Bühneneingang
Vermittlung ist nicht eine Unterabteilung, sondern eine Grundhaltung - mit Norbert Trawöger

Norbert Trawöger ist als künstlerischer Direktor des Bruckner Orchesters Linz fest im Hochkultur-Betrieb verankert. Doch entgegen aller Klischees gilt er auch als ein Meister der niederschwelligen Vermittlung, der mit kindlich anmutender Begeisterung Musik-Formate für unterschiedlichste Zielgruppen entwickelt. Egal ob als Festivalleiter, Anton-Bruckner-Biograf oder Flötenspieler: Trawöger nimmt man die Zugänglichkeit von Klassik ab. Aber warum eigentlich? Und was kann der Kulturbetrieb insgesamt von seiner Haltung lernen? Folge 33 gibt Einblicke in eine kulturelle Identität zwischen Management, Vermittlung und Künstlertum.

Fabian Burstein
Hallo und herzlich willkommen am Bühneneingang. Mein Name ist Fabian Burstein, ich bin Kulturmanager und Autor und in diesem Podcast zeige ich euch den Kulturbetrieb von innen, so wie er wirklich ist. Mein heutiger Gast ist der Kulturmanager, Musiker und Klassikvermittler Norbert Trawöger. Als künstlerischer Direktor des bruckner Orchesterlins beherrscht er den schwierigen Grenzgang zwischen Kunst, Management und Publikum. Eine Fähigkeit, die ihn in die Führungsetage der oberösterreichischen Kulturexpo Anton Bruckner 2024 katapultierte. Von dort aus festigte er seinen Ruf als leidenschaftlicher Musikvermittler ohne Berührungsängste. Norbert Trawöger unterrichtet an der Anton bruckner Privatuniversität in Linz, hält Vorträge, schreibt Bücher, entwickelt Formate für Kinder und Erwachsene und spielt Flöte auf alten und modernen Instrumenten.
Wir widmen uns der Frage, wie man das Phänomen klassische Musik erfolgreich in die Zukunft navigiert und wir versuchen zu ergründen, wie hemmungslose Begeisterung zum Erfolgsfaktor der sogenannten Hochkultur werden könnte. Lieber Norbert, vielen Dank, dass du den Weg aus Linz ins Bühneneingangsstudio auf dich genommen hast.

Norbert Trawöger
Vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich auf das Gespräch.

Fabian Burstein
Ich habe etwas gemacht, was ich bislang noch nicht getan habe. Ich habe nämlich für erste Frage jemanden gefragt, den wir beide kennen, was er über dich sagen würde, was der eine Satz wäre, der dich prägt oder dich beschreibt. Und es ist folgendes selten habe ich jemanden kennengelernt, der trotz eigenen Zweiflertums so optimistisch und auf Verbindung zählend durch den Weltwahnsinn steuert. Was erzählt diese Zuschreibung konkret über dich und deine Arbeit?

Norbert Trawöger
Erstens rührt sie mich an, dass man mich so wahrnimmt und sieht, weil den Zweifel liebe ich auf alle Fälle sehr. Mit einer sonnigen Grundausstattung scheine ich von Geburt an ausgestattet zu sein und mit dem Glück sozusagen sehr früh in die Musik, das Wunder meines Daseins, wie ich immer sage, hineingeboren worden zu sein. Mein Vater war damals in Bad Schallerbach Kurkapellmeister und ich bin quasi vom Tage null mit einer ersten Personenform des Konzerts unter freiem Himmel oder in der Wandelhalle und wie die Wandelhalle schon sagt, da konnte man sich bewegen, aufgewachsen. Und diese Leidenschaft hat mich sehr früh ergriffen und ich habe auch verstanden, auch wenn der Weg dann durchaus schwierig und auch existenziell war, einen eigenen Weg zu finden, auch aus dem Schatten meines Musikervaters, der durchaus bekannt ist in Oberösterreich, aus einer Flötistenfamilie sozusagen den eigenen Weg zu finden. Den Zweifel zu lieben, habe ich auch lieben gelernt oder schätzen gelernt, sich immer nicht ganz sicher zu sein und trotzdem seinem Herz zu folgen. Und vor allem mit der Leidenschaft nicht zurückzuhalten und die eigene Begeisterung sozusagen ansteckend zu sein.
Ich möchte schon ansteckend sein. Ich möchte nicht missionarisch sein, aber ansteckend. Und in dem Sinn, manchmal denke ich so ein bisschen ein Stimmungsmacher im positiven Sinn zu sein für etwas, für das Verbindende, für das Wunder der Kunst, für das Gemeinsame, für das Ungreifbare. Das ist schön.

Fabian Burstein
Das ist ja auch genau der Grund, warum ich dich eingeladen habe. Wir kämpfen ja im gesamten Kunst und Kulturbereich um Relevanz, wie man so schön sagt. Und diese Relevanz hat viel mit Zugänglichkeit zu tun. Und diese Zugänglichkeit hat wiederum viel damit zu tun, ob die Leute sich dafür begeistern können, die Dinge verstehen können, sich auf sie einlassen können. Warum oder mit welchem Mittel ist es dir gelungen, dir so einen Ruf zu erarbeiten, dass du das eben genau schaffst? Nämlich eben nicht bei der leichtfüßigen, unter Anführungsstrichen, Popkultur, sondern eben im Klassik Segment, dem ja manchmal ein bisschen was Abgehobenes anhaftet.

