Ganz Offen Gesagt
Über die Wien-Wahl mit Werner Reisinger
Solmaz Khorsand spricht mit dem Journalisten Werner Reisinger über die Wien-Wahl, einen unaufgeregten Wahlkampf und eine Stadt, die von vielen verkitscht und gehasst wird.
Werner Reisinger
Wenn die Wahl vorbei ist, wird man dann sehen, ob diese Achse quasi zwischen dem Rathaus und dem Ballhausplatz weiter bestehen bleibt oder ob der Ludwig sich dann zurückzieht und dann könnte das interessant werden.
Solmaz Khorsand
Herzlich willkommen bei ganz offen gesagt. Mein Name ist Solmaz Khorsand und mein heutiger Gast ist der Journalist Werner Reisinger. Mit ihm spreche ich über die Wien Wahl Angeklagte, Spitzenkandidaten, türkischstämmige Wählergruppen und ein aus der Zeit gefallenes Wien Bild. Hallo Werner, vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast heute für unser Gespräch. Bevor wir beginnen, gibt es bei ganz offen gesagt die berühmte Transparenzpassage, woher wir einander kennen und ob du Parteipolit. Aktiv warst oder bist. Wir kennen uns, glaube ich, seit knapp 10 Jahren oder vielleicht sogar ein bisschen länger.
Wir haben beide gleichzeitig bei der wiener Zeitung gearbeitet und von da kennen wir uns. Den zweiten Teil überlasse ich dir. Warst du in der Vergangenheit parteipolitisch aktiv oder bist du es aktuell?
Werner Reisinger
Nein, beides nein.
Solmaz Khorsand
Okay, das ging schnell. Ich stelle dich noch kurz unseren Zuhörerinnen und Zuhörern vor, die dich nicht kennen. Du bist studierter Zeithistoriker, arbeitest seit rund 20 Jahren als Journalist, warst unter anderem beim ORF und auch eben Innenpolitik-Redakteur bei der Wiener Zeitung und hast danach viel für die Süddeutsche und das Datum geschrieben. Aktuell bist du Korrespondent für die deutsche Augsburger Allgemeine, für die du auch über den aktuellen Wien Wahlkampf berichtest. Genau deswegen habe ich dich auch eingeladen, weil ich muss zugeben, dass aufgrund der geopolitischen Lage ich ein bisschen den Wien-Wahlkampf zur Seite geschoben habe und nicht so ganz verfolgt habe. Deswegen hatte ich den Eindruck, dieses Gefühl könnten vielleicht andere auch teilen und wollte mal ein bisschen zu den Basics gehen und was jetzt quasi in ein paar Tagen gewählt wird. Und fangen wir mal mit der Urgeschichte an.
Eigentlich hätten wir ja gar nicht jetzt wählen sollen, sondern erst im Herbst. Und der Wahltermin wurde vorverlegt, als sich Anfang Jänner abgezeichnet hat, dass wir eine blau schwarze Koalition mit einem Kanzler Kickl bekommen könnten und man Wien sozusagen so als Gegenmodell zu allem, wofür diese Regierung stehen würde, präsentieren wollte und damit quasi die Leute auch mobilisieren wollte. Konnte die SPÖ von diesem früheren Wahltermin profitieren oder ist dieses diese Idee aufgegangen?
Werner Reisinger
Ja, hallo Solmaz, danke für die Einladung. Freut mich sehr, dass ich hier sein darf. Das, was du über die geopolitische Lage und das aktuelle Weltgeschehen gesagt hast, das trifft sicher viele Leute und trifft auf mich auch irgendwie zu. Man hat ein bisschen das Gefühl, dass dieser Wahlkampf, ich sage mal so etwas schleppend angelaufen ist oder läuft. Man hat ein bisschen das Gefühl, erst jetzt kurz vor dem Finish wird es ein bisschen intensiver. Man merkt auch auf den Straßen in Wien jetzt, dass plötzlich die Teams herumschwirren.
Hat die SPÖ von dem profitiert? Das ist eine schwierige Frage. Ich glaube, das Ganze ist einfach aus der Notwendigkeit, aus dieser Vorstellung entstanden, dass es halt eine Kickl-Regierung geben wird. Das heißt, man hat einfach, man ist davon ausgegangen, es gibt in Kürze eine FPÖ-geführte Regierung und hat dann sich das Szenario vorgestellt, dass die natürlich Attacken auf die Stadt Wien reitet und dass es dann politisch sehr schwierig wird für eine ohnehin, ich sag jetzt mal, eher angeschlagene SPÖ. Ich glaube, das war einfach der Vater des Gedankens. Dann hat sich alles um 180 Grad wieder gedreht. Jetzt denke ich trotzdem, dass das für die SPÖ tendenziell eher vorteilhaft ist, sozusagen jetzt zu wählen, sind halt etwas andere Rahmenbedingungen, weil man halt im Bund sozusagen mitregiert.
Das würde ich jetzt mal sagen. Also das ist natürlich sozusagen für den Wahlkampf, ja, aber auch nicht notwendigerweise für die Sozialdemokraten jetzt irgendwie unvorteilhaft. Sie haben ja auch einen prominenten Wiener Politiker in der Ministerriege.
Solmaz Khorsand
Peter Hanke.
Werner Reisinger
Ganz genau, Peter Hanke. Und mit dem kann man natürlich auch dann, sage jetzt mal, irgendwo Wahlkampf betreiben in Wien.
Solmaz Khorsand
Zu Peter Hanke wollte ich noch später kommen, vor allem in Bezug auf den Lobautunnel, weil er ja jetzt Verkehrsminister ist und wobei, wir können gleich drüber reden, wenn wir schon bei ihm sind.
Werner Reisinger
Dann haben wir das abgehakt.
Solmaz Khorsand
Dann habe ich das abgehakt, weil das war glaube ich das erste, als es zu dieser Personalentscheidung gekommen ist, ich mir gedacht habe, okay gut, Lobautunnel ist damit, also der Stopp ist damit begraben in Wirklichkeit, weil eigentlich war das ja nur dank Leonore Gewessler gestoppt worden. Und Hanke hat gemeint, er will jetzt mal seine Experten selbst befragen und schauen, ob dieses Projekt doch noch durchzusetzen ist. Und er ist ja ein Befürworter des Lobautunnels und natürlich ist das Thema Lobau schon auch in diesem Wahlkampf präsent gewesen. Also wie schätzt du das ein, ob das kommen wird, nicht kommen wird?
