GANZ OFFEN GESAGT
Über Regierungsverhandlungen zwischen ungleichen Partnern - mit Sibylle Hamann

Georg Renner spricht mit der Ex-Journalistin Sibylle Hamann, die die vergangenen fünf Jahre als Bildungssprecherin der Grünen im Nationalrat gesessen hat, über Regierungsverhandlungen zwischen ungleichen Partnern, wie viel einfache Abgeordnete tatsächlich von der Regierungssituation mitbekommen und warum Journalisten das Parlament zu unrecht für die bloße Werkbank der Regierung halten.


Georg Renner
Hallo und herzlich Willkommen bei ganz offen gesagt Podcast für Politikinteressierte. Herzlich willkommen im Jahr 2025. Mein Name ist Georg Renner und ich spreche heute mit einer ehemaligen Kollegin, Sibylle Hamann, war jahrzehntelang Journalistin für unterschiedlichste Medien in Österreich und zuletzt fünf Jahre lang Nationalratsabgeordnete und Bildungssprecherin der Grünen. Mit ihr habe ich vor dem Hintergrund der gerade gescheiterten Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NeoS darüber gesprochen, wie wichtig es ist, Vertrauen in einer Regierung zu haben, wie ein Gesetzgebungsprozess z.b. im Bildungsbereich im Hintergrund tatsächlich funktioniert und warum wir Medien irgendwie erst viel zu spät auf die wirklich großen Themen in der Politik draufkommen. Hallo, grüß Gott und herzlich willkommen Sibylle Hamann. Hallo, danke fürs Kommen.
Alles Gute fürs neue Jahr. Ganz offen gesagt, beginnt traditionell mit einer Transparenzpassage. Wir sprechen zuerst darüber, woher wir einander kennen. Wir waren nicht direkt Kollegen, aber ich war bei der Pressejournalist. Du warst damals, glaube ich, vor allem für den Falter tätig und für die Pressekolonne.

Sibylle Hamann
Die Kolumne bei der Presse habe ich die ganze Zeit schon gemacht.

Georg Renner
Genau. Und wir haben uns irgendwann Anfang der er Jahre, glaube ich, kennengelernt, als wir geschrieben haben über die Besetzung einer Pizzeria im zweiten Bezirk, der Pizzeria Anarchia.

Sibylle Hamann
Es war ein Abbruchhaus, wo die Mieter rausgeekelt werden sollten und sich aber mit Punks dort verbündet haben und diese Pizzeria Anarchia gegründet haben. Und die sollte dann mit einem riesen Polizeiaufgebot geräumt werden und da sind wir uns vor dem Haus über die Straße gelaufen.

Georg Renner
Genau, wir haben als Chronik Frontschweine quasi von dort berichtet und haben uns gemeinsam an der Polizeiabsperrung vorbeigehen diskutiert.

Sibylle Hamann
Genau.

Georg Renner
Zweite Frage, die auch schon näher auf das Thema, über das wir heute sprechen wollen, bist du parteipolitisch aktiv?

Sibylle Hamann
Im Moment nicht mehr sehr. Seit meinem Ausscheiden aus dem Nationalrat habe ich jetzt bei der grünen Bezirksgruppe bei mir im zweiten Bezirk angedockt, werde ich fallweise mitarbeiten und vielleicht schauen, was man lokal in meiner unmittelbaren Wohnumgebung machen kann. Das wird sich erst zeigen in den nächsten Wochen, Monaten.

Georg Renner
Also nach wie vor auf niederer Ebene.

Sibylle Hamann
Aktiv für die K. Es geht ein bisschen immer um die Mitgestaltung des Umfeldes, wo man wohnt und wo man lebt und wo man seine Beziehungen hat. Und da ist mir auch diese ganz kleine Mikroebene extrem wichtig. Da geht es um meinen Alltag, mein Wohlbefinden, meine Familie, die Art, wie wir leben wollen.

Georg Renner
Das unterscheidet sich ein bisschen von deiner politischen Aktivität die letzten fünf Jahre. Du warst im letzten Nationalrat als Abgeordnete, als Bildungssprecherin der Grünen vertreten, hast quasi deine journalistische Karriere zur Seite gestellt und warst jetzt fünf Jahre lang Politikerin. Und darüber würde ich ganz gerne mit dir sprechen heute.

Sibylle Hamann
Ja, sehr gerne.

Georg Renner
Ich würde aber kurz zum Einstieg auf ein aktuelles Ereignis referenzieren. Wir nehmen das hier am Freitag, dem dritte Jänner auf. Es ist gerade bekannt geworden, dass die Koalitionsgespräche zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS wahrscheinlich scheitern, weil die NEOS gesagt na, wir wollen das nicht mitmachen. Du hast damals es Neoabgeordnete der Grünen auch die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen miterlebt, 2019, damals ÖVP noch unter Sebastian Kurz. Kannst du uns kurz sagen, wie hast du denn das damals erlebt?

Sibylle Hamann
Ich habe jetzt schon sehr mitgezittert als Staatsbürgerin, muss man sagen. Weil einerseits ich wünsche mir natürlich eine Regierung für dieses Land, die was weiterbringt. Ich wünsche mir natürlich auch keine FPÖ in der Regierung. Gleichzeitig war mir von Anfang an klar, das wird sehr schwer sein, zwischen diesen drei Parteien auf einen Nenner zu kommen. Und wir haben die ja auch erlebt in den letzten fünf Jahren, wie unglaublich diametral auseinander das liegt. Und wir haben ja auch erlebt die Veränderungsresistenz der beiden immer noch großen Parteien, ÖVP und SPÖ. Also, dass die ÖVP beim Thema Föderalismus kaum Veränderungswillen zeigt, hat mich nicht überrascht.
Und dass die SPÖ beim Thema Pensionen auch nicht wirklich alles ändern wird, war auch keine große Überraschung. Jetzt von der Dynamik her habe ich es war natürlich parallel dazu auch über den Neujahrstag bei uns so in der Endphase damals. Und da hat man auch damals schon gespürt, wie sich dieser Druck aufbaut. Damals war ja Sebastian kurz auf dem Höhepunkt seiner Macht, auch als großer Mediensampano, der halt auch allen immer gesagt hat, was gerade die Botschaft der H ist. Und genau in dieser Zeit vor fünf Jahren haben die den Druck auf uns massiv erhöht, dass wir auch diesen Sack zumachen müssen und jetzt quasi zustimmen müssen hier, hier, dort, weil viel länger, länger kann man jetzt nicht mehr aushalten.

