Bühneneingang
Über mangelnde Zugänglichkeit in Kultur und Kulturjournalismus - mit Manon Soukup

Als Türöffner zu Kunst und Kultur versteht sich das Online-Medium Kulturknistern. Gründerin Manon Soukup hat sich nach mehreren Jahren in der Opernbranche und bei ORF III mit ihrem eigenen Format die verständliche Vermittlung von Kulturthemen zum Ziel gesetzt. In dieser Folge beleuchtet sie, wo es in Sachen kultureller Bildung Aufholbedarf gibt, warum Rezensionen in ihren Augen unverzichtbar sind und wieso umfangreiche Kulturangebote trotz günstiger Karten oft unzugänglich bleiben.

Fabian Burstein
Hallo und herzlich willkommen am Bühneneingang. Mein Name ist Fabian Burstein, ich bin Kulturmanager und Autor und in diesem Podcast zeige ich euch den Kulturbetrieb von innen, so wie er wirklich ist. Bevor es diesmal losgeht, möchte ich euch eine Premiere ankündigen. Der Bühneneingang hat nämlich eine weitere Stimme. Die Gastgeberin der nun folgenden Episode heißt Selina Teichmann. Einige von euch kennen sie vielleicht schon aus den Podcasts die Dunkelkammer und ganz offen gesagt, die ja ebenfalls im Missing Link Netzwerk erscheinen. Selina ist Journalistin und Schriftstellerin und recherchiert immer wieder zu den Themen Kunst und Kultur.
Insofern fühlt es sich für mich wirklich gut und richtig an, dass sie ihre Expertise nun auch hier einbringt. Das ermöglicht neue Facetten, neue Herangehensweisen und natürlich auch neue Themen. All das gehört für mich zu einer Plattform, die sich stetig weiterentwickelt. Und genau so eine Plattform möchte ich mit dem Bühneneingang bieten. In diesem Sinne viel Spaß mit Host Selina Teichmann. Mich hört ihr wieder in der nächsten Folge.

Selina Teichmann
Hallo und herzlich willkommen beim Bühneneingang. Mein Name ist Selina Teichmann, ich bin Journalistin und Schriftstellerin und meine heutige Gesprächspartnerin ist die Kulturjournalistin Manon Soukup. Sie hat viele Jahre in der Opernbranche gearbeitet, dann in den Journalismus gewechselt und 2024 nach zweieinhalb Jahren bei ORF das Online Medium Kultur knistern gegründet. Die Redaktion konzentriert sich mit ihren Beiträgen auf der Social Media Plattform Instagram und der eigenen Website vor allem auf junge Menschen in Wien und in Österreich. Die Inhalte reichen dabei von Rezensionen und Event Tipps über Straßenumfragen und Interviews bis hin zu Begriffserklärungen. Dabei sind alle Beiträge so niederschwellig wie möglich gehalten. Am Bühneneingang spricht Manon Soukup heute über ihre Mission, Kultur und Kulturjournalismus zugänglicher zu machen.
Wo gibt es im Kulturland Österreich Aufholbedarf? Wofür braucht es eigentlich Theaterfilm und Buchkritiken? Und wer trägt Verantwortung, wenn es um kulturelle Bildung geht? Liebe Mano, danke, dass du heute am Bühneneingang vorbeischaust.

Manon Soukup
Danke, dass ich hier sein kann.

Selina Teichmann
Dein Medium Kulturknistern war ursprünglich ein persönlicher Blog, in dem du über klassische Musik und Oper geschrieben hast. Dann gab es ein Rebranding und in der heutigen Form gibt es das Medium seit 2024. Erzähl mal bitte, wie wurde denn aus einem Opernblog ein Online Medium? Eine köpfige Redaktion, die ehrenamtlich kulturjournalistische Inhalte auf Instagram postet.

Manon Soukup

Lange Geschichte und irgendwie auch wieder nicht. Der Opernblog war damals aus meiner eigenen Motivation dadurch, dass ich aus der Branche komme. Ich gehe in die Oper, seit ich drei bin. Ich komme aus einer Künstlerfamilie und habe auch alles mögliche in dieser Branche gearbeitet, weil ich immer der Meinung war, ich bleibe in der Kultur, ich gehe in die Fußstapfen meiner Eltern und bleibe in der Kultur. Habe aber auch immer um die Zugänglichkeit gekämpft, weil ich war die einzige in meinem Freundeskreis, die in die Oper geht, die ins Theater geht, die ins Museum geht und habe dann immer alle mitgeschleppt und alle motiviert, das auch zu machen. So ist dieser Opernblock dann auch entstanden. Und dann kam meine Masterarbeit, dann kam ein Vollzeitpraktikum, eine Vollzeitanstellung eben bei ORF und es ging sich zeitlich einfach nicht mehr aus.
Also habe ich das Ganze pausiert, habe aber in ein paar Monaten, die ich das damals schon gemacht habe, gesehen, okay, die Nachfrage ist auf jeden Fall da und habe dann beim Fernsehen viel gelernt, war bei Kabarett, Kleinkunst, Popmusik in der Abteilung und die Literatursendung auch begleitet. Und nach zweieinhalb Jahren habe ich einfach wieder dieses Feuer gespürt, ich muss einfach wieder irgendwas machen und diese Zugänglichkeit einfach verbessern, weil ich selber auch gemerkt habe, je weiter weg ich gekommen bin von dieser Opernbubble, desto weniger kriegt man davon mit. Und habe dann beschlossen, OK, the best time to start is now, also machen wir das. Und war dann auch beim Medium von der Mediengruppe Wiener Zeitung im Inkubator Programm, habe das Ganze neu entwickelt, das Rebranding entwickelt und einfach einen Aufruf auf Instagram gestartet. Ich suche Menschen, die Bock haben auf Kunst und Kultur und Bock haben, darüber zu reden, darüber zu schreiben, unabhängig davon, ob man jetzt Journalismus studiert hat oder Theater für Medienwissenschaft, weil ja auch der Journalismus nicht wirklich die zugänglichste Branche ist. Und ja, jetzt sind wir hier.

Selina Teichmann
Das finde ich ganz interessant, dass du damals einen Instagram Aufruf verwendet hast und gesagt hast, Vorwissen ist nicht nötig, darauf möchte ich unbedingt dann auch noch zu sprechen kommen. Jetzt würde mich aber vorher noch warum hast du dich gegen ORF entschieden und für ein eigenes Projekt? Oder in anderen warum braucht es eigentlich eine alternative Kulturberichterstattung?

Manon Soukup
Es ist immer viele dieser Entscheidungen basieren natürlich immer auch auf Bauchgefühl und auf dem richtigen Zeitpunkt. Das klingt so wahnsinnig geschwollen, aber letztendlich ist es genau das. Ich habe nach zweieinhalb Jahren, das klingt nach einer sehr, sehr kurzen Zeit gefühlt mit allen, mit denen ich geredet habe, war auch da nach zweieinhalb Jahren immer so dieser Wendepunkt, wo man entschieden hat, was macht man? Bleibt man da, wechselt man Medium, geht man in eine ganz andere Richtung? Ich habe nach zweieinhalb Jahren in einem super Team, in einer wirklich tollen Abteilung mit Kabarett Kleinkunst, Popmusik und mit der Literatur wahnsinnig viel gelernt und habe wahnsinnig viel machen dürfen und hab dann einfach wirklich das Gefühl gehabt, Okay, es ist Zeit für was Neues. Und das Problem ist, dass ja nicht nur die Kulturbranche, vor allem die Hochkultur, wie wir es so schön nennen, also Oper, Theater, Kunst und Co. Unzugänglich sind für die Maße, sondern der Kulturjournalismus genauso.
Und das ist leider in großen Medienhäusern auch nach wie vor ein Problem. Es gibt wenig junge Kulturjournalistinnen und Journalisten und es gibt auch keine Ausbildung dafür. Und so bin ich dann halt dagestanden und gesagt okay, was mache ich? Kulturjournalismus, auch im öffentlich rechtlichen, ist wenig. Es gibt wenige Möglichkeiten, es gibt wenige Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln, also mache ich was Eigenes.

Selina Teichmann
Da hast du jetzt schon ganz viel angesprochen, worauf ich noch zu sprechen kommen möchte. Du hast gesagt, 14 Personen seid ihr, 14 Personen, die ehrenamtlich arbeiten. Wie planst du denn, das Medium nachhaltig zu finanzieren und diese diese Leute, die für dich im Moment ehrenamtlich arbeiten, dann auch zu bezahlen?