Werner Reisinger
Na ganz klar ist das präsent. Also die Grünen machen ja sozusagen in Wien, bauen den gesamten Wahlkampf eigentlich fast auf dem Thema auf. Man sieht es ja auch auf den Plakaten, muss bleiben. Wenn ich mich nicht ganz täusche, steht das sogar im Regierungsprogramm, dass man das durchziehen will und wird. Also ich gehe mal sehr stark davon aus, dass man das machen wird und dass das sozusagen einfach wieder aufgenommen wird, weil es wurde ja nur unterbrochen in Wirklichkeit, die Bautätigkeit und man wird das ganz sicher durchziehen. Dass die SPÖ das Thema jetzt nicht groß für sich spielt, sage ich jetzt mal, ist irgendwie auch klar, dass man das eher versucht, ein bisschen unter den Teppich zu kehren, weil es ja dann doch ein Thema ist, das polarisiert, vor allem bei den jüngeren Wählerinnen und Wählern.
Solmaz Khorsand
Also wir erinnern uns eben damals quasi die Besetzung und ich muss zugeben, dass es mich teilweise wirklich erschüttert, wenn du sagst, okay, wir haben uns als Ziel gesetzt, wir wollen klimaneutral werden bis 2040 und dann baust du diesen komischen Tunnel, der unter Naturschutzgebiet gehen soll. Inwieweit das für eine Stadtpartei, die sich hier auch als modern und progressiv gibt und natürlich ein Interesse am Klima hat, warum das wirklich am Tapet steht, warum ist es so relevant für die SPÖ, dass sie das macht?
Werner Reisinger
Ich glaube, das hat einfach etwas mit einem riesengroßen Stadtentwicklungsprojekt zu tun in Wirklichkeit. Da geht es um die Donaustadt, das ist eigentlich so das einzige größere zusammenhängende Gebiet in Wien, wo man richtig groß auf die grüne Wiese bauen kann. Das passiert dort ja auch in großem Maßstab. Und jetzt will man das sozusagen einerseits verkehrstechnisch halt, wir sind leider noch immer eine massive Autostadt, ich glaube, es gibt kaum eine europäische Großstadt, wo so viel Autoverkehr in der Innenstadt ist wie in Wien. Wird ja jetzt auch thematisiert, sozusagen, haben ja auch Kolleginnen und Kollegen berichtet im ORF auch, dass es hier Vorstöße gibt, jetzt doch irgendwie das zu beschränken, dass es eine Zugangs, wie soll man sagen, ein Zählsystem einmal fürs Erste geben soll, das irgendwie versucht, regulierend auf den Autoverkehr einzuwirken. Und ja, natürlich will man da das trotzdem dann anbinden. Was man auch tut dort, ist, dass man die Öffis dort in dieser Gegend ausbaut.
Aber ich glaube, das hängt alles irgendwie ein bisschen zusammen, dass es da der einen Seite baut man massiv in der Donaustadt Wohnungen und auf der anderen Seite will man halt irgendwie auch bestehende Verkehrsprobleme dort in der Gegend lösen und das irgendwie anbinden, diese Spange eben zu bauen.
Solmaz Khorsand
Und auch zu sagen, das ist ja auch unsere Klientel in der Donaustadt und wir können die nicht quasi vor den Kopf stoßen, wenn wir da jetzt quasi dieses Projekt nicht machen, weil sie quasi mit diesem extremen Verkehr konfrontiert sind permanent, weil der Glaube besteht, dass wenn wir dann mehrere Straßen bauen, dass das quasi irgendwie abgeschöpft wird.
Werner Reisinger
Experten widersprechen, es ist auch ein Vorhaben, das glaube ich schon seit sehr langer Zeit besteht und man will es halt einfach jetzt durchziehen, gegen auch den Widerstand der Jungen.
Solmaz Khorsand
Ich frage mich dann halt, ob es so einen Haimburg-Moment gibt, ob sich dann wirklich dann so eine Zivilgesellschaft erhebt und sagt, sicher nicht. Aber gut, wir werden sehen in Wien, warum nicht.
Werner Reisinger
Einfach schlussendlich zu wenige junge Leute, glaube ich, trotz allem.
Solmaz Khorsand
Ach so, na ja gut, aber Haimburg waren ja nicht nur Junge, oder?
Werner Reisinger
Schau dir deinen typischen Wiener mal an. Also wer nicht direkt dort das sozusagen vor die Nase gesetzt bekommt, der wird da keinen Finger rühren. Okay, dann ist das halt so.
Solmaz Khorsand
Okay, ich komme ein bisschen zurück noch mal auf die Wiener Stadträte, also auf die SPÖ, weil Michael Ludwig ist ja seit 2018 Bürgermeister, davor war er 11 Jahre lang Wohnbaustadtrat. Kann man jetzt nach fast sieben Jahren eigentlich von einer Legacy Michael Ludwig sprechen?
Werner Reisinger
Nein, gute Frage. Ich glaube schon, wobei eigentlich Ludwig ein Politiker ist, der jetzt sehr geschickt agiert, glaube ich, und sich nicht so aktiv in den Vordergrund drängt, was seinen Politikstil angeht. Von einer Ära zu sprechen ist vielleicht auch deshalb ein bisschen viel, weil er ja auch sozusagen diese großen Fußstapfen hat von seinem Vorgänger Michael Häupl und auch häufig mit dem auch verglichen wird natürlich. Und dementsprechend sich vielleicht ein bisschen schwerer tut, irgendwie sich selber irgendwo in Szene zu setzen. Rein so politisch von einer Ära Ludwig zu sprechen, würde ich jetzt ein bisschen übertrieben finden. Ja, also ich glaube einfach, er macht das als Bürgermeister halt sehr professionell, er führt einfach das Werk irgendwie der Sozialdemokraten fort, ist jemand, der in der Wolle gefärbter Roter ist, hat ja damals dieses Match gegen Andreas Schieder gewonnen, der so ein bisschen als der vom linken Flügel kommenden Sozialdemokratie irgendwie beschrieben wurde und wird. Ist Teil dieser sogenannten Liesinger Partie, eng mit Doris Bures, die wiederum eine Vertraute von Werner Eymann war, der Bundesvorsitzender war und Bundeskanzler war.