Georg Renner
Was heißt der Druck erhöht? Heißt das, naja, entweder wir einigen uns jetzt diese Woche und dann ist es vorbei?

Sibylle Hamann
Genau, also in der Endphase geht es natürlich so um ein alles oder nichts. Und dann stellt sich als kleiner Partner in dem Moment. Die Situation so wahrscheinlich für die Neos auch jetzt kann man mit dem Ergebnis, das man da jetzt liegen hat, vor die eigenen Leute treten und kriegt man dafür ein Mandat, das auch tatsächlich zu machen, so wie die Neos. Bei uns musste er auch im Bundeskongress zustimmen. Wir hatten damals das Gefühl, es steht viel drin von unseren zentralen Anliegen. Wir können das guten Gewissens auch unseren Leuten erklären. Das haben wir auch wirklich probiert.
Sie haben es uns mit großer Mehrheit auch geglaubt. Meinem Gefühl nach haben wir das recht erfolgreich auch über die Bühne gebracht und auch ein Großteil dieser Anliegen auch durchgesetzt am Ende. Dass es die Neos jetzt ungleich schwer hatten mit diesen beiden Parteien, die in verschiedenen Richtungen zerren, ja, es tut mir einerseits weh, andererseits war fast damit zu rechnen.

Georg Renner
Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Aber wenn du sagst, diametral auseinanderliegende Parteien, hätten wir das nicht vor fünf Jahren über ÖVP und Grüne auch noch gesagt?

Sibylle Hamann
Ja, umso erstaunlicher ist es, aber ich.

Georg Renner
Würde es heute ja auch noch sagen.

Sibylle Hamann
Ist ja auch klar geworden, wie weit wir auseinander liegen in unserer ideologischen Zugangsweise und auch in dem Zukunftsbild, das wir haben, wie eine Gesellschaft funktionieren soll. Trotzdem hat uns das nicht daran gehindert, in ganz konkreten Bereichen viel Neues weiterzubringen und neue Dinge, wie z.B. die ökosoziale Steuerreform, die Co Besteuerung, diese Dinge wirklich auf den Weg zu bringen. Wir haben das erste Jahr jetzt erlebt, wo die Emissionen sinken in Österreich. Also da sieht man, Politik wirkt tatsächlich und da kann man auch über ideologische Gegensätze drüber steigen und auch gemeinsam ein paar Dinge auf den Boden bringen, wenn man will.

Georg Renner
Würde ja entgegenhalten, dass ein großer Teil, ich weiß, es gibt auch diese politische Komponente, wir kennen alle diese Studien des Umweltbundesamts z.B. aber ein großer Teil der Co Reduktion geht halt auch darauf zurück, dass einfach weniger produziert wird in Österreich. Aber trotzdem stimmt, Politik kann was ändern. Wie beurteilst du denn eure fünf Jahre Regierung bzw. Koalition im Nationalrat? Was sagst du, OK, hat sich ausgezahlt oder würdest du sagen, na okay, hätte man doch einiges anders machen müssen?

Sibylle Hamann
Also wenn wir die Zeit zurückdrehen könnten, wenn man vor der Wahl steht, es entweder zu probieren und Verantwortung zu übernehmen oder es von vornherein bleiben zu lassen, weil man sich fürchtet, würden wir und alle in meinem Umfeld und auch wenn ich mit den Leuten an unserer Basis rede, eigentlich zu 80 90 % alle wieder selbstverständlich hat sich das ausgezahlt, es zu probieren, weil nur weil man sich jetzt fürchtet zu sagen, es ist in der Opposition angenehmer. In der Opposition kann man natürlich leichter Wählerstimmen gewinnen. Es ist in der Opposition immer leichter, alles besser zu wissen. Aber wir sind angetreten, um die Welt zu verändern, um das zu verändern, was unser Umfeld ausmacht. Und wenn man die Chance bekommt, das zu tun, dann muss man es machen. Also ich wüsste nicht, wozu ich sonst in die Politik gegangen wäre, wenn ich dafür, dass ich konkrete Spuren hinterlasse. Also ich bin ja nicht, ich mache das ja nicht, damit man ein Maximum an Wählerstimmen generiert am Ende.
Das kann ja nicht das Ziel von Politik sein, sondern das Ziel von Politik muss sein, die Welt zu verändern.

Georg Renner
Wenn du jetzt zurückschaust, ihr habt eine außerordentliche Legislaturperiode gehabt, muss man sagen, einfach durch Covid, durch den russischen Angriff auf die Ukraine, durch die Inflation. Habt einfach sehr, sehr viele externe Einflüsse gehabt, die eure Pläne ein bisschen durcheinander gehauen haben. Ihr habt dann manche Sachen dazu erfunden, z.B. die Abschaffung der kalten Progression. Ihr habt manche Sachen, die im Regierungsprogramm eigentlich vereinbart waren, wieder weggelassen. Denkt z.B. an den Ausstieg aus Gasheizungen und so weiter.

Sibylle Hamann
Wie wichtig. Wir importieren seit ein paar Tagen kein russisches Gas mehr. Das ist natürlich jetzt nicht ein. Haben viele Faktoren reingespielt, aber natürlich hat auch damit zu tun, dass es eine der Prioritäten, sich aus dieser Abhängigkeit von einem Detaktor zu lösen. Und das ist uns heute in diesen Tagen sogar gelungen.

Georg Renner
Was ja nicht heißt, dass es keine Gasheizungen mehr gibt. Es wird ja nach wie vor ganz viel Gas verbrannt. Die Häuser werden erfreulicherweise.

Sibylle Hamann
Aber die Abhängigkeit von einem Diktator und dass wir damit einen Angriffskrieg finanzieren, indem wir das alles auch noch bezahlen, ist jetzt zumindest beseitigt.

