GANZ OFFEN GESAGT
Über die Abschaffung der romantischen Liebe - mit Beatrice Frasl
Anna-Lisa Bier spricht mit der Autorin und Podcasterin Beatrice Frasl über romantische Liebe als politisches System, darüber, warum Ehe und Partnerschaft für viele Frauen zur Falle werden – und was es braucht, um eines der größten gesellschaftlichen Narrative unserer Zeit neu zu denken.
Anna-Lisa Bier
Herzlich willkommen bei ganz offen gesagt. Mein Name ist Anna Lisa Bier und heute sprechen wir über ein Thema, das auf den ersten Blick vielleicht nicht nach klassischer Politik klingt, es aber in Wahrheit zutiefst ist. Es geht um die romantische Liebe. Denn Liebe ist nicht nur ein Gefühl, sondern auch Struktur. Sie organisiert unser Zusammenleben, prägt Entscheidungen und wirkt tief hinein in unsere wirtschaftliche Realität. Und dabei, das zeigt mein heutiger Gast in ihrem neuen Buch, benachteiligt sie vor allem Frauen. Beatrice Frasl ist Kulturwissenschaftlerin, Autorin und Host des Podcasts Große Töchter.
In ihrem neuen Buch entromantisiert euch. Ein Weckruf zur Abschaffung der Liebe zeigt sie auf, wie tief das Ideal der romantischen Liebe in unsere Lebensrealitäten eingreift und warum es Zeit ist, dieses Ideal zu hinterfragen. Liebe Beatrice, ich freue mich sehr, dass du heute bei ganz offen gesagt zu Gast bist. Danke, dass du dir die Zeit für dieses Gespräch nimmst.
Beatrice Frasl
Ja, vielen lieben Dank für die Einladung. Es freut mich sehr.
Anna-Lisa Bier
Ein Grundprinzip unseres Podcasts, ganz offen gesagt, lautet Transparency is the new objectivity. Deshalb starten wir jede Folge mit unserer Transparenzpassage, also der Frage, woher wir uns kennen, warum wir einander duzen und ob du aktuell für eine Partei oder eine parteinahe Organisation tätig bist.
Beatrice Frasl
Nein, bin ich nicht.
Anna-Lisa Bier
Okay, das ist jetzt schon mal die zweite Frage. Perfekt, dann kann ich ja jetzt eigentlich die erste Frage auch noch mal beantworten. Wir beide kennen uns, weil du mit deinem Podcast große Töchter seit Jahren bei Missing Link mit dabei bist, im Podcast Netzwerk. Und bei dem arbeite ich wiederum seit mittlerweile drei Jahren.
Beatrice Frasl
Genau, und ich war schon zweimal zu Gast hier.
Anna-Lisa Bier
Das wollte ich nämlich jetzt auch als nächstes sagen. Du warst bereits zweimal zu Gast bei, ganz offen gesagt, einmal zum Thema Gendern und einmal mit deinem ersten Buch patriarchale Belastungsstörungen. Und die Links übrigens zu den Folgen findet ihr in den Shownotes. Und ich wollte eigentlich nur sagen, es ist umso schöner, dass du jetzt wieder da bist mit einem dritten Thema und mit einem neuen, wichtigen Thema. Und ja, da würde ich eigentlich sagen, können wir eigentlich direkt rein starten, oder?
Beatrice Frasl
Ja, sehr gerne.
Anna-Lisa Bier
Sie werden mich hassen für ein Buch über die Liebe. Das ist der erste Satz in deinem zweiten Buch, entromantisiert euch. Ein Weckruf zur Abschaffung der Liebe. Und um das es in unserem Gespräch heute gehen soll, die romantische Liebe ist nicht nur ein privates Gefühl, sondern, so argumentierst du, ein politisches Machtinstrument. Jetzt meine erste Frage, Beatrice. Warum wird ein feministisches Buch über romantische Liebe so viele Menschen wütend machen?
Beatrice Frasl
Also ich habe jetzt schon ein paar Erfahrungen gemacht mit Reaktionen online, aber auch auf Podien, wo ich über dieses Thema gesprochen habe. Und es kommt eine enorme, ich würde schon fast sagen, Defensivreaktion. Ich glaube, der Grund dafür ist vielfältig oder beziehungsweise die Gründe dafür sind vielfältig. Ich glaube, zum einen wachsen wir alle auf mit dieser Vorstellung, dass die romantische Liebe das kultimative Glück ist. Ich würde fast so weit gehen, dass sie uns verkauft wird als fast schon so eine religiöse Erweckungserfahrung. In jedem Fall aber als etwas, was wir alle brauchen zu unserem Lebensglück, vielleicht sogar das, was wir am dringendsten brauchen für unser Lebensglück. Und wenn dann jemand daherkommt, die na, so geil ist es vielleicht nicht, vielleicht gibt es da auch problematische Aspekte.
Vielleicht sollten wir das Ganze einer kritischen Überprüfung unterziehen. Das ist schon mal beängstigend, glaube ich, weil etwas, woran man sich so geklammert hat ein Leben lang, dann vielleicht wegbricht. Und ich glaube, gerade wenn es um heterosexuelle Beziehungen geht, dann trifft das halt auch den Kern des Geschlechterverhältnisses auf eine sehr direkte Art und Weise. Also dann geht es nicht mehr nur darum, dass wir über Statistiken und Zahlen sprechen, über die sprechen wir auch da geht es dann nicht mehr nur darum, dass sich nicht Frauen viel mehr unbezahlte Arbeit übernehmen, dass Frauen ganz oft in romantischen Paarbeziehungen von Gewalt betroffen sind. Und da geht es nicht nur um die Statistiken, sondern dann geht es darum, dass fast jeder Mensch oder sehr viele Menschen in Konstellationen leben, die grundsätzlich mal den Boden dafür bieten, dass das passiert. Und alle Menschen, die. Also es kann sich dann niemand mehr so richtig rausnehmen.
Das ist, glaube ich, das Problem. Also es ist dann. Also vor allem, es sind vor allem Männer, die sehr wütend reagieren auf dieses Thema, weil es da halt dann auch um sie geht. Also es geht dann nicht mehr um irgendwie abstrakte Männer, die Täter werden, wo man dann sich gerne einreden kann, dass man niemanden davon kennt und dass man schon gar nicht selber so einer ist. Und es geht nicht um die abstrakte Gruppe Mann, die halt weniger im Haushalt macht, sondern es geht halt um die eigene Beziehung und vielleicht auch darum, dass einen jemand darauf hinweist, dass man reflektieren sollte, wie man sich in dieser Beziehung verhält. Und das ist natürlich unangenehm. Also das ist, glaube ich, ein Thema, das jeden Menschen in irgendeiner Weise betrifft.
Auch jene Menschen, die nicht in romantischen Beziehungen sind, auch sogar jene, die keine wollen, weil dieses Romantikprimat ja alle trifft. Also dieser Normsog der romantische Liebe betrifft alle. Denn wenn wir nicht in einer Beziehung sind, dann sind wir dazu aufgefordert, eine suchen zu sollen. Vor allem, wenn wir Frauen sind. Auch da können wir dann auch später noch drüber reden, warum gerade Weiblichkeit in diesem großen Ausmaß in unserer Gesellschaft über das Suchen der Liebe und das Finden der Liebe und das erhalten der Liebe konstruiert wird. Aber ja, ich glaube, das Thema betrifft alle und es betrifft uns irgendwie im Kern. Und das merkt man auch an den Reaktionen.
Und was man auch noch dazu sagen muss, und das ist, glaube ich, die unangenehmste Wahrheit bei dieser ganzen Sache, dass heterosexuelle Paarbeziehungen sehr klar zuungunsten von Frauen und zugunsten von Männern ausfallen. Ich habe jetzt schon zwei Sachen angesprochen. Das ist die unbezahlte Arbeit, das ist die Gewalt. Es kommen gerade irgendwie so alle paar Wochen neue Studien heraus, die im Grunde alle auf dasselbe verweisen, nämlich, dass Frauen in heterosexuellen Paarbeziehungen, vor allem in Ehen mit Männern, kürzer leben, dass sie unglücklicher sind, dass sie ungesünder sind. Und bei Männern ist es genau umgekehrt. Die sind in Ehen mit Frauen glücklicher, gesünder, leben länger. Und das zeigt ja schon mal auf, dass das System für eine Gruppe, die daran beteiligt ist, sehr gut funktioniert und für die andere nicht.
Nicht so gut und sehr schädlich ist. Und genau das ist, glaube ich, auch ein Grund, warum es diese starke Gegenreaktion gibt, weil das natürlich das System romantische Paarbeziehung ein System ist, das auf Männer ausgerichtet ist. Und eine Feministin, die daherkommt und sagt, wir sollten uns vielleicht davon emanzipieren, Fragezeichen oder Rufzeichen, ist natürlich eine, die damit auch ein Stück weit zu einem Arbeitsstreik aufruft, also die Frauen dazu aufruft, sozusagen in den Streik zu gehen in gewisser Weise und zu überlegt euch, ob ihr diese unbezahlte Fürsorge und diese Fürsorgearbeit für Männer noch weitermachen wollt, die dazu führt, dass ihr nicht unbedingt glücklicher werdet und gesünder werdet. Genau, also die Hintergründe zu dem, was ich gerade gesagt habe, werden wir dann wahrscheinlich noch genauer besprechen. Aber ich glaube, das ist der Grund, warum es solche Gegenreaktionen gibt.
Anna-Lisa Bier
Da ist eigentlich jetzt eh auch gleich direkt die nächste Frage, warum liebe oder romantische Liebe, muss ich ja eigentlich dazu sagen, als ultimatives Lebensziel dann überhaupt dargestellt wird. Du hast es jetzt schon in anderen angesprochen, vor allem für bestimmte Bevölkerungsgruppen, profitieren von der Erzählung der großen Liebe, von der romantischen Liebe. Warum ist es jetzt konkret so, dass es von uns von Anfang an, dass wir sozialisiert werden, auch auf Hinsicht mit großer Liebe, wir müssen unser Leben lang die große Liebe suchen, jeder braucht den oder die eine. Warum ist das dann konkret so?