Ja, also ich denke, er ist einfach sozusagen ein Professionalist und niemand, der großartig, wie soll ich sagen, sich in den Vordergrund drängt oder versucht mit Experimenten allzu sehr irgendwo eine eigene Handschrift irgendwie so zu entwickeln. Also ich glaube, er ist einfach Parteibürgermeister, er ist einfach einer, der sozusagen seine Arbeit macht, sehr professionell macht und dem es auch, glaube ich, nicht so sehr um seine eigene Inszenierung geht. So würde ich ihn einschätzen, ja.
Solmaz Khorsand
Und welche Rolle hat er bei den Regierungsverhandlungen gespielt?
Werner Reisinger
Na schon eine zentrale Rolle. Also das war schon auch so, dass, glaube ich, diese Achse zwischen dem Andreas Babler und dem Michael Ludwig schon zentral war. Man darf auch nicht vergessen, Andreas Babler hat der Wiener SPÖ irrsinnig viel zu verdanken. Die waren auch wesentlich dafür verantwortlich, dass er bei diesem extrem turbulenten Parteitag in Linz dann schlussendlich, also nach der Neuauszählung, dann doch gewählt wurde. Das waren halt schon auch sehr viele Wiener Stimmen. Also Babler hat die Unterstützung der Gewerkschaften und der Wiener und das ist für ihn natürlich essentiell. Und dementsprechend war dann auch irgendwie, glaube ich, ein bisschen der Spielraum von Babler, der ja dem Vernehmen nach durchaus wirklich sehr ambitioniert versucht hat, seine eigenen Agenten durchzuziehen bei diesen ersten Verhandlungen der Koalition, die wir jetzt eh haben, aber die zuerst gescheitert ist, wo die Neos als erste aufgestanden sind vom Verhandlungstisch, auch mit dem Argument, Andreas Babler sei da viel zu emotional gewesen und hätte einfach viel zu viel durchgezogen.
Meinen Informationen war das nicht ganz so. Das war schon so, dass eben sowohl die Sozialpartner als auch, glaube ich, die Wiener schon auch gesagt haben, also das sind für uns absolute Must Haves, beziehungsweise rote Linien gegenüber der ÖVP und den Neos und da können wir leider, da müsst ihr uns entgegenkommen.
Solmaz Khorsand
Welche Themen waren das?
Werner Reisinger
Das waren vor allem die Pensionen. Also das ist natürlich etwas, das für die SPÖ als quasi Pensionistenpartei schon absolutes No Go war. Ja und was ich halt interessant finde, ist, wie wird es dem Andreas Babler nach der Wien Wahl gehen? Wenn diese Wahl geschlagen ist, wird es halt einfach wirklich interessant werden zu sehen, wie sich dann Michael Ludwig sozusagen in dieser Frage Bund und Bundesregierung positioniert. Interessiert ihn das dann nicht mehr? Schaltet er sich im Hintergrund dann doch noch ein, weil das ist ja alles in Wirklichkeit ein Work in Progress, das wir hier haben. Also da stehen wahnsinnig viele Vorhaben am Papier, gleichzeitig haben wir extreme Finanzkrise, quasi unter Anführungszeichen extreme Probleme und das mit drei Parteien, wo jeder in eine andere Richtung zielt.
Also man darf nicht vergessen, bei allem Lob, das ja auch zu Recht momentan für den Bund da ist und bei aller Stabilität und auch, glaube ich, bei aller Professionalität, wir hatten noch nie so viele Ministerinnen und Minister, die wirklich Ahnung von ihren Fachressorts hatten, darf man nicht vergessen, dass hier schon Spannungspotenzial drin ist in dieser Regierung. Und wenn es mit der Kohle knapp wird, dann wird diskutiert werden und dann ist natürlich die Frage irgendwie, wie positioniert sich der mächtige Wiener, dann wahrscheinlich wieder Bürgermeister und Parteichef gegenüber seinem Vizekanzler, gegenüber Andreas Babler, unterstützt er ihn öffentlich, wenn er angegriffen wird? Und er wird ja permanent angegriffen, zumindest jetzt ist ein bisschen sozusagen Pause momentan, aber die burgenländische, sag jetzt einmal Länderallianz, das ist ja ein offenes Geheimnis, dass die den Weg haben wollen. Also wenn die Wahl vorbei ist, wird man dann sehen, ob diese Achse quasi zwischen dem Rathaus und dem Ballhausplatz weiter bestehen bleibt oder ob der Ludwig sich dann zurückzieht und dann könnte das interessant werden.
Solmaz Khorsand
Ich würde mich halt dann, also gut, nur eine noch Zusatzfrage zu dem und dann wieder zurück zu Wien, ob da die Priorität, also das große Projekt, wir haben nur ein sehr kurzes Zeitfenster, um einen Bundeskanzler Kickl zu verhindern und das heißt, wir müssen uns jetzt die nächsten Jahre wirklich anstrengen, damit wir die Wähler von unserem Programm überzeugen. Also ob das dermaßen, ich habe den Eindruck auch bei den Koalitionsverhandlungen gehabt, dass das immer wieder zu stark in den Hintergrund gerückt ist, weil das ist schon eine Priorität, also das kann man nicht wegschieben und ich fand das ehrlich gesagt wirklich beschämend, dass sie das im ersten Durchgang nicht hingekriegt haben, weil das war eigentlich das Hauptziel.
Werner Reisinger
Absolut, also das sehe ich genauso, beides. Also ich war auch irgendwo wirklich schockiert, dass man da so lange herumgeeiert hat und dann auch irgendwo schlussendlich beim Thema Pensionen dann aufgestanden ist und gesagt hat, also wenn wir jetzt dann nicht irgendwie eine Pensionserhöhung um fünf Jahre oder was weiß ich was hinkriegen, dann müssen wir leider gehen. Und außerdem, übrigens seid ihr schuld dran, das fand ich schon auch ein ziemlich starkes Stück, habe ich ja viel drüber geschrieben. Und ja, du hast natürlich vollkommen recht, auch jetzt ist das etwas, das eigentlich überhaupt, wenn man so über die tagespolitische Berichterstattung nachdenkt, überhaupt keine Rolle mehr spielt und man hat ein bisschen das Gefühl, also es dominiert eigentlich nur dieses Finanzthema, also das ist das Integrations- und Zuwanderungsthema, wir werden sicher noch ein bisschen drüber sprechen, Schulen, Bildung, Jugendkriminalität und die Schulden, das ist das, was momentan irgendwie offensichtlich alles dominiert und was eigentlich passieren muss, vielleicht auch ein bisschen gesellschaftspolitisch, natürlich hat das mit dem Integrations- und dem Zuwacherungsthema zu tun, aber sozusagen eine Metastrategie, die du ja glaube ich auch angesprochen was können wir da wirklich tun oder was müssen wir leisten, um zu verhindern, dass Österreich auch seine autoritäre, rechtsautoritäre Regierung bekommt? Das wird gar nicht mehr diskutiert und ich halte das auch für einen Fehler, weil wenn man glaubt, man kann sozusagen das einfach realpolitisch die Stimmung wegignorieren oder wegregieren, indem man einfach schaut, dass man die fünf Jahre das Programm durchzieht. Ja, es ist halt irgendwie trotzdem ein Spiel auf Zeit oder es ist halt eine Wette dann, wenn man denkt sich, gut, OK, wenn wir fein regieren und es fünf Jahre schaffen, dann wird es schon gut gehen und alle werden sehen, dass wir das eh besser können, halte ich für problematisch. Ich bin sehr viel im Großraum Wien, sage ich mal, auch noch in Niederösterreich unterwegs in meiner Freizeit.