Georg Renner
Und das ist, glaube ich, unisono gut so.

Sibylle Hamann
Und die Förderungen in Heizungsumstieg sind so groß, wie sie noch nie waren, aber.

Georg Renner
Gerade ausgelaufen, weil alles abgehoben wurde.

Sibylle Hamann
Naja, jetzt ist eine neue Regierung im.

Georg Renner
Zug, wir werden sehen, was die bringt. Worauf ich eigentlich hinaus wollte ist, wie wichtig ist denn so ein Regierungsprogramm gegenüber den Menschen, die da sitzen und einfach auf externe Einflüsse in dem Fall reagieren müssen? Ist das ein Orientierungspunkt oder habt ihr euch da schon von Anfang an ausgemacht, okay, wir arbeiten das jetzt Schritt für Schritt ab. Wie funktioniert denn das tatsächlich hinter den Kulissen?

Sibylle Hamann
Man muss ja beides gleichzeitig machen. Man muss einerseits hat man die Aufgabe, dieses Regierungsprogramm, das man vereinbart hat, tatsächlich dieses Wort abarbeiten mag ich nicht, das klingt so ein bisschen nach mühender Ebene, aber es hat doch. Also ein Projekt nach dem anderen muss man sich vornehmen. Und das muss man natürlich machen in einer Weise, dass nicht quasi die Lieblingsprojekte von der einen Partei alle durchgehen und die Lieblingsprojekte der anderen Parteien alle liegen bleiben. Das heißt, da kommt dieses böse Jungtimieren ins Spiel, dass man halt sagt, okay, wir gehen jetzt dieses Projekt an, das euch wichtig ist, aber dann müssen wir gleichzeitig auch jenes Projekt angehen, das uns wichtig ist. Also das ist ein normaler Verhandlungsprozess, so läuft das. Und so, also ich glaube, es gibt da jetzt die Erhebungen, wie viel % des Programms umgesetzt wurden.
Und da kann man sagen, der Großteil der Punkte, die uns wichtig waren, haben wir am Ende tatsächlich auch hingekriegt.

Georg Renner
Z.B. Zug um Zug ist gemacht worden, weiß nicht, in der sogenannten ökosozialen Steuerreform. Einerseits die Senkung der Körperschaftsteuer, andererseits auf der anderen Seite die Einführung der Co Abgabe und so weiter. Also Punkte, die der ÖVP wichtig waren und der Grünen, damit das gleichzeitig passiert.

Sibylle Hamann
Oder die Abschaffung der kalten Progression und die Valorisierung der Familien und Sozialleistungen war auch so ein Klassiker.

Georg Renner
Ich will aber jetzt nicht. Ich bin ja grundsätzlich deiner Meinung, dass da sehr viel gelungen ist, was Österreich auch weitergebracht hat, unbestritten. Auf der anderen Seite muss man halt sagen, wenn man z.B. das Budget anschaut, hinterlässt Türkis, grün, will nicht sagen ein Trümmerfeld, aber eine sehr herausfordernde Situation für die jetzigen Koalitionsverhandlungen und für jeden, der das Land in den nächsten paar Jahren regieren und wahrscheinlich saniert, sanieren wird müssen. Habt ihr davon als Abgeordnete, die diese Maßnahmen ja alle beschlossen haben, irgendwie ein Bild gehabt, das wird sich wahrscheinlich finanziell nicht so ausgehen?

Sibylle Hamann
Also das sind jetzt zwei verschiedene Fragen. Das eine ist, wie viel kriegt man als Abgeordneter mit? Das werden wir vielleicht noch ausführlich besprechen. Die Frage nach dem Budget, da möchte ich schon daran erinnern, dass wir in diesen fünf Jahren hauptsächlich immer die Kritik gehört haben von der Opposition, nämlich von der SPÖ und von der FPÖ gleichzeitig, dass es viel zu wenig ist, was wir hier ausgeben. Also dass jetzt alle erstaunt sind und sagen, oh, wie furchtbar, ein Budgetloch, gerade die SPÖ, die jetzt am Verhandlungstisch sitzt, von deren Abgeordneten haben wir fünf Jahre lang nur gehört, wir brauchen noch mehr und noch mehr und noch mehr Geld und alles, was wir tun, ist viel zu wenig. Also ich finde das ein bisschen, muss.

Georg Renner
Ich sagen, ich habe da keine Skin in the game und bin jetzt für keine Partei tätig, aber es gab schon z.B. die Neos, die sagen, naja, ein bisschen weniger ausgeben wäre auch okay und ein bisschen mehr.

Sibylle Hamann
Die Verantwortung für diese Dinge liegt beim Finanzminister und jetzt nicht bei mir als Abgeordneter. Wenn der Finanzminister ja, das geht sich aus. Dann kriegt der Finanzminister, würde ich meinen, dafür die Verantwortung.

Georg Renner
Aber das Budget ist grundsätzlich festgeschrieben und das da drin stand z.B. bei der Co Abgabe, dass in Form des Klimabonus das Doppelte ausgezahlt wird an dem, was hereinkommen wird im Jahr 2024. Das ist in den Budgetmaterialien, die sie beschlossen habt, gemeinsam.

Sibylle Hamann
Das ist jetzt nicht mein Feld. Ich kann sagen, ich bin Bildungspolitikerin und als Bildungspolitikerin hat mich auch immer mit meinem ÖVP gegenüber verbunden, dass wir natürlich möglichst viel Ressourcen für den Bildungsbereich wollen. Das ist ein gemeinsames Anliegen als Bildungspolitiker beider Parteien immer gewesen. Und da ist sozusagen dann einem das Hemd der Sache, für die man zuständig ist, näher als das Gesamtbudget. So kann man es, glaube ich, sagen. Also als Bildungspolitikerin werde ich immer für möglichst großes Bildungsbudget kämpfen.

Georg Renner
Das verstehe ich natürlich und das wird wahrscheinlich jeder Landwirtschaftspolitiker genauso sagen. Er will möglichst viel Geld für seine Projekte und für seine Leute unter Anführungszeichen nach Hause holen. Aber ist das nicht ein bisschen ein Armutszeugnis, wenn man sagt, okay, es hat sich jeder halt auf seine Dinge geschaut und keiner auf das große Ganze?