Beatrice Frasl
Ich weiß nicht, ob man das so konkret auf einen Grund irgendwie zusammen zuspitzen kann. Aber was ich sehr spannend finde, ist, wenn man sich das historisch anschaut, wie dieses Konzept von Liebesehe überhaupt entstanden ist. Früher war es ja so, dass Ehen nicht irgendwie was mit Gefühlen oder mit Liebe zu tun hatten. Also das waren vor allem in der Oberschicht, aber auch der Adel, die Bürgerschicht, das Bürgertum, das waren Vereinigungen, die man sozusagen zum Zwecke der Erweiterung des reiches oder der Friedenssicherung oder der Erweiterung von irgendwelchen, von Grund und Habseligkeit, also von Besitz irgendwie geschlossen hat. Also so Gundula Windmüller beschreibt das in ihrem Buch mit Mein Acker plus dein Acker ist gleich größerer Acker. Also das war der Grund, warum man Ehen eingegangen ist. Es hatte nichts damit zu tun, dass man irgendwie verliebt ist oder liebt oder irgend sowas.
Und natürlich ein weiterer Grund war auch Reproduktion. Und diese Reproduktion war auch nicht verbunden mit der Vorstellung, dass man das mit jemandem machen muss, den man irgendwie cool findet oder in den man verliebt ist oder den man liebt, sondern das wird halt mit jemandem gemacht, der ökonomisch Sinn macht. Und diese Idee der Liebesehe ist tatsächlich etwas, was entstanden ist im Zuge der Industrialisierung, also quasi parallel zu dieser Proliferation von, ich sage jetzt mal, kapitalistischen Ausbeutungsverhältnissen. Und feministische Kritikerinnen führen da oft ins Treffen, dass es eben zusammenhängt miteinander. Also dass gerade das Aufkommen des Kapitalismus auch mit einer Trennung von öffentlich und privat einhergegangen ist, weil diese Sphäre der Lohnarbeit dann freigehalten werden sollte oder frei sein sollte von so Dingen wie, von anderen Formen von Arbeit sozusagen, also sollte unbelastet sein von so Dingen wie Kindererziehung, Haushalt oder so. Und man ist dann ja sozusagen nach rausgegangen, um zu arbeiten, also zur Betriebsstätte und zu Hause. Also es fand dann so eine Trennung statt zwischen, ich sage das jetzt viel zu kompliziert, aber es fand dann so eine Trennung statt zwischen Lohnarbeit, wo dann halt wirklich auch Waren produziert wurden, und dann die unbedingt bezahlte Arbeit zu Hause, die dafür sorgte, dass die Arbeitskraft derjenigen, die dann sozusagen zur Betriebsstätte gehen mussten, um zu arbeiten, reproduziert wurde, also die sogenannte Reproduktionsarbeit.
Und parallel dazu wurde diese Reproduktionsarbeit auch stark weiblich konnotiert. Also es war dann so, dass eben die, also natürlich nicht immer und überall, aber die Frau war diejenige, die sozusagen dafür verantwortlich war, für das private, das unbezahlte private, die unbezahlte private Arbeit, aber auch die emotionale Fürsorge und auch dafür zuständig war, eben die Arbeitskraft des Arbeitenden zu reproduzieren. Und im Grunde ist unser ganzes Stunden Normarbeitsmodell immer noch so ausgerichtet. Also es gibt ja ganz viele, vor allem Frauen, die sagen, sie scheitern dran, irgendwie 40 oder noch mehr Stunden zu arbeiten und gleichzeitig irgendwie zwei Kinder zu Hause zu versorgen und in den Haushalt zu schmeißen. Und das liegt nicht daran, dass sie ihre work Life Balance nicht gebacken kriegen oder ihr Zeitmanagement, sondern es liegt daran, dass das System nicht darauf ausgerichtet ist. Das geht nicht beides. Und das System ist darauf ausgerichtet, dass eben eine Person unbezahlte Arbeit zu Hause macht und die andere Person arbeiten geht, unter Anführungszeichen, also Lohnarbeiten geht.
Und die Frage ist halt, brauchte man dann diese Idee von Liebe in einem besonderen Ausmaß, um Frauen eben dazu zu bringen, dass sie das machen. Also es gibt ja auch so diese Idee von aus Liebe unbezahlt arbeiten für sich, aus Liebe gerne auch unbezahlt, weil man es ja aus Liebe macht und deshalb gern macht, sich zu kümmern um die Kinder, um den Haushalt, um den Ehemann. Dann braucht es auch gar keinen anderen Lohn mehr, weil man es ja aus Liebe macht. Das ist Lohn genug, dass es dann allen gut geht. Und alle glücklich sind. Und das ist ja eine Ideologie, die es immer noch gibt. Es wird immer mehr hinterfragt, aber es existiert ja immer noch diese Vorstellung. Und dadurch, dass Frauen immer mehr dann konnotiert waren mit dem emotionalen, mit dem fürsorglichen, mit der privaten Sphäre, war diese Arbeit zu Hause auch verbunden.
Also es musste nicht mehr gemacht werden, sondern es war dann irgendwann auch verbunden mit so einem moralischen, mit so einem moralischen Imperativ, der gesagt du musst es nicht nur machen, sondern du musst es auch gern machen und aus Liebe, weil sonst bist du eine schlechte Ehefrau und Mutter. Das heißt, diese Vorstellung von Liebe ist ganz stark damit verbunden, dass wir in einem System leben, das darauf aufbaut, dass Frauen unbezahlt dienen aus Liebe.
Anna-Lisa Bier
Okay. Okay.
Beatrice Frasl
So eine sehr lange Antwort auf eine.
Anna-Lisa Bier
Kurze Frage, aber hat die Frage auf jeden Fall beantwortet. Das heißt auch, weil du in deinem Buch auch die sprachliche Komponente schilderst, z.B. das Wort Beziehung, da geht man eigentlich immer von einer romantischen Liebesbeziehung aus. Es gibt aber so viele andere Beziehungsformen. Das heißt, da ist jetzt meine warum verwenden wir auch als Gesellschaft diese ganzen Wörter und Begriffe eigentlich nur im Aspekt der romantischen Liebe, obwohl es so viele andere Formen von Beziehung gibt, die auch eben wie gesagt, voll mit Liebe und Nähe und so weiter sind. Warum ist da die romantische Liebe so dominant?
Beatrice Frasl
Es gibt das Wort Beziehung, das ganz eng an die romantische Paarbeziehung geknüpft ist, aber auch das Wort Partnerschaft, das Wort Liebe an und für sich. Also wenn wir jetzt so über Liebe sprechen, dann wird meistens verstanden werden, dass wir über die romantische Liebe sprechen. Vielleicht noch Mutterliebe, das ist vielleicht auch noch so das zweite. Aber primär, wenn ich sage, ich liebe diese oder jene Person oder ich spreche von Liebe, dann ist damit die romantische Liebe gemeint. Ich finde die Frage sehr spannend. Ich weiß gar nicht, ob ich sie so klar beantworten kann. Es ist eher so eine Frage, die ich stelle in dem Buch.
Warum ist das denn so? Warum ist es so, dass die romantische Liebe alles an Sprechen und Denken über Liebe so okkupiert hat und so für sich eingenommen hat? Als Jemand, die sehr gerne ihr Leben um Freundschaften herum organisiert, finde ich es manchmal sogar schwierig, darüber zu sprechen, weil ich gar keine Worte habe, die nicht romantisch verstanden werden. Also z.b. wenn man seine engsten Freunde und Freundinnen auch irgendwie als Partner innen versteht, und das die Leute sind, mit denen man das Leben teilt, so wie andere Leute das mit romantischen Partner innen machen, dann gibt es da irgendwie keinen Begriff dafür, den man so richtig verwenden kann. Ja, man kann von besten Freunden sprechen und so, aber das ist auch anders konnotiert. Und mein Plädoyer in dem Buch ist ja tatsächlich auch, und das ist so der hoffnungsfrohe Teil dieses Buches, also mir wurde ja schon Interviews gesagt, dass das Buch so deprimierend ist, aber ich finde, dass es eigentlich sehr hoffnungsfroh ist, weil ich eigentlich dafür plädiere, die romantische Liebe ein Stück weit zu dezentrieren und auf andere Beziehungen sich zu konzentrieren, die beständiger sind, die tragfähiger sind.
Und ich glaube, da liegt sehr viel Hoffnung und sehr viel Potenzial und auch sehr viel Möglichkeiten für Lebensglück, die wir jetzt nicht ausschöpfen. Das hat deine Frage jetzt nicht wirklich beantwortet, weil das auch eigentlich eine Frage ist, die ich habe und nicht wirklich nicht die eine konkrete Antwort habe auf diese Frage.
Anna-Lisa Bier
Macht nichts, dann gehen wir nämlich gleich zur nächsten Frage. Da wäre nämlich eh der Stellenwert von anderen Beziehungen. Du vergleichst das eigentlich in deinem Buch auch ganz gut mit Freundschaften im Vergleich zu romantischen Beziehungen, die eben dann auch nicht den gleichen Stellenwert haben. Nicht nur, weil diese ganzen Freundschaften nicht nur von der sprachlichen Ebene untergeordnet sind, sondern auch von rechtlicher Hinsicht, auch in Hinsicht ehe eingetragener Partnerschaften. Und was ich auch ganz schön finde, ist, dass du im Buch auch den Vergleich schließt zwischen Singles unter Anführungszeichen und vergebenen Menschen. Weil da sehr oft, sagst du auch in dem Buch, gesagt wird, okay, Singles, das ist unter Anführungszeichen alleine lebende Menschen, allein gebliebene, ungebundene Menschen seien einsamer und so weiter. Und ich finde, dass du das in dem Buch sehr einen guten Kontext herstellst.
Vielleicht kannst du das noch ein bisschen ausführen, weil es vielleicht meistens auch nicht so ist, dass Singles unbedingt jetzt einsamer sind, nur weil sie eben jetzt unter Anführungszeichen keine romantischen Partner innen haben.