Und wenn man da irgendwie die Stimmung gerade irgendwo, ich sage jetzt mal Wahnsinn, bergsteigen, spazieren, Sport machen, irgendwie, wenn man da die Stimmung in Niederösterreich anschaut, also da hat sich überhaupt nichts verändert. Das ist absolut blau.
Solmaz Khorsand
Blauland.
Werner Reisinger
Blauland. Und ich habe nicht das Gefühl, dass man da großartig drauf schaut, irgendwie, was da in Wien in der Bundesregierung gerade passiert.
Solmaz Khorsand
Okay. Ich komme, warten wir es ab. Ich komme zurück zum Wien-Wahlkampf. Welche Themen haben denn dominiert, deiner Meinung nach in den vergangenen Wochen bzw. jetzt in den letzten Tagen, weil ja eigentlich nicht viel spürbar war.
Werner Reisinger
Also eigentlich gab es ja den Wahlkampf gar nicht, finde ich. Der war so kurz und so intensiv, dass man jetzt nicht wirklich das Gefühl gehabt hat, dass es irgendeine großartige Auseinandersetzung gab. Ich meine, wenn es zwei Themen wirklich gab, die dominiert haben, wie schon angesprochen, dann ist es das Bildungsthema in Verbindung mit Zuwanderung, Ausländer, Ausländerkinder, Deutsch in der Schule, Deutschunterricht und Kriminalität. Das ist alles zu so einer Ursuppe irgendwie verschmolzen. Also das nicht deutsch sprechende, kriminelle Ausländerkind, das, Entschuldigung, das irgendwie sozusagen die österreichischen Kinder vom guten Schulerfolg abhält. Nein, das ist jetzt polemisch. Natürlich, wir haben in Wien Probleme, das ist so, wenn man sich umhört bei Pädagoginnen und Pädagogen.
Aber ich habe jetzt in Vorbereitung auf das Gespräch auch mit Leuten, die sehr nahe an der Spitzenpolitik sind, geredet. Nicht mit Politikberaterinnen, sondern wirklich mit Leuten, die dort arbeiten und verschiedenen Parteien. Und es ist tatsächlich so, wir haben wirklich große Probleme. Wir haben es wirklich, ich sage jetzt mal, mit einer Situation zu tun, wo man einfach jahrelang das ein bisschen verabsäumt hat, oder was ist ein bisschen, wo man das verabsäumt hat, wirklich auch Kohle in die Hand zu nehmen, um gerade sozusagen, ich sage jetzt einfach, migrantischen Kindern und Jugendlichen wirklich ein Angebot zu machen, was aus ihrer Zukunft zu machen. Das hat man einfach verabsäumt. Und auch jene wirklich ein bisschen nicht nur bei der Hand zu nehmen, sondern auch ein bisschen anzustoßen, die das für ihren Nachwuchs nicht priorisieren, weil das ist beides. Es ist eine Bringschuld und eine Holschuld, die wir da haben bei dem Thema.
Und das hat man wirklich jahrelang verabsäumt. Und jetzt wundert es mich halt nicht bei allem Schindluder, das mit den Statistiken getrieben wird. Stichwort jetzt vor einigen Tagen war das wieder mit der Jugendkriminalität, die so explodiert und man dann irgendwie nicht dazu sagt, dass das aber teilweise in der Statistik problematisch ist, weil es da diese Serientäter gibt, diese Jugendlichen, die quasi die Statistiken. Es wird so viel Politik auch damit gemacht, dass man dann als Journalist auch immer dann wieder hinterherrennen muss, irgendwie das irgendwie geradezu rücken. Ja, es wird damit Politik gemacht und ja, es wird statistisches Schindluder getrieben, aber ja, es gibt natürlich auch dieses Problem. Und weil man eben so lange hier ein bisschen weggeschaut hat, explodiert das halt jetzt. Und ich glaube, so dominant wie jetzt war das Thema irgendwie noch nie.
Ich habe das Gefühl, es kommt immer wieder so in Wellen alle paar Jahre, aber gerade so momentan ist es schon wirklich wieder sehr intensiv da. Ansonsten, du hast es eh schon angesprochen, die Lobau-Sache ist aber in Wirklichkeit ein grünes Wahlkampfthema und sonst ist es Zuwanderung und Bildung.
Solmaz Khorsand
Ich frage mich immer, also dass das, was mich dann, also mittlerweile schon, ich will es gar nicht mehr aussprechen, weil es mich gar nicht stört, weil es, also ich kann es gar nicht mehr sagen, warum immer das alles, wie du gesagt hast, in dieser Suppe erwähnt wird. Also einerseits haben wir das Bildungsthema, die Frage der Deutschkenntnisse und das wird dann immer automatisch immer verbunden mit der Kriminalität. Also auch renommierte Journalisten und Medien checken überhaupt nicht mehr, wenn sie das als einen Komplex behandeln. Also ich könnte ja auch quasi über die Bildung sprechen und ich könnte auch über die wachsende Stadt sprechen. Ich könnte auch über, also wie wir auch Themenkomplexe zusammen behandeln, also dass das nicht unbedingt, also was das für Bilder im Kopf der Menschen erzeugt, eigentlich, wie du gesagt hast, das nicht deutsch sprechende Ausländerkind, das übermorgen im Gefängnis sitzt. Also das ist im Prinzip das, was immer transportiert wird. Gibt es da Vorschläge, die deines Erachtens irgendwie irgendwie sinnvoll klingen?