Manon Soukup
Also das ganze ist im Kernteam sind wir eigentlich so vier bis sechs Leute, die tatsächlich regelmäßig auch mit Ideen kommen und extrem investiert sind, über das ich extrem dankbar bin. Die 14 sind tatsächlich dann auch inkludiert mit Springern und Springerinnen, das heißt, es sind aktuell alle in ihren Vollzeitstellen natürlich und je nachdem, wie sich es ausgeht, kommen dann halt mal welche für Beiträge und manchmal nicht. Was die Finanzierung angeht, da sind wir halt jetzt gerade am Arbeiten. Prinzipiell schaut es so aus wie bei jedem anderen Medium auch, duales System, Werbung, Kooperationen, Sponsoring, Investoren. Allerdings bleibt der Journalismus davon unangetastet.
Wir haben drei Säulen aufgebaut. Das eine ist der Kulturjournalismus mit journalistischen Beiträgen, Rezensionen, Interviews, Reportagen, hoffentlich auch irgendwann Reportagen und investigative Sachen. Und die zwei anderen Schienen, die sich aber gut finanzieren lassen, ist die Kulturvermittlung mit Event Tipps, mit einem Überblick, was es in Wien und in Österreich alles so gibt. Und die kulturelle Bildung mit Begriffserklärungen, Berufserklärungen und einfach allem, was dazugehört. Und diese zwei Schienen sozusagen wollen wir finanzieren und finanzieren lassen, weil das auch die zwei Schienen sind, wo natürlich auch die Kulturbranche ein großes Interesse daran hat und wo es sich sehr anbietet, auch mit anderen Medien und mit anderen Start ups zusammenzuarbeiten. Und das soll quasi auch den Journalismus dann querfinanzieren.

Selina Teichmann
Wenn du sagst, ihr wollt auf Kooperationen auch setzen, dann nehme ich an, du sprichst von Opernhäusern beispielsweise z.B. also von.

Manon Soukup
Opernhäusern, Festivals, Museen bis hin aber auch zu Stadt, Land und Bundesregierung, Ministerien und Co. Also ich habe eine ganze Liste an möglichen Kooperationspartnern, Partnerinnen, wo auch Medienhäuser draufstehen. Also sei es öffentlich rechtlicher, sei es die Bühne z.B. ein Standard, was auch immer. Weil Kulturjournalismus funktioniert nur kollaborativ. Es wird immer weniger und es gibt weniger Angebote, es wird immer weniger Geld dafür ausgegeben. Dementsprechend, wenn der Kultusjournalismus bestehen bleiben soll, funktioniert das nur, wenn wir alle an einem Strang ziehen.
Und da ist aber auch wichtig zu erwähnen, natürlich diese Unabhängigkeit. Und deshalb sage ich auch ganz bewusst, dass der Journalismus querfinanziert wird, weil sobald eine Kooperation quasi auch entsteht mit z.B. einem Opernhaus, ist die Person, die die Kooperation abwickelt, nicht mehr diejenige, die Rezensionen schreibt. Und Kooperationen sind ganz, ganz klar farblich und textlich gekennzeichnet, einfach um diesen journalistischen Grundsatz auch zu bewahren.

Selina Teichmann
Das wollte ich nämlich gerade fragen, inwiefern ihr Unabhängigkeit gewährleisten könnt, wenn die Berichterstattung natürlich mit Kooperationen zusammenhängt. Das heißt, das wollt ihr auf jeden Fall farblich kennzeichnen und trennen von den Personen, die Bericht erstatten?

Manon Soukup
Auf jeden Fall, weil Kulturjournalismus ist eine Grauzone, was das angeht. Und das wird in der Branche tatsächlich auch oft so gehandhabt, dass oft nicht sehr gut erkennbar ist, ob es eine Kooperation ist, ob es ein bezahlter Beitrag ist oder nicht. Und da legen wir wahnsinnig viel Wert drauf, weil einfach auch hier das Vertrauen in den Journalismus gefragt ist und kritisch betrachtet werden muss. Dementsprechend, auch wenn Interviews im Rahmen einer Kooperation stattfinden, wird das definitiv auf den ersten Blick ersichtlich sein und dann kann man sich immer noch entscheiden, will ich es lesen oder nicht.

Selina Teichmann
Sprechen wir über das Thema Zugänglichkeit. Auf eurer Website gibt es eine eigene Rubrik, die heiß Kulturbegriffe erklärt. Und da finden sich Begriffe von Arie über Dadaismus bis Verfremdungseffekt. Ich habe da als Kulturjournalistin auch schon das eine oder andere Wort nachgeschaut. Erklär uns doch noch mal bitte Hochkultur, du hast vorher schon ein bisschen erwähnt, Oper, Theater, was gehört da jetzt alles dazu? Gibt es da klare Grenzen? Was zählt nicht mehr dazu?

Manon Soukup
Es gibt tatsächlich keine klaren Grenzen. Ich habe im Rahmen meiner Masterarbeit damals genau das recherchiert und habe unfassbar viele Paper dazu gelesen und Forschungen und Umfragen und es ist sich niemand einig. Es wurde in den er er Jahren schon gesagt, dass diese Trennung eigentlich überhaupt keinen Sinn macht. Also die Trennung Hochkultur versus Populärkultur. Denn man muss immer entscheiden, woran macht man es fest. Die meisten Kriterien, die ich gefunden habe dazu, machen es fest an der Zugänglichkeit. Das bedeutet meistens, es gibt da mehrere Faktoren.
Das eine ist das finanzielle, wer kann sich die Karten leisten? Das andere ist das Verständnis, wie einfach ist es zu verstehen, was passiert, wie einfach ist es, dieses Wissen zu erlangen und zu haben und wie sehr wird dieses Wissen vorausgesetzt? Und dann gibt es noch natürlich die dritte Kategorie mit sozialer Ungleichheit, zu sagen, wer kommt denn überhaupt dorthin und wer kriegt das überhaupt mit? Wer wird erreicht durch die Kommunikation, durch die Werbung? Diese drei Kategorien sind eigentlich auch die sinnvollsten Kategorien zur Einordnung. Womit wir aber bei dem Problem wären, dass Hochkultur und Populärkultur dann nicht mehr so klar getrennt wären, weil wenn man alles nach diesen drei Kategorien staffelt, ist auch ein Beatbox Wettbewerb im Einbaumöbel am Gürtel in Wien Hochkultur, denn es ist nicht zugänglich für jemanden außerhalb dieser Bubble. Und damit wären wir beim großen Problem, dass die Kulturbranche aus diesen vielen verschiedenen Bubbles, Blasen besteht, die sich gegenseitig ja auch nicht berühren.
Ich als jemand, der aus der Oper kommt, war neulich bei einer Kunstausstellungseröffnung im Museum und habe mich dort so fremd gefühlt wie noch nie in meinem Leben, habe bei 600 Menschen kein einziges Gesicht erkannt, ist mir noch nie passiert. Und habe mir dann auch gedacht, okay, so muss es Leuten gehen, wenn sie in die Oper gehen zum ersten Mal. Und dessen sind wir uns aber auch als Kulturmenschen und auch als Kulturjournalist innen, glaube ich, nicht so bewusst, dass natürlich in dem Moment, wo man sich ein bisschen außerhalb von seiner eigenen Bubble bewegt, man extrem fremd ist und das einfach auch nicht mitbekommt. Das heißt, hier haben wir für uns auch diese Regelung entwickelt, was ist Hochkultur? Hochkultur ist alles, was nicht zugänglich ist. Und da zählt ein Jazzkonzert im Porgy and Best, ein Beatbox Event im Einbaumöbel, da zählt eine Radperformance auf der Donauinsel, wo sie EDM Musik produzieren, indem sie im Kreis fahren, quasi mit Boxen am Fahrrad, bis hin zu einer Opernvorstellung, einer Kunstausstellungseröffnung, einer Lesung in einem Café, alles dazu. Das heißt, man kann es extrem breit auffächern und kann damit aber auch viele Interessen abdecken.
Während diese klassische Trennung, die wir in der Gesellschaft haben mit Hochkultur, ist Oper und Theater und Museum und die hohe Literatur und Fantasy zählt dann ja schon nicht mehr dazu. Z.B. das ist das, was wir als gesellschaftlich, als Hochkultur sehen. Wer würde dann halt auch hier niemanden erreichen? Weil da kann ich so niederschwellig berichten, wie ich will, wenn ich nur diese Themen abdecke.

Selina Teichmann
Ich möchte gern bei der niederschwelligen Berichterstattung einhaken. Junge Kulturjournalistinnen, die gerade erst anfangen, finden sich ja immer wieder in Medienhäusern wieder, in denen schon bestimmte Strukturen der Berichterstattung etabliert wurden und damit verstrickt sind. Immer wieder Fachbegriffe, Fremdwörter, Expertise und Vorwissen. Wie kann sich denn da jetzt ein Nachwuchsjournalist oder eine Nachwuchsjournalistin orientieren? Was würdest du für einen Rat geben, wenn die Person zugänglicher schreiben möchte und sich aber gleichzeitig in die Struktur einordnen muss?