Beatrice Frasl
Also die Freundschaftsforschung verweist darauf, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen Männern und Frauen, leider, wenn es darum geht, wie einsam sie sind, wenn sie sogenannte Single sind, weil Frauen in aller Regel sehr gut eingebunden sind in andere Beziehungen. Also Frauen haben ganz oft wirklich engste Freundinnen, die sie oft jahrzehntelang haben, manche ein Leben lang, die eigentlich quasi ihre primären Partnerinnen sind. Das ist übrigens auch für Frauen in romantischen Beziehungen so. Also Robin Dunbar beschreibt, dass Frauen meistens, wenn man sie fragt, wer sind deine engsten Menschen oder wer sind die Leute, wo du dich, oder wer ist der Mensch, wo du dich am ehesten hinwendest, wenn du ein Problem hast, die sagen ganz oft, die nennen ganz oft ihre Ängste weibliche Freundin und Männer nennen meistens ihre weibliche Partnerin. Und das Problem, das Männer haben, ist, dass sie sich wirklich für, also dass sie sozusagen sich für alle ihre emotionalen Bedürfnisse an ihre weibliche Partnerin wenden, also wenn wir jetzt von heterosexuellen Konstellationen wieder ausgehen und dann, wenn Beziehungen auseinanderbrechen, in einem viel größeren Ausmaß darunter leiden natürlich, weil alles wegbricht, weil die einzige, eigentlich die einzige relevante Beziehungsperson, die sie haben, wegbricht. Und das zeigt sich auch tatsächlich daran, wenn man sich anschaut, wie es Männern psychologisch geht, wenn, also psychisch geht, wenn Beziehungen auseinanderbrechen, sie leiden viel mehr, sie leiden länger, ihnen geht es einfach schlechter. Und Frauen halt nicht so wirklich, weil die haben halt ihre engsten Leute trotzdem noch.
Und also da gibt es schon mal einen ganz, ganz großen Unterschied. Das liegt daran, dass Freundschaften zwischen Frauen auch anders sind als Freundschaften zwischen Männern. Also Männer bilden Freundschaften oft aus über gemeinsame Aktivitäten, Frauen über gemeinsame, über über miteinander reden und Vulnerabilität und wirklich Beziehung und Kommunikation. Und da entstehen einfach andere Formen von Beziehung. Das heißt, die engsten Freundschaften, die Frauen haben, sind meistens wesentlich enger als die Freundschaften, die Männer haben und sind emotional viel tragfähiger als die Freundschaften, die Männer miteinander haben. Das ist natürlich jetzt nicht immer so und nicht bei allen so, aber das ist halt das, was uns die Forschung sagt, das ist die Tendenz, die man sieht. Und deshalb ist es für Frauen weniger schlimm, wenn heterosexuelle Beziehungen auseinanderbrechen und für Männer ist es oft sehr schlimm, weil dann die einzige Bezugsperson wegbricht, die sie haben.
Und weil Frauen eben in heterosexuellen Paarbeziehungen so viel an emotionaler und Beziehungs und Fürsorgearbeit übernehmen. Und das bricht halt dann alles weg, auch an Gesundheitsmanagement z.B. also es ist auch so ganz oft, dass Frauen für Männer dafür sorgen, dass sie zum Arzt gehen, die Termine ausmachen und so weiter. Und das bricht alles weg, was einer der Gründe ist, warum Männer in heterosexuellen Paarbeziehungen gesünder sind und länger leben. Aber das war nur eine side Note. Genau. Und was sich dann eben auch zeigt, ist, dass Frauen auch dann, wenn sie Single sind, besser eingebunden sind in andere Beziehungen als Männer, aber dass sie oft auch besser eingebunden sind in Beziehungen als Frauen, die in romantischen Beziehungen sind.
Also die haben ein weiteres größeres Netzwerk, engere Freundschaften engagieren sich auch sozial mehr, also machen sozusagen eher ein amtliches Engagement, was auch dann sozusagen der ganzen Gemeinschaft was bringt, der ganzen Gesellschaft. Das heißt, Frauen, die sogenannte Singles sind, sind in aller Regel wesentlich besser eingebunden als Frauen, die das nicht sind. Weswegen ich den Begriff Single auch sehr in Frage stellen würde, weil auf Frauen trifft ja nicht zu. Frauen, die Single sind, also ohne romantische Beziehungen, sind in aller Regel, sind statistisch nicht singulär, sondern sehr gut eingebunden und sehr gut in Beziehung und sehr eng in Beziehung, ganz oft mit anderen Frauen, ganz oft mit ihren engsten Freundinnen. Und genau da stellt sich natürlich die Frage, warum es diese enorme Priorisierung und Privilegierung der romantischen Paarbeziehung gibt, die es für Freundschaften nicht gibt. Freundschaften sind, und das hat meiner Meinung nach eben ganz stark mit patriarchalen und kapitalistischen Verhältnissen zu tun, sind so eine total unsichtbare Form von Beziehung, eine, die selten mitgedacht wird. Also das reicht von, das hast du schon angesprochen, von rechtlichen Rahmenbedingungen.
Also es gibt für die romantische Paarbeziehung gibt es die Ehe, mittlerweile gibt es die Ehe und die eingetragene Partnerschaft, sind ein bisschen unterschiedliche Institutionen, aber im Grunde läuft es auf dasselbe hinaus. Aber es gibt nichts, es gibt keine rechtlichen Institutionen für andere Beziehungskonstellationen. Und das ist jetzt aber auch, also das ist auch nicht trivial so, das ist kein triviales Anliegen zu sagen, das hätten wir gerne, weil es tatsächlich so ist, dass immer mehr Menschen ohne romantische Paarbeziehung leben und das auch ganz viele. Und das ist eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, die ganz oft für so ein kleiner Social Media Trend gehalten wird. Aber immer mehr Frauen lassen sich scheiden, die Scheidungsrate steigt, die Verheiratungsrate sinkt, immer mehr Frauen leben in sogenannten Single Haushalten, also die meisten single Haushalten gehören Frauen. Immer mehr Frauen, auch obwohl sie in romantischen Beziehungen mit Männern sind, entschließen sich alleine zu wohnen, alleine zu leben, ihr Leben um Freundschaften, um Freundinnen herum zu organisieren. Das heißt, wir leben gerade.
Und dann gibt es noch so diese Entwicklungen, die ich jetzt mit Schlagwörtern kurz abhandle, nämlich for b, so Sachen wie boy sober auf Social Media, hetero Pessimismus, hetero Fatalismus. Das sind alles so Entwicklungen, die in dieselbe Kerbe schlagen eigentlich. Und zwar in die Kerbe, dass Frauen sich immer mehr aus heterosexuellen Paarbeziehungen hinausbewegen. Und dann stellt sich natürlich die was macht das mit der Gesellschaft und wie können wir gesellschaftlich damit umgehen? Und wie können wir Menschen, die in anderen Konstellationen leben oder die andere Konstellationen in ihrem Leben priorisieren, welche Möglichkeiten haben die, das zu gestalten? Und rechtlich gesehen gibt es da nichts. Also es gab, die deutsche Ampelregierung hat in ihrem Regierungsprogramm sogar dieses Konzept der Verantwortungsgemeinschaften gehabt.
Das wäre interessant gewesen einerseits, also das sind so Vorstellungen, wo es darum geht, dass Menschen dann auch quasi so was wie einen Ehevertrag halt, heißt das halt dann nicht Ehe abschließen können mit mehreren Personen, wo es eben darum geht, dass man bestimmte Pflichten und Verantwortung füreinander hat. Also wer trifft medizinische Entscheidungen für mich und all diese Dinge, Erbe und so weiter. Da gibt es dann unterschiedliche Ausgestaltungen, weil es gibt ja dieses Modell noch nicht, es gab nur diese Ankündigung, aber solche Ideen gibt es halt eben, dass man Menschen die Möglichkeit gibt, sozusagen Familie für sich selber zu bestimmen. Und das ist etwas, was ich sehr gut finde, wenn es diese Möglichkeit gäbe, weil ich auch finde, dass es dem Staat dann auch nichts angeht, in welchen Beziehungen wir zueinander stehen. Also dass es auch die Möglichkeit gibt für Leute, die z.B. verheiratet sind, dann mit ihrer besten Freundin auch noch so eine Art Freundschaftsehe einzugehen oder so. Und dass Leute halt wirklich die Möglichkeit haben, weil Leute immer mehr, also in immer diverseren Konstellationen einfach ihr Leben miteinander teilen, dass Leute halt wirklich definieren können, wer Familie ist, ohne dass der Staat aber was seid ihr jetzt?
Seid ihr jetzt irgendwie romantisch zusammen oder Freunde oder Geschwister? Das sollte eigentlich wurscht sein. Sondern dass man einfach sagen kann, diese drei Leute sind meine engsten Personen, die sollen Entscheidungen für mich treffen können. Das ist die rechtliche Seite. Aber auch auf so einer individuellen Ebene, und da kann jeder so das eigene Leben jetzt vielleicht mal anschauen, ist es so, dass die romantische Paarbeziehungen Beziehung halt quasi das zentrale Ordnungselement in unserem Leben ist. Also sobald jemand in einer romantischen Beziehung ist, ist Teil eines Paares, das ist auch so ein spannendes Wort. Wir werden immer nur mit unserem romantischen Partner als ein Teil eines Paares gesehen, nie mit irgendwie der engsten Freundin, die ich vielleicht 20 Jahre länger kenne.
Finde ich spannend. Und dann hat man eine bessere Hälfte und ist irgendwie immer nur, dann ist man halt irgendwie so, gehört zusammen mit jemandem. Das ist diese Vorstellung. Und das klassische Beispiel sind halt irgendwie so Einladungen für Hochzeiten oder Geburtstagsfeier oder was auch immer es da zu feiern gibt im Umfeld. Die werden gerne dann plus one ausgesprochen und es ist sehr klar, was dieses Plus One ist. Es sind halt Partner und Partnerinnen in einem romantischen Sinne. Und das ist ein sehr, finde ich, leicht nachvollziehbares Beispiel, das aufzeigt, wie sehr romantische Paarbeziehungen eigentlich als Zentrum verstanden werden, als Beziehungszentrum.
Sowohl auf einer individuellen Ebene ist es das, worauf wir uns immer, worauf wir immer wieder zurückgeworfen werden, aber auch auf einer gesellschaftlichen, auf einer ökonomischen oder auf einer politischen Ebene. Also wir werden alle so hinein vereinzelt in so kleine Beziehungsinseln, das sind wir und eine andere Person. Und dann idealerweise entstehen aus diesen zwei Personen dann irgendwie noch ein paar Kinderchen heraus und das war's dann im Grunde. Und das ist auch eine Vereinzelung, die auch bis zu einem gewissen Grad verhindert, dass wir breitere Netzwerke bilden, breitere Solidarität vielleicht ausbilden mit anderen. Ja, also das große Thema in meinem Buch ist eben auch, dass ich die Freundschaft als beziehungsmodell dem ganzen gegenüberstelle und sage, was hätte das eigentlich an fast schon revolutionäres Potenzial, wenn wir uns auf Freundschaften, Freundinnenschaften konzentrieren würden stattdessen. Und ich glaube, da steckt sehr viel an, wie soll ich sagen, an Veränderungspotenzial, auch gesamtgesellschaftlich und auch an feministische Utopie fast schon.
