensausrichtung, seine Glaubensprägung hier radikaler einschlägt.

Georg Renner
Jetzt ist ja gerade die ÖVP immer wieder für das Subsidiaritätsprinzip eingetreten, also Dinge auf der möglichst untersten Ebene zu regeln, wo sie geregelt werden können. Ist es wirklich die Aufgabe des Bundes, Bekleidungsvorschriften zu erlassen?

Claudia Plakolm
Mir ist vollkommen bewusst, dass ein Verbot alleine das Problem nicht lösen wird. Das Problem auch der Zunahme von radikalen Tendenzen im religiösen Zusammenhang. Und wir haben hier ein Problem mit dem radikalen Islam. Das ist ganz einfach Tatsache. Natürlich braucht es da Begleitmaßnahmen, und die werden wir auch im Rahmen unseres Beschlusses, welche Entscheidung wir dann auch immer treffen, ob es ein einfaches Gesetz ist oder ein Gesetz im Verfassungsrang, mitnehmen. Es geht darum, dass wir eine Handhabe gegenüber Sittenwächtern haben. Also wir sind ja nicht diejenigen, die Bekleidungsvorschriften machen.
Es sind zum großen Teil gleichaltrige Burschen an den Schulen, die den Mädchen sagen, was jetzt okay ist, was sie tragen und was nicht okay ist und wie sie eine anständige Gläubige sind und wie nicht. Und es ist äußerst bedenklich, dass hier mehrere tausend Mädchen, und wie gesagt, wir sprechen hier von unter Jährigen, mit 14 Jahren beginnt die Religionsmündigkeit, deswegen glaube ich auch wichtig, dass man es an diesem Alter festmacht, das Mädchen hier einfach schon von klein auf irgendwie vermittelt, ihr lasst euch jetzt was von den Burschen sagen, wie ihr euch zu kleiden habt in dem Zusammenhang. Es braucht mehr Beratungsgespräche, auch für Eltern. Und natürlich gehört selbstverständlich das Empowerment von Mädchen auch dazu, dass sie ein sichtbares, selbstbestimmtes und selbstbewusstes Leben in unserer Gesellschaft führen können.

Georg Renner
Ich möchte nur kurz einhaken, weil sie angesprochen haben, Sittenwächter, die anderen, z.B. jungen Frauen, Mädchen etc. Vorschreiben, wie sie sich zu kleiden haben oder eben nicht. Das war auch ein Element im Verfassungsgerichtshof, Erkenntnis zum Kopftuchverbot der damaligen türkisblauen Regierung, die das ja an Schulen, vor allem Volksschulen, verboten hat. Da hat der VfGH gesagt, ja, aber dieses Kopftuchverbot, so wie es konzipiert war damals, nicht auf Verfassungsebene, sondern einfach gesetzlich, hat eben diesen Mangel unter anderem, dass es eben genau die nicht betrifft, die eben diese Sittenwächter sind. Es ist keine Vorschrift an junge Männer, jungen Frauen nichts vorzuschreiben oder Mädchen nichts vorschreiben, sondern es ist wieder eine Vorschrift an die Mädchen. Das heißt, die kriegen dann von gesetzlicher Ebene vorgeschrieben, wie sie sich eben nicht zu kleiden haben.
Also es ist nicht genau das gleiche, weil es natürlich staatlich eine Gesetzgebung ist, aber trotzdem betrifft es erst wieder die diskriminierte Gruppe und nicht ist es eine Vorgabe an junge Männer, sich eben nicht so blöd aufzuführen.