Manon Soukup
Es ist wahnsinnig schwierig, weil wir in der Branche natürlich sehr festgefahren sind auf dieses wer ist ein Gescheiter? Und das merkt man, wenn man heute Kritiken liest von Opern, von Theatern, von Vorstellungen. Da wird mit Fachbegriffen um sich geworfen und ich verstehe, es gibt ein Publikum, das seit 20, 30, 40 Jahren in diese Vorstellungen geht, die haben ein gewisses Wissen und die würden sich für dumm verkauft vorkommen, wenn das nicht auch in einer Kritik sich widerspiegeln würde. Allerdings gibt es eine Maße an Menschen, die keine Ahnung davon hat. Und während Kulturjournalismus früher quasi das Influencertum war für die Menschen, ist es das heute nicht mehr. Früher hat man sich an Kulturjournalisten und -journalistinnen orientiert und geschaut, OK, passt mein Geschmack mit dem Geschmack von dem Journalisten, der Journalistin zusammen? Das hat man ein paar mal probiert und dann hat man gewusst, ah OK, passt, der Kollege hat genau meinen Geschmack, da vertraue ich auf das, was er sagt, was er schreibt und orientiere mich daran, was ich mir anschaue.
Dieser Sprung, dass das auch für die neue Generation oder für alle, die nicht seit 20 Jahren in die Oper gehen, ins Theater gehen, gemacht wird, wurde verpasst. Das heißt, es braucht beides und das gibt es aktuell nicht, was die Zugänglichkeit angeht. Es ist wahnsinnig schwer in etablierten Medien und auch im etablierten Kulturjournalismus diese Debatte zu führen, weil es diese Diskussion gibt, naja, aber wie weit senken wir das Niveau? Gehen wir jetzt davon aus, dass sich niemand auskennt? Müssen wir jeden Begriff erklären? Wie erklären wir jeden Begriff, wenn wir eigentlich mitten in einer Rezension z.B. sind? Und wie gehen wir damit um, dass dann sich eben die Menschen, die sich auskennen, sich nicht vernachlässigt fühlen?
Das heißt, hier ist die Lösung natürlich auch eine gute Mischung zu finden, dass man sagt, man kann die kulturelle Bildung teilweise aufbauen, aber einfach auch, dass man nicht extrem viele Fremdwörter verwendet. Also im Studium z.b. wurde uns auch erklärt, verzichtet auf unnötige Wörter, auch wenn man schreibt, verzichtet auf irgendwelche unnötigen Allegorien, auf irgendwelche Metaebenen, wo dann auch niemand mehr mitkommt, ja, Beschreibung des Bildes und wunderschön und Ding, aber man muss nicht in den Tiefen des Lexikons graben, um jetzt einfach nur gescheit zu klingen. Also ich glaube, das wichtigste, was ich allen Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten unabhängig vom Ressort mitgeben kann, ist, sich nicht einschüchtern zu lassen von dem Wissen der etablierten Journalisten und Journalistinnen und einfach auch seine eigene Meinung zu sagen, ohne dass man jetzt glaubt, man muss jetzt imposanter wirken und intellektueller wirken als alle anderen, weil das ist ein Teufelskreis, aus dem man schwer wieder rauskommt und man darf sich davon auch einfach nicht beeinflussen lassen. Das ist halt dann einfach so. Gerade Rezensionen z.B. und auch generell journalistische Beiträge, jeder hat seine eigene Sprache und man soll sich einfach treu bleiben.
Und man muss leider dann auch die Diskussionen führen und dafür einstehen, weil in der Branche noch sehr viel Arbeit diesbezüglich notwendig ist.

Selina Teichmann
Das ist ein sehr schöner Rat, danke dafür, den werde ich mir auch persönlich zu Herzen nehmen.

Manon Soukup
Ich muss mich selber auch regelmäßig daran erinnern, um ehrlich zu sein.

Selina Teichmann
Naja, natürlich, man findet sich wieder in diesen Strukturen, die schon über so viele Jahre gewachsen sind und dann muss man irgendwie die Waage für sich selber finden. Vor der Herausforderung stehe ich jedes Mal, wenn ich eine Kritik schreibe.

Manon Soukup
Ich sitze auch wahnsinnig oft zu Hause und merke dann natürlich, ich habe in der Oper mein Fachwissen und das habe ich aufgebaut, weil ich einfach schon lange in die Oper gehe. Ich habe Kolleginnen in der Redaktion, die ihr Fachwissen haben im Kunstbereich, im Opernbereich. Eine Kollegin, die dirigiert und Musikwissenschaft macht und mir denkt, da liege ich flach mit dem Fachwissen. Wo wir halt jetzt auch versuchen, okay, wie können wir eine Lösung finden, wo sie einerseits ihr Fachwissen noch anbringen können, weil das Wissen, das man hat, will man ja auch vermitteln. Also man hat das ja nicht umsonst angesammelt und das verstaubt dann im Hirn irgendwo, sondern man will ja auch dieses Wissen vermitteln. Man will auch zeigen, hey, da steckt so viel dahinter. Und wir haben es jetzt auch so gelöst, dass wir halt sagen, wir machen am Anfang von den Artikeln, gerade wenn so viel Fachwissen reinfliesst, kurz für alle etwas, wo man einfach sich auch kurz auskennt, wo man kurz weiß, okay, worum geht es überhaupt, wo sind wir überhaupt, was ist passiert?
Und wenn man dann noch Lust hat, gibt es einen Deep Dive. Und auf Dauer ist auch da der Plan, dass wir mehr Deep Dives auch anbieten, einfach weil so viel Wissen da ist und das so schade wäre, wenn das verloren geht. Deshalb bin ich auch der Meinung. Es braucht beides, nur viele vergessen, dass es halt auch die Basics braucht.

Selina Teichmann
Aha, das heißt, ihr wollt in ein und dieselbe Rezension sowohl das Basiswissen stecken als auch den Deep Dive.

Manon Soukup
Machen wir teilweise jetzt schon. Auf Dauer will ich es trennen und halt einbetten. Wir haben halt den Vorteil, wir arbeiten online, wir sind nicht beschränkt auf Platz. Das heißt, wenn jemand nur die ersten drei Absätze lesen will, super, perfekt, good for you, I'm happy. Wenn jemand allerdings einen 10 Minuten Artikel dann noch weiterlesen will mit Deep Dive, ist die Möglichkeit auch da. Auf Social Media dagegen fokussieren wir uns tatsächlich eher auf die Basics, einfach weil wir gerade auf Social Media der Meinung sind, wir erreichen hier einfach mehr Menschen, indem wir bei der Basis bleiben, weil es gibt genug Accounts und das machen auch die Institutionen, die das Fachwissen quasi auch ansprechen und die klassische Vermittlung machen. Das heißt, auf Social Media fokussieren wir uns wirklich auf die Basics.
Was war denn bei einer Rezension das Wichtigste? Worum geht es? Wie hat es ausgeschaut? Wie hat es mir gefallen? Fand ich es cool? Ist es gut für Einsteiger oder nicht?

Selina Teichmann
Jetzt haben wir so viel über Rezensionen gesprochen, deswegen möchte ich einen Schritt zurück machen. Dieses Thema der Kritik, also der Kulturkritik, beschäftigt mich, seit ich kulturjournalistisch arbeite, weil ja doch immer wieder diskutiert braucht es eigentlich Kritiken? Ich persönlich schreibe wahnsinnig gerne Kritiken und ich lese auch gerne Kritiken. Und gleichzeitig, ich kann gar nicht zählen, wie oft ich schon aus anderen Ressorts von Kollegen und Kolleginnen gehört habe, Kritiken liest niemand, braucht es nicht. Wie stehst du dazu?

Manon Soukup
Es ist die klassische Debatte. Weiß nicht, kannst du dich erinnern, in der Schule, wo jeder Lehrer der Meinung ist, sein Fach ist das Wichtigste, so lern für die Matheschularbeit, ist das Wichtigste, das wirst du im Leben so viel brauchen. Lern für den Biologieunterricht, das wirst du so, das wirst du so dringend brauchen in deinem Leben, weil das ist das Wichtigste, was du wissen musst. Lernen für Geografie, Geschichte, um Gottes willen, alles andere ist egal. Im Journalismus dreht sich dieses Spiel weiter und es ist wahnsinnig lustig zu sehen, weil wenn ich jetzt z.b. jemanden aus einem anderen Ressort sagen würde, dass eines der Dinge, die er schreibt, eigentlich es interessiert ja niemanden.
Und was interessiert mich? Eine Analyse über den Aktienkurs. Dann würde jeder schockiert reagieren. Im Kulturjournalismus ist es komplett normal geworden, weil viele Ressorts vergessen, dass der Kulturjournalismus einmal groß war. Oder sie vergessen es nicht, sondern er war einfach einmal groß. Ist es nicht mehr. Warum ist er es nicht?
Es ist nicht mehr im Fokus der Gesellschaft. Die Kultur wurde vernachlässigt, im Kulturland Österreich und im Kulturjournalismus genauso. Und das führt natürlich dazu, dass andere Ressorts um einiges wichtiger geworden sind. Es liegt auch an politischen Entwicklungen, an gesellschaftlichen Entwicklungen. Natürlich ist ein Innenpolitik, Außenpolitik, Wirtschaftsressort aktuell eines der wichtigsten Dinge, weil alles was auf der Welt passiert, ist so absurd, da braucht man Überblick, da rückt die Kultur immer mehr in den Hintergrund.
Was bedeutet das? Innerhalb der Medienlandschaft zereißen sich alle das Maul über jedes Ressort, weil wir sind alle Egomanen. Bei aller Liebe, niemand geht in diese Branche, sei es Kultur oder einen Journalismus, wenn wir nicht bis zu einem gewissen Grad Egosäue wären. Und das sage ich bewusst so.

Selina Teichmann
Sehr schön formuliert.