Norbert Trawöger
Es haftet nicht nur was an, sondern es ist sehr oft so, das muss man ganz nüchtern sagen, das ist schon einmal eine Analyse. Wenn man sich daran wagt, dann sollte man auch Bewusstsein entwickeln, wie die Dinge auch sind oder tradiert sind oder üblich sind oder wahrgenommen werden, ist ein entscheidender Punkt. Ausgangspunkt für mich persönlich ist quasi diese Leidenschaft für die Musik. Und ich wurde sozusagen in einem klassischen Kontext hineingeboren. Und der klassische, was das auch immer ist, Musikraum, ist bis heute meiner geblieben. Ich habe sehr früh verstanden, da muss ich kurz auch noch mal in meine Biografie hineingehen, mein Vater hat nicht nur Konzerte geprobt, Stücke ausgewählt, Programme geschrieben, sondern auch Plakate gepickt. Also wir waren als Kinder auch Plakate picken, im Bezirk unterwegs, Sessel aufstellen, Notenständer aufstellen.
Diese beiden Seiten des Musikerdaseins waren völlig natürlich. Man übt, man erarbeitet sich Stücke, überlegt sich Programme, man muss aber auch Sessel aufstellen, sozusagen diese organisatorische Seite. Es ist mir erst viel später bewusst geworden, dass es da eigentlich zwei Hälften für viele Menschen gibt, die es für mich nicht gibt oder nie gegeben hat. Ich habe auch sehr früh, damit 17, das erste Konzert kuratiert mit verboten verfolgter Musik, weil mir das immer interessiert. Was sozusagen auch verschwunden ist, war dann auch ein großes Thema. Und ich habe wahrscheinlich immer eine gewisse Ungeniertheit oder mich auch eine gewisse Ungeniertheit auch kultiviert oder entwickelt, damit umzugehen, die Dinge in Frage zu stellen, genauer zu schauen, auch geschichtlich, dass das Konzert, wie es heute oft scheint und sich eh im Wandel befindet, ja nie so war, wie wir glauben, wie gottgewollt. Und diese ganzen hierarchischen Dimensionen, ein Dirigent, eine Dirigentin leitet ein Kollektiv von hundert Menschen an, ist sozusagen die Ausgeburt von Macht, obwohl er selber oder sie selber nicht gar nicht klingen.
Aber dieses durchaus dieses Alleinstellungsmerkmal in doppelten Wortsinn sozusagen der Macht, zieht sich auch über die Kulturbetriebe, die oft noch so ein bisschen wie Fürstentümer sind, sehr autoritär auch wenn sich was aufweicht oder immer mehr aufweicht. Und natürlich auch stark diskutiert wird sozusagen die ganze Betriebskultur oder Unkultur, die es in vielen Kulturbetrieben auch gibt. Und da sozusagen auch im Bewusstsein und genau zu schauen, was ist denn die Analyse, wenn wir sagen Konzerte für alle, wie ich sie oft höre, dann frage ich mich sehr schnell, wer sind denn alle sind es, die ich habe? Und dann denke ich vielleicht noch an die Rollstuhlfahrer und die Farbenblinden. Ich bin selber einer, aber die sind ja sowieso im Resonanzraum. Das Wort Bubble wird heute sehr strapaziert, aber wir sind einfach in Resonanzräumen unterwegs. Und welche Anstrengungen müssen wir, und das ist sozusagen, da bin ich wieder ganz persönlich, ich glaube an die transformative Kraft der Kunst, die uns zusammenbringt, die uns staunen lässt, die uns quasi in unmenschliche Zustände bringt des Ungreifbaren, die uns Verbundenheit bei aller Unterschiedlichkeit spüren lassen.
Aber wir müssen genau ausschauen, wie funktionieren die Formate, wie glauben wir, dass sie immer gewesen sind? Und wenn ich Hanslick 180 lese, dann schreibt er, wie kühl das londoner Publikum ist, denn bei einem Kammermusikabend in Wien singt man ja mit und applaudiert während des Stücks alles, was unmöglich heute scheint. Wenn sie sozusagen wieder bei einer Symphonie wäre nach dem ersten Satz, dann weiß man wieder die Eingeweihten, uh, da ist wieder jemand, der kennt sich nicht aus. Und da sind die Fragen zu stellen und zu setzen.
Das ist das eine sozusagen. Und zum anderen glaube ich, und das hat die Pandemie ja noch beschleunigt, Bewusstsein ist ein Paradigmenwechsel unterwegs. Wir können nicht mehr damit rechnen, dass alle sozusagen in unsere Tempel hereinfinden mit den hohen Schwellen, sondern wir müssen raus. Insofern habe ich zur Relevanzdebatte durchaus ein ambivalentes Verhältnis.
Für die Relevanz müssen auch wir sorgen. Ich empfinde auch die Verantwortung, Menschen diese Erfahrung teilhaben zu lassen. Denn warum bin ich z.b. für Bruckner fasziniert? Weil ich mit acht im Plattenschrank meines Vaters, natürlich war ich in einem musikalischen Raum, in meiner Familie gestolpert bin. Aber diese vierte Sinfonie hat mich ergriffen. Ich habe weder gefragt, wer das ist, noch sonst irgendwas, als Kind schon gar nicht und hat mich auch nicht ausgelassen.
Und das ist ja die Erfahrung, die wir sozusagen des Staunens, des Irritierens oder so zur Verfügung stellen müssen. Und damit müssen wir auch raus aus unseren Häusern, müssen wir darüber nachdenken, wer hat Zugang, welche Formen, in welchen Formaten, wo bewegen wir uns, wie splittern wir uns auf, wie denken wir neu, wie halten wir sozusagen einen Anfängerinnen Geist wach, um nicht in Rituale zu versinken? Und das sind viele, viele Fragen aus Leidenschaft, aus Gefühl und mit einem Bewusstsein und mit viel Zweifel und Analyse auch des Jetzt und der Gesellschaft und einfach der pure Glauben, dass Kunst uns irgendwie auch zusammenbringt, zusammenhält.