Anna-Lisa Bier
Okay, ich finde auch spannend, dass du das jetzt auch erwähnst mit dem Plus Eins, weil in der heutigen Gesellschaft auch, da komme ich jetzt auf den nächsten Aspekt, den du in deinem Buch auch behandelst mit Dating Apps beispielsweise eigene Profile vorherrschen, wo z.b. personen ihre Plus eins Einladung suchen für Hochzeiten.
Beatrice Frasl
Ah, wirklich?
Anna-Lisa Bier
Das ist ausgeschrieben. Z.B. suche für die nächste Hochzeit meines Bruders oder so eine, also meinen Partner oder meine Partnerin, die mitgeht, quasi so ein Date unter Anführungszeichen. Finde ich lustig, dass du das dann so erwähnst, weil ich wollte mit dir sowieso noch über den ganzen Dating Aspekt sprechen. Du schilderst das in deinem Buch wie eine Regelung von Angebot und Nachfrage. Und ich frage mich eigentlich, wie das dann zusammenpasst, dass man eigentlich solche Grundprinzipien wie Nähe, Intimität, Beziehungsbildung eigentlich so einem tech Markt und solchen Apps eigentlich anvertraut. Wie passt das zusammen?
Wie gibt es das, dass man gerade an so einer Stelle so wenig Kontrolle eigentlich auch irgendwie hat über das Ganze und dass man dann diese Sachen Dating Apps überlasst?
Beatrice Frasl
Es passt überhaupt nicht zusammen und es funktioniert auch nicht. Also es zeigen auch Studien, dass Leute die Dating App sehr intensiv nutzen, das meistens aus einem Gefühl von Einsamkeit heraus tun und das Resultat ist noch mehr Einsamkeit und depressive Verstimmungen und Ängste und das Gefühl von Disconnection von anderen. Also es passt überhaupt nicht zusammen und es funktioniert auch nicht. Und das ist auch nicht das Geschäftsmodell von Datingapps, dass es funktioniert, weil die sind ja wie alle, es ist ja auch eine Form von Social Media Plattform. Wie alle Social Media Plattformen leben die davon, dass wir möglichst lange uns befinden und möglichst oft. Und das heißt, so allzu erfolgreich dürfen sie nicht sein, weil sonst ist da niemand mehr. Das ist das Geschäftsmodell.
Ich nenne Dating Apps immer Menschen Shopping, weil es so ein durch, also es hat wirklich so wie so eine Oberfläche von so einem Online Shop so ein bisschen. Und es hat auch so eine, es ist auch so gamifiziert, das ist auch so. Und dann swipen wir so nach links und nach rechts durch diese Oberflächen, die eigentlich andere Menschen sind, aber wir sehen halt nur diese D irgendwie Oberfläche irgendwie im Bild. Dann kann man sagen, es gefällt mir, gefällt mir nicht und dann legt man das quasi in den Warenkorb, wenn es einem gefällt. Das ist wirklich die Erfahrung, finde ich. Es hat wirklich was von shopping. Und Dating Apps wurden ja von ganz vielen Leuten schon sehr kritisiert dafür, dass sie so einen Konsumismus reinbringen in die romantische Liebe, so eine extreme Komodifizierung von eigentlich anderen Menschen und uns selbst.
Eva Ilus ist das bekannteste Beispiel, die das sehr vehement kritisiert und ich kritisiere das auch. Also ich finde, das ist auch eine enorme Komodifizierung. Und dieser Konsumismus ist etwas, was man sehr kritisch sehen muss, finde ich. Gleichzeitig glaube ich, dass die romantische Beziehung immer schon einem gewissen Konsumismus unterworfen war. Ich glaube, Dating Apps haben es halt nur massiv beschleunigt und ins Digitale verlegt sozusagen und verschlimmert, die Situation aber nicht hervorgebracht, weil vom Datingmarkt gab es einen Heiratsmarkt und es ging da immer schon darum, dass man sich selber als möglichst gutes Produkt präsentiert. Insbesondere für Frauen galt das immer schon, was dieses Gute, was das Gute an dem Produkt ist oder das Attraktive an dem Produkt ist, hat sich natürlich historisch verändert, aber im Grunde war es immer schon so ein, ich muss mich möglichst gut präsentieren, damit mich irgendwer kauft, um das jetzt, um das jetzt zuzuspitzen. Also es ging immer darum, sich als Produkt zu präsentieren und sich attraktiv zu machen.
Und das ist durch Dating Apps massiv beschleunigt worden. Aber grundsätzlich in der Grundstruktur dieser Vorstellung von romantischer Liebe, von dating courtship, wie man das auf Englisch sagt, war das immer schon vorhanden.
Anna-Lisa Bier
Okay, und es profitieren ja eigentlich dann auch einige Faktoren oder einige Institutionen dahinter, ganze Wirtschaften und so weiter.
Beatrice Frasl
Ja, genau. Also die romantische Liebe hat ganze Wirtschaftszweige irgendwie hervorgebracht. Also die Dating Apps sind das prominenteste Beispiel. Die haben ja Millionen Profite generiert in den letzten Jahren, Milliarden wahrscheinlich eher. Und sind aber jetzt, die sind so ein bisschen eingebrochen in den letzten Jahren und Monaten, was ich auch sehr spannend finde, was auch parallel passiert zu dieser Entwicklung, die ich gerade besprochen habe, dass Leute sich immer mehr abwenden. Das finde ich auch eine spannende Entwicklung. Genau, also die Dating Apps ist ein ganz neuer Zweig, der massive Profite generiert.
Aber auch alles, was so, also wenn man den Valentinstag als Beispiel hernimmt, das ist ja das, wo, das ist ja der Tag im Jahr, wo das dann sozusagen, sozusagen kondensiert passiert. Also was weiß ich, Blumen, Herzpralinen, dann irgendwelche so, weiß ich nicht, Tassen mit Herzhenkel. Ich weiß nicht, was alles verkauft wird am Valentinstag. Es ist ja wirklich, also ich habe schon gesehen, Salami in so Herzschachteln und alles.
Anna-Lisa Bier
Ich glaube, da ist der Fantasie keine.
Beatrice Frasl
Gedanken, man kann sich das eh vorstellen. Aber dann auch eben alles, was um so eher Schließung herum stattfindet, also Schmuck, also Eheringe, dann aber auch alles, was mit Flitterwochen einhergeht, Hochzeitslocations, weiß ich nicht, Wellnessurlaub zu zweit, Candlelight Dinner. Also alles, was so um das Thema Dating und Romantik und auch Ehe. Also da gibt es ganz viel, da wird ganz viel Profit generiert, bis hin zu Scheidungsanwälten, die es auch nicht gäbe, wenn es die romantische Liebe nicht gäbe oder wenn sie nicht, ja, also wenn sie nicht so ein relevantes, relevante Institution wäre in unserer Gesellschaft. Aber auch so Sachen wie Paartherapie, Dating Coaches, all diese Dinge, das ist auch, also vor allem Paartherapie gibt es schon länger, aber so diese ganzen dating Coaches, die man irgendwie jetzt online sieht, das sind ja auch teilweise Leute, die unfassbar viel Profit generieren, dadurch, dass die Leute damit die Leute erklären, wie sie am besten irgendwie ansprechen, sondern auch sehr fragwürdige Methoden in aller Regel. Es sind auch ganz oft Männer, die sehr frauenverachtend sind, aber das basiert ja auch auf dieser Vorstellung, dass man irgendwie die romantische Liebe suchen soll, darauf, wie wichtig sie ist. Und ich würde sagen, vor allem für Frauen hängt auch die Schönheitsindustrie sehr eng damit zusammen, weil da geht es halt ganz oft darum, sich möglichst schön zu machen für den männlichen Blick.
Und also ich date selber nicht, aber ich kenne das von Bekannten von mir, die dann echt, bevor sie auf ein Date gehen, da wird noch mal zum Friseur gegangen, da wird noch mal Maniküre gemacht, da geht man noch mal zum Waxing, weil man muss ja auch haarlos sein, dann braucht man ein richtiges Outfit und man braucht den richtigen Schmuck zu einem Outfit und man braucht einen Parfüm, der gut riecht. Also alles, was mit Schönheitsindustrie zu tun hat, hängt auch mit der Idee der romantischen Liebe zu tun in gewisser Weise. Und zwar eben auf diese direkte Art und Weise, wenn es um Dating geht, aber auch auf so eine indirekte Art und Weise, weil wir alle so einen männlichen Blick auch internalisiert haben. Also auch ich wenn ich jetzt nicht auf ein Date gehe, habe das internalisiert als Frau, dass ich eigentlich gut auszusehen habe und hergerichtet zu sein habe, wenn ich irgendwas mache, was außerhalb meines Schlafzimmers stattfindet. Und das hängt ja auch eng damit zusammen, dass wir einfach sozialisiert werden, auch über diese Vorstellung, dass wir Männern gefallen sollen. Und das gilt halt für alle Frauen. Das gilt auch für Frauen, die eigentlich Männern gar nicht gefallen wollen, weil das ist etwas, worüber wir eben sozialisiert werden und was wir alles sehr internalisiert haben.
Also auch die ganze Schönheitsindustrie hängt eigentlich mit dieser Priorisierung der romantischen Liebe zusammen, auf eine indirekte Art und Weise.
Anna-Lisa Bier
Und was du auch dazu im Buch schreibst, ist, dass ja eigentlich dann das Scheitern von einer romantischen Liebesbeziehung eigentlich das große Manko ist in dem Fall. Bzw. Dass es dann immer das Single sein als Übergangsform gesehen wird. Das heißt, dass man sich eigentlich in die nächste Beziehung, sage ich jetzt mal wieder, nicht stürzen will ich jetzt nicht sagen, aber dass immer diese Suche allgegenwärtig eigentlich ist. Und dass es bei Freundschaften eben beispielsweise nicht so ist, dass da eben Freundschaften, die scheitern, jetzt nicht groß an die Glocke gehängt werden, weil es halt einfach so ist, oder weil es halt eben vorbei laufen oder vorbeigehen halt eigentlich ist. Den Aspekt habe ich auch sehr spannend gefunden.