Manon Soukup
Ich bin selber, ich nehme mich da nicht aus, aber man braucht einen gewissen, eine gewissen, eine gewisse Rampensau in sich, um in eine Branche zu gehen, die so chaotisch ist und dieses organisierte Chaos hat, wo so viele Menschen arbeiten wollen, wo es so wenige Jobs gibt und wo man sich laufend beweisen muss, nur anhand dessen, was man selber leistet und was man selber ist. Das ist die Branche. Und das mögen jetzt viele bestreiten und da mögen sich viele aufregen, aber es ist so. Und wenn man sich die etablierten Journalisten, Journalistinnen unserer Zeit anschaut, bestätigt es das. Und dementsprechend ist natürlich dieses Hinhacken auf kleinere Ressorts wahnsinnig leicht, weil was ist eine Kritik, was ist eine Rezension? Man beschreibt, was man dort gesehen hat. Ich habe vorhin schon gesagt, es ist das Influencertum eigentlich von damals das übrig gebliebene.
Und genau das ist es. Was machen Influencerinnen heute? Sie schauen sich was an, sie testen ein Produkt und empfehlen das oder empfehlen das nicht. Sie gehen auf ein Event und zeigen, wie es dort war, was passiert? Die Leute, die das sehen, denken finde ich cool, ich folge der seit drei Jahren, ich vertraue ihrem Judgement eigentlich schaue ich mir auch einmal an. Das war früher der Kulturjournalismus und das ist er halt heute auch noch, nur anders heute. Wir sind im Prinzip Kultur Influencer innen, aber mit Fachwissen und Fachinfluencer quasi lehne ich mich gerade sehr weit aus dem Fenster. I know.
Aber was alle vergessen, wenn man bei einer Kritik der Meinung ist, es ist rein deskriptiv und das braucht man nicht. Was ist dann der Rest vom Journalismus? Unser Job ist es, die Welt anzuschauen und darüber zu reden, darüber zu schreiben. Sei es der Bericht über eine Pressekonferenz, sei es eine Newsmeldung über den nächsten Satz von einem Politiker in Amerika, sei es ein kulturelles Event. Das heißt, wo hört denn dann das auf? Was ist nicht deskriptiv im Journalismus? Die Tatsache, dass die Kulturkritik hier natürlich nochmal eine Keule abfangen kann, ist, dass Kulturkritiken selten objektiv sind.
Weil es geht gar nicht, ob mir ein Stück gefällt oder nicht, liegt daran, was in meinem Umfeld passiert, wie ich aufgewachsen bin, was für ein Wissen ich habe. Habe ich mich vorbereitet darauf oder bin ich blind reingegangen, was alles vor und Nachteile hat. Während die anderen Ressorts in ihrer Berichterstattung sich ein bisschen auf diese Objektivität zurücklehnen können, geht das bei Kulturkritiken nicht. Und womit wir wieder bei dieser Mischform wären, dass wir die Kulturinfluencer eigentlich sind für die Gesellschaft. Weil letztendlich ist das ja auch der Sinn der Sache, dass ich sage, ich nehme mir eine Kulturjournalistin her oder einen Kulturjournalisten, wo ich einen ähnlichen Geschmack habe. Und dafür braucht es aber dann auch eine breite Auswahl an Kulturjournalismus, damit ich halt die Leute finde, die einen ähnlichen Geschmack haben, die ähnlich denken wie ich, denen die ähnlichen Dinge gefallen, damit ich weiß, was gibt es überhaupt, was mir persönlich taugt. Kultur ist subjektiv und das wird sich nicht ändern. Dementsprechend sind Kulturkritiken es auch.

Selina Teichmann
Das war jetzt eine sehr intensive Stellungnahme, warum es Kritiken braucht.

Manon Soukup
Upsi.

Selina Teichmann
Nein, nein, das war gar keine Kritik, sondern es ist halt ein spannender Einblick.

Manon Soukup
Ja, das Problem ist, dass die Kritik selbst als Bezeichnung schon etwas Negatives aussagt. Ich kritisiere etwas, da haben wir alle was Negatives im Kopf. Nada, Kritiker kommt. Und das war ja auch oder ist auch immer noch so in der Kulturbranche. Kunst und Kulturmenschen und Menschen in dieser Branche, die das machen, die das aufführen, die das produzieren, sind von Kritiken abhängig. Das heißt, eine schlechte Kritik kann niederschmetternd sein, weil keine Karten mehr gekauft werden. Und das ist eine extrem hohe Verantwortung, weil während bei einer Politberichterstattung, da geht es nicht darum, ob jemand Karten kauft oder nicht.
Die Leute wählen sowieso das, was sie wählen werden. Die Politberichterstattung bringt dann vielleicht, dass man ein bisschen gebildeter wählen kann, jo mei. Aber bei einer Kulturkritik steckt tatsächlich Geld dann auch dahinter.

Selina Teichmann
Achtung, wir wollen jetzt natürlich nicht das.

Manon Soukup
Politikressort werden, auf gar keinen Fall. Also es geht mir auch nicht um eine ab oder Aufwertung. Ich bin der Meinung, persönlich im Journalismus, dass alle Ressorts irgendwo gleichwertig sind und auch die Fachressorts haben einfach eine absolute Berechtigung. Wir könnten jetzt auch in die Diskussion abrutschen, Boulevard versus Qualitätsmedien, aber das öffnen wir bitte nicht, weil auch hier, es hat beides seine Berechtigung. Es braucht einen gewissen Qualitätsstandard. Ja, aber in diese Diskussion gehen wir jetzt nicht rein, weil das sprengt den Rahmen. Allerdings, eine Kritik hat einfach diese negative Assoziation und deshalb haben wir dann auch gesagt, okay, was machen wir?
Es ist nicht immer negativ. Also ich hatte jetzt z.B. auch den Fall, dass ich sehr auf den Erfolgsoper Wien war und wirklich extrem viele gute Kritiken geschrieben habe, weil ich einfach begeistert war von dem, was ich gesehen habe. Wo ich schon überlegt habe, verdammt, eigentlich brauche ich jetzt irgendwann einen Disclaimer, dass ich nicht bezahlt werde dafür, weil das glaubt mir langsam niemand mehr. Dazwischen sind jetzt schon ein paar schlechtere gekommen, jetzt hat sich es wieder ausgeglichen. Aber wir haben dann überlegt, okay, wie kriegen wir dieses Negative weg? Und deshalb nennen wir es auch Rezension, was ja auch ein Begriff ist, bzw.
Um es noch leichter zu machen, Review, weil eine Review ist eigentlich das, was es auch ist. Es ist das Subjektive und ich zeige, was war eigentlich dort los? Genau.

Selina Teichmann
Ich würde gerne noch ein bisschen über die kulturjournalistischen Entwicklungen sprechen, die du schon erwähnt hast. Und du hast auch angesprochen, dass es mit dem Jobmarkt natürlich schwierig ist. Natürlich vor allem in Zeiten wie diesen. Wenn man sich jetzt die statistischen Daten ansieht, die in den letzten zwei Jahrzehnten publiziert wurden, dann wird eine interessante Diskrepanz sichtbar, und zwar zwischen kulturinteressierten und tatsächlich in der Kultur arbeitenden Journalist innen. Im österreichischen Journalismus Report aus dem Jahr 2020 ist z.B. festgehalten, dass 5 % der Print und Online und Agenturjournalistinnen im Kulturressort tätig sind. 5, %, das ist jetzt nicht wahnsinnig viel.
Also um das zu vergleichen, für Chronik und Lokales sind 12 % tätig. Laut Journalismusreport 2020, ein Blick Zurück im Journalistenreport aus 2007 wurden noch 8 % der Tageszeitungsjournalist innen in der Kultur verortet. Und dabei sei aber Kultur ein beliebtes Wunschressort. Das hat übrigens auch eine FH Studie ergeben, die damals von der Wiener Fachhochschule 2006 durchgeführt wurde. Damals haben über 50 % der Studierenden angegeben, dass sie gerne im Kulturressort arbeiten würden. Bei Frauen war der Anteil sogar noch höher.
Was ist da los? Warum eigentlich diese Schieflage zwischen Wunsch und Realität?

Manon Soukup
Ich glaube, das Hauptproblem ist, wenn man, ich habe ein bisschen recherchiert natürlich für heute, und wenn ich jetzt eingebe in die Suchmaschine Kulturjournalismus Ausbildung oder Kulturjournalismus, wie werde ich Kulturjournalist? Ich finde nichts. Es kommt dann immer etwas wahnsinnig Schwammiges mit. Natürlich, man soll im Bachelor halt ein Fach studieren, sei es Theaterwissenschaft oder Musikwissenschaft, was auch immer. Und dann halt Journalismus oder Publizistik.

Selina Teichmann
Oder Deutschland.