Fabian Burstein
Das Spannende an deiner Person, und das spiegelt sich auch in diesem Statement wieder, ist ja, dass sich, wenn man so will, zwei Formen von Karma umgeben. Da ist zum einen der liebenswürdige, man könnte es jetzt fast so ein bisschen sagen, der Musikpädagoge und Vermittler, der, wenn man den Klischees folgt, sich in der freien Szene tummelt und mit genialen Kulturzentrumskonzepten die Menschen einfängt. Da gibt es aber noch was anderes ganz wichtiges. Du bist nämlich künstlerischer Direktor des bruckner Orchesters. Das heißt, du bist in einem absolut arrivierten Kulturbetrieb Chef Führungskraft. Das heißt, das, was du da erzählst, muss auch was evidenzbasiertes haben. Was sind denn die, wenn ich es jetzt z.B.
am Beispiel deiner Management Tätigkeit hernehme, was sind denn die Hebel, die wir bedienen können, um diese Offenheit auf den Weg zu bringen, auszustrahlen?

Norbert Trawöger
Schön, wenn wir gleich Strukturen ändern könnten. Das funktioniert aber nicht so Erfahrungen zu schaffen, nicht nur fürs Publikum, sondern auch für die Menschen, die im System sind. Und da habe ich viele Erfahrungen gemacht, sozusagen auch von neuen Konzertformaten, gar nichts Neues, aber das Publikum mitten im Orchester sitzt, wo zuerst einmal, wenn man das ansagt oder ansetzt, mal der Impuls, der gewerkschaftliche kommt, Achtung, unsere Instrumente. Und da haben wir weniger Kontakt und vieles von dem, was auch durchaus ernst zu nehmen ist. Und wie schaut das versicherungstechnisch aus, wenn da jemand drüber stolpert und können wir da die Trompeten hören und so weiter. Also ist ja klar, ein Kollektiv braucht ja auch gewisse Regeln und Aufstellungen, um zusammenspielen zu können. Das ist auch zu respektieren und ernst zu nehmen.
Umgekehrt ist da viel mehr möglich. Ich nehme das jetzt als Bild her, das ist sozusagen immer Hester sitzen. Wir hatten zuletzt, das hatten einige Male jetzt gemacht, zuletzt auch beim Finale der Kulturhauptstadt und Brucknaya, die gemeinsam in der Papierfabrik in Laakirchen gemacht haben. Ich habe dann auch bemerkt, wie glücklich nicht die Musikerinnen und Musiker sind, unmittelbar Feedback zu bekommen. Das kriegen sie ja sonst nicht. Die gehen beim Bühneneingang raus und vielleicht treffen sie am Weg nach Hause noch zufällig jemand, der sie auch erkennt und oh, schön war das und so. Aber so unmittelbar, dass dann die Menschen aufstehen und ihr Herz ausschütten vor Begeisterung über diese Klangwucht, über diese Faszination, über das Staunen, hat bei den Musikerinnen und Musikern auch eine Erfahrung generiert, dass sie sagen oh, das ist eigentlich schön, wenn wir so unmittelbar sind.
Und das ist vielleicht ein Sinnbild sozusagen, wie man eine Struktur, ein System, ein sehr rigid gewerkschaftlich geführtes und auch notwendig. Es braucht einfach ein Regulatorium, wenn 100 dreiig Menschen Dienst und unglaublich viel leisten. 180 Vorstellungen im Musiktheater, viele, viele dutzende Konzertprogramme. Also das ist ja sieben Tage Woche. Ein Tag in der Woche ist frei, aber der muss nicht am Wochenende sein. Also muss man auch viel Bewusstsein dafür haben, was diese Menschen auch einsetzen. Von Kindheit an sportlich leisten, virt mental und im Kollektiv funktionieren über Jahrzehnte, das ist das eine.
Aber das aufzusprengen, mit Erfahrungen heranzuführen, sowohl Publikum wie auch das Kollektiv und auch in Splittergruppen unterwegs sein, in Diskurs zu gehen. Am liebsten würde ich in viele Haushalte mit dem Orchester unterwegs sein. Das funktioniert aufgrund der Größe und der Ressourcen und vieler anderer Parameter nicht. Um diese Erfahrungen, aber da eine Fantasie zu entwickeln, auch manchmal seitlich in Satelliten, was sozusagen vielleicht mit dem Dampfer selbst nicht gleich was zu tun hat, aber assoziiert wird, das ist, glaube ich, ein Weg, wo dann auf einmal Sprünge Licht einfällt an Stellen, die eigentlich undenkbar und wo dann auch von innen langsam sozusagen Bewusstsein ja, wir wollen das, wir wollen auch neues probieren, trotz aller Schutzraummassnahmen, die wir auch brauchen, um zu funktionieren.