Also dass man sagt, okay, mehrere Kindergartenjahre, dann. Ich glaube, den Vorschlag, ich glaube, das war von den Grünen, wo sie gesagt haben, okay, man muss quasi für eine größere Durchmischung sorgen, indem man sagt, okay, man hat fünf Wahlschulen und dann werden sie je nach gewissen Faktoren mehr oder weniger zusammengestellt, sodass quasi es nicht sein kann, dass man zwei Schulen im gleichen Gretzl hat, wo halt in einer Schule lauter Kinder sitzen, die kein Deutsch zu Hause. Also ob sie zu Hause Deutsch sprechen, ist für mich irrelevant. Sie müssen. Deutsch können sie auch in anderen Kontexten sprechen.
Werner Reisinger
Alle Sprachen gut können.
Solmaz Khorsand
Genau, sie müssen. Man muss nicht zu Hause Deutsch sprechen, um Deutsch zu können. Und in anderen Schulen, wo dann halt alle Deutsch sprechen. Also das ist meine Frage, wie man das vielleicht einfach anders handeln könnte.
Werner Reisinger
Also weißt du, ich glaube, ich bin eigentlich ziemlich optimistisch, was das angeht. Also ich glaube, dass wenn es eine Stadt gibt, die das gut hinbekommt, dann ist das Wien. Wien wird das schaffen, da bin ich ziemlich überzeugt. Auch deshalb, weil es wirklich viele gute Vorschläge gibt. Und man muss auch den Neos, über die wir noch nicht gesprochen haben, die ja in der Regierung waren, jetzt zuständig für Bildung, eines schon auch lassen, die haben hier schon ziemlich Dampf gemacht und die haben hier wirklich einen neuen, frischen Wind in dieses Thema reinbekommen. Die Strukturen sind, wie sie halt sind, uralt und verkrustet und man hat es auch natürlich mit einem, ich sage jetzt mal, trägen System zu tun. Ich will das gar nicht irgendwie nur der SPÖ umhängen, das ist, glaube ich, egal, wo man hinschaut, irgendwie Bund oder Land, ist das etwas, das träge ist. Und der Wiederkehr hatte, glaube ich, durchaus auch Widerstand bei den Roten und hat aber, glaube ich, schon einiges einfach jetzt mal, was die Stimmungslage zu diesem Thema angeht, das Problembewusstsein und was die Stimmungslage angeht, einfach gedreht, weil er wirklich, glaube ich, reingekackelt hat und weil er einige Sachen auch umgesetzt hat, die jetzt für mich noch ein bisschen so im experimentellen Bereich sind, aber die schon zeigen, wo die Reise hingehen könnte.
Solmaz Khorsand
Hast du da Beispiele?
Werner Reisinger
Es gibt dieses Projekt Bildungschancen, wo die Schulen für, ich sage jetzt, öffentliche Anbieter irgendwie geöffnet wurden. Schulen bekommen ein Extra-Budget und können sich damit externe Sachen zukaufen. Okay, keine Ahnung, also wir haben Probleme, irgendwie in unserer Schule sind viele Kinder übergewichtig, dann brauchen wir, müssen wir sportlich was machen, da reicht uns einfach sozusagen der Sportunterricht nicht, da kaufen wir jetzt ein Projekt dazu oder keine Ahnung, wir haben Bedarf im Bereich sozusagen Digitalbildung und so weiter. Also das sind, wie gesagt, das ist jetzt sicher nicht eine Sache, wo man sagt, okay, wow, mit dem wird jetzt alles gleich gut, aber das zeigt, wir müssen irgendwie sozusagen das viel flexibler denken. Ich habe auch erfahren, dass der Wiederkehr, als er dieses Amt übernommen hat, damals, gleich einmal nach Finnland gefahren ist und dort einfach sich einmal genauer angeschaut haben, okay, was machen die richtig dort? Und das finde ich schon einen guten Zugang, irgendwie dorthin zu fahren, wo es gut funktioniert, sich das genauer anzuschauen und zu schauen, was davon können wir bei uns machen. Und das deutet halt darauf hin, dass, dass es wirklich viele Überlegungen gibt, was man machen kann und soll.
Und ich bin da optimistisch, ehrlich gesagt. Ich glaube ja auch, dass die Neos weiter in der Regierung sein werden und halt seine Nachfolgerin, Emmerling heißt sie, dass die dann auch Bildungslandesrätin werden wird und dass die, glaube ich, dann auch das in diese Richtung fortsetzen wird. Und ich glaube auch nicht, dass die SPÖ sich großartig noch dagegenstellen wird, dass es hier Reformen gibt, einfach deshalb, weil es auch bequem ist. Man kann natürlich auch sagen, wenn irgendwie etwas schiefgeht oder wenn es Kritik gibt, kann man das den Neos umhängen, genauso wie man sagen kann, schaut, wie wir das in Wien machen. Also wie gesagt, ich glaube jetzt nicht dran, dass in kürzester Zeit alle Probleme gelöst werden, aber ich glaube, von den Rahmenbedingungen ist dann doch eher eine mehrheitlich progressive Stadt. Das sollte man eigentlich hinkriegen oder auf den Weg bekommen.
Solmaz Khorsand
Ich finde das, du merkst schon, die Neos-Handschrift war schon für dich bemerkbar in diesen Jahren, weil ich hatte den Eindruck, also wenn ich mir die Analysen aus den vergangenen Jahren durchgelesen habe, war immer so dieses, die Grünen hatten ihre Super-Mahü und die waren halt präsent und die Neos sind irgendwie so als der bravere Koalitionspartner für die SPÖ untergegangen. Was natürlich für eine starke SPÖ viel attraktiver ist, einen kleinen, eher unscheinbaren Partner zu haben, als jetzt eine damals Vassilakou, die da vielleicht eher präsent ist und vielleicht auch ein bisschen unangenehm sein könnte.