Sibylle Hamann
Naja, das ist ja die Kernaufgabe des Finanzministers, daran muss ich jetzt schon erinnern.

Georg Renner
An der er offenbar gescheitert ist. Das muss man jetzt so hart sagen.

Sibylle Hamann
Steht mir jetzt nicht so, das so zu würden.

Georg Renner
Wie intensiv ist man denn als Abgeordneter, wir haben gesagt, wir wollen noch darüber reden, eingebunden in alles, was auf der Koalitions, ich sage mal Führungsebene passiert. Sitzt man da nur vor den Nationalrats, wie man sich vorstellt, zusammen und da kommt in eurem Fall die Sigi Maurer und auf der anderen Seite der Gust Wöginger her und so und wir haben uns geeinigt, das und das und das beschließen wir und da ist dein Projekt dabei und dein Projekt und das ist wunderbar. Oder ist man da schon irgendwie näher eingebunden?

Sibylle Hamann
Das ist ein komplett absurdes Bild, das du hier zeichnest von unserer Arbeit. Ich war verantwortlich an meinem Beispiel, ich war verantwortlich im Bildungsbereich. Jedes Gesetz und jede Verordnung im Bildungsbereich, die wir in diesen fünf Jahren angegangen, durchgesetzt, verhandelt und beschlossen haben, habe ich persönlich als Abgeordnete mit dem Ministerium verhandelt. Das sind hunderte Seiten Gesetzestexte, das sind insgesamt viele dutzend Gesetze und Verordnungen, ich zähle sie gar nicht, von den Lehrplänen bis zu den Corona Verordnungen gewesen. Ich persönlich mit meinem Team das aus einer Referentin bestanden hat, habe gegenüber, mit meinem Gegenüber, das war das jeweilige ÖVP Ministerium mit der gesamten Ministerialbürokratie und den Kabinetten, jedes einzelne Gesetz persönlich ausverhandelt. Also wir haben als Abgeordnete eine Schlüsselrolle gespielt in unserem jeweiligen Bereich.

Georg Renner
Das kenne ich so die Erzählung von vielen Abgeordneten. Aber hat man da überhaupt einen Schritt.

Sibylle Hamann
Aber es ist komisch, ich höre nämlich von Journalistenseite immer, das Parlament ist ja eh nur eine Abstimmungsmaschine und dann kriegt man von irgendwem gesagt, wie man abstimmen muss und dann geht man wieder nach Hause. Also ich weiß wirklich, vielleicht kommt dieses Bild aus den Zeiten der großen Koalitionen, wo das zwischen ÖVP und SPÖ wahrscheinlich anders war, wovon ich jetzt live nichts weiß, weil ich nicht dabei war. Ich höre, es war in früheren Koalitionen so, dass die Ministerien als Spiegelministerien organisiert waren, mit jeweils einem ÖVP und SPÖ gegenüber. Und die haben das auf Ministerienebene als ausverhandelt. Das war ja in dieser Regierungskoalition gar nicht möglich, weil wir so ein ungleiches Größenverhältnis hatten. Das heißt, es gab ja gar nicht genug Ministerien, um einander spiegeln zu können. Das heißt, die Rolle des Spiegels haben wir als Abgeordnete und Bereichssprecherinnen gehabt.

Georg Renner
Und hat das gut funktioniert? Aus der Ansicht?

Sibylle Hamann
Also wenn ich mir den Bildungsbereich anschaue und diese mehreren, also es waren sicher dutzende Gesetze und sicher wahrscheinlich 80, 90 Verordnungen, finde ich, haben wir angesichts dessen, dass wir das Ministerium nicht haben, wo natürlich der Gestaltungsspielraum wesentlich größer ist, doch einiges Gutes zusammengebracht. Also jetzt von dem ganzen neuen Fokus auf die Ausbildung der Elementarpädagoginnen, also die Kindergartenmilliarden, bis hin zur Reform der Lehrerausbildung, bis hin zur digitalen alle neuen Lehrpläne, offensive Digitalisierung in der Schule, Kinderschutzkonzepte. Also möchte ich jetzt nicht so sehr ins Detail gehen. Das sind ganz viele Dinge, von denen kriegt man jetzt im politischen Alltag draußen vielleicht gar nicht so viel mit. Aber da sind entscheidende Dinge passiert, die den Schulalltag doch auf Jahrzehnte wieder prägen werden, wenn das alles so langsam hinunterdiffundiert in die in die Schulrealität.

Georg Renner
Natürlich. Meine Tochter ist jetzt gerade ins Gymnasium gekommen. Deine Lehrpläne quasi, die du mitgeschrieben hast, gelehrt bekommen. Hoffentlich. Insofern denkst du natürlich auch auf meinen.

Sibylle Hamann
Alltag, auf die Ohnmacht der Politik, dass man merkt, ein Gesetz zu beschließen allein ändert noch nicht viel an der Realität. Also gerade in der Schulpolitik merkt man das extrem. Schulen haben ja einen sehr autonomen Gestaltungsspielraum. Jede Lehrkraft ist selber dafür, verantwortlich, was sie im Unterrichtsalltag macht. Und jede Schule hat ja theoretisch eine riesige Autonomie, ihren Unterricht auch ganz anders zu gestalten. Und man ist dann oft sehr überrascht, wenn man sieht, wie wenig dieser Spielraum eigentlich ausgenutzt wird, der gesetzlich da wäre. Das heißt, wenn man Gesetze ändert und Möglichkeiten eröffnet, die dann in der Realität nicht genutzt werden, fühlt man sich natürlich manchmal dann auch ein bisschen hilflos und denkt sich, was kann ich eigentlich wirklich tun, damit die Dinge, die ich umsetzen möchte, tatsächlich wirklich in der Realität ankommen.

Georg Renner
Ist das ein systemisches Problem oder ist das eher eine Stärke des Systems, das z.B. schulen in dem Fall oder auch andere Behörden, die Gesetze und Verordnungen umsetzen, einen gewissen Ermessensspielraum, heißt es im normalen Verwaltungsrecht.