Fabian Burstein
Das ist ein sehr spannender Punkt, weil du quasi das Thema der Vermittlung oder Zugänglichkeit nicht nur daran festmachst, wie ich mit dem Publikum spreche, sondern wie ich mit den Menschen spreche spreche, die das künstlerische Programm auf den Weg bringen. Ich habe in den letzten Jahren auch viel mit Orchestern zu tun gehabt und gearbeitet und habe auch die Erfahrung gemacht, ich glaube, das nimmt mir kein Orchester übel, dass das jetzt nicht die unkompliziertesten Körper sind, die man in ein Kulturprogramm einbindet, aus den genannten Gründen. Es gibt einfach die Instrumente sind extrem teuer, Temperaturschwankungen sind ein Problem, die Wege müssen genau vermessen sein und so und so fort. Und trotzdem habe auch ich die Erfahrung, gemacht, dass sich tolle Dinge auf den Weg bringen lassen, dass es aber immer auf die Begeisterung derer ankommt, die das dann umsetzen müssen. Wie pflanzt man denn das ein?
Mit wem sprichst du da? Sprichst du da mit dem Orchestervorstand? Hältst du deine Ansprache an das ganze Orchester? Wie schafft man das, dass die mitgehen?

Norbert Trawöger
Ich glaube, es ist immer sehr wichtig, in meinem Fall auch, dass man einen Chefdirigenten hat, der Offenheit hat. Ohne den würde das nicht gehen. Und wir sind auch, Markus Poscher und ich sind ja gemeinsam angetreten. Er hat mich geholt. Auch er hatte ja nicht vor, eine Karriere in dem Sinn anzustreben. Das hat sich ergeben. Aber er hat gemeint, er braucht einen kreativen Kommunikatorfadenzusammenhalter, der sozusagen das Ganze denkt.
Das ist sicher sozusagen auch, weil das dann künstlerisch auch gelebt wird und die Ansage von Haus aus war, Vermittlung ist nicht eine Unterabteilung, sondern es ist eine Grundhaltung. Alles, was wir tun, ist Vermittlung. Alles. Ob Marketing, das ist der entscheidende, wahrscheinlich divergente Punkt zu vielen anderen Betrieben noch. Und ich habe dann auch gesagt, ich möchte kein Dienstleister der Gesellschaft sein, sondern Mitgestalter. Am schwierigsten ist ja sozusagen die Botschaft immer in das eigene Team einzupflanzen. Und da bin ich jetzt genau bei deiner Frage.
Da ist vieles wahrscheinlich Erfahrungen, wie ich sie geschildert habe, mit Formaten, die anders sind, Publikumsresonanz, unmittelbare Situationen, ein hohes auch Move on sozusagen. Unsere Orchesterwerkstatt, Vermittlungswerkstatt ist hochaktiv und da sind auch viele Musikerinnen und Musiker wirklich auch intensiv beteiligt und identifiziert. Also wir haben ein Vermittlungsprogramm von null bis 100 durchgängig jetzt viele persönliche Gespräche, gelegentlich vielleicht auch mal bei einer Orchesterversammlung. Das und vor allem das Bewusstsein, das ist ein Prozess, der Jahre dauert und du wirst auch viele nicht mitnehmen, aber der Anteil jener, die sozusagen dieses Feuer teilen und mitnehmen und auch einzahlen mit ihren Ideen, wird größer. Ein langer Atem ist wichtig und man sollte die Regeln und den Respekt und die Notwendigkeiten gut kennen, weil ich sage ja immer, um Regeln zu brechen, sollte man sie kennen. Noch besser ist, sie nicht zu brechen und sie trotzdem zu umgehen. Das ist sozusagen so eine ein spezieller persönlich spielerischer Lustmoment, den ich immer wieder entwickle.
Wie können wir was auf den Kopf stellen, ohne dass ich gleich irgendwie was brechen oder ändern muss, sondern wie von einer anderen Seite herankommen?

Fabian Burstein
Du hast es ja schon angedeutet, im Kulturbetrieb geht es auch viel um Hierarchien. Das ist so. Also das sind streng hierarchische Systeme. In diesen Hierarchien haben wir immer wieder Probleme mit dem Thema Machtmissbrauch. Und in diesem Zusammenhang reden wir immer wieder darüber, dass diese Fokussierung auf diese Galionsfiguren, dass das ein bisschen aufhören muss, weil das ein bisschen zu einem ungesunden Geniekult führt und eben auch viele mit dieser Bedeutung nicht umgehen können und genau das begünstigt wird. Jetzt andere Seite, aber ich habe das auch in den Zusammenarbeiten mit Orchestern schon bemerkt, dass dieser Mentalitätswechsel stattfindet, hat dann aber eben doch ganz stark mit einer Galionsfigur zu tun. Ich sagte ein Beispiel, ich habe viel mit der Staatsphilharmonie Rheinland Pfalz gearbeitet und da war einfach zu jedem Zeitpunkt spürbar, dass der dortige Intendant Beat Fehlmann darauf bestanden hat und dass das Teil seiner DNA war, dass er diese Öffnung will und darum sind die Leute mitgegangen.
Wie gehst du mit dem Spannungsfeld um? Du bist in einer ähnlichen Situation, sowohl Galionsfigur als auch jemand, der sagt, wir müssen das Thema hinterfragen.