Beatrice Frasl
Genau. Also romantische Liebe ist auch immer mit so einer gewissen Rastlosigkeit verbunden. Also gerade wenn es eben digital beschleunigt ist, diese Partnersuche, man ständig einfach wieder suchen muss. Aber grundsätzlich schon mal, weil es ist mit dieser Vorstellung verbunden, ich muss diese andere Person finden. Und wenn dann eine Beziehung nicht klappt, dann bin ich Single für eine Zeit. Aber das ist ein, es ist ein vorübergehender Zustand, der auch irgendwann beendet werden muss, um eine weitere Person zu finden, an die ich mich binden kann. Und es gibt, also das ist auch ganz oft mit der Idee verbunden, dass es eigentlich ein bemitleidenswerter Zustand ist, aus dem man sich möglichst schnell wieder hinausbewegen sollte, eben für das eigene Lebensglück auch, was eine Lüge ist.
Aber das ist diese Vorstellung. Und es gibt auch die Vorstellung, dass die romantische Liebe etwas ist, wofür man sich eben herrichten muss. Und das meine ich jetzt nicht in einem physischen Sinne, sondern das meine ich jetzt auch in einem psychischen Sinne. Also es kamen ganz viele Leute, diese Vorstellung, ich bin jetzt aus dieser eine Beziehung herausgegangen oder die wurde beendet oder ich habe mich getrennt oder was auch immer genau passiert ist, aber sie ist zu Ende gegangen und dann muss ich mich um mich selber kümmern. Ich muss schauen, dass ich mich möglichst wieder optimiere, um möglichst wieder gut einen anderen Partner, eine andere Partnerin zu finden. Also so diese Vorstellung von konzentrier dich mal auf dich selber, bevor du datest, gibt es ganz stark. Aber das ist immer mit dem Ziel verbunden, konzentriere dich selber, um möglichst dann dich selbst optimiert zu haben, um eine möglichst gute Partnerin zu sein für den nächsten Partner.
Und das finde ich spannend, weil das ist eine Vorstellung, die wir bei anderen Beziehungen nicht haben. Also für meine Freundinnen und Freunde muss ich mich nicht selber optimieren. Die kriegen mich in der Version, in der ich bin. Da ist es nicht so, dass man ja, du bist jetzt noch überhaupt nicht bereit für eine nächste Freundschaft, weil du passt jetzt noch nicht in Therapie, nachdem die jetzt geendet ist. Und bist du sicher, dass du schon bereit dafür bist? Und kannst du das überhaupt schon? Hast du da schon genug aufgearbeitet oder so?
Hast du genug an dir selber gearbeitet, um eine gute Freundin zu sein? Also diese Vorstellung gibt es gar nicht, weil Freundschaften irgendwie was ist, was so nebenbei zu laufen hat. Und das muss gut genug sein, egal wie ich bin, muss reichen. Und bei romantischen Beziehungen gibt es die Vorstellung, dass wir uns möglichst herrichten müssen, möglichst zurichten müssen, möglichst perfekt und optimiert sein müssen, um für diese Partnerschaft und diese eine große, wichtige Liebe eben optimiert zu sein. Und das stelle ich sehr in Frage. Und ich stelle auch in Frage, dass eben Single sein, Single unter Anführungszeichen sein, ein vorübergehender Zustand zu sein hat. Also finde ich vor allem für Frauen.
Also ihnen zu erzählen oder auch implizit zu erzählen oder klar zu machen oder weiszumachen, dass sie diesen Zustand zu überwinden haben, ist eigentlich, das ist eine Grundannahme, die sie schädigt, weil sie als Single, wie gesagt, weniger einsam sind, besser eingebunden sind, glücklicher sind, länger leben und gesünder sind. Also warum ist das nicht ein Zustand, den man beibehalten kann? Das wäre doch eigentlich ganz gut.
Anna-Lisa Bier
Noch dazu hast du auch in deinem Buch inhaltlich eine Studie drinnen von dem Jahr 2009, das ist schon ein bisschen her mit den, wie es quasi auch ist, weil man immer sagt, ja, man will nicht alleine sterben und so weiter. Und da, vielleicht kannst du das auch noch kurz schildern, die Studienergebnisse, wenn Männer und Frauen im Alter auch Diagnosen bekommen, wie z.b. eine Krebsdiagnose oder Multiple Sklerose Diagnosen, wie sich das dann auswirkt.
Beatrice Frasl
Die Studie bezieht sich gar nicht nur aufs Alter, aber ich sage noch zwei andere Sachen dazu. Also es gibt ja immer diese Vorstellung, bei Frauen, wenn die nicht irgendwie einen Mann haben, werden die einsam sterben. Also das ist etwas, was mir auch ganz oft gesagt wird im Internet. Du wirst alleine und einsam sterben. Und ich finde es immer ganz, ganz witzig, weil die Wahrscheinlichkeit, dass wenn ich jetzt einen Ehemann hätte, dass ich dann einsam und alleine sterbe, ist viel größer. Das ist einerseits statistisch begründet, Männer leben kürzer als Frauen. Also selbst wenn ich jetzt einen Ehemann hätte, mit dem ich super glücklich bin bis an mein Lebensende oder bis an sein Lebensende wahrscheinlich, er wird wahrscheinlich vorher sterben.
Das ist statistisch so. Das heißt, ich bin dann wahrscheinlich ein paar Jahre allein und einsam, oder zumindest alleine, wenn man jetzt von der romantischen Beziehung ausgeht. Und der zweite Punkt, statistisch sind Frauen auch mit älteren Männern verheiratet. Das heißt, diese kürzere Lebensdauer von Männern schlägt dann doppelt so. Und es ist ja auch, also das weiß man ja auch im Umfeld, ganz Viele alte Frauen sind alleinstehend, weil ihre Männer gestorben sind. Das heißt, wenn ich jetzt mein Leben auf einen Mann ausrichten würde als Frau, ist die Wahrscheinlichkeit und dann dabei irgendwie Freundschaften vergesse oder die nicht so wichtig finde und halt meine ganze Beziehungspflege, meine ganze Fürsorge, meine ganze Liebe in diese eine Beziehung mit einem Mann reinlege, ist die Wahrscheinlichkeit, ich im Alter alleine bin, sehr groß. Wenn ich mich um meine Freundschaften kümmere, dann ist die Wahrscheinlichkeit wesentlich geringer.
Also das ist mal das eine. Selbst in Beziehungen, die super laufen, ist das leider der Fall. Und dann gibt es eben noch diese Studie, wo es eben darum ging. Also es ist so, dass Frauen, die mit Krankheiten diagnostiziert werden, und diese Studie bezog sich eben auf Multiple Sklerose und auf Krebserkrankungen, sehr oft von ihren männlichen Partnern verlassen werden. Das ist halt auch eine sehr unangenehme Wahrheit. Das passiert in einem solchen Ausmaß, dass diese Studie z.B. auch Gesundheitsdienstleister innen, Krankenhauspersonal auch rät, Frauen, die diese Diagnosen kriegen, darauf vorzubereiten, dass ihre Männer sich vermutlich verlassen werden.
Das passiert umgekehrt nicht. Der Grund, warum es passiert, ist, dass Frauen nicht mehr in dem Ausmaß, wie sie das vorher getan haben, Fürsorgearbeit leisten können. Und man sieht das in diesen Beziehungen. Es gibt auch eine deutsche Studie, die sich das angeschaut hat, dass Frauen noch, solange es irgendwie geht, irgendwie alles Haushaltsarbeit und Fürsorgearbeit und Beziehungsarbeit übernehmen und dann halt aber irgendwann nicht mehr können, wenn sie so schwer sind, dass sie das nicht mehr können. Und das ist der Moment, wo Männer sich dann trennen, weil sie sagen, nee, das funktioniert für mich nicht mehr, ich habe niemanden mehr, der für mich arbeitet. Das ist die ernüchternde Erkenntnis und dann werden diese Frauen verlassen von ihren Männern. Bei Männern ist es genau umgekehrt.
Dann ist es so, dass Frauen sich ganz oft in einem viel größeren Ausmaß noch um sie kümmern. Und das führt dann unter anderem auch dazu, dass Männer mit diesen Diagnosen oft bessere Prognosen haben, weil sie eben jemanden zu Hause haben, der sie medizinisch verpflegt sozusagen und der Pflegearbeit für sie macht. Genau, also das kommt dann eben noch dazu. Und die Sache ist die, also wir werden alle immer älter, wir werden wahrscheinlich nicht alle gesund alt. Älter werden geht meistens damit einher, dass man irgendwelche chronischen Krankheiten kriegt, dass man hoffentlich nicht krebs, aber das Risiko ist auch nicht so klein. Und das heißt, das Risiko ist halt gegeben, dass man dann halt von seinem Mann verlassen wird, wenn man sich auf diese eine Beziehung so sehr konzentriert hat. Genau, weil wir alle irgendwann krank werden wahrscheinlich oder sehr viele von uns werden krank, wenn wir älter werden.
Das heißt, das kommt noch als zusätzliches Risiko dazu. Dazu zu der Tatsache, dass wir sowieso wahrscheinlich als Frauen, wenn wir in einer romantischen Beziehung mit einem Mann sind, diejenigen sind, die ihn überleben werden vermutlich. Was kommt dann noch zusätzlich dazu? Also Single Frauen sind die, die am wenigsten einsam und allein sterben werden.
Anna-Lisa Bier
Also so viel zum Lebensglück.
Beatrice Frasl
Ja, genau.
Anna-Lisa Bier
Du beschreibst Liebe, also wir haben es jetzt eh eigentlich auch schon vorweg eigentlich auch schon diskutiert und du hast auch schon ein paar Punkte genannt. Du beschreibst Liebe als Strukturprinzip, das Frauen eben in die unterschiedlichsten Arten von Abhängigkeiten bringt, von emotionaler Abhängigkeit, ökonomischer Abhängigkeit und physischer Abhängigkeit und so weiter.