Sibylle Hamann
Kann beides sein. Also wenn jetzt eine charismatische Schuldirektion eine super Idee hat, etwas ganz anders zu machen an ihrer Schule und das Gesetz bis zum Anschlag ausreizt und das funktioniert aber großartig, dann ist das ja wunderbar. Wenn eine Schule, wenn das ein Typ an der Spitze ist, der toxisch ist und seine Macht ausnützt und das ausreizt ins Negative, dann ist das ganz furchtbar und dann möchte man dem Riegel vorschieben. Das Problem bei Gesetzen ist ja immer, dass man für alle diese verschiedensten Fälle nur ein Gesetz hat, für alle zur Anwendung kommt. Und die einen möchtest du natürlich viel mehr kontrollieren und ihnen noch viel weniger Handlungsspielraum geben. Und bei den anderen möchtest du sie mehr ermutigen und ihnen viel mehr Handlungsspielraum geben. Und für beide gleichzeitig kannst du aber kein Gesetz schreiben, das beiden Fällen gerecht wird.
Das ist so eines der Paradoxa in der Politik, mit denen man erst einmal irgendwie klarkommen muss.

Georg Renner
Klar, weil du brauchst ein bürokratisches System, das für jeden im Wesentlichen gleich gilt.

Sibylle Hamann
Genau, und man hört ja aus der Praxis immer dann auch die Völker entgegengesetzten Wünsche. Die einen sagen, ja bitte, wir brauchen aber viel klarere Handlungsanleitungen von der Politik. Und die anderen bitte, wir brauchen viel mehr Spielräume, damit wir das selber gestalten können. Das kriegt man beides ganz schwer unter einen Hut.

Georg Renner
So wie du das jetzt erzählst, hört sich das ja an, dass du quasi mit deinem ÖVP gegenüber gegen das Ministerium verhandelt hast, beziehungsweise nicht gegen, gegen ist das falsche Wort.

Sibylle Hamann
Wie formuliert, gegen welches Ministerium verhandelt immer mit? Man verhandelt mit jemandem. Das ist eines der Grundregeln überhaupt beim Verhandeln, dass du ein Grundvertrauen brauchst. Und ohne das geht es nicht.
Das ist z.B. um Bezug zu nehmen auf die aktuellen Verhandlungen. Ich weiß nicht, ob dieses Grundvertrauen z.B. zwischen einem SPÖ Chef Babler und einem ÖVP Chef Nehammer jemals wirklich da war. Also gespürt hätte ich es nicht, wissen tue ich es nicht. Aber was ich nur jetzt weiß nach den fünf Jahren, ohne eine Basis des Vertrauens kann man überhaupt nicht verhandeln.

Georg Renner
Und dieses Vertrauen hattet ihr und dadurch kommt jetzt ihr mit dem Ministerium diese neuen Regelungen schaffen.

Sibylle Hamann
Sagen wir mal so, wir haben ja relativ viel erlebt in dieser Zeit und ich hatte ja früher ein Gegenüber, das war der Heinz Fassmann, der ja auch sehr anders tickt und denkt als ich und auch wahrscheinlich bildungspolitisch völlig andere Ziele hat. Aber wir hatten dieses Extremereignis von außen, diese Corona Krise mit massivsten Auswirkungen auf die Schulen. Und da hat es halt dann diese gemeinsame Erfahrung gegeben, die uns beide als Personen zusammengeschweißt hat, dass wir beide dafür gekämpft haben, Schulen so lange wie nur irgendwie möglich offen zu lassen. Das war in der ÖVP damals nicht selbstverständlich und das war auch bei den Grünen zeitweise überhaupt nicht selbstverständlich. Das heißt, da standen wir beide zum Teil nicht ganz konform mit euren jeweiligen Parteien, mit anderen Kräften, die vielleicht gesundheitspolitische Prioritäten hatten. Solche Extremerfahrungen schweißen natürlich zusammen und erzeugen manchmal dann so eine Vertrauensbasis. Und das hat in dem Fall dann, glaube ich, schon ganz gut funktioniert.

Georg Renner
Und wie kann man sich das vorstellen? Da sitzen, weiß nicht, 10 Ministerialbeamte, die alle Gesetze kennen, alle Verordnungen kennen, und ihr kommt da rein, du und dein ÖVP gegenüber als Bildungssprecher, als Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker und sagt und wir hätten jetzt gerne z.b. dass mehr Digitales in den Lehrplan kommt. Und wie funktioniert das? Wie funktioniert das in der Praxis tatsächlich?