Norbert Trawöger
Beat kenne ich und sein Komplize auch, sozusagen eine Bruder im Geiste. Natürlich ist er ein Spannungsfeld. Man muss auch die Dinge immer wieder klären, weil sozusagen mit dem klassischen ja immer gleich auch das elitäre benannt wird. Und es ist ja was elitäres, wenn da jetzt 100 Leute eine Brucknersymphonie, Hochvirdose spielende umsetzen, in einer höchsten Dringlichkeit im Idealfall und oft dazu auch einen nötigen Raum brauchen, um das abspulen zu lassen. Aber wir müssen genau anschauen, ob diese sozusagen das wieder dieses Bild des Dirigenten, Dirigenten und dieses hierarchische, dass das nicht nur auf unsere Zugänge, auch wie können wir, ich bin wieder dort, über uns stolpern lassen und reden ist viel, ist das eine, sozusagen jetzt, wenn ich innerbetrieblich ist, machen ist noch wichtiger, dann vorher sollte man sich überlegen, was man tut und durchaus auch bereit sein, mit manchen zu scheitern, aber einfach ein Bewusstsein zu schaffen, wenn wir künftig, und da sind wir sozusagen auch im Sinne einer Berufssicherung, einer Zukunftssicherung eine Rolle spielen wollen, dann müssen wir beweglich werden, dann müssen wir Dinge probieren, die anders sind als bisher, vielleicht manchmal offener, fragiler, ungeschützter, wie wir es gewohnt sind, aber auch lebendiger. Das ist nicht so einfach, muss ich auch sagen, weil da bin ich wieder und Beat hat auch zuletzt gesagt, ich habe ihn gerade letzten Freitag getroffen, man muss Strukturen ändern. Und ich habe zu ihm gesagt, na das klingt wahnsinnig gut, aber Strukturen lassen sich nicht so leicht ändern, vor allem, wenn das System nicht unbedingt will, dass es sich ändert, noch schwerer, dann ist man sowas wie ein Anarchist oder ein Terrorist.
Als solcher fühle ich mich auch gelegentlich Anarchist, aber in dem Sinn sage ich immer, nicht andere auf den Kopf zu stellen, sondern vor allem mich selber auf den Kopf zu stellen, neue Perspektiven einzunehmen, damit anzustecken und sagen, wir probieren das jetzt im Rahmen der Möglichkeiten, weil die Spielräume, Neues zu probieren, sind ja gar nicht groß. Also ich muss quasi in die Engen des Gegebenen hinein und dort schauen, wie kann ich da ein Rädchen anders drehen und da ein Rädchen anders drehen und dann sozusagen schön langsam eine Dynamik entfachen, die einfach Bewusstsein für das schafft, im Spannungsfeld und im eigenen Leiden auch immer wieder über das System selbst, das mich auch manchmal schlaflos sein lässt, aber trotzdem auch als ein Anhänger von Hierarchien, weil das einfach unterschiedliche Perspektiven und Handlungsspielräume sind. Und Hierarchien sind ja mittlerweile nicht, sind ja nicht schlecht, wenn sie nicht zum Selbstzweck einer Machtausübung werden.

Fabian Burstein
Das ist ein interessanter Punkt, weil er auch spielt mit Selbst und Fremdwahrnehmung. Ich kann berichten, ich habe z.B. mit dem Beat ein Konzert gemacht, ich glaube, es war am längsten Tag des Jahres und wo wir quasi die Helligkeit mit dem Orchester komplett ausnutzen wollten, das Orchester auf der freien Fläche, also outdoor spielen sollte und zwar nicht auf befestigten Anlagen. Und er hat das aber vorgeschlagen und ich habe zu ihm gesagt, ich finde das mega, wie willst du das, ich kenne jetzt ein bisschen Orchester, wie willst du das durchbringen? Also allein ich kann dir jetzt schon fünf Gründe nennen, warum das unmöglich ist und wir haben es dann am Ende gemacht. Ist das vielleicht auch tatsächlich, wird da die Klassik auch manchmal einfach unterschätzt? Ist das eigentlich eine unfaire Zuschreibung, wie ich das gemacht habe, dass ich sage, das ist ein behäbiger Apparat, dem traue ich das gar nicht zu und dann geht es aber eh ganz, ganz locker.