Manon Soukup
Oder Deutschland. Und in Deutschland gibt es ja tatsächlich eine Fachhochschule, die in Kooperation mit einer Kunst und Musikschule Bayern ein Kulturjournalismus, eine Kulturjournalismusausbildung gemacht, also macht, was ich sehr lustig finde, weil ihr Claim auch ist, die einzige Kulturjournalismus Ausbildung im deutschsprachigen Raum, was ich super spannend finde, weil Deutschland ist natürlich größer, auch die gesamte Journalismusbranche in Deutschland ist um einiges größer, um einiges vielfältiger. In Deutschland findet man tatsächlich auch mehr Vertiefungsveranstaltungen zum Kulturjournalismus und Weiterbildungen, Kollegs, was auch immer. Im Kulturland Österreich findet man nichts dazu. Ich war zwei Jahre im Master im Journalismus, weil ich einfach die Praxis lernen wollte, kaum aus der Theaterwissenschaft. Und ich hatte in diesen zwei Jahren, ich meine, gut, es war Corona dazwischen, aber es gab keine einzige Vertiefung zum Kulturjournalismus. Es gab was zum Sport, zur Wirtschaft, zur Wissenschaft, Innenaussenpolitik, Chronik, aber nichts zum Kulturjournalismus.
Als es dann endlich was gab, wo dann die Studienprogrammleitung ganz happy war, schau Manu, jetzt haben wir es endlich, weil ich habe mich natürlich jedes Semester beschwert, war es dann ein Social Media Videoprojekt, wo ich mir auch gedacht habe, gut, es wird halt der Kulturjournalismus auch nicht ernst genommen. Also auch diese Senkung von 2007 waren 8 % der tageszeiten Journalistinnen in der Kultur, jetzt seit 2020 sozusagen nur noch fünf. Diese Zahl wird auch weiter sinken, weil es gibt weder die Ausbildung, es gibt keine Anleitung, wie man startet, was braucht man dafür. Da gab es während Covid oder kurz danach auch mal eine Podiumsdiskussion in der Wiener Staatsoper zum Kulturjournalismus, wo sich auch niemand einig war, brauche ich jetzt ein Fachwissen oder brauche ich es nicht? Eigentlich brauche ich es aber auch nicht zu viel, weil sonst kenne ich ja schon zu viele Leute in der Kultur und dann bin ich ja biased. Das heißt, es gibt eigentlich keine Regelung dafür. Die wird es auch nicht geben, weil Kulturjournalismus ist wahnsinnig vielfältig und ist von der Populärkultur bis hin zur Hochkultur, wären wir wieder bei dem Thema, extrem divers.
Parallel dazu gibt es keine Jobs, es gibt keine Praktika, es gibt keine Mentorings. Also auch die etablierten Kulturjournalisten und -journalistinnen sind absolut unnahbar, weil es gibt wahnsinnig viele Netzwerke, wahnsinnig viele Mentoring Programme, aber dort ist niemand aus dem Kulturjournalismus oder sehr, sehr wenige, die meistens dann schon voll sind, weil sie halt nur so viele Menschen Mentoren können. Das heißt, da gibt es einfach eine extreme Lücke. Und dann gibt es noch einen Faktor und zwar, wenn man sich die Kulturressorts in den Medienhäusern anschaut, Kultur bringt keine Klicks. Kultur ist nicht, damit kann man nicht wahnsinnig schön hetzerische Headlines machen, man kann nicht Clickbait machen, man kann nicht wirklich auf die Reichweite setzen. Das ist auch bei den meisten Medien das Hauptargument gegen Kulturjournalismus. Das bringt ja keine Reichweite, das interessiert ja niemanden.
Wobei sie vergessen, dass wenn man über 1015 Jahre nicht auch eine neue Zielgruppe und die Jungen und Co. Auf Social Media erreicht, eine Nachfrage kommt nicht aus dem Nichts, an der muss man arbeiten. Womit natürlich die Kulturressorts immer mehr gekürzt werden. Neulich schaue ich auch in der Kronenzeitung und es waren einfach zwei Seiten Kultur. Das eine war ein einseitiges Interview mit einem Künstler, einer Künstlerin, auf der anderen Seite war ein halbseitiger Beitrag, der eigentlich eine Pressemeldung war, sozusagen bezahlt als Kooperation und unten Werbung, das war der Kulturteil in der Kronenzeitung, war auch mal größer. Und so schaut es in den anderen Medien genauso aus. Man hat dann teilweise ein paar mehr Seiten, paar weniger, online natürlich unbegrenzt, aber der Fokus geht verloren.
Womit natürlich auch angehende Journalistinnen und Journalisten am Anfang vielleicht sagen, boah, Kultur würde mich urinteressieren, weil ich würde da mehr Diversität reinbringen, ich will mehr Inklusion reinbringen, andere Themen und die jüngere Ansicht drauf und auch die diversere Ansicht, weil sagen wir es uns ehrlich, Kulturjournalismus ist nicht divers. Wir haben hier ein sehr weißes, weiß konnotiertes Redaktionsumfeld.

Selina Teichmann
Wie steht es denn bei, Entschuldigung, dass ich unterbreche, aber wie steht es denn bei euch um das Thema Diversität? Weil wenn ich mir euer Portfolio ansehe, dann sind das eigentlich nur Frauen und die meisten weiß, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.

Manon Soukup
Ist auch so und das ist ein Privileg aktuell, dass wir uns sehr bewusst sind, dass wir ändern wollen, weil hier auch die Frage ist, wer kann sich's leisten, unbezahlt zu arbeiten? Das ist etwas oder auch der Grund, warum wir dieses Jahr so hart an der Finanzierung arbeiten, weil das will ich ändern, das wollen wir ändern, weil in dem Moment, wo man nicht mehr eine ausschließlich weiße Redaktion hat, kommen andere Themen rein, andere Events, die super toll sind, die aber einfach untergehen. Und das heißt, da ist natürlich auch der Punkt, womit wir wieder bei der Ausbildung wä wer kann es sich denn leisten, unbezahlte Praktika zu machen, fünf Jahre hintereinander? Wer kann es sich leisten, Journalismus zu studieren, wenn Diversität eigentlich auch bedeutet, dass man diese Ausbildungsschiene zugänglicher macht? Wenn ich jetzt aber mich für ein Praktikum bewerbe und mir gesagt, ich brauche drei Jahre Berufserfahrung für ein Praktikum, wie soll das denn diverser werden?

Selina Teichmann
Genau. Als du gerebrandet hast, hast du ja einen Instagram Aufruf verwendet, um Leute zu finden und dazu gesagt, Vorwissen ist nicht nötig. Das heißt, es ist kein Studium nötig. Und wenn ich das richtig verstehe, die Person muss davor nicht einmal in der Oper gewesen sein, um über Opern zu schreiben. Das heißt, da gab es auch Leute, die z.B. noch nie eine Kritik verfasst hatten.

Manon Soukup
Oh ja, also sehr viele tatsächlich. Und das war wahnsinnig schön zu sehen. Also ich habe mir das lange überlegt, wie ich das dann angehe. Und dann hatte ich eine Kollegin, die auch immer noch bei uns ist, die Magdalena Sertl. Ich schätze sie sehr. Sie hat inzwischen wahnsinnig viele Geschichten geschrieben. Und am Anfang haben wir genau darüber geredet.
Sie war eine der ersten, die dabei war, die gemeint ich habe noch nie eine Rezension geschrieben, wie macht ihr denn das? Und wir hatten fünf Feedback Schleifen und haben gemeinsam brainstormt und gebrainstormt und haben uns gemeinsam überlegt, wie gehen wir das an? Was interessiert denn, was ist unser Ziel? Wen wollen wir ansprechen? Für wen soll diese Rezension auch sein? Gesagt okay, für Menschen ohne Vorwissen. Was wiederum schreib es einmal, wie du es einer Freundin erzählen würdest.
Wenn du jetzt jemanden erzählst, ich war gestern im Theater, wie würdest du es erzählen? Schreib das runter, wenn du damit schwer tust, schick eine Sprachnachrichten, wir transkribieren das. Und so haben wir angefangen, passt. Und das schauen wir uns jetzt an und das strukturieren wir ein bisschen. Inzwischen schreibt sie Geschichten, wo ich eigentlich fast nichts mehr korrigiere oder lektorieren muss und macht inzwischen auch Videos mit Rohschnitten, wo ich sage, passt, danke, also kann ich genauso nehmen. Und das war halt auch einfach so ein Mentoring Prozess, der mir wahnsinnig spaß macht, ehrlicherweise, weil ich einfach sehe, Okay, das Interesse ist da, die Leute wollen darüber reden, sie wollen ins Theater gehen, sie wollen in die Oper gehen, sie wollen Bücher lesen und sind aber dann abgeschreckt von dieser Schwelle einerseits, dass man das Gefühl hat, man weiß nicht genug, um hinzugehen und andererseits von der Schwelle, man weiß nicht genug, um darüber zu berichten. Und das abzubauen macht wahnsinnig viel Spaß, weil man sieht, wie Leute darin aufgehen und wie viel Spaß es ihnen dann macht.

Selina Teichmann
Als ihr angefangen habt, war das also so eine Art Mentoring Programm, bei dem du individuell den Personen, die noch kein Vorwissen hatten, geholfen hast, sich im Kulturjournalismus einzugliedern.