Wie zeigt sich das? Vielleicht kannst du es mir ganz kurz nur aufzeigen, wie sich das im Alltag in der Politik zeigt.
Beatrice Frasl
Also ich würde romantische Liebe analysieren als eine Norm und ein Ideal, das Frauen schon als Mädchen, also von klein auf auf Männer, auf männliche Bedürfnisse, auf männliche Bedürfniserfüllung orientiert. Ich erzähle da im Buch auch so ein bisschen über meine Kindheit oder meine Jugend und darüber, dass quasi von klein auf von Mädchen immer erwartet wurde, dass Teil ihres Lebens oder ihrer Lebensplanung schon als Kinder ist, dass sie irgendwann mal einen Ehemann und Kinder haben. Während es bei Burschen überhaupt nicht so erwartet wurde. Also die wurden gefragt, was sie mal werden wollen und dann war immer so, weiß ich nicht, Fußballer, Rockstar oder wenn der Papa Bäcker war, dann auch Bäcker oder was weiß ich. Und bei Mädchen war es ganz oft so ein, ja, ich will Lehrerin werden und Mama und Ehefrau. So, das war immer Teil dieser Vorstellung und das wurde auch erwartet. Und ich erzähle auch so ein bisschen, dass dieses nichterfüllen, diese Erwartung meinerseits, weil ich wollte das nie, immer auch so ein Nichterfüllen einer weiblichen Rolle war.
Und ich da immer so ein bisschen gescheitert bin in dieser Weiblichkeitsrolle, indem ich gesagt habe, ich will nie mehr, ich will nie einen Mann und Kinder. Ich habe das mit 12 gesagt und mit 22 und mit zwei und dreiig immer noch. Das heißt, es ist etwas, was auch strukturell in Weiblichkeit verankert ist. Oder Weiblichkeit wird ganz stark eben konstruiert über diese Vorstellung von romantischer Liebe, von diesem Wollen der romantischen Liebe, von diesem Sehnen nach der romantischen Liebe und dann vom Haben und Erhalten der romantischen Liebe. Und das Erhalten der romantischen Liebe, das ist der Punkt, wo man dann auch sozusagen die Ökonomie reinbringen kann. Weil das Erhalten der romantischen Liebe ist die Aufgabe der Frau. Also es ist sozusagen ihre Aufgabe, Beziehungsarbeit zu machen.
Es ist ihre Aufgabe aber auch, unbezahlte Fürsorgearbeit zu Hause zu machen, den Haushalt zu schmeißen, die Kinder aufzuziehen. Denn die Idealvorstellung ist ja, dass aus der romantischen Liebe dann irgendwann eine Kleinfamilie heraus entsteht. Und um diese Kleinfamilie muss sich jemand kümmern. Und derjenige, der sich darum kümmert, ist die Frau in aller Regel. Also das zeigen uns alle Zeitverwendungsstudien. Es gab ja, ich glaube, 2019 die letzte in Österreich. Und die hat ja auch gezeigt, dass das Verhältnis, also die Arbeitsverteilung zwischen den Geschlechtern sich nicht wirklich verbessert hat.
Es wurde zwar insgesamt weniger unbezahlte Arbeit, die verrichtet wird in Haushalten, aber das Verhältnis hat sich nicht wirklich verändert. Es sind immer noch großteils Frauen, auf denen das lastet. Und die romantische Liebe ist eben sozusagen das Strukturprinzip, das Frauen dazu bringt, das zu machen, weil sie es ja gern und aus Liebe machen. Und weil sie deshalb auch, weil sie liebevolle Mütter und Ehefrauen sind, auch selbstverständlich dafür verantwortlich sind. Und das hat ökonomisch natürlich große Auswirkungen auf Frauen. Also man kann da jetzt irgendwie alles ins Feld führen davon, dass Frauen also beginnen damit, dass Frauen ganz oft Teilzeit arbeiten. Und das ist nicht deshalb ein Problem, weil Vollzeitlohnarbeit so unfassbar lustig ist.
Das würde ich nicht sagen. Also ich plädiere ja auch eher für eine Gesellschaft, wo wir nicht lohnarbeiten müssen, um leben zu können. Aber es ist nun mal so, dass in dem System, in dem wir leben, müssen wir quasi unsere Lebenszeit verkaufen, um überleben zu können. Und Frauen können das halt nur in einem sehr geringen Ausmaß, weil sie eben zu viel unbezahlt arbeiten. Also Frauen arbeiten insgesamt mehr als Männer, aber viel mehr Stunden davon unbezahlt als Männer. Das heißt, sie haben einfach weniger Kapital zur Verfügung. Das ist nicht irrelevant in einer Gesellschaft, die darauf ausgelegt ist, dass jene, die mehr Kapital zur Verfügung haben, auch mehr teilhaben können.
Es führt aber auch dazu, dass Frauen, also dieses Minus kumuliert quasi über die Erwerbslaufbahn. Und es führt dann im Endeffekt dazu, dass Frauen, also der gender Pay Gap in Österreich ist bei 18,3 %, der Pensionsgap ist bei 40,7 % aktuell. Also Frauen bekommen 40,7 % weniger Pension, weil sich eben die Pension nach dem Erwerbseinkommen der gesamten Erwerbslaufbahn errechnet. Es gibt einen riesigen Vermögensgap in Österreich, der zwischen 23 und 28 % ist, je nach Berechnung. Also genau dieses Übernehmen der Arbeit aus Liebe führt eben dazu, dass Frauen einfach ökonomisch massiv diskriminiert sind, dass sie in die Armut rutschen, vor allem dann in die Altersarmut. Also Frauen sind auch in einem riesigen Ausmaß von Altersarmut betroffen. Die Wirtschaftsnobelpreisträgerin Claudia Goldin beschreibt, dass Frauen vor allem dann, wenn sie Mütter werden, in diese ökonomische Diskriminierung, also die gibt es grundsätzlich schon mal auf Qua des Frauseins werden Frauen schlechter bezahlt, aber in dem Moment, wo sie Mütter werden, spricht sie von einer sogenannten Motherhood penalty, also wirklich die Bestrafung für die Mutterschaft.
Denn wenn Frauen Mütter werden, also wenn aus der heterosexuellen Paarbeziehung eine Kleinfamilie entsteht, dann ist es so, dass die Frauen ihre Erwerbsarbeit reduzieren oder in sogenannte Babypause gehen, die ja nicht wirklich eine Pause ist, sondern einfach nur eine andere Form von Arbeit. Aber dass dann Frauen eben durch die Reduktion der Lohnarbeit weniger Geld verdienen, dass sie dadurch auch Karriere, also nicht nur finanzielle Einbußen haben, sondern auch Karriereeinbussen. Also sie gehen halt quasi diese Karriereleiter nicht weiter hinauf. Bei Männern ist genau das Gegenteil der Fall. In dem Moment, wo sie Väter werden, arbeiten sie, lohnarbeiten sie mehr, verdienen deshalb mehr, steigen weiter nach oben, dadurch verdienen sie noch mehr. Und da geht eine riesen, das nennt sich Fatherhood Premium, also die Belohnung für Vaterschaft. Also wir haben die Bestrafung für Mutterschaft und die Belohnung für Vaterschaft, das übrigens on top of ohnehin schon finanziell, also ökonomische Diskriminierung, weil man eine Frau ist.
Und da entsteht eine Schere, die sich nie wieder ausgleicht, auch dann nicht, wenn Frauen nach der sogenannten Babypause wieder einsteigen in den Beruf. Und das bleibt sozusagen bestehen. Also es gleicht sich nie wieder aus. Das heißt, all die Arbeit aus Liebe führt für Frauen einfach zu Armut. Man muss es so zuspitzen. Oder zumindest zu einer relevanten, sehr relevanten, oder zu einer ökonomischen Diskriminierung in einem sehr großen Ausmaß, so sagen wir so. Genau. Und dann wollte ich noch sagen, dass Linda Hirschman sich die Frage gestellt hat, warum ist es denn so?
Also Frauen haben in ihren Universitätsabschlüssen bessere Noten als Männer. Also Frauen studieren effizienter, schneller und besser als Männer. Und trotzdem ist es so, dass Frauen in den, also und sie hat sich so, ich muss es andersrum aufziehen, sie hat sich die Frauen angeschaut, die in der sogenannten Elite sind. Mit Elite ist gemein, Frauen, die aus gutem Hause kommen, an top Universitäten in den USA studieren, Top Noten haben, superschnell studieren. Und sie hat dann okay, es ist spannend, dass die schneller studieren und besser als die Männer. Aber dass wir trotzdem, wenn wir uns die Top Etagen in der Politik anschauen, in der Wirtschaft, Aufsichtsräte, wo auch immer, sind da irgendwie fast nur Männer.
Warum ist das so? Die Frauen sind ja besser qualifiziert als die Männer. Und sie hat dann festgestellt, das liegt daran, dass die Frauen, nachdem sie top ausgebildet wurden, nachdem sie die besten Noten an den besten Unis hatten, so sich auf Ehemann und Kinder konzentrieren und sozusagen verschwinden im Privaten. Und sie sagt dann, die wahre gläserne Decke befindet sich zu Hause. Und die liegt eben, also die gläserne Decke besteht eigentlich darin, dass Frauen aufgrund dieser Ideologie der romantischen Liebe und aber auch der Ideologie der Mutterliebe sozusagen in das Private zurück, fast schon abgeschoben werden oder zurückgedrängt werden, muss man sagen. Oder sich selber auch zurückdrängen. Oder selber sich zurückziehen und dann eben nicht Karriere machen, sondern eben im Privaten unbezahlte Arbeit machen.
Und das führt natürlich auch dazu, dass Frauen in einem hohen Maße abhängig werden von ihren männlichen Partnern, dass sie finanziell abhängig werden. Und es gibt nicht wenige Frauen, für die das sehr fatal ist, weil ja nicht alle Männer super cool sind. Es gibt sehr viele Männer, die in romantischen Paarbeziehungen und in den Familien gewalttätig sind. Also wir kennen alle die wirklich ernüchternden Statistiken, die übrigens im Steigen begriffen sind. Also häusliche Gewalt ist im Steigen. Wir sprechen da immer nur drüber, wenn es um Femizide geht. Aber es gibt auch einen riesigen, also sozusagen dieser Eisberg der Femizide, darunter liegt ein riesiges Feld an nicht nur körperliche Gewalt, aber auch psychischer Gewalt in Paarbeziehungen. Und wenn Frauen dann durch diesen Rückzug in private, unbezahlte Arbeit von ihren Männern abhängig werden und das dann Männer sind, die sie zu Hause terrorisieren oder auch schlagen, vergewaltigen, was auch immer, dann sind diese Frauen oft in Situationen, aus denen sie nie wieder rauskommen, so wirklich.