Claudia Plakolm
Das ist genau das, was ich gemeint habe damit, dass das Verbot jetzt das Problem alleine nicht bekämpfen wird, dessen bin ich mir vollkommen bewusst. Und deswegen ziehen wir eben genau diese Kritik auch mit ein in unsere Überlegungen, wie wir den neuen Gesetzesentwurf ausgestalten können. Wir nehmen diese Kritik des letzten Mals selbstverständlich auf und deswegen braucht es ja auch ein umfassendes Begleitgesetz bzw. Begleitmaßnahmen, damit wir eben hier auch eine konkrete Handhabe haben gegenüber Sittenwächtern, damit Eltern hier auch stärker in die Verantwortung kommen und auch dort das Bewusstsein gestärkt wird. Wir haben ja z.B. eine Mitwirkungspflicht auch auf den Weg gebracht im Regierungsprogramm, und an der arbeitet das Bildungsministerium sehr intensiv, dass natürlich Eltern auch eine Verantwortung dafür tragen, dass ihre Kinder geordnet einem Unterricht folgen können und dass sie sich auch in der Schule sehen lassen, dass sie da selbst ein Interesse daran haben, mitzuwirken, egal welches Geschlecht der Klassenvorstand, die Klassenvorständin hat. Das sei auch dazu gesagt.
Und die proaktivste Maßnahme ist, dass wir es gar nicht so weit kommen lassen, nämlich, dass allen Mädchen und auch Frauen in Österreich klar ist, wenn ich hier lebe, dann habe ich ein gleichberechtigtes Leben, dann habe ich ein sichtbares Leben. Ich tritt nicht in die unsichtbare zweite Reihe zurück, ich werde nicht verschleiert, ich werde nicht gezwungen, einen Kopf durchzutragen und bin nur dann anständig als Frau, sondern in Österreich haben wir eine Kultur der Gleichberechtigung. Und das ist, was dann gerade die Integrationstangente auch betrifft, die große Herausforderung, dass wir das auch Mädchen und Frauen vermitteln.
Wir haben z.B. wenn ich dann an ältere Frauen auch denke, jetzt von den Mädchen weg, die große Herausforderung, dass wir ihnen auch bewusst machen, dass es in Österreich keine entweder oder Entscheidung ist zwischen Familie und Kinderbetreuung. Frauen, die bei uns leben, die oftmals aus Kulturen kommen, wo sie keine Schule abschließen haben dürfen, keine berufliche Ausbildung machen haben dürfen, die in einem Selbstverständnis zu Hause leben und sich um die Kinder umschauen und gar nicht wissen, dass wir eine gute institutionelle Kinderbetreuung auch haben und dass man die auch wahrnehmen soll und darf, dass man ein paar Stunden auch nebenbei arbeiten darf. Das geht sie neben Kindern auch aus. Und das, diese Kulturfrage, das müssen wir in den Köpfen vor allem von Frauen, aber auch von Männern besser verankern in der Integrationsarbeit.

Georg Renner
Aber diese Gleichberechtigung, die sie ansprechen, da spricht jetzt ein bisschen die Familienministerin auch mit, höre ich schon heraus, diese Gleichberechtigungsfrage ist ja genau im Kern der Diskussion um sein Kopftuchverbot. Weil ich verstehe schon, natürlich gibt es Familien, in denen Kinder offenbar gegen ihren Willen gezwungen werden, ein Kopftuch aufzusetzen. Das ist ein Drama. Aber andererseits ist es ja eben genau nicht die Gleichberechtigung, wenn ein junges Mädchen sieht, okay, ich würde gerne wie z.B. die Mama ein Kopftuch aufsetzen und darf das dann, wenn es dieses Gesetz gäbe, eben nicht mehr, während der Bursche aus der jüdischen Familie nebenbei problemlos mit der Kippa in die Schule gehen darf. Wie löst man das auf?

Claudia Plakolm
Selbstverständlich ist die Religionsfreiheit ein sehr, sehr hohes Gut bei uns in Österreich, aber die Freiheit endet immer dort, wo die Selbstbestimmung des Einzelnen dann auch beschränkt wird. Und das ist beim Kopftuch ganz einfach der Fall. Bei Mäd erwachsene Frauen können tun und lassen, was sie wollen, aber bei Mädchen, bei unter Jährigen erwarte ich mir eben als Jugendministerin, dass diese Entwicklung, die körperliche Entwicklung, die Entwicklung der Persönlichkeit in diesen Jahren nicht gestört wird durch ein Symbol der Unterdrückung. Und wir wissen, dass es ein Symbol der Unterdrückung ist, wenn es Kinder tragen. Weil überall dort, wo Kinder und Frauen mit Kopftuch präsent sind, das sind vorwiegend Länder, wo der radikale Islam im Vormarsch ist und wo Vollverschleierung eben dann auch herrscht, wo die extremeren Auslegungen auch stattfinden. Und dessen muss man sich bewusst sein. Ich glaube, man muss nur in den Iran schauen, dort werden als Zeichen des Frauenprotestes werden da Kopftücher verbrannt.
Das zeigt ja, was das auch für eine Symbolik hat für die Frauen selbst, die jahrzehntelang unter einem Kopftuch leben.