Manon Soukup
Julia Rotherbl unter anderem. Das ist halt das, was hinter den Kulissen auch nach wie vor passiert. Also wir sitzen oft gemeinsam in den Runden und überlegen, was könnte man denn machen, was für Geschichten machen wir, wie bauen wir das auf? Weil ich habe natürlich einige in meiner Redaktion, die aus dem Journalismus kommen, die auch die ganzen Formate kennen, aber auch einige, die das nicht sind, die da auch kein Vorwissen haben, sagen was sind jetzt, was ist jetzt überhaupt der Unterschied zwischen einem Interview und einer Reportage z.B. oder? Also schon, aber dann gibt es ja auch im Interview noch mal Abstufungen, ist es jetzt wirklich Antwort Frage Interview oder ist es ein Kontext Interview, wo ich sozusagen wirklich in die Handlung einbette. Und da hatten wir Anfang Februar einen Design Sprint, der super toll war, das waren zwei Tage komplett intensiv mit was gibt es für journalistische Inhalte und Formate und wie drehe ich ein Video?
Und wir hatten Vorträge von Kollegen und Kolleginnen und haben dort auch Prototypen gemacht und haben tatsächlich einfach uns angeschaut, okay, was gibt es alles, was können wir überhaupt machen und haben einfach mal kreativ überlegt, was würde sich anbieten? Und so haben wir quasi auch diese Basis an Wissen einmal vermittelt. Also so war jeder mal an der same page und hat gesagt okay, passt, das sind die Unterschiede, das würde ich gerne machen, so gehe ich es an.

Selina Teichmann
Inwiefern sich dieses Vorhaben skalieren lässt, würde ich dann gerne am Ende auch noch einmal thematisieren. Aber zuerst wieder einen Schritt zurück, Thema kulturelle Bildung. Wen siehst du denn eigentlich verantwortlich für kulturelle Bildung? Ist das die Familie oder ist das die Schule? Sind das Institutionen? Also wir sprechen hier jetzt natürlich von ganz jungen Menschen.

Manon Soukup

Ja, kulturelle Bildung ist ein Thema, das ist genauso wie Allgemeinwissen, es braucht ein Dorf, es reicht nicht, wenn es nur die Eltern oder nur die Schule machen, weil wenn ich es in der Schule lerne, aber dann in meinem Umfeld niemanden habe, mit dem ich darüber reden kann, dann geht das verloren, das Wissen. Das ist wie bei dem Ding mit einer Sprache lernen, wenn ich die Sprache nicht spreche, dann verlerne ich es. Das heißt, kulturelle Bildung ist kein Thema, das man einfach so auf eine Institution oder auf die Eltern abwälzen kann, das funktioniert leider nicht. Wäre schön, würde glaube ich alle freuen, wenn man so einen Schuldigen hat und du bist jetzt verantwortlich. Funktioniert in der Realität auch nicht. Kulturelle Bildung ist ein Thema, das eigentlich gesellschaftlich betrachtet werden muss. Das heißt, es braucht in der Schule genug Angebote, es braucht eigentlich hier auch Fächer und auch Lehrende, die die Zeit haben und auch selber die Ausbildung haben und auch die Motivation haben und das ausleben dürfen, sich um diese Themen zu kümmern.
Das bedeutet aber auch, dass die Lehrkräfte, die die Kunst und Kulturthemen machen, hier auch einfach einen gewissen Freiraum benötigen. Da geht's, Lehrplan ist super wichtig, aber man braucht auch kreativen Freiraum, um diese Sachen zu vermitteln, denn Kultur soll ja Spaß machen und Kultur beeinflusst uns im gesamten Alltag. Das geht aber bis hin zur Uni, wo man dann oft vergisst, weil Universitäten halt wissenschaftlich sind, das ist eine theoretische Ausbildung, das ist keine Praxisausbildung. Und da vergisst man dann aber dann oft, dass es Menschen gibt, die halt nicht studieren und die nicht aus dieser Bubble kommen und die es sich nicht leisten können, also die sich auch nicht leisten können, ein Ticket für die Oper zu kaufen oder ins Kino zu gehen. Das heißt, hier braucht es auch diesen Blick dafür. Und dann kommen noch die Eltern und Familien dazu, die natürlich dann bei den Kindern eigentlich individuell fördern müssten, du komm, wir gehen jetzt ins Museum oder schau, da gibt es einen Workshop für Kinder und Jugendliche, wir melden dich da an, weil weiß nicht. Und dann gibt es natürlich noch Angebote von dem Land selbst, wie den Kulturpass Hunger auf Kunst und Kultur für sozial und finanziell benachteiligte Menschen, der grenzgenial ist, die in die Institutionen gehen mit den Menschen, wo man wirklich günstige Karten haben kann und da sozusagen einen kleinen Eintritt bekommt in diese Branche.
Und das müsste alles zusammenspielen.

Selina Teichmann
Das Angebot, das Kulturelle für junge Menschen, für Familien ist in Wien ja wirklich groß. Du hast den Kulturpass angesprochen. Es gibt Führungen, es gibt Workshops, es gibt Vorstellungen. Viele Museen bieten Eintritt für Menschen unter 19 Jahre. Es gibt das Theater der Jugend seit Dezember '24. Genau. Ganz neu gibt es jetzt auch das Nest, das ist die neue Spielstätte der Staatsoper und die hat sich mit ihrem Programm spezialisiert auf Familien, auf Jugendliche und auf Kinder.
Wenn das Programm so groß ist, warum gibt es dann immer noch ein Problem mit der Zugänglichkeit?

Manon Soukup
Es ist die altbewährte Diskussion mit naja, die Karten sind eh so günstig, was soll man noch machen? Egal wie groß das Angebot ist, egal wie vielfältig das Angebot ist und egal wie günstig die Karten werden, jemand, der den Zugang nicht hat, und damit meine ich jemand, der noch nie in dem Haus war, wird auch im Alter und wird, egal wie günstig die Karten sind, nicht in dieses Haus gehen, weil die Hemmschwelle viel zu hoch ist. Wir kennen es wie viele Galerien gibt es in Österreich, wo man immer vorbeigeht, man sieht die Bilder drinnen hängen. Das sind kostenlose Museen, man kann da einfach reinlatschen und mit den Leuten quatschen, sich die Bilder anschauen und wieder gehen. Weiß niemand, weil es nicht vermittelt wird. Das heißt, das ist, finde ich, das perfekte Beispiel, dass es egal ist, wie günstig die Tickets sind, wenn diese Information nicht zu den Leuten kommt, dass man da einfach rein kann. Und wenn aber auch das Interesse nicht vermittelt wird, das steckt alles dahinter.
Das ist so cool, oder? Das bringt Weiß nichts, sich ein Konzert anzuhören von einem Genre, das man eigentlich nicht kennt, das eröffnet einfach neue Welten. Man muss sich halt die Zeit nehmen, das ist entschleunigend, es bringt dir weiß nicht was, oder Date Night mit der Mama oder mit dem Partner, mit der Partnerin. Das sind Themen, man muss diese Eintrittsschwelle niedriger machen und das ist wahnsinnig schwer und das ist eine Generationenarbeit. Also das geht auch nicht von heute auf morgen, aber in der Branche wird sich halt dann oft darauf ausgeredet, wo ist im Kulturjournalismus oder in der Kultur selbst naja, wir haben ja viele Angebote, wir haben günstige Karten, passt eh, wir sind eh ausverkauft, wir sind eh ausgelastet, passt ja eh. Und sie vergessen aber, dass man das wahnsinnig langfristig denken muss. Jetzt hat es z.b. die Volksoper Wien hat es geschafft, in den ersten zwei Jahren der neuen Direktion von Lotte de Baer, das 25 % der gekauften Karten von unter jährigen gekauft werden, was unfassbar ist für ein Opernhaus in Wien und eine Zahl, die sonst so nicht da ist. Der Vorteil dort ist z.B. wenn man sich dann immer fragt, naja, aber das Stammpublikum werden sie vergrault haben. Nein, weil die Abozahlen steigen auch. Und in einem Interview hat die Lotta, die Berner noch gesagt, na sagen wir, es ist ehrlich, die Jungen kaufen keine Abos. Das bedeutet, dass dieses Stammpublikum mit der älteren Generation gleichzeitig wächst, was eine tolle Entwicklung ist. Und es zeigt aber auch, dass es wahnsinnig an dieser Zugänglichkeit hängt.
Es sind, von dem was ich weiß, wahnsinnig tolle Projekte in Arbeit, wo auch an Schulen gegangen wird, in sogenannten Brennpunktbezirken und Brennpunktschulen, ich mag diesen Begriff einfach nicht. Wo einfach diese Zugänglichkeit versucht wird zu erreichen, indem man halt die Kinder nimmt und hey komm, während der Schulzeit schauen wir uns das an.

Selina Teichmann

Das ist natürlich ein guter Punkt, weil du ja die Hemmschwelle auch schon angesprochen hast. Wer im Klassenverband im jungen Alter beispielsweise in die Oper oder ins Theater oder sei es bloß das Kino, soll natürlich nicht abwertend klingen, geht, ist natürlich dann im höheren Alter weniger gehemmt, wieder in dieses Haus zurückzukehren. Mir ist es auch so gegangen als Kind und ich habe mich wahnsinnig gefreut über die Theaterbesuche. Die sind natürlich nicht immer bei allen Kindern beliebt, aber die machen etwas mit jungen Leuten.