Werner Reisinger
Schau, ich sehe es genauso wie du. Also ich finde auch eher, dass die gar nicht so großartig aufgefallen sind, aber es ist vielleicht irgendwie so ein bisschen spiegelverkehrt zu dem, was bei den Grünen im Bund war. Die haben dann auch, ich habe die in meiner Zeitung vielfach auch kritisiert, in der Zeit, wie sie sozusagen auch noch mit Kurz regiert haben, die Grünen. Aber wenn man sich die Bilanz anschaut, kann man schon sagen, okay, die haben schon ein paar Sachen dann durchaus auf den Weg bekommen im Bund. Das sieht man erst jetzt bei dem, was alles gecancelt wurde jetzt von dieser Regierung wieder. Und so ist es, glaube ich, mit den Neos in der Stadt Wien auch, dass die sich jetzt nicht, dass die großartigen, schwierigen, der schwierige, kleinere Koalitionspartner irgendwie positioniert haben. Aber wenn man sich jetzt anschaut, wie es jetzt ich auch gemacht hab, was denn zumindest im Bildungsbereich eben da gegangen ist, dann gibt es dann doch irgendwie sozusagen ein paar Sachen, die sie vorweisen können.
Aber eher, du hast schon richtig, finde ich, an den Punkt gebracht, also nicht sozusagen so in der öffentlichen Wahrnehmung gar nicht so präsent, sondern eher ein bisschen so hinter dem Volk zurückhaltend.
Solmaz Khorsand
Okay, ich komme mal zu den anderen Parteien. Es sind ja nicht nur die SPÖ, die Neos und die Grünen. Wie, also generell, also die ÖVP ist ja so in Wien so eine bisschen so eine inexistente Stadtpartei, die vielleicht, und ich muss zugeben, Gott sei Dank ehrlich gesagt, weil nach den Auftritten von Karl Mahrer in der Vergangenheit als ÖVP-Chef, ich glaube den meisten ist er in Erinnerung, als er im Brunnenmarkt es kritisiert hat, dass da so viele arabische Standler sind, sein Wien nicht mehr erkennt und jetzt auch mit diesem seltsamen Wahlkampf, wo irgendwie Wien gut ist und sich sein Wien nicht wegnehmen lassen will, aber doch irgendwie auch nicht. Also warum hat die ÖVP da so einen schlechten Stand?
Werner Reisinger
Warum die ÖVP in Wien einen schlechten Stand hat? Ich glaube einfach, das hat mit der Dualität zwischen SPÖ und FPÖ zu tun. Also bei so einer roten Dauerübermacht irgendwie hat man sich bis auf ein kürzeres Zeitfenster, das es auch gab in der Zeitgeschichte, aber schon zurückliegt, immer irgendwie extrem rechts positioniert und da ist aber schlussendlich irgendwie nichts zu holen, weil die Leute, die irgendwie sozusagen wirklich rechts stehen, auch die Wiener Arbeiterschaft oder eben sozusagen vielleicht auch ökonomisch nicht so starke Wählergruppen, Wählerinnen und Wähler, die wählen FPÖ, also das Viktor-Adler-Markt Klientel, sage ich mal, wie will Mahrer das abschöpfen? Mit solchen Wahlsprüchen, die er da auf die Plakate schreibt, wird ihm das nicht gelingen. Und es ist halt, ja, es ist halt irgendwie die Wiener ÖVP. Entschuldigung, die Wiener ÖVP hat eben dieses dieses Image der Coté Schnösel Partei aus dem achtzehnten, neunzehnten Bezirk, das ist halt einfach, ich habe meinen Steuerberater dort, das ist halt einfach eine vollkommen andere Welt und du kannst über diese Klientel hinweg einfach, glaube ich, einfach nichts mehr abgreifen. Das geht einfach nicht.
Solmaz Khorsand
Weil ich mir gedacht habe, weil wir gerade bei Mehrer sind, aber er ist nicht der einzige. Fast die Hälfte der antretenden Spitzenkandidaten werden als Beschuldigte oder sogar als Angeklagte geführt. Also das ist Karl Mahrer, Dominik Nepp, HC Strache, Ernst Nevrivy. Was ist da los? Wie geht das?
Werner Reisinger
Das ist eine schwierige Frage, da müsste man jetzt, glaube ich, ganz weit weg vom Thema Wien. Ja, im Endeffekt ist es, um es kurz zu machen, ist es diese Wienwert-Causa, wo einfach sozusagen, also jetzt.
Solmaz Khorsand
Im Fall Ernst Nevrivy und Karl Mahrer.
Werner Reisinger
Ganz genau, das sind halt einfach sozusagen einerseits ein prominenter Sozialdemokrat, der Donaustädter Bezirksvorsteher und auf der anderen Seite der Spitzenkandidat der ÖVP und seine Ehefrau, die da drinnen hängen. Das macht schon einmal irgendwie zwei Parteien aus und ansonsten sind es noch immer die Nachwehen von, ich würde schon sagen, einem der gigantischsten Korruptionsskandale einfach oder Komplexe irgendwo, die wir in den letzten Jahrzehnten gehabt haben. Ja, die Frage, was da insgesamt los ist, irgendwie, die können wir hier nicht beantworten und nur anreisen, ja, wir haben ein Korruptionsproblem in Österreich, oder? Aber da brauchst du einen eigenen Podcast, da gibt es deine Kolleginnen und Kollegen, die.
Solmaz Khorsand
Aber ich fand es interessant, dass in beiden Fällen, also okay, gut. Und in allen Fällen eigentlich das so abgetan wird. Also gut, in der Wienwert Causa ging es ja darum, dass das. Also Nevrivy wurde angeklagt, weil ihm vorgeworfen wurde, dass er dem Wienwert-Vorstand vorab bekannt gab, den geplanten Standort für den Ausbau der Wiener Linien. Und daraufhin hat er schnell noch ein privates Grundstück erworben, das ihm die Wiener Linien danach zu einem weit höheren Preis abkaufen mussten. Und Stadt Wien saß er da, ein Schaden von Euro entstanden, sagt die WKStA, und im Gegenzug soll von der Wienwert irgendwelche Fußballtickets oder so bekommen haben. Für alle gilt natürlich die Unschuldsvermutung.
Bei Nevrivy ist das ja auch noch so eine Geschichte, dass da irgendwie der Problembär der Wiener SPÖ ist. Also der hat ja auch 2020 dieses Grundstück in der Kleingartensiedlung Breitenlee erworben und das wurde einem ja darauf zu Bauland umgewidmet, was natürlich zu einer erheblichen Wertsteigerung geführt hat. Und man sagt halt, dass er durch dieses Insiderwissen von dieser Umwidmung profitiert hat und Amtsmissbrauch begangen hat. Warum distanziert man sich da nicht von so einer Figur? Warum hält man sich an der?