Georg Renner
Der Iran ist ein gutes Stichwort. Dort ist eben jetzt gerade begonnen worden, damit diese Bekleidungsvorschriften auch über Videokontrollen im öffentlichen Raum umzusetzen. Das heißt, da wird gefilmt und Frauen, die eben nicht das Kopftuch sich nicht verschleiern, bekommen dann eine Strafe. Das führt mich zu der Wie würde denn so ein allgemeines Kopftuch für unter jährige praktisch umgesetzt werden? Wird es da tatsächlich Strafen geben von Polizisten, die junge Mädchen aufhalten, die ein Kopftuch tragen?

Claudia Plakolm
Das ist jetzt eben genau die Frage, an der wir noch feilen mit Expertinnen und Experten, ob wir einerseits das Gesetz im Verfassungsrang mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen, wo wir einen Partner aus der Position an Bord brauchen, wo wir dieses generelle Verbot auch beschließen können. Es wird schwierig sein, und das habe ich eingangs gemeint, auch das Regierungsprogramm ist oft auf sehr wenige Zeilen beschränkt in diesem Punkt. Der öffentliche Raum per se ist ja zu Recht ein sehr gut geschützter Raum mit vielen Freiheiten und Rechten. Dass man hier jetzt auch noch dieses Verbot im öffentlichen Raum durchsetzt, das wage ich zu bezweifeln rechtlich. Deswegen werden wir uns auf die Schulen, auch auf Privatschulen hier sehr stark fokussieren, wenn wir dieses Gesetz im Verfassungsrang angehen. Die andere Möglichkeit wäre, auf den Einzelfall abzuzielen. Das heißt, mit einem einfachen Gesetz zu beschließen, dass man die Einzelfälle genau prüft, dass es hier ein Stufenmodell gibt, auch an Interventionen, dass Elterngespräche forciert werden, Gespräche mit dem Mädchen selbst bis hin zur Schulpsychologie, Kinder und Jugendhilfe sensibilisiert wird bzw.
Auch ein Gutachten erstellt werden muss. Am Ende des Tages tragt das Mädchen das Kopftuch freiwillig oder unfreiwillig und geht jetzt nicht nur um die Geschmacksfrage, welche dieser beiden Varianten wir sozusagen hier auch gesetzlich wählen, sondern natürlich was hält vor dem Verfassungsgerichtshof, was bezieht die Kritik des letzten Mals besser mit ein? Das wollen wir selbstverständlich machen, weil das Thema ist zu wichtig, als dass man es hier irgendwie populistisch nur in der Überschrift belastet und dann wird es wieder aufgehoben. Natürlich soll es exekutierbar sein, weil sonst bringt ein Verbot auch herzlich wenig. Und die Mädchen, und das muss im Vordergrund stehen, die Mädchen bestmöglich schützen. Also man muss sich schon bei den unterschiedlichen Möglichkeiten auch die Fragen stellen, wie weit ist es zumutbar für eine Jährige, dass eben ein Gutachten über sie beispielsweise erstellt wird?

Georg Renner
Das ist eine ganz spannende Diskussion, weil genau das war ja einer der Knackpunkte des damaligen VfGH Erkenntnisses. Von 2020, wenn ich das richtig im Kopf habe, dass er gesagt hat, ausgesprochen hat, es muss eine Einzelfallfrage sein, ob das wirklich ein Ergebnis der Unterdrückung ist oder in dem Fall vielleicht eine freiwillige Entscheidung. Und damals, das damals beschlossene, von der TG blauen Bundesregierung beschlossene Kopftuchverbot an Volksschulen hatte nur unter Zehnjährige betroffen und daher einen sehr, sehr kleinen Prozentsatz der Bevölkerung. Erfreulicherweise, glaube ich, kann man so sagen. Während bei einem Kopftuchverbot bis zu 14 Jahren, das tatsächlich eine relativ breite Sache wäre, vermutlich, weil in dem Alter zwischen 10 und 14 Jahren sieht man in der allgemeinen Umgebung fangen einfach sehr, sehr viele muslimische Mädchen an, Kopftuch zu tragen. Ich kann mir ehrlicherweise nicht ganz vorstellen, wie so eine Einzelfallprüfung dann in einem so breiten Ausmaß stattfinden könnte. Das wären ja wahrscheinlich, sie haben zuerst die Zahl von mehreren tausend Fällen genannt.
Tausende Fälle im Jahr. Das heißt, da muss eine ganze Infrastruktur an Gutachterinnen, Gutachtern, Sachverständigen etc.
Geben dafür, oder?