Manon Soukup
Ja, auf jeden Fall. Ich muss auch ehrlich gestehen, also dass man sich in der Oberstufe zwischen den zwei einzigen künstlerischen Fächern entscheiden muss, so bildnerische Erziehung, Musikerziehung, ist absurd, weil die Kunst und Kultur ist das, wovon wir leben. Wir hören die ganz, also ich weiß nicht, wie es dir geht, ich höre den ganzen Tag Musik, den ganzen Tag die Kopfhörer drinnen, hör Musik, ich schau Serien ohne Ende, ich schau viel mehr, ich lese Bücher. Die Kultur umgibt mich, auch wenn ich nicht in die Oper oder ins Theater gehe. Das meinte ich auch mit der Hochkultur Popkultur, diese Trennung ist absurd, weil es auch einfach diese Hemmschwelle noch verstärkt, dass ich sage, das ist halt Hochkultur und na Blödsinn, ich schaue es mir an, weil es mich interessiert oder eben weil es mir irgendwer davon erzählt hat, wie cool das ist und dann gebe ich mir das halt auch. Oder jetzt werde ich mir auch eine wagner Oper im Stream anschauen mit Popcorn und Cola daheim und im Pyjama, weil.

Selina Teichmann
Ich mir denke geil, es klingt nach einem wahnsinns Kulturerlebnis.

Manon Soukup
Es ist ja, es ist halt einfach mal anders. Und das Problem ist dann auch in der Schule, dann entscheidet man sich zwischen diesen zwei Fächern. Und ich weiß nicht, wie es bei dir war, bei mir waren diese Fächer eigentlich useless, weil in bildnerischer Erziehung haben wir zwar ein bisschen was gelernt über Barock und Co. Aber eigentlich ist nichts hängen geblieben. Und sonst war es halt ein Malen in Musikerziehung. Unsere Musiklehrerin war ein Opernfan und sie hat es versucht, allerdings hat sie war dieser Versuch, dass sie jährigen pubertierenden Kindern eine Aufzeichnung der Oper Carmen, meine Lieblingsoper zeigt. Aber das war eine uralte Aufzeichnung, wo ich meine eigene Lieblingsoper nicht mehr gemocht habe danach.
Das heißt auch hier, man kann dann halt, man muss die Menschen irgendwie anders motivieren, man muss ihnen die coolen Sachen zeigen, Künstler hineinholen und zeigen hey, Schau mal, wie laut kann überhaupt ein Opernsänger singen, wie funktioniert das? Und sich dann aber zwischen diesen zwei Fächern noch entscheiden zu müssen, die dann eh schon eigentlich fast den einzigen Mehrwert haben, dass man wenigstens Musik macht und singt einmal die Woche oder was malt einmal die Woche, stiehlt einem natürlich noch mal mehr jeglichen Zugang zu diesem Interesse, das man entwickeln könnte, wo sich dann die meisten halt für das Fach entscheiden, wo es am wenigsten Aufwand ist. Malt man mehr, weil der Be Lehrer Leiwander ist, oder ist Musik eigentlich eh nur singen einmal die Woche? Na, dann wähle ich Musik. Und das trägt wahnsinnig viel dazu bei, dass die kulturelle Bildung in unserem Land extrem gesunken ist und auch das kulturelle Interesse extrem gesunken ist.

Selina Teichmann
Das sind jetzt sehr inspirierende Inputs für die Schulen und gleichzeitig sind wir uns wahrscheinlich einig, dass Schulen im Moment andere Probleme haben. Wir haben einen unglaublichen Mangel an Lehrkräften, an Fachpersonal, wir haben sprachliche Hürden, wir haben kulturelle Hürden oder die kulturelle, die künstliche Intelligenz, die stellt uns ja noch einmal vor Herausforderungen, die so noch nie da waren. Kann man denn in so einer Zeit wirklich erwarten, dass kulturelle Bildung angegangen wird?

Manon Soukup
Da wären wir wieder beim Thema, es gibt keinen Schuldigen und es gibt nicht die eine Person, die dafür zuständig ist. Ich würde von keiner Lehrkraft erwarten, dass sie zusätzlich zu allem, mit dem diese Personen, die so einen tollen Job machen aktuell und wahnsinnig schweren Alltag haben, noch zusätzlich sich überlegen, wie schaffe ich es jetzt, die Kinder für Musik zu begeistern? Was ich bei jungen Lehrkräften merke, die paar, die ich im Umfeld habe, die halt dann sagen, okay, sie versuchen, solange sie noch die Energie haben, irgendwie auch eben mit diesen kulturellen Unterschieden zu arbeiten, zu okay, jeder bringt mal sein Lieblingslied mit aus seinem Heimatland oder von seinen Eltern und man quatscht drüber, man vergleicht mal und schaut sich das so an. Und ich schaue mir halt dann den Quintenzirkel daran an, was kommt in diesem Lied vor? Wie schaut denn die türkische Musik aus, die arabische Musik, ägyptische oder aus Syrien, wie schaut die österreichische Musik aus? Das ist bei uns ja auch nicht nur Blasmusik. Und wie hat das alles einen Einfluss aufeinander?
Ich war in einer Einführungsvorlesung Musikwissenschaften. Das einzige, was ich davon mitgenommen habe, weil das war absolut über meinem Know how level und ich war abgeschreckt, schade, aber. Und das einzige, was ich davon mitgenommen habe, ist, dass eigentlich ja unsere Instrumente auch aus Afrika kommen, dass das dort begonnen hat mit der ersten Geige und keine Ahnung was und die Vorgänger sozusagen, unsere Instrumente, die wir verwenden, dass das in der Forschung herausgefunden wurde, dass das halt auch von dort kommt. Und diese Sachen zu vermitteln, so wie das alles zusammenhängt, Musik, Kunst, Kultur, das ist das, was uns alle verbindet. Das heißt, das ist halt die Chance natürlich, das auch im Alltag zu leben. Kulturelle Begegnung. Kulturelle Begegnung, diese ganzen Probleme sozusagen wenigstens für 1 Stunde zu lösen.
Dafür bräuchten aber die Lehrkräfte wiederum den Freiraum, auch die Zeit, sich damit auseinanderzusetzen, wo es super Programme gibt, auch von den Institutionen, die quasi den Lehrkräften auch Unterlagen zur Verfügung stellen und mit denen Workshops halten. Also da passiert schon was, aber da sind natürlich nicht nur die Eltern gefragt, sondern da ist auch die gesamte Gesellschaft gefragt, diese Angebote zugänglicher zu machen, mehr darüber zu reden und es generell ein bisschen mehr zu genießen und wertzuschätzen. Man muss einfach generell ich glaube, wir müssen als Gesellschaft die Kultur wieder mehr nutzen und auch Neues probieren, weil das ist irgendwie auch so verloren gegangen mit Covid. Natürlich, wenn vier Jahre daheim, haben alle gemeint, eigentlich muss ich nirgendwo hingehen, ich kann mir das alles online anschauen. Man vergisst aber, wenn man dann in einem Konzert sitzt, 2 Stunden neben wildfremden Menschen. Man teilt ein Erlebnis und man teilt diese Zeit mit Menschen, denen man sonst vielleicht nie begegnen würde. Und was aber gleichzeitig die Kulturbranche und auch der Kulturjournalismus hier lernen muss, es gibt niemanden, der nicht qualifiziert ist, es gibt niemanden, der nicht dahergehört, sondern Kultur ist für alle da und Kulturjournalismus sollte es auch sein.

Selina Teichmann
Das ist ein gutes Stichwort. Du möchtest ja Kulturknistern auch als Ausbildungsstätte verstehen. Und aktuell wird Kulturknistern von der Wirtschaftsagentur Wien und dem Media Innovation Lab gefördert, damit du auch zahlreiche Pläne zu dieser kulturellen Ausbildungsschiene umsetzen kannst. Kannst du uns abschließend noch einen kleinen Einblick geben, was ist denn da geplant? Ich weiß, das ist natürlich noch in Entstehung, aber so ein paar grobe Eckpunkte.

Manon Soukup
Aus dem Nähkästchen plaudern. Was ist geplant? Aktuell haben wir die Basisredaktion aufgebaut mit dem, was da ist. Es passieren primär Rezensionen aktuell auch, weil es zeitlich das unter Anführungszeichen am wenigsten intensivste ist. Was meine ich damit? Jeder aus meiner Redaktion geht wahnsinnig gern in eine Vorführung oder liest wahnsinnig gerne ein Buch. Das heißt, es ist ein bisschen leichter, hier dann halt auch darüber zu berichten.
Deshalb ist das aktuell eigentlich das, was am meisten passiert. Was wir haben, sind einige Formate im Ärmel, mit denen wir arbeiten wollen, die wir entwickeln wollen. Also eben von mehr Straßenumfragen, weil wir auch sehen, es ist wahnsinnig lustig. Es war jetzt die Sarah Zechner, die in meiner Redaktion ist, unterwegs auf der Straße und gefragt wer ist dieser alte weiße Mann? Und hat ein Foto von Johann Strauß Sohn hergezeigt.

Selina Teichmann
Das habe ich geliebt, es war super lustig zu sehen.

Manon Soukup
Sie hat auch gemeint, es war super funny. Es haben überraschend viele erkannt, aber auch überraschend viele nicht. Im Johann Strauß Jahr merkt man halt dann auch wieder, egal wie cool die CI ist und wie cool es aufgebreitet wird, wenn die Vermittlung nicht die Menschen erreicht, die es erreichen soll.