Sibylle Hamann
Naja, das eine ist, dass man sich auf einer persönlichen Ebene, und das ist oft wirklich tatsächlich die Ebene Minister und ich als politische Ebene ungefähr ausmacht, was man jetzt angeht als nächstes. Da hat natürlich das Ministerium, das ja die Gesetzestexte vorbereiten muss, ungleich mehr Spielraum, weil die ja quasi mal eine Vorlage liefern müssen. Das ist jeweils das Haus, das halt politisch das besetzt hat, da natürlich mehr Macht, Dinge anzuschieben. Wenn dann konkrete Vorschläge am Tisch liegen, geht das dann eher auf Kabinettsebene, Referentinnenebene, dann geht es wirklich in die Details, da geht es dann um Formulierungsvorschläge, dass sich klar wird, was wollen wir eigentlich mit dem Gesetz bezwecken, was sind die Ziele. Wenn ich jetzt das Beispiel Kinderschutzkonzepte z.B. hernehme, da war es uns z.B. extrem wichtig, dass wir ein ganz breites Verständnis haben, von was eigentlich Gewalt bedeutet.
Also dass das jetzt nicht nur heiß, wenn sich Kinder am Schulhof prügeln, wenn ich jetzt mal überspitzt das formuliere. Das war sozusagen das, was die ÖVP am Anfang so vor allem im Kopf hatte, sondern uns ging es darum, dass es da auch geht um Schutz vor Diskriminierung, um Schutz vor Mobbing, um Sicherheit auch mit Social Media, um Diskriminierungsfreiheit. Alle diese Dinge gehören zu Kinderschutz und zu einer sicheren Umgebung in der Schule dazu. Und wenn man das dekliniert hat als Grundverständnis, dann überlegt man, wie muss man das alles formulieren, damit diese Intention auch klar wird. Da muss man dann beiziehen, natürlich die Legisten aus dem jeweiligen Ministerium, aber ein bisschen kommt dann natürlich auch der eigene Hausverstand dazu.
Ich bin ja keine Juristin. Also ich meine, ich habe zum ersten mal, war ich in meinem Leben mit Gesetzestexten formuliert, wo ich jetzt konfrontiert, wo ich manchmal gefunden habe, das versteht man aber jetzt nicht oder wieso ist das nicht verständlicher formuliert? Dann habe ich angefangen, Dinge verständlicher zu formulieren, wie es man mir erklärt hat. Im Juristendeutsch gibt es gewisse Wendungen, die bedeuten halt mal dieses und jenes. Und da kann man nicht einfach verständlicher formulieren, wie ich das meiner journalistischen Naivität manchmal gedacht habe. Also man muss dann auch so ein bisschen Übersetzungsarbeit leisten. Aber mir hat es schon dann geholfen, dass ich meinen grundsätzlichen, gesunden Menschenverstand doch auch anwenden konnte, zu sehen, wenn es da Missverständnisse gibt und ich verstehe Dinge nicht, dann versteht sie auch in der Schulpraxis draußen niemand.
Und die Elternverbände nicht und die Schülerinnen nicht und die Lehrkräfte auch nicht. Das heißt, Raum für Missverständnisse in einem Gesetz ist immer schlecht. Und dann muss man es irgendwo klarer definieren oder zumindest in den Erläuterungen erklären, was damit gemeint ist.

Georg Renner
Okay, also wir sind jetzt in dem Stadium, ihr habt euch mal geeinigt auf der politischen Ebene, was wollen wir? Dann habt ihr euch mit den Beamtinnen und Beamten hingesetzt zu okay, wir formulieren das jetzt so als Verordnung, als Gesetz, wie auch immer. Und wie geht es dann weiter? Dann liegt da ein fertiger Text. Müsst ihr den dann noch einmal mit euren Parteien ausverhandeln? Gibt es da irgendein zentrales Gremium?

Sibylle Hamann
Die formelle Zuständigkeit dafür, dass alles quasi am Ende eingetütet wird und fertig gemacht wird und ins Parlament, in den parlamentarischen Prozess geschickt wird, die lag von Anfang an in einem Gremium, das hieß Regierungskoordinierung. Das heißt, es war ein von beiden Parteien beschicktes Gremium, wo Leute auf unterschiedlichen Ebenen zusammensaßen. Die jeweiligen Materien, die eingemeldet wurden, jetzt wird über XY aus dem Bildungsbereich verhandelt und über Gesetz Y aus dem Energiebereich. Die werden dann zum Verhandeln an die Abgeordneten weitergeleitet und dann quasi oben wieder eingesammelt. Das heißt, in dem Moment, wo wir uns jetzt über die Kinderschutzkonzepte einig waren, haben wir gemeldet, wir sind jetzt fertig, wir haben eine Einigung bei den Kinderschutzkonzepten und haben es quasi nach oben weitergeleitet.

Georg Renner
Wie darf man das plastisch vorstellen? Gibt es da einen E Mail Verteiler?

Sibylle Hamann
Ja, da gibt es einen E Mail Verteiler und dann wird auch zentral Buch geführt. In der Koordinierung liegen die großen Listen, vermute ich jetzt einmal, also physisch gesehen habe ich sie nicht, wo die ganzen offenen Materien, die gerade in verschiedenen Stadien der Verhandlung sind, wahrscheinlich übersichtlich ausgebreitet sind. Dann sieht man, aha, im Bildungsbereich ist A und b fertig, im Energiebereich ist das fertig, das andere noch umstritten und dann geht halt quasi dieses Abtauschen los. Dann sagt man, okay, jetzt hätten wir hier ein Projekt, das können wir fertigbringen, verknüpfen wir das doch damit, dass wir aus dem anderen Bereich das auch jetzt fertig bringen und das bringen wir gemeinsam jetzt im Nationalrat in derselben Sitzung ein. Und dann sozusagen sind beide involvierten Ministerien glücklich. So z.B. kann man sich das vorstellen.

Georg Renner
Das ist so ein bisschen eher grünes Projekt, das wir da im Bildungsbereich haben und dafür gibt es jetzt gerade etwas, was fertig wäre.

Sibylle Hamann
Ja, man kann ja jetzt nicht quasi z.b. den ÖVP Ministerien alles beschließen lassen und dafür gibt es aber kein einziges Gesetz aus dem Klimaschutz. Also das geht sich irgendwie am Ende nicht aus. Das heißt, da muss man schauen, dass man da halt immer. Es muss in der Waage bleiben. Das ist ja auch für die Vertrauensbasis, die ich vorher gemeint habe, ist es ja auch wichtig, dass nicht einer immer das Gefühl hat, er wird überfahren. Also das ist für das Überleben einer Koalition am Ende wichtig.
Und irgendwo haben wir es ja, obwohl wir uns in den letzten Monaten sehr deutlich voneinander ideologisch abgegrenzt haben, wir haben ja immer noch ein paar Dinge fertig gekriegt. Ich meine, wenn sie nur auf meinen Bereich denkt, die Madurreform mit der VWA z.b. die die ist ganz am Schluss noch, haben wir die noch fertig gekriegt. War auch eigentlich unumstritten, wir wollten sie beide und sie wurde noch beschlossen und.

Georg Renner
Ist jetzt in ganz bildungspolitisch ein ganz großes Thema. Aufmachen. Wie geht man mit diesen sogenannten KI Methoden jetzt um in der Bildung?

Sibylle Hamann
Guter Punkt.

Georg Renner
Aber okay, jetzt sind wir in der Koalitions oder Regierungskoordination. Dort sehen die okay, zwei Projekte von jeweils anderen stehen auf. Grün ist der falsche Ausdruck, aber sind. Präsentierst du dann nochmal dem Club oder den beiden Klubs und vielleicht auch der Opposition, was ihr da vorhabt, oder ist das dann schon auf Clubebene und das geht nur mehr?