Claudia Plakolm
Das ist eben genau die Frage, wie es praktisch dann exekutierbar auch ist. Und das ist natürlich diese Abwägungssache, wo man die Balance treffen muss zwischen Durchführbarkeit und gleichzeitig auch rechtlichem Halt und rechtlicher Klarheit durch die Lösung, für die man sich dann entscheidet. Natürlich, das ist auch eine der wichtigen Fragen, neben dem, wie weit es den Mädchen auch hilft, ist natürlich die, welche politischen Mehrheiten es gibt. Und diese Frage wird natürlich voranstehen. Wenn sich keine zweidrittel Mehrheit abzeichnet für ein Thema, dann ist die Entscheidung indirekt getroffen, dass wir es mit einfacher Mehrheit beschließen müssen. Ich gehe jetzt nicht davon aus, dass die Grünen ihre Meinung zu diesem Thema ändern, wobei es mir auch nicht verständlich ist, weil es ja um das Thema Selbstbestimmung geht von Frauen und Mädchen. Und wie gesagt, das ist ein Thema für mich als Jugendministerin und wir machen das vom Alter her in diesem Anlauf bei der Religionsmündigkeit anhängig.
Also mit 14 Jahren, finde das ist glaube ich gut argumentierbar und dass wir diese Zunahme haben, das reicht ein Blick in die U Bahn in Wien, dass hier mehrere tausend Mädchen den Berechnungen nach hier auch betroffen sind.

Georg Renner
Sie haben die politischen Mehrheiten angesprochen. Wenn wir die Grünen mal ausnehmen, auch dort gibt es die Diskussion immer wieder. Die frühere grüne Nationalratsabgeordnete Sibylle Hamann z.B.
kollegin von mir, war z.B. für ein Kopftuchverbot. Aber nehmen wir die Grünen mal aus. Relativ wahrscheinlich ist ja, dass die FPÖ grundsätzlich für ein Kopftuchverbot zu gewinnen wäre.

Claudia Plakolm
Oder würde man meinen, ist immer dann die Frage, wie genau es die Oppositionspartei dann mit der Grenze nimmt. Was ist Oppositionsarbeit, nämlich nur zu schimpfen, oder kann man tatsächlich auch Dinge, die man an der neuen Bundesregierung gut findet, mitbeschliessen? Das wird, glaube ich, die Geschmacksfrage sein, die zu treffen ist. Also weniger eine inhaltliche, sondern mehr eine parteipolitische, wie leider befürchte.

Georg Renner
Okay, aber sie haben diese beiden Fälle schon mal geschildert. Entweder es gäbe eine Zweidrittel, damit Verfassungsmehrheit, dann kann man das, wenn ich sie richtig verstehe, zumindest in öffentlichen Gebäuden und vor allem Schulen verbieten für alle unter Jährigen. Wie wäre dann der Fall? Es gilt ja trotzdem Schulpflicht, das heißt Mädchen müssen trotzdem in die Schule gehen. Wie wäre dann der Ablauf? Im ursprünglichen Kopftuchverbot an den Volksschulen wäre eben so ein ähnlicher Stufenplan, wie sie es schon genannt haben, vorgesehen gewesen. Zuerst Elterngespräch seitens der Schule etc.
Wäre das dann auch so?

Claudia Plakolm
Es wäre wie bei vielen anderen gesetzlichen Vorschriften, dass es ja, wir haben z.B. ein Verschleierungsverbot, wenn wir in einem ähnlichen Themenbereich auch bleiben wollen, das genauso exekutiert wird und wie es andere.

Georg Renner
Das ist im öffentlichen Raum gültig, da exekutiert vor allem die Polizei und über weite Strecken nicht, weil es einfach zu viel Aufwand ist.

Claudia Plakolm
Genau, aber generell, was Vorschriften betrifft, es gibt Verbote in unserem gesetzlichen Rahmen und wer sich nicht daran hält, ist in allen Bereichen so, der hat mit Konsequenzen zu rechnen. Und das wird man relativ praktisch an bisherigen Gesetzen und Sanktionen hier orientieren. Aber das ist genau jetzt die Frage der Ausgestaltung, wo wir sehr auf die Expertise auch der Juristen und Verfassungsexperten hier auch zählen.