Norbert Trawöger
Ich glaube, in vieler Weise ist es auch Wahrheit, in manchen ist es Klischee und es hängt einfach darauf an, wer was versucht und an welchen Orten. Und da ist vielleicht Linz, und das sehe ich jetzt gesamtstädtisch ein bisschen, oder dieses Oberösterreich oder auch diese spezielle Stadt Linz mit ihrer durchaus nicht übertriebenen, aber doch vorhandenen Innovationsseite auch begünstigt. Wir haben Ars Electronica, wir haben da seit, glaube ich, fast 20 Jahren ein gemeinsames Format. Man ist an dieses Experimentieren an diesem Ort schon gewissermaßen gewöhnt. Und stimmt schon, diese Klassiker, ich kann mich erinnern, vor Jahren, dass ein Journalist zu mir gesagt you don't look like a classical musician, weil ich sozusagen unfrisiert, unkonventionell vielleicht gekleidet bin.
Du bist ja kein klassischer. Aber das sind natürlich auch Schubladisierungen, Zuschreibungen, auch zu Recht, brauchen nur das neue Jahreskonzert, da sitzen lauter quasi befragte, schön gekleidete, dann ist ja das so ein prägendes Bild auch in der weiteren Gesellschaft. Da ist vieles dran, aber man soll nie unterschätzt und unterschätzt werden ist auch nicht so schlecht, dann kann man auch noch leichter überraschen in gewisser Weise. Aber wir müssen schon raus, und das sage ich als verantwortlicher in so eine Position aus den Komfortzonen. Also das, was ich jetzt so vielleicht auch ein bisschen spielerisch und leicht sage, ist sozusagen auch ein täglicher mitunter Kampf, ein dranbleiben, ein langer Atem. Ich war jahrzehntelang Lehrer, ich weiß, es gibt pädagogische Inkubationszeiten, es gibt Reifezeiten, die sind auch nicht immer so genau einzuschätzen. Es gibt dann Außenfaktoren, die manches begünstigen für uns.
Also heißt da wahrscheinlich dieses Bruckner her war dann so rundherum auch nochmal in einer Salinenhalle spielen mit 600 Sängern, Bruckner crashen, ganz andere Zugänge zu schaffen, ein archaisches Ritual für tausende Menschen zu installieren, was auch gelungen ist. Das braucht natürlich auch Mittel. Das braucht nicht nur kreativen Geist, es braucht vor allem ein Bewusstsein, dass es notwendig ist. Und da sind wir schon an einem Punkt, wo ich mir denke, die Welt wird gerade nicht jetzt sozusagen kulturfreundlicher, auch was die mitteln und überall wird sparen. Wir müssen raus aus den Komfortzonen. Also das sage ich auch uns Kulturmenschen, zu glauben, wir werden versorgt. Das hat uns ja die Pandemie wir müssen Netzwerke finden, wir müssen politische Kommunikation lernen, wir müssen einfach auch viele Dinge erlernen, die wir bis jetzt nicht unbedingt bereit waren zu erlernen, die Seilbahngesellschaftsbetreiber längst hinter sich haben, sich zu organisieren und sagen, wir haben da ein quasi böses Wort Lobbying und liegen der Politik im Ohr.
Ich glaube, da ist vieles einfach notwendig und sind auch viele Netzwerke jetzt auch entstanden. Aber ich habe immer noch das Gefühl, wir müssen einfach wirklich raus aus den Komfortzonen. Es gibt natürlich auch viele Teile, die nach wie vor sehr konservativ handeln und sind.

Fabian Burstein
Du sprichst einen Punkt an, die politische Kommunikation macht, als unter Umständen auch konstruktives Instrument, das man für etwas im positiven Sinne einsetzt. Wie wichtig das sein könnte, hat mir vor Augen geführt ein Buch von Rainer Klapp namens Publikumsschwund. Und er hat in einem Interview dazu gesagt, gefragt, wo es denn gut läuft, hat er tatsächlich geantwortet, das Kind und Jugendtheater ist seit 15 bis 20 Jahren stabil auf einem Niveau, die klassische Musik auch, wobei das Konzertpublikum natürlich im Durchschnitt ziemlich alt ist. Das heißt nichts anderes, als dass der demografische Wandel insofern zuschlägt, dass man sich das Publikum erhalten kann, weil es länger lebt. Die Sterblichkeit arbeitet aber trotzdem gegen dieses Modell, weil eine Überalterung des Publikums heißt gleichzeitig, es kommt kein neues nach. Das heißt, wenn wir jetzt über das Thema Vermittlung nachdenken, ist es gar nicht nur ein allgemeines Thema, sondern wir müssen eigentlich tatsächlich über Jugendliche nachdenken, die dann in Zukunft in die Konzerte reingeht. Was siehst du für politische Stellschrauben, dass wir das begünstigen?
Wir haben jetzt eine neue Regierung, da wird man sich was wünschen dürfen. Oder.

Norbert Trawöger
Ein großes Thema aus oberösterreichischer Sicht, wir haben quasi das dichteste Musikschulnetz der Welt. Das ist natürlich, das sind keine schlechten Voraussetzungen, weil ich glaube, Musikschülerinnen, weil da sozusagen Menschen selber Erfahrung machen, ein Instrument zu lernen, sozusagen auch zu potenziellen Zuhörenden werden. Es ist sicher auch das, und das finde ich so dramatisch, auch bei den Sparmaßnahmen, wenn man nach Berlin oder nach Nordrhein Westfalen jetzt blickt, weil das erste, was gespart wird, ist ja sozusagen diese extra Sachen, dann bleiben wir halt wieder bei der klassischen Aufführung des Don Giovanni, aber das Migrations oder das Outreach Projekt, da streich wir, da ist das Geld weg. Also dieser Kahlschlag, der da passiert, ist unglaublich verheerend und himmelschreiend, weil das ist ja quasi ein Todesstoß für das Ganze letztlich, weil wer bleibt dann über? Wir erwischen ja die Menschen nicht. Und da ein Bekenntnis auch zu entwickeln, das gerade mit Jugendprogrammen hinein, auch mit Vernetzungen, ich bin da auch irgendwie grenzenlos im Denken, mit auch zwischen Sport und Konzert gemeinsame Sache zu machen, Räume anzuschauen, wo sich Menschen treffen, das ist natürlich die Schule, das sind aber andere Orte. Und da sozusagen irgendwie auch, irgendwie auch, sage ich, Formate zu entwickeln.
Und natürlich dafür braucht es Mittel, dafür braucht es calls. Und das würde ich mir schon wünschen, sozusagen als Zukunftssicherung, nicht nur des klassischen Bereichs, sondern überhaupt eines Kulturlebens, eines wachen, eines offenen, toleranten Lebens, dass es da Programme gibt. Und ich will nicht immer gleich in diese Bildungsdebatte verfallen, da habe ich auch manchmal die Schnauze voll, weil sozusagen mangelnde Bildung, darum kommen sie nicht mehr zu uns, weil sie wissen ja nichts mehr und sonst irgendwas. Ich habe aber auch nicht, bin nicht deswegen Fan der klassischen Musikform, weil ich wahnsinnig viel weiß, sondern weil ich ergriffen wurde. Punkt. Da helfen mir die Lebensdaten von irgendjemand überhaupt nicht.