Sibylle Hamann
Also es ist natürlich, wir waren so eingedeckt mit Arbeit. Man muss sich das wirklich wie Schwerstarbeit vorstellen. Also die fünf Jahre haben wir wirklich alle gehagelt wie blöd. Man hat da wenig Nerv, sich dann auch noch um die Details der anderen Politikfelder auch noch zu kümmern. Also beim Heizungsgesetz oder bei diesen Dingen kenne ich mich jetzt tatsächlich wirklich nicht aus. Also da braucht man auch wieder das Vertrauen, dass man sagt, für jeden Bereich hat man auch das Vertrauen, dass die anderen es genauso ernst nehmen und auch keinen Blödsinn machen. Und so war es ja auch.
Und das gibt dann schon noch an der Spitze jetzt, also jetzt Sigi Maurer Wöginger war halt immer diese Achse, das war quasi dann die letzte Instanz, die geschaut hat, dass das schon alles passt. Also wir haben tatsächlich uns immer wieder bemüht, auch für wichtige Projekte, wo wir dachten, die sind jetzt auch überparteilich gut, haben wir immer geschaut, dass wir die auch informieren, dass wir die rechtzeitig auch vor dem parlamentarischen Prozess schon an Bord holen. Weil es ist natürlich immer schöner, wenn man einen Mehrparteienbeschluss für was zusammenbringt, als wenn man das nur mit den Koalitionsstimmen macht. Ich habe mich immer gefreut, wenn wir es geschafft haben, da die Neos oder die SPÖ auch an Bord zu haben. Das war halt dann immer sehr abhängig vom jeweiligen politischen Klima, ob die uns das quasi gegönnt haben, dass sie mal bei was mitschnimmen, oder ob es eine dieser Phasen war, wo sie gesagt also wirklich wurscht, was ihr uns da herlegt. Ganz sicher nicht. Das schmerzt auch manchmal am Schluss.
Wir hatten ja wirklich eine große Reform noch fast geschafft, das war die Reform der Ganztagsschulen, also wo wir den ganzen freizeitpädagogischen Bereich in den öffentlichen Dienst überführen wollten und quasi die Ganztagsschule als Normalfall etabliert hätten in ganz Österreich und auch die Kosten dafür quasi ins Bildungsbudget übernommen hätten. Das wäre, glaube ich, ein riesiger Fortschritt gewesen, auch ein fortschrittliches Konzept, weil natürlich ganztägige Schulformen gerade für Bildungsbenachteiligte einen Riesenunterschied machen und wäre auch familienpolitisch, gesellschaftspolitisch ein Riesenfortschritt gewesen. Leider haben wir da es nicht geschafft, die Gewerkschaft auch auf unsere Seite zu bringen. Und das notwendige Vertrauen herzustellen.

Georg Renner
Die Gewerkschaft, die in dem Fall schwarz ist hauptsächlich?

Sibylle Hamann
Nein, da reden wir von der GPA, weil natürlich die Freizeitbetreuerinnen, die im Moment in Wien sind, angestellt bei einer privaten GSMBH im Einflussbereich der Gemeinde Wien, die hätten damit Angestellte quasi hätte die GPA verloren an die Gewerkschaft öffentlicher Dienst. Also das sind wieder Partikularinteressen. Also es ist wirklich teilweise ja absurd, wenn man es sich dann im großen Gesamtschau anschaut. Es ist eine fortschrittliche Reform, die ja auch Parteien wie die SPÖ immer gefordert haben, die Arbeiterkammer auch. Also Ausweitung der Ganztagsschulen, Überführung in den öffentlichen Dienst. Wenn man es dann konkret macht, sieht man, was für Partikularinteressen dem entgegenstehen.

Georg Renner
Und nur zum Verstä du hättest eine Zweidrittelmehrheit dafür gebraucht, weil also gegen den.

Sibylle Hamann
Protest der Betroffenen kann man sowas nicht machen. Wir hatten ja auch teilweise schon Demonstrationen und einen Aufstand. Sowas kann man nicht durchdrücken gegen den Widerstand der Betroffenen. Die müssen schon auch überzeugt sein davon, dass das gut und richtig ist. Und dafür hätten wir auch die SPÖ gebraucht, dass sie das auch miteinander quasi ihren eigenen Leuten erklären und erkennen und nicht einen gewerkschaftlich organisierten Aufstand dagegen machen. Also das war halt leider die Phase, wo mit der SPÖ gerade nichts ging, was mir bis heute leid tut. Das ist immer noch ein großes, wichtiges Zufangsprojekt und es wird irgendwann kommen, bin ich fest davon überzeugt.

Georg Renner
Verstehe. Und dann, wenn das erledigt ist, also wenn vielleicht gerade das Klima passt und die Opposition an Bord ist, dann geht das erst in den formalen politischen bzw. Gesetzgebungsprozess.

Sibylle Hamann
Also das ist ganz der parlamentarische Prozess ist das Ende und nicht der Anfang. Man glaubt auch, man kriegt ein Gesetz und dann denkt man aha, interessant, jetzt fangen wir mal dran, fangen wir an, darüber nachzudenken. Es ist genau umgekehrt. Es ist erst die Arbeit und erst wenn es fertig ist, kommt es zur Abstimmung.

Georg Renner
Jetzt meine Frage, du hast sehr schon gesagt, die Charakterisierung des Parlaments, der parlamentarischen Arbeit im Journalismus und in den Medien ist nicht immer ideal. Du kennst ja beide Seiten. Du warst jahrzehntelang Journalistin, jetzt fünf Jahre lang Abgeordnete. Wieso kriegen wir das nicht hin, diesen Prozess so abzubilden? Weil genau dieser Teil, wo das Gesetz eigentlich entsteht, den du jetzt gerade genannt hast, kommt in aller Regel nur sehr, sehr rudimentär vor in der Berichterstattung.