Georg Renner
Naja, sie sagen das so leicht, es gibt Verbote. Was ist verboten an Schulen? Z.B. waffen mitzunehmen, jedes Mal, wenn Schüler mit einem Messer oder irgendwas in die Schule kommt, wird die Polizei gerufen. Beim Kopftuch, das offensichtlich viel, viel mehr Fälle wären, wären das tausende Polizeieinsätze in Wien drum.

Claudia Plakolm
Das Thema der Exekutierbarkeit ist natürlich einer der Punkte, der uns beschäftigen muss bei der konkreten ausgestalt, auch über die Entscheidung hinaus, welche Gesetzesmaterie davon betroffen sein soll. Und ja, das ist etwas, was natürlich im Interesse aller möglichst praktisch auch gelingen soll, aber es kann nie das Verbot alleine ein Problem lösen. Das ist mir vollkommen bewusst. Und dass das natürlich an der Schule noch ein deutlich sensiblerer Ort ist, nicht nur jetzt so in der allgemeinen Betrachtung als Arbeitsplatz der jungen Menschen, das ist ja auch ein Ort, wo wo Freundschaften sind, wo ein Leben entwickelt wird, wo den Lehrpersonen auch eine große Verantwortung zukommt. Deswegen auch besonderer Fokus neben dem Verbot auf die Begleitmaßnahmen, weil wie gesagt, ein Verbot immer nur die letzte Konsequenz sein kann und womöglich Probleme verschleppt in dem Zusammenhang. Es ist wichtig, dass wir im Gesetz diese klare Sprache sprechen, was wir richtig finden und wie wir hier unsere Werte auch widerspiegeln. Aber gleichzeitig braucht es natürlich auch die Rahmenbedingungen, dass wir eben proaktiv das sichtbare Leben von Mädchen von klein auf stärken, Selbstbewusstsein stärken, die Selbstbestimmung und das Empowerment vorantreiben und diejenigen zusammenhalten, die ja eigentlich das Problem sind.
Und das sind wie gesagt, nicht nur Sittenwächter, sondern insbesondere im digitalen Raum, habe mich auch mit Integrationsexperten ausgetauscht, wo hier eigentlich dieser Entschluss fällt, ob man das irgendwo festmachen kann in der Entwicklung von einem Mädchen, dass ich jetzt ein Kopftuch trage, ob das familiär, so in dem vorherrschenden Bild die Väter vorschreiben. Das ist mittlerweile ganz stark auch ein Thema der sozialen Medien. Mädchen, wo die Mütter kein Kopftuch tragen, tragen im Kindesalter, im frühen Jugendalter ein Kopftuch, weil sie den Druck unter Gleichaltrigen, den Druck auf Social Media verspüren. Und ich habe mir selbst einige dieser Kanäle jetzt auch angesehen. Wir haben hier sehr, sehr viele Influencerinnen in diesem Bereich, die eben gut und böse, es ist alles nur schwarz und weiß und gut bist du als Gläubige und nur in den Himmel kommst du als Gläubige, wenn du frühestmöglich dein Leben nach dem Glauben ausrichtest, nämlich in einer extremen Art und Weise. Und das ist mittlerweile nicht mehr so, dass man das einfach nur mit Fingerzeig auf das Elternhaus abschieben kann, weil dort meistens die Mütter auch kein Kopftuch tragen. Und das ist auch eine Tatsache, die wir hier sehen müssen, dass wir ein großes Problem mit Radikalisierung über Social Media haben.

Georg Renner
Ich darf dazu kurz eine Werbeeinschaltung machen zu einer ganz offen gesagt Folge mit den Kollegen Neuhold und Kaltenbrunner, die genau zu dem Thema Allahs mächtige Influencer ein Buch geschrieben haben und dort auch Maßnahmen vorgeschlagen haben, unter anderem klare gesetzliche Regelungen zu dem Thema. Trotzdem würde ich ganz gerne noch mal aufs Kopftuchverbot zurückkommen. Wenn es diese Zweidrittelmehrheit nicht geben sollte, dann ist das relativ problematisch. Dann müssten sie eben wie gesagt, tausende Einzelfälle überprüfen und im individuellen Fall sagen, ja okay, das ist Zwang etc. Etc. Das ist ein wahnsinnig aufwendiger Prozess, der glaube ich, kaum bewältigbar sein wird oder ressourcenmässig.