Fabian Burstein
Da unterscheidet sich eine Symphonie auch nicht von einem Pop Song.

Norbert Trawöger
So ist es. Und das ist sozusagen, glaube ich, ein ganz wesentlicher Punkt zu begreifen, ob das jetzt sozusagen die Faszination, meine älteste Tochter ist ein Swifty, ich komme bei dieser Faszination staunend nicht mit und das ergreift mich nicht und staune darüber, wie das sozusagen Millionen von jungen Menschen sozusagen ergreift und dieses Phänomen und finde das auch hochinteressant.
Was geht da ab? Was ist sozusagen diese Faszination Musik, aber mit der Figur und allem, da können wir auch viel lernen, denke ich. Und genau das wäre sozusagen auch die politische, das ist ein bisschen plakativ und unpräzis Forderung, Erfahrungen zu schaffen, Erfahrungsfelder, die Institutionen auch sozusagen zu verpflichten rauszugehen und Erfahrungsfelder zu schaffen. Nicht weil es die Schule nicht schafft, sondern überhaupt, weil es notwendig ist und weil es toll ist und weil das Finale der bruckner acht sozusagen mindblowing sein kann und irgendwie auch John Williams sein könnte oder whatever. Und glaube, das ist der Punkt, diese Erfahrungsfelder auch ganz neu zu denken. Und das braucht natürlich mittel Bewusstsein.

Fabian Burstein
Ich bin jetzt bewusst provokant, ich nehme auch die Rolle der Politik an, ich schlüpfe auch bisschen in meine frühere Rolle als quasi Kulturamtsleiter in einer deutschen Stadt. Mittel sind was ähnliches. Es gibt Phasen der Sparpakete, gerade wenn z.B. gewisse Steuereinnahmen an Orten nicht mehr so sprudeln. Es gibt die Erwartung tatsächlich der Bevölkerung, dass dann jeder Bereich seinen Beitrag leistet, auch der Kulturbereich, wie gesagt, ich und es kann dann eben auch sein, dass das die einzelnen Institution trifft. Und dabei, da beobachte ich etwas, was du jetzt auch gesagt hast, die Einrichtungsleitungen sagen gut, dann konzentriere ich mich halt wieder auf meinen Kernbereich, muss halt das rundherum weglassen, also z.b. das Kinderprogramm, das Vermittlungsprogramm und so weiter und so fort.
Und ich stelle mir die warum antworten die gut, da mache ich halt nur noch das Kinder und das Vermittlungsprogramm und muss halt ein paar Konzerte einsparen.

Norbert Trawöger
Die Frage finde ich gar nicht so provokativ, sondern eigentlich berechtigt. Ich glaube schon, dass man sich institutionell auch neu kalibrieren muss. Natürlich sagt dann der kaufmännische Zuständige, wir müssen Einnahmen generieren und die gehen vor allem über eine klassische Oper rein. Mit den Vermittlungsprogrammen verdienen wir nicht wirklich Geld für den Eigenanteil. Aber ich glaube eine Mischung, eine Neukalibrierung des Angebots ist dabei auch notwendiger und dafür muss man auch kämpfen, weil dann klar, das ist das eine. Das zweite und da spreche ich vielleicht geht schon immer um Geld, aber es geht nicht immer gleich um Geld. Ich habe auch die Erfahrung gemacht in vieler Kommunikation in Anbahnung mit anderen Institutionen, dass oft sich Win Win Situationen einstellen, die nicht unbedingt gleich wieder viel mehr Geld kosten, sondern neue Möglichkeiten schaffen, indem man neu zusammenarbeitet, indem man über Zusammenarbeiten, Kooperationen, Kooperationen, Komplizenschaft nachdenkt, die einfach nicht gepflegt waren, weil sie nicht gedacht wurden und nicht durchgeführt wurden.
Auch das, es ist eine Neukalibrierung, eine Neuausrichtung. Aber das ist sozusagen der Puls der Zeit. Und da sind natürlich die Kultiturinstitutionen oft sehr vatikanisch und wir haben langen Atem, uns gibt es schon lang, aber so lang gibt es uns ja noch gar nicht.