Also wir wissen ja gar nicht, wie viele Frauen in schrecklichen Beziehungen feststecken, weil sie keine andere Wahl haben. Genau, also das ist natürlich dann sozusagen die zweite Kehrseite. Also wir haben einerseits dann den großen Faktor der ökonomischen Diskriminierung, aber dann haben wir auch den Faktor der ökonomischen Abhängigkeit, der daraus entsteht, der wiederum zu einem auf ein sehr großes Problem verweist, nämlich auf das Problem der häuslichen Gewalt, aus der es dann ganz oft eben aufgrund dieser ökonomischen Abhängigkeit keinen Ausweg gibt.
Anna-Lisa Bier
Also das sind alles Themen, über die könnten wir wahrscheinlich nochmal separate Folgen aufnehmen. An der Stelle kann ich nur die zwei Folgen von ganz offen gesagt empfehlen. Einmal über erschöpfte Frauen mit Franziska Schutzbach und einmal über Femizide mit Yvonne Wiedler, weil das sind solche wichtigen Themen, die gehört werden müssen. Also ich kann es nur ans Herz legen.
Beatrice Frasl
Ich würde gerne eine Sache noch dazu sagen, weil das zu der Idee der romantischen Liebe gut passt. Die romantische Liebe ist ja ganz oft verbunden mit der Vorstellung, dass sie so ein ganz besonders überbordendes, einnehmendes, übermannendes Gefühl ist, gegen das man sich überhaupt nicht wehren kann. Es ist eine Naturgewalt. Und es gibt eine spannende Forscherin, die heißt Jane Moncton Smith in Großbritannien, die erforscht Femizide und die hat sich Fälle, also sie hat sich angeschaut, wie diese Femizide vor Gericht dann verhandelt werden und welche Rechtfertigungen die Täter dann haben. Und eine häufige Rechtfertigung ist, dass Männer das getan haben, weil sie die Frauen so sehr geliebt haben, also weil die Leidenschaft, das Gefühl so stark war, dass sie sie umbringen mussten, unter Anführungszeichen. Das heißt, für Männer wurde das ganz oft als Rechtfertigung hergenommen, die große Liebe ist der Grund, warum ich sie umgebracht habe. Und sie hat 67 Fälle gefunden, wo das dann tatsächlich dazu geführt hat, dass Männer weniger, dass die Urteile geringer ausgefallen sind.
Also das wurde vor Gericht dann auch irgendwie anerkannt, dass das so ist. Das heißt, diese Vorstellung von romantischer Liebe als das überbordende Gefühl, das so grenzüberschreitend ist, dass es auch zu einer grenzüberschreitenden Handlung führen kann, ist inhärent problematisch und eigentlich inhärent gewaltvoll. Und das ist eine Vorstellung von romantischer Liebe, die sehr tief verankert ist. Das ist so einnehmendes. Das ist grundsätzlich schon mal eine schwierige Vorstellung. Was Jane Monken Smith auch herausgefunden hat, ist, dass Frauen auf der anderen Seite in Beziehungen bleiben, die gewaltvoll sind aus Liebe. Also für die Männer war die Liebe der Grund, warum sie Frauen Gewalt antun.
Und für die Frauen war es der Grund, warum sie die Gewalt der Männer aushalten. Und das verweist auch schon mal darauf, dass das ein unfassbar wichtiges feministisches Thema ist und dass Liebe sehr unterschiedlich mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen verknüpft ist, je nachdem, wer sozusagen wer liebt. Und dass Liebe für Männer und Frauen auch unterschiedliche Handlungs wie soll ich sagen, Anweisungen mit sich bringt. Nämlich, dass Frauen in einem hohen Maße darauf sozialisiert werden, zu dienen, Liebesdienstleisterinnen zu sein, auch quasi so Märtyrerinnen der Liebe zu sein, dass sie aushalten müssen und leiden müssen und das alles ertragen. Und dass sie aber auch dienen müssen aus Liebe. Und bei Männern ist es halt eigentlich sozusagen das Spiegelbild davon. Da gibt es so die Vorstellung, dass Liebe etwas ist, was einem was gibt, dass man diese Dienstleistung in Anspruch nimmt und dass auch die Leidenschaft, die Eifersucht, die Liebe, das Große der Gefühle auch ganz, ganz viel entschuldigt, unter Anführungszeichen, an Fehlverhalten, das man sich leistet.
Also das ist, glaube ich, auch etwas, was man noch sagen muss. Simone de Beauvoir hatte schon irgendwie vor Jahrzehnten geschrieben, dass Liebe für Männer und Frauen was ganz unterschiedliches heißt. Und ich glaube, das ist ein wesentlicher Punkt, den man auch noch anfügen muss, auch wenn man über Gewalt spricht, auch wenn man über Arbeitsteilung spricht in Beziehungen.
Anna-Lisa Bier
Ich finde, dass dieser Aspekt auch von den Denkmustern und so, wie wir sozialisiert werden von klein auf, vor allem wir Frauen und Mädchen z.B. jetzt auch in Stichwort Filme, Disney Filme und so, genau da ja schon anfängt. Und es wird schon von Anfang an gesagt, wie wir als Frau zu sein haben. Und das hängt dann wiederum damit zusammen, mit traumatischen Beziehungen. Also ich finde, das war für mich persönlich, wie du das in dem Buch geschildert hast mit den Disney Prinzessinnen, extrem interessant. Deshalb hätte ich ganz gern, dass du das den Hörer innen draußen auch noch mal ganz kurz zusammenfasst, weil das, glaube ich, nicht unwichtig ist.
Beatrice Frasl
Es ist schwer, ganz kurz zusammenzufassen, weil tatsächlich, bevor ich irgendwie Autorin war, habe ich wissenschaftlich publiziert zum Thema Disney, habe auch eine Dissertation begonnen zum die man Disney, die ich dann wieder abgebrochen habe. Vielleicht mache ich sie irgendwann noch fertig, weil es scheint ja zu interessieren. Aber was ich ganz besonders spannend fand, ist, wie eben Liebe und Weiblichkeit in Disney Filmen konstruiert wird und Weiblichkeit eben, wie Weiblichkeit über Liebe konstruiert wird. Und wenn man sich so, also die Disney Filme, mit denen ich aufgewachsen bin, auch als Mädchen, waren so die Disney Filme, der er, also weiß ich nicht, schön und das Biest, Pocahontas, Ariel und so diese Filme, König der Löwen und diese Disney Filme, die um eine Prinzessin herumkreisen, das sind die meisten in dieser Zeit und die erfolgreichsten gewesen. Also diese Disney princess musicals, also diese Musical Animationsfilme, die um eine weibliche Hauptfigur kreisen, die eine Prinzessin ist. Und dann gibt es eine weibliche Antagonistin, die Hexe. Und da finde ich es immer spannend, was ist gute Weiblichkeit und was ist böse Weiblichkeit.
Die gute Weiblichkeit ist heterosexuell, die gute Weiblichkeit. Und das ist spannend in den ERN, weil da gab es ja diesen Girl Boss, Girl Power Feminismus ganz stark schon. Und da gab es auch so die Vorstellung, Mädchen dürfen wild sein und dürfen herumrennen. Und das sieht man auch in diesen Disney Filmen. Also Pocahontas rennt irgendwie wild herum, Arielle schwimmt irgendwo herum, wo sie nicht darf und sammelt irgendwelche Sachen, die sie nicht sammeln soll. Belle liest Bücher, obwohl sie das nicht soll und obwohl das alle um sie rum voll komisch finden und sogar Lieder drüber singen. Also so die Mädchen in den Disney Filmen sind halt auch irgendwie so ein bisschen rebellisch.
Es zeigt sich dann aber im Laufe des Films und die singen dann auch so Lieder, wo sie sich danach sehnen, irgendwo anders zu sein. Also Arielle singt dann, i wanna be part of your world und Pocahontas singt dann just around the riverband, wartet halt das große Abenteuer auf sie. Und es stellt sich dann aber raus, dass das große Abenteuer, das auf sie wartet, ein Mann ist. Also wir haben so diesen Spannungsaufbau mit, ich bin ein wildes Mädchen, das herumläuft und herumschwimmt und irgendwie unverbotene Sachen macht und mein Papa ist dagegen oder wer auch immer. Aber dann das Ziel des Ganzen ist dann aber ein Mann. Also Arielle will in die Welt der Menschen, aber es stellt sich dann raus, dass sie das eigentlich will, weil der Prinz Eric ist. Und das ist, also das ist halt etwas.
Und bei Belle, die liest gerne, wo führt das hin? In eine Riesenbibliothek, wo das Biest ist. Ist auch auf vielen Ebenen schwierig, aber. Aber sie findet dann quasi ihren Prinzen und das hat dann auch mit diesem Lesen zu tun. Also alles, was sozusagen ihr Sehnen ist und ihre rebellischen Interessen dieser jungen Frauen, beziehen sich dann im Endeffekt aber auf einen Mann. Und dann ist die Geschichte aber auch wieder vorbei. Sie haben den dann gefunden und dann ist es vorbei.
Anna-Lisa Bier
Happy End.
Beatrice Frasl
Genau. Und das zeigt, finde ich, sehr schön, wie Weiblichkeit über diese Vorstellung von romantischer Liebe konstruiert wird und wie diese Szenen nach romantischer Liebe schon ein Teil davon zu sein hat. Und auf der anderen Seite haben wir die Hexe. Und die Hexe ist eine ältere Frau, also ich sage jetzt mal postmenopausal, also die kann sich auch nicht mehr reproduzieren, das ist schon mal nicht gut. Also Kinder gibt es keine mehr. Und was ich sehr spannend finde, ist, dass diese Hexenfiguren ganz oft dann auch versuchen, diese heterosexuelle Paarbeziehung zu vereiteln. Also Ursula in the Little Mermaid finde ich da eine ganz spannende Figur, die versucht zu verhindern, dass sie mit dem Prinz Eric zusammenkommen.