Werner Reisinger
Das ist eine sehr gute Frage und.
Solmaz Khorsand
Das ist aber auch bei. Also ja, es wundert mich einfach, wie geil kann der sein und wichtig kann der sein für eine Partei, dass man sagt, ja, braucht man unbedingt.
Werner Reisinger
Ganz ehrlich, ich weiß es nicht, aber wenn ich jetzt spekulieren würde, dann würde ich auch sagen, das hat irgendwie mit der SPÖ und ihrer inneren Struktur und vielleicht auch mit den Traditionen zu tun. Wer es mal so weit raufgeschafft hat in so einer großen und dominanten Stadt und Landespartei, der ist halt einfach wirklich schwer wieder wegzubekommen. Wobei man auch irgendwie vielleicht darauf hinweisen muss, dass das auch in anderen Parteien so ist, dass man, wenn man jetzt z.B. an die ganzen Korruptionsfälle und an Korruptionscausa irgendwie rund um Kurz denkt, dann war das ja auch ähnlich. Da hat man ja auch irgendwie lange Zeit gesagt, solange es da kein Urteil gibt, irgendwo machen wir da gar nichts. Und darf daran erinnern, dass die dann schon wirklich im Bundeskanzleramt gestanden sind und ihm die Bude ausgeräumt haben, bis es dann so weit gekommen ist, dass der Kurz halt einfach dann gehen hat müssen. Und so ist es halt da auch.
Und das ist ja auch das, was Ludwig wird ja auch in den Interviews dauernd darauf angesprochen, wieso. Also er kriegt quasi genau diese Frage gestellt, die du jetzt mir gestellt hast. Wieso halten sie an dem fest und was muss da passieren? Und er sagt genau das, was irgendwie seine politischen Konkurrenten auch sagen. Er sagt einfach, ich gehe mal nicht davon aus, dass er verurteilt ist und bis dorthin hat er einfach mein Vertrauen. Man wartet einfach einmal ab. Aber das ist trotzdem eine gute Frage und ich muss ganz ehrlich sein, ich kann sie dir nicht beantworten.
Ich vermute einfach, das hat wirklich mit diesen Strukturen zu tun und dass es einfach, glaube ich, auch so eine Kultur nicht gibt. Und die gibt es nicht nur bei der SPÖ nicht, die gibt es halt irgendwo, nirgendwo so wirklich. Und ich glaube schon gar nicht, wo jemand Jahrzehnte und Jahrzehnte an der Macht ist.
Solmaz Khorsand
Ich würde kurz gern zur FPÖ, weil ich glaube, eine Sache, die viele verwundert hat in diesem Wahlkampf bei der FPÖ war, dass sie angefangen hat, im türkischen Milieu zu fischen. Dass man da versucht hat, quasi türkischstämmige Wähler anzusprechen, was ja irgendwie skurril ist.
Werner Reisinger
Ist skurril, aber wenn man der FPÖ diese Frage stellt, warum sie das tut, finde ich, dass sie eine ehrliche Antwort gibt. Die sagt nämlich, wir haben so ein Problem mit den Syrern und den Afghanen, dass das sogar den Türken irgendwie auf die Eier geht und die sehen das genau wie wir und deshalb quatschen wir die quasi populistisch von der Seite an und erwarten uns, dass die uns dann auch wählen. Und ich glaube, dass sie da zu einem gewissen Grad recht haben. Also es gibt dieses Phänomen in Zuwanderer Communities oder in Second Generation Communities, die einfach sozusagen selber mal auch Opfer von rassistischer Ausgrenzung waren und die dann irgendeine Zeit lang quasi da durch sind und dann kommen andere Leute, gibt es andere Migrationsbewegungen oder es gibt eine Fluchtbewegung, so wie es wir jetzt haben. Viele von den Leuten, die wir hier haben, sind ja nicht irgendwie sozusagen aus Jux und Tollerei hierherzogen, sondern sind halt einfach auch wirklich von einem Krieg geflohen. Also vor allem die Syrer, die Afghanen und auch die Iraker. Und ja, da projiziert man, glaube ich, auch viel rein.
Also ich vermute, dass das schon auch so funktioniert. Ganz ehrlich, ich kenne auch solche Leute. Ich sage jetzt nicht, wenn er es hört, dann wird er wissen, wer gemeint ist, aber ich kenne jemanden, der ist nicht in Österreich geboren, hat zwar einen christlichen Hintergrund, aber kommt aus genau dieser Gegend und wählt FPÖ, weil er einfach sagt, das geht nicht, wir haben so ein Problem. Also ich glaube, das hat wirklich auch damit zu tun, dass es eben sozusagen dieses nach unten treten gibt irgendwie. Also man frisst irgendwie den Besen, mit dem man geprügelt wurde in diesen Communities. Also ich glaube die FPÖ hat ihren Populismus so perfektioniert, dass sie sich das schon sehr gut überlegt haben, warum sie das machen, befürchte ich.
Solmaz Khorsand
Es ist aber interessant, sie machen vor allem, also auch die SPÖ macht ja eher konservativen Kreisen in dieser Community ein Angebot. Also ich glaube es gab sehr viel Kritik, also die Kolleginnen in der Presse und im Profil haben das auch mehrfach betont, warum ein Bürgermeister, Michael Ludwig z.B. sich überhaupt nicht solidarisch zeigt mit dem Istanbuler Bürgermeister, dem Ekrem Imamoglu, der ja quasi ein Parteigenosse ist und Solidaritätsbekundungen von der ganzen Welt bekommen hat und auch in Paris zum Ehrenstaatsbürger ernannt worden ist. Und die Wiener SPÖ schweigt dazu, weil sie es sich mit Erdogans AKP Kollegen nicht verscherzen will, so die Interpretation. Und also ich hab kürzlich das Interview auf Wien Heute mit Ludwig gesehen, wo er sagt, ja ich möchte mich da nicht in die internen Angelegenheiten einmischen.
Werner Reisinger
Ja, ist auch glaube ich die Wahrheit. Das macht er nicht ganz bestimmten handfesten Gründen, weil er weiß halt einfach, es gibt halt einfach auch dieses AKP-nahe Milieu in der türkischen Community in Wien und das sind auch viele Stimmen, das muss man einfach ganz klar sagen. Das ist einfach eine ganz banale Überlegung von ihm.
Solmaz Khorsand
Eine sehr gute Zeit für Demokraten, wenn sie sich mit anderen Demokraten nicht unbedingt solidarisch zeigen.