Selina Teichmann
Joe man muss vielleicht dazu sagen, es war nicht einfach nur eine Straßenumfrage. Sie hat danach ja auch Erklärvideos gemacht.

Manon Soukup
Genau, also wir haben es dann kombiniert und das ist auch ein Format, das sie jetzt weiterentwickeln will bei uns. Und eben, dass man sagt, einerseits, wer ist diese Person, die Straßenumfrage zu machen, erkennt ihr diese Person? Und dann aber auch ein bisschen Gossip zum Leben dieser Person zu haben. Also ein bisschen dieses Hintergrundwissen, okay, was ging da eigentlich ab? Nicht nur fade basics, sondern halt tatsächlich so spannende Themen, die man nur weiß, wenn man eigentlich dieses Nischenwissen hat. Das heißt, das ist ein Format, das aktuell entwickelt wird. Ich sage es auch nur deshalb, weil wir schon in der Entwicklung sind und sonst niemand stehlen kann.
Nein, und bei uns ist halt generell auch die Regelung, dass Formatideen immer mit Namen eingereicht werden. Und das absolute Versprechen meinerseits, dass diese Formate ausschließlich mit den Personen umgesetzt werden, die die Formate einreichen. Weil wir kennen das alle im Journalismus, wie es abläuft, wie Formate übernommen werden, sage ich einmal nett gesagt, ohne die Personen, die es gepitcht haben, einzubinden. Und das ist nicht im Journalismus so, das ist in der Kultur so, das ist in jedem anderen Ressort, in jeder anderen Branche auch so. Dementsprechend will ich hier ein bisschen diesen Kreis brechen. Das heißt, das ist mal das eine. Das andere, was passieren wird, ist, ich will ein Mentoring Programm aufbauen mit etablierten Kulturjournalisten und Journalistinnen, am liebsten gemeinsam mit anderen Journalismus Ausbildungsstätten.
Das heißt, ich will Wissensvermittlung wieder fördern innerhalb der kulturjournalistischen Branche, weil etablierte Journalisten und Journalistinnen haben ein enormes wissen, das einfach verloren geht. Es gibt natürlich auch Differenzen in Generationenkämpfe und Gendern und bla, braucht man gar nicht drüber reden. Aber das Grundwissen und wie sie eine, wie jetzt z.B. eine Barbara Rett über eine Oper berichtet, wie ein Heinz Sichowski eine Theaterkritik schreibt, da ist so viel Wissen dahinter, so viel Know how, das angezapft werden sollte, was aktuell nicht passiert. Das heißt, wenn diese Personen in Pension sind oder klopf auf Holz nicht mehr da sind, ist dieses Wissen weg. Das ist das andere. Das heißt, was dann noch dazu kommt, natürlich, ist geplant, ist, dass ich an die FHs gehe, an die Unis gehe und dort auch Kulturjournalismus reinbringe in den Plan und ein bisschen mehr Ausbildungsschienen schaffe, auch für den Kulturjournalismus, ein bisschen mehr Möglichkeiten, auch die Praxis zu lernen.
Bei uns, ich sage immer meiner Redaktion, also Kulturknistern ist eine Spielwiese. Wir sind noch nicht so groß, wir haben keine starren Regeln, wir können einfach mal probieren. Das heißt, wir haben Formatideen, die auf Instagram eh schon geplant sind, die für TikTok geplant sind, die für YouTube geplant sind, Podcast schienen. Wir haben extrem viele Pläne und müssen quasi jetzt schauen, okay, wie gehen wir es an, dass halt eins nach dem anderen passiert, weil wir alle wahnsinnig motiviert sind. Das heißt, da hast du die Ausbildungsschiene in der Vermittlung. Und in der kulturellen Bildung will ich persönlich auch, weil es mir ein Anliegen ist, tatsächlich einfach auch mit Bildungseinrichtungen arbeiten, mit Kindern arbeiten, mit Jugendlichen arbeiten, aber auch mit den Institutionen, dass man mal auf die Straßen geht, in die Schulen geht und mal sagt, okay, was steckt dahinter, dass man quasi auch mit den Lehrkräften zusammenarbeitet und genau dieses Problem löst, dass die Lehrkräfte eigentlich keine Zeit haben, noch ein Thema auf ihre Schultern zu nehmen. Ja, also das ist nur so ein Einblick in mein Gehirn und auch in unserer Ideenliste.
Es ist wahnsinnig viel zu tun und tatsächlich, der langfristige Fokus soll auch sein, dass diese Wien Zentriertheit wegkommt. Also langfristig will ich eigentlich ein Team aufbauen, am besten in ganz Österreich, damit wir auch jedes Bundesland beleuchten, weil es gibt in jedem Bundesland extrem viele Angebote, extrem viele kleine Theaterhäuser, kollektive Galerien, kleine Ausstellungen oder auch große natürlich, und Festivals, die aber sonst keine Bühne bekommen, weil man im klassischen Kulturjournalismus an Seiten gebunden ist oder an Inseratplätze, was wir halt nicht haben. Und es ist aktuell sehr viel Wien zentriert, weil die meisten Medienhäuser in Wien ihren Standort haben. Die kleine Zeitung ist davon natürlich ausgenommen, und Salzburger Nachrichten und Co. Gibt es ja eh genug. Aber was Kulturjournalismus angeht, merkt man auch, finde ich, auch bei den öffentlich Rechtlichen, das meiste passiert in Wien. Das heißt, jetzt jemand aus Hintertupfing oder aus irgendeinem Kaffin Vorarlberg ist natürlich da nicht angesprochen.
Und was sehr schade ist, weil es in diesen Bundesländern wirklich viel gibt, und auch wenn es nur wenig gibt, aber dieses wenige zu beleuchten und zu hey, schaut mal, was überhaupt bei euch ums Eck passiert, wurscht wie weit ab ihr von Wien seid, das ist wahnsinnig wichtig. Und das wäre auch ein Appell sozusagen an andere journalistische Medien, das unbedingt im Kopf zu behalten. Es lebt nicht ganz Österreich in Wien und nicht ganz Österreich hat dieselben Bedürfnisse wie Wiener und Wienerinnen, weil wir sind wahnsinnig privilegiert, dass ich 20 Minuten in die Oper fahre oder mich spontan entscheiden kann, gehe ich heute ins Theater oder nicht, weil ich hau mich eh nur in die U Bahn. Das ist eine Ausnahme.

Selina Teichmann
Schön, du schließt mit einem Appell an alle Medien. Das gefällt mir gut.

Manon Soukup
Was sonst?

Selina Teichmann
Ich wünsche dir alles Gute für dieses Vorhaben. Das klingt ja nach wahnsinnig vielen Plänen tatsächlich nach einer Liste.

Manon Soukup
Ja, es ist eine sehr, sehr lange Liste. Und ich bin aber wahnsinnig froh, dass ich ein super Team habe, die mir auch regelmäßig in den Hintern treten, dass ich dranbleibe und dass auch das Feedback wahnsinnig toll ist. Also ich merke, egal mit wem ich rede, die Leute sind begeistert und überlegen, wie sie mitarbeiten können, wie sie helfen können. Also dieses Projekt ist wirklich ein Herzensprojekt, wo man einfach auch merkt, das Kulturland Österreich braucht es. Und ich bin froh über jede Kritik, ich bin froh über jede Rückmeldung, über jedes Interesse, über jede Verbesserungsvorschläge, über alles, was kommt, weil ich mache das auch zum ersten Mal. Ich habe davor kein Medienhaus aufgebaut.

Selina Teichmann
Also dementsprechend, liebe Hörer und Hörerinnen, da habt ihr Feedback und Vorschläge gerne an treffpunkt@buehneneingang.at. Liebe Manon, danke für diese vielseitigen Einblicke. Danke für die Expertise, die du mit uns geteilt hast, ohne Vorwissen vorauszusetzen. Es war mir eine Freude.

Manon Soukup
Ich habe mich auch sehr gefreut. Vielen Dank.

Selina Teichmann
Und im Sinne der Zugänglichkeit verlinken wir natürlich alle besprochenen Studien und Inhalte, eure Online Kanäle natürlich auch in den Shownotes. Danke, dass ihr beim Bühneneingang vorbeigeschaut habt und bis zum nächsten Mal.

Fabian Burstein
Danke, dass ihr beim Bühneneingang vorbeigeschaut habt. Ich würde mich freuen, wenn ihr den Podcast abonniert, in eurem Netzwerk teilt und auf der Plattform eures Vertrauens mit fünf Sternen bewertet. Feedback und Geschichten aus dem Inneren des Kulturbetriebs sind natürlich herzlich willkommen. Schreibt mir am besten eine e Mail, die Adresse findet ihr auf bühneneingang mit u. Alle Nachrichten werden natürlich streng vertraulich behandelt. Dort auf bühneneingang.at gibt es auch einen Link zu Steady. Mit einer Steady Mitgliedschaft könnt ihr diesen Podcast unterstützen und habt ein garantiert werbefreies Hörerlebnis.
Außerdem lasse ich mir immer wieder neue Packages für Mitglieder einfallen. In diesem bis hoffentlich bald am Bühneneingang.

Autor:in:

Selina Mavie Teichmann

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