Claudia Plakolm
Wie gesagt, Exekutierbarkeit wichtig. Das kann ich nur ein weiteres Mal auch betonen. Aber selbstverständlich, wenn es uns etwas wert ist und es ist wichtig, dass wir dieses Zeichen einerseits im Regierungsprogramm haben, aber auch den konkreten gesetzlichen Beschluss dann festhalten, was wir tolerieren und was wir nicht tolerieren als Gesellschaft in Österreich, dann wird es auch wichtig sein, dass wir die nötigen Ressourcen haben, dass diese Fälle abgearbeitet werden können. Wie gesagt, Fokus liegt aber auch sehr, sehr stark auf dem, wie man Begleitmaßnahmen auch machen kann.

Georg Renner
Verstehe. Bis wann soll denn das Ganze umgesetzt werden? Das ist eines der vielen Themen im Regierungsprogramm, die jetzt kein zeitliches Limit haben. Aber haben sie da intern irgendwie so eine Richtlinie, wie lange das dauern wird?

Claudia Plakolm
Wir sind intensiv in den Vorbereitungsarbeiten und wir hoffen, dass wir im Sommer hier auch einen Beschluss auf den Weg bringen können.

Georg Renner
Schon dieses Jahr 2025.

Claudia Plakolm
Schon dieses Jahr, ja.

Georg Renner
Sehr spannend. Das heißt, gibt es da schon Gespräche auch mit den Oppositionsparteien oder sind sie jetzt noch, wenn ich es richtig verstehe, in der Konzeptionsphase intern mit Verfassungsjuristinnen etc.

Claudia Plakolm
Wir sind jetzt noch in der Konkretisierung der Möglichkeiten, die wir rechtlich haben, weil es eben dann eine politische Entscheidung ist, weniger eine juristische Entscheidung. Und dann basierend auf dieser politischen Entscheidung, die wir als Regierungsparteien ja auch treffen müssen, wo wir es mit den drei Regierungsparteien auch koordinieren müssen, diese Thematik, wird es dann eben ein Zugehen auf Oppositionsparteien geben oder eben nicht.

Georg Renner
Letztes Thema, das mich noch interessieren würde. Sie haben zwar schon angesprochen, es ist vieles noch in Ausarbeitung, trotzdem würde es mich interessieren, immer wenn es staatliche Verbote gibt, muss logischerweise auch Strafen geben beim nicht verfolgen, weil sonst ist es ein zahnloses Gesetz. Jetzt sind jüngere als 14 Jahre Minderjährige grundsätzlich nicht strafmündig, das heißt, man müsste die Eltern bestrafen. Kann ich Eltern dafür strafen, was ihre Kinder tun oder lassen?

Claudia Plakolm
Ja, denn es ist nicht nur eine Erziehungsberechtigung, die Eltern haben, sondern es ist auch eine Erziehungspflicht. Und Eltern tragen in diesem Alter, solange ihre Kinder unmündig sind, Verantwortung für ihre Kinder.

Georg Renner
Das heißt, wie hoch könnte eine Strafe potenziell sein?

Claudia Plakolm
Da will ich mir jetzt auf keine Zahl festlegen, weil wie gesagt, die Expertinnen und Experten werden hier die Dinge sehr stark an dem orientieren, was vergleichbare gesetzliche Materien auch sind. Wie gesagt, kann man auch auf die Mitwirkungspflicht im Schulunterricht abzielen und das dort zusammenfassen, weil das eben auch eine Möglichkeit wäre, diese Verantwortung der Eltern gesetzlich klarzuregeln und darzulegen und mit Konsequenzen zu versehen. Ich glaube, Konsequenzen sind wichtig, weil sonst würde jede Pflicht, ein jedes Verbot relativ herzlos und zahnlos sein.

Georg Renner
So ist es. Wir sind gespannt, wie die konkrete gesetzliche Regelung ausschauen wird und welche Mehrheiten sich dafür finden oder nicht. Ich würde mich freuen, wenn wir dann, wenn ein Gesetz vorliegt, wieder weiter darüber sprechen können. Frau Ministerin, vielen, vielen Dank für Ihre Zeit und danke für das Gespräch.

Claudia Plakolm
Vielen Dank.

Georg Renner
Vielen Dank fürs Zuhören. Bis zum nächsten mal. Adieu.

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Georg Renner

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