Werner Reisinger
So ist es.
Solmaz Khorsand
Ich würde gern zum Abschluss unseres Gesprächs auf etwas zu sprechen kommen, wo ich glaube, dass du auch eine Expertise hast, weil du ja auch viel in Österreich unterwegs bist, nicht nur in Wien. Und ich fand, der Politikwissenschaftler Laurenz Enzer-Jedenastik hat vor knapp einer Woche im Standard analysiert, warum Wien anders tickt als der Rest Österreichs und das hängt unter anderem mit der Sozialstruktur in der Bevölkerung zusammen. Es gibt ein niedrigeres Durchschnittsalter in Wien als in anderen Bundesländern, ein höherer Anteil an Hochschulabschlüssen, eine andere Berufsstruktur, mehr Zugewanderte und die Leute sind auch anders sozial eingebettet in Kirche und Gewerkschaften. Was hältst du von dieser These und kannst du vielleicht ein bisschen auch anekdotisch erzählen, wie sich Wien unterscheidet vom Rest Österreichs?
Werner Reisinger
Also ich finde, der hat das sehr gut auf den Punkt gebracht. Ich glaube das sind, was du jetzt aufgezählt hast wesentliche Punkte, die quasi uns Wienerinnen und Wiener unterscheiden, glaube ich, auch von anderen Landeshauptstädten, wobei es vielleicht in Graz und in Linz nicht so viel anders ist wie in Wien, aber sie sind halt so viel kleiner und insofern, ja, und was das Land angeht, könnte, glaube ich, der Unterschied nicht größer sein. Das sind genau die Punkte, die der Politikwissenschaftler da angesprochen hat. Ich kann dir die Frage eigentlich ein bisschen nur anekdotisch beantworten, im Spiegel der Wahrnehmung meiner deutschen Kolleginnen und Kollegen, für die ich schreibe seit drei Jahren, da ist es nämlich schon so, no offense Leute, aber da ist es schon so, dass mir echt auffällt, dass, glaube ich, man speziell jetzt in Deutschland ein totales Retro-Bild von Wien hat, das irgendwie mit der Realität in dieser Stadt nicht mehr viel zu tun hat irgendwie. Also da kommen irrsinnig viele Klischees. Das sind halt quasi die kaffeeschlürfenden, Fiaker fahrenden, Weißwein beim Heurigen trinkenden, Käsekrainer essenden Zentralfriedhofsmenschen. Das ist so ein bisschen das Bild, das man von dem Wiener hat.
Das ist der Kranscher. Und ganz ehrlich, ich sage das öfter dann irgendwo auch intern: Leute, das hat halt einfach mit Wien eigentlich gar nichts mehr zu tun. Das ist eine moderne, junge, diverse Weltstadt, die sich langsam wieder, ich sage jetzt mal, einem Zustand nähert, der irgendwie mit dem von 100 Jahren vergleichbar ist. Also wir hatten über 2 Millionen Einwohner vor 100 Jahren, das war ein absoluter Moloch, es ist abgegangen. Wir hatten die besten Wissenschaftler und Künstlerinnen in Europa in Wien. Und ich glaube, wir nähern uns langsam wieder dieser Stadt, die einfach ein Magnet ist, weil sie einfach geografisch so liegt, die einfach wirklich ein europäisches Zentrum ist und die eben auch jünger wird. Und das hat halt sozusagen mit diesem beschaulichen Bild, glaube ich, dass man so klischeehaft, ich verstehe es eh, dass man sozusagen das immer wieder gerne mal auch so sehen mag.
Und es stimmt, es gibt dieses Wien ja auch noch natürlich, aber es verändert sich halt einfach und wir sind einfach eine moderne Großstadt jetzt und das wird auch so bleiben und das wird sich auch nicht ändern.
Solmaz Khorsand
Aber ist es ein, also für den Rest des Landes ist es ja trotzdem immer so ein Reibebaum. Also es wird schon sehr viel gehasst. Also Wien ist schon das ultimative Böse, wenn man ein bisschen rauskommt.
Werner Reisinger
Das ist es. Das ist aber in jeder anderen europäischen Hauptstadt auch so, Punkt eins. Und war in Österreich, Punkt zwei, immer so, aber hat schon auch, und ja, da hast du schon recht, auch irgendwas zu sagen, generell auch mit diesem, mit dieser Spaltung zwischen urbanen Gegenden und dem Land auch auf ideologischer, weltanschaulicher Hinsicht einfach zu tun. Also das ist einfach diese urbane Gebiete verkörpern ein Wertesystem inzwischen, das man halt einfach irgendwo am Land ablehnt, wo man einfach sagt, okay, die stehen für all das, was wir nicht sind. Wir sind quasi wir am Land, wir haben unsere Art zu leben und wir haben unsere Funktionskleidung und die Lederhosen und die dort, das sind die Großkopferten, die Studierten und die Linken, die Feministinnen und die Transgender Menschen dort. Also ich glaube, das glauben die wirklich, dass in Wien nur irgendwie sozusagen der totale Kulturkampfwahnsinn abgeht. Also dass das hier eigentlich thematisch kaum jemanden irgendwie interessiert in Wirklichkeit.
Das hat mit dieser Projektion auch zu tun. Und ich glaube, da sind wir in Österreich nicht viel anders, wie das irgendwie sozusagen Deutschland passiert, Stichwort Berlin, Ostdeutschland und wie das sicher auch in Frankreich oder in Italien der Fall ist. Also ich glaube, da sind wir Teil eines besorgniserregenden internationalen Trends irgendwie.
Solmaz Khorsand
Vielen, vielen Dank, Werner, für deine Zeit und deinen Input. Ich hoffe, es regt viele andere zum Nachdenken an und dass wir ein bisschen Lust gemacht haben auf die Wien-Wahl.
Werner Reisinger
Ja, danke Solmaz. Hat mich sehr gefreut. Danke für die Einladung.
Solmaz Khorsand
Das war's wieder mit ganz offen gesagt. Vielen Dank fürs Zuhören. Wenn euch die Folge gefallen hat, bewertet uns doch mit fünf Sternen auf euren Podcast Apps. Und wenn ihr Feedback geben möchtet, könnt ihr das auf unseren Social Media Kanälen tun oder per E Mail unter redaktion@ganzoffengesagt.at. Merci und auf bald missing link.
Autor:in:Redaktion Ganz offen gesagt |