Das ist die Hexenfigur, also die Frau, die ältere Frau, die versucht zu verhindern, dass die junge Frau mit einem Mann zusammenkommt. Es ist spannend, es vermittelt spannende Ideen von Weiblichkeit und davon, was gut und böse ist. Also wahrscheinlich, also ich sag dann, in dem Buch schreibe ich dann auch so ein bisschen mit einem Augenzwinkern. Also Hexen sind Frauen, die Bücher wie dieses Schreiben, also die vor der heterosexuellen Paarbeziehung warnen in gewisser Weise. Genau, das vermittelt natürlich ganz viel. Das sind ja alles Texte oder Filme, mit denen wir aufwachsen, die uns ganz viel erziehen auch und sozialisieren. Und die Disney Filme sind ja nur ein Aspekt davon.
Dann haben wir auch noch das Riesenfeld von Rom Coms, die wir uns alle als Teenager reingezogen haben ohne Ende. Oder Liebesromane und sowas. Das ist ja auch alles, das sehr auf ein weibliches Publikum zugeschnitten ist und diesem weiblichen Publikum im großen Maße vermittelt, was Liebe ist und wie sehr sie diese Liebe zu wollen hat. Und das ist auch Romcoms übrigens, also sage ich jetzt noch einen Satz dazu, vermitteln ja ein sehr problematisches Bild von Liebe. Also da wird ganz viel normalisiert, was eigentlich psychische Gewalt ist, was eigentlich Stalking ist als besonders große Liebe. Also so Szenen wie, weiß ich nicht, der Typ verliebt sich in die Frau und ist so arg verliebt, dass er gar nicht anders kann, als dann vor ihrem Haus zu campieren und irgendwelche Lieder zu singen oder sie in die Arbeit zu verfolgen und dort irgendwie plötzlich aufzutauchen oder sie so lange irgendwie unter Druck zu setzen, bis sie endlich sagt, ja okay, machen wir das, machen wir das mit der Beziehung. Also es wird natürlich anders dargestellt, aber das ist alles eigentlich tatsächlich, das sind eigentlich alles so Darstellungen von massivem Kontrollmanipulationsverhalten, von psychischer Gewalt, die nicht nur als Liebe verkauft werden, sondern als besonders große Liebe, als besonders wahre Liebe, die besonders again, ich sag's nochmal, besonders überbordend ist.
Deshalb kann man sich auch gar nicht dagegen wehren. Und das ist eigentlich diese Vorstellung von Liebe ist inhärent gewaltvoll. Und darum geht es mir auch, das ein bisschen aufzubrechen und zu schau mal, das ist total schwierig. Diese ganzen Bilder, mit denen wir aufwachsen und diese Forschung davon, was Liebe eigentlich zu sein hat und ist, das sozialisiert uns in hohem Maße darauf, was wir zu erwarten haben in einer Beziehung und auch darauf, was wir zu ertragen haben und was wir aushalten müssen. Und es sozialisiert auch dahingehend, was wir überhaupt als Gewalt erkennen und was nicht und was wir als Liebe erkennen und was nicht.
Anna-Lisa Bier
Genau. Das wäre eigentlich jetzt auch gegen Ende der Folge meine Frage auch noch gewesen. Das fängt ja eben bei den Denkmustern an von jeder und jedem einzelnen. Das ist ja von meiner Sicht eine riesen Herausforderung. Was oder wie können jetzt diese Denkmuster durchbrochen werden? Was ist da jetzt an sich die erste initiale Lösung auch, die du jetzt mal auch vorschlagen würdest?
Beatrice Frasl
Das ist immer die schlimmste Frage, die man gestellt kriegt als Autorin. Was machen wir jetzt? Was ist deine Lösung? Ja, man muss ja irgendwie, man will ja die Leute mit was hoffnungsfrohem wieder nach Hause schicken. Also ich glaube, dass das erstens mal so ein langsamer kultureller Prozess ist, indem man sich halt einfach dieser ganzen Dinge gewahr wird, nach und nach sich darüber Gedanken macht, welche Liebesvorstellungen man die ganze Zeit konsumiert und internalisiert. Das vielleicht mal ein bisschen kritisch befragen für das eigene Leben, finde ich ganz schön, sich mal zu überlegen, welche Liebe man in seinem Leben hat, abseits von der romantischen Liebe. Also ich finde das, ich finde ja, dass die romantische Liebe ganz viel verstellt an Liebe, die wir haben in unserem Leben.
Und uns mal überlegen, was wir da alles eigentlich geringschätzen oder nicht genügend, nicht genügend pflegen, vielleicht auch nicht genügend liebevoll, wie soll ich sagen, befürsorgen, was wir eigentlich tun könnten und was uns eigentlich sehr gut durchs Leben tragen könnte und uns glücklicher machen könnte. Und für mich sind da eben, also das ist meine persönliche Entscheidung, aber für mich sind da Freundschaften eben ganz, ganz zentral. Und ich glaube, dass wir alle sehr davon profitieren könnten, diese Formen von Beziehungen mehr ins Zentrum zu stellen und uns nicht so in Paarbeziehungen rein vereinzeln lassen. Denn diese Vereinzelung, darüber haben wir jetzt noch gar nicht gesprochen, aber das verfolgt ja auch ganz spezifische politische Zwecke in gewisser Weise. Oder es erfüllt, sagen wir mal so nach es erfüllt Zwecke klingt so nach Verschwörungstheorie, aber es erfüllt schon Funktionen in dem System, dass wir alle so auf eine Person bezogen werden. Das heißt also, ich plädiere halt sehr dafür, Freundinnen und Freunde zu priorisieren und mit denen auch das Leben ganz praktisch gemeinsam zu gestalten. Also nicht nur im Sinne ich bin jetzt da für meine beste Freundin, wenn es ihr schlecht geht, sondern auch echt.
Also man kann wirklich fast alles, was man in einer romantischen Paarbeziehung macht, auch in einer Freundschaft machen. Und vielleicht steht es dann auf wesentlich tragfähigeren Füßen. Man kann finanzielle Entscheidungen mit Freundinnen gemeinsam treffen, man kann mit ihnen gemeinsam Haus bauen, man kann mit ihnen gemeinsam wahrscheinlich in diesen wirtschaftlichen, in dieser wirtschaftlichen Situation gemeinsam eine Wohnung, es ist wahrscheinlich eher Wohnung mitten aus Haus bauen. Aber auch das, man kann gemeinsam wohnen, man kann Alltag tatsächlich gemeinsam teilen, man kann über große Lebensentscheidungen sprechen und die gemeinsam treffen. Man kann auch Kinder kriegen mit Freundinnen. Und vielleicht ist das auch eine gute Idee, weil die Kinder dann vielleicht in einer Beziehung groß werden, die wesentlich länger dauert, als es die meisten Ehen tun. Also das kann man ja auch in Frage stellen, ob das so eine gute Idee ist, dass Familiengründung immer etwas ist, was in Paarbeziehungen passieren muss.
Man kann übrigens auch Kinder kriegen mit Freundinnen, wenn man eine Paarbeziehung hat. Also man kann Hunde gemeinsam adoptieren oder was auch immer. Mein Punkt ist, also ich plädiere dafür, sich zu überlegen, ob es wirklich so sinnvoll ist, eine Beziehung mit allem, was es gibt, zu überladen, mit allem, was es gibt, an Bedürfnissen, an Sinnfindung, an Bedeutung. Und mal so ein bisschen den Blick zu weiten und zu schauen. Aber er ist da eigentlich die ganze Zeit schon neben mir. Während die letzten drei Ehemänner, also wer hat mich schon durch die letzten drei Trennungen begleitet? Von Trennungen von den Menschen, von denen ich dachte, sie werden irgendwie bis an mein Lebensende da sein.
Und mein one and only, wo ich die ganze Energie rein investiert habe, welche Leute waren eigentlich die Ge zeit über da? Und ist das nicht eigentlich die große Liebe?
Anna-Lisa Bier
Das war jetzt ein Bild einer entromantisierten Gesellschaft. Zum Schluss möchte ich dich jetzt noch wünschst du dir etwas von der Liebe?
Beatrice Frasl
Ich wünsche mir nichts von der romantischen.
Anna-Lisa Bier
Liebe, auf die hätte ich jetzt auch nicht Bezug genommen. Nach dem.
Beatrice Frasl
Ich finde unfassbar wichtig, als Mensch in Beziehung mit anderen Menschen zu stehen. Das ist etwas, was uns am Leben hält und was uns glücklich macht. Also ich plädiere überhaupt nicht dafür, sich aus Beziehungen, aus Bindungen rauszubewegen. Ich plädiere nur dafür, sich auf andere zu konzentrieren. Wir alle wissen, was Einsamkeit mit Menschen macht. Das ist enorm gesundheitsschädigend auch. Also wir brauchen einander.
Und ich biete sehr viel mehr Verbindlichkeit und mehr dafür, dass wir mehr Verantwortung füreinander übernehmen. Das war jetzt auch wieder eine gesellschaftliche Antwort, um jetzt persönlich zu antworten. Was ich mir wünsche, ist ja ganz viel Verbindung und Bindung und ganz viel füreinander da sein. Und ich habe das auch in meinem Leben mit meinen engsten Freunden, die ich auch als Partner begreife. Und das wünsche ich mir auch weiterhin. Also ich glaube, ich habe das, was ich mir wünsche, schon eigentlich.
Anna-Lisa Bier
Das ist ja dann der beste Zustand, mit dem wir diese Folge beenden können.
Beatrice Frasl
Was ich mir halt eben wünsche, ist, dass das auch anerkannt wird.
Anna-Lisa Bier
Perfekt, das ist ein gutes Schlusswort. Ich möchte jetzt noch dazu sagen, natürlich können wir jetzt nicht alle Themen deines Buches abdecken. Deshalb an der Stelle kann ich euch nur empfehlen, entomatisiert euch. Ist jetzt überall verfügbar. Ihr könnt das Buch jetzt auch kaufen und lesen und noch tiefer in diese Thematik eintauchen. Danke vielmals, Bea, für deinen Besuch.
Beatrice Frasl
Vielen lieben Dank für die Einladung. Es war wirklich eine Freude.
Anna-Lisa Bier
Das war die heutige Folge von ganz offen gesagt. Vielen Dank fürs Zuhören.
Autor:in:Anna-Lisa Bier |