Sibylle Hamann
Das habe ich mich tatsächlich selber gefragt und mich auch gewundert. Und ich habe mich ja auch gewundert, obwohl ich versucht habe, Kontakt zu halten. Ich habe auch regelmäßig einen Newsletter ausgeschickt, auch an Medien, wo ich versucht habe, auf dem Laufenden zu halten, was für Dinge gerade alle in Verhandlung und im Werden sind. Ich habe mich total gewundert, dass da fast niemand jemals nachgefragt hat bei mir. Also ich meine, ich wäre an der Quelle gesessen, aber ich habe auf das gerade von Journalistinnen Seite kaum Reaktionen bekommen. Von Seiten anderer betroffener NGOs, Leute aus dem Bildungsbereich sehr häufig, die waren da sehr daran interessiert, auch zu wissen, was ist da gerade im Kommen, was ist im Werden, was plant ihr, was ist realistisch, was noch passieren könnte in nächster Zeit. Aber also von Seiten des Journalismus, das war für mich auch ein bisschen so eine Ernüchterung zu sehen, das hat nie wer wissen wollen.
Als Politikerin bin ich jetzt nicht, also ich bin ja keine Serviceagentur. Ich war ja auch sehr offen mit dem, dass ich Infos verbreitet habe, wenn man mich gefragt hat, aber fragen müsste man mich schon.

Georg Renner
Natürlich in dem Fall eine Selbstanklage, aber ich wusste z.B. von dem Newsletter nichts. Ich hätte ihn gerne abonniert, aber ich bin auch im bildungspolitischen Bereich nicht weiß Gott wie gut drin. Aber es ist natürlich eine interessante Fragestellung, die ich mir auch oft warum kommen wir eigentlich erst dann drauf, dass es Themen gibt, wenn sie schon fast fertig sind und wenn man eh nur mehr sagen die sind für das, die sind für das.

Sibylle Hamann
Und vor allem dann, also am Ende, wenn man dann kommt mit etwas, wo man echt weiß, wie viel Herzblut da drinnen steckt und wie viel Verhandlungsenergie in jeder einzelnen Formulierung und am Schluss ist dann das einzige, was in der Zeitung drüber steht, ist Kritik am Gesetz XY, weil natürlich gibt es bei jedem Gesetz Kritik, weil es ist immer entweder zu viel oder es ist zu wenig. Aber ich hätte mir dann immer gewünscht von Journalismus, die sagen, dass das einmal wo steht, ja, es hätte mehr sein können, es hätte weniger sein können und das ist vielleicht ein bisschen zu viel, ein bisschen zu wenig, aber im Grundsatz schon richtig gedacht. Z.B. ist wahrscheinlich schwierig, das zu beurteilen und leichter ist zu sagen, die Lobbyorganisation XY findet das ganz furchtbar, weil es berührt ihre eigenen Interessen und deswegen ist sie total dagegen. Das kann man für jedes Gesetz finden, weil für jedes Gesetz und für jede Veränderung gibt es Instrumente, für die sich was verändert und die natürlich deswegen immer dagegen sein werden. Und das war aber leider das häufigste, was man dann über jedes Gesetz, vor allem in der Zeitung liest.

Georg Renner
Da kommt es wahrscheinlich auch auf die Zeitung an, die du liest.

Sibylle Hamann
Ich rede jetzt durchaus von Qualitätsmedien.

Georg Renner
Okay, das ist schade und ein bisschen ein ernüchternder Befund. Ich kann mir nur vornehmen, es besser zu machen. Ich würde dich zum Abschluss ganz gerne dein Weg geht nicht zurück in den Journalismus, hast du erzählt, sondern?

Sibylle Hamann
Naja, ich glaube, es gibt nicht wirklich einen guten, vernünftigen weg aus der Politik in den Journalismus zurück. Ich bin jetzt auch schon Ende 50, das heißt, es gibt jetzt noch ein paar Jahre, wo ich noch was ganz Neues anfangen kann.

Georg Renner
So 20 Jahre, wenn die Pensionsreform dann.

Sibylle Hamann
Naja, die Neos werden ja jetzt nicht mitregieren, insofern bleibt mir das mit dem höheren Pensionsalter vermutlich erspart, obwohl ich wahrscheinlich als Freiberuflerin, die ich immer schon war, auch noch gerne weiterarbeiten würde. Mich hat schon der Bildungsbereich sehr gepackt. Ich hab sehr viele Schulen gesehen und auch die Arbeit, die dort gemacht wird, sehr schätzen gelernt und ich möchte ein Teil der Lösung sein und ich möchte tatsächlich aktiv in den Bildungsbereich gehen. Den Quereinstieg ins Lehramt haben wir ja auch gesetzlich verändert und wesentlich erleichtert und ich habe mir jetzt gedacht, ich bemühe mich darum, diese Chance auch für mich selber zu nützen und ich bin gerade im Marketingprozess für den Quereinstieg.

Georg Renner
Super, dann wünsche ich dir alles, alles Gute dafür. Ich hoffe trotzdem an der einen oder anderen Stelle vielleicht ab und zu was von dir zu lesen, vielleicht aus dem Bildungsbereich und bedanke mich, dass du heute hier warst. Vielen, vielen Dank für diesen Einblick hinter die Kulissen des Regierens und der Arbeit an Regierungspolitik. Wir schauen, wie es dann die nächsten Jahre weitergeht und was aus deinen Reformen werden wird.

Sibylle Hamann
Ja, war sehr fein. Danke.

Georg Renner
Alles Gute und auf Wiedersehen. Und das war unsere heutige Folge, ganz offen gesagt. Vielen dank nochmal Sibylle Hamann fürs Dasein und vielen Dank euch allen fürs Zuhören. Wenn euch die Folge gefallen hat, bitte empfehlt sie weiter, bewertet sie positiv auf den einschlägigen Podcast Plattformen und sagt euren Freunden Bescheid, die sich vielleicht auch für Politik interessieren, dass sie hier erfahren können, wie so eine Regierungskoalition im Hintergrund tatsächlich tickt. Das war's für heute.
Noch alles Gute fürs neue Jahr 2025. Wir hören voneinander. Adieu. Missing links.

Autor:in:

Georg Renner

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