Fabian Burstein
Ja, stimmt. Es gibt auch oft ein Missverständnis über die Geschichte von Kunst und Kultur. Also immer den Mythos, dass das im Kern immer schon das Revolutionäre, das Hinterfragen, weil das stimmt ja gar nicht. Also Kultur oder Kunst war über viele Jahre einfach ein Beiwerk von höfischem Leben, von reichem Bürgertum und so weiter und so fort. Und erst im Laufe der Geschichte und über die Erkenntnis, was man da sich für Spielräume erarbeiten konnte, erst da ist dieses Bewusstsein, hat sich durchgesetzt. Wir sind vielleicht eine kritische Instanz für Gesellschaft. Du sagst immer wieder ein Wort, das ist mir aufgefallen und das ist verspielt.
Und in diesem Zusammenhang gibt es ja eine interessante Verbindung. Du hast ja auch tatsächlich ein Buch geschrieben, das schlicht und ergreifend heiß spiel. Das hat mich sehr interessiert, weil auch das Thema Neudeutsch Gamification, also die Implementierung von spieletypischen Elementen in nicht Spielekontexten, das ist ein ganz großes Trendthema. Was meinst du, wenn du so häufig vom Spiel sprichst, vom Verspieltsein.

Norbert Trawöger
Vom Hineinstolpern, Generieren, lustvollen Finden, von neuen Möglichkeiten, neue Purzelbäume zu schlagen, sage ich zum einen, zum anderen auch ein inneres Bedürfnis, das Spiel ernst zu nehmen. Nämlich ganz, hatten wahrscheinlich meine Töchter auch sehr konfrontiert, wie ernsthaft das Spielen ist, welch Urzustand das ist, welch kreativer Vorgang, welche Lösungen, wie sehr wir auch dabei Mensch sind sozusagen. Und zum dritten wahrscheinlich, weil ich so eine spielerische Natur auch bin, jetzt selber als Persönlichkeit gerne im Kopf, aber ich glaube, das ist auch so was Ungreifbares. Und zu sagen, wir haben auch in der Pandemie gemerkt, das erste, was zugeht, sind die Spielplätze, ganz pragmatisch. Und im weiteren Sinn die Theater und Konzerthäuser. Das war relativ schnell, weil das ist ornamental und das brauchen wir jetzt nicht, jetzt wird es ernst. Da bin ich schon ein Kämpfer oder Begeisterer dafür oder vielleicht auch manchmal Bewusstseinsmacher, wie unglaublich wichtig gerade dieser spielerische Moment im menschlichen Zusammenlegen sein ist.
Wie sehr wir uns manchmal aus Krisensituation, vielleicht weil wir das Denken geübt sind, andere Möglichkeiten oder auch andere sinnliche Erfahrungen machen und weil Spielstätten heißt ja sozusagen im institutionellen ob Konzerthäuser, Opernhäuser, zwar oft das, was sozusagen diese zwei 3 Stunden am Abend auf der Bühne ist, ein Spiel, ein geplantes, ein Spiel, aber in dem Sinn überhaupt nicht spielerisch, sondern wahnsinnig starr sind, auch im Zuggang, auch was da drinnen möglich sein darf. Ich denke nur, war immer so begeistert in Basel, dass dort das Foyer offen ist in der Oper und man da hineingehen kann und da ist eine Bühne, da kann man Nachmittag Aufgaben machen oder auch spielen oder Kaffee trinken. Also auch diese Räume neu zu bespielen. Da steckt schon wieder das Wortspiel drin. Also das ist ein weites Feld, das mich sehr beschäftigt und das ich für sehr dringlich halte, weil rund um dieses Spielen kommen wir was sehr Wesentliches des Menschseins ran, nicht nur zum Problemlösen, sondern einfach auch zum Sein, zum fasziniert sein, zum Staunen, zum irritiert sein, zum ich kann natürlich ausspielen der Sprache, das zu untersuchen. Natürlich gibt es auch dieses Wettbewerbsspiel zwischen game and play, wie im Englischen sozusagen der deutliche Unterschied, aber ein zentraler Begriff in meinem Dasein, drum wird er wahrscheinlich auch so oft fallen.

Fabian Burstein
Ich selbst assoziiere mit dem Spiel ja auch tatsächlich große Emotionen. Ich gehe ständig zu Fußballspielern und könnte manchmal völlig durchdrehen vor Verzweiflung, vor Glück, vor alles dazwischen. Es ist wirklich sehr, sehr, sehr kompliziert. Und es sind da auch sehr viele gute und auch sehr viele negative Emotionen drin, obwohl es ja unter Anführungsstrichen nur ein Spiel ist. Und das ist das, worauf ich hinaus will. Ich nehme dich als sehr zugänglichen, sehr zugewandten Menschen wahr. Ich nehme dich auch als Menschen wahr, der Dinge ehrlich benennen kann.
Und es ist ja genau diese Emotionalität des Spiels, die oft als Herleitung genommen wird, warum der Arbeitsplatz Kulturbetrieb anders ticken muss als andere Arbeitsplätze und warum es dort legitim ist, dass ich jemand anderen zusammenfalte oder im Rausch der Emotion quasi niedermache. Weil das ist halt so, damit die große Kunst entstehen kann. Jetzt bist du sowohl Künstler, also sowohl Musiker, du bist auch Vermieter und du bist auch Manager. Wie verlauf, erklärst mir bitte, wie verlaufen da die Grenzen?
Wie darf ich mir das vorstellen? Das ist was, das fehlt mir. Ich bin ja kein Künstler, ich bin nur Kulturmanager. Das heißt, ich kann nur sagen, wie agiere ich aus dem Kulturmanagement heraus. Kannst du das bisschen.

Norbert Trawöger
Da bin ich jetzt sozusagen noch mal im Bild meiner Kindheit, wo ich sozusagen die Grunderfahrung war, ist sozusagen was mit Plakate picken und man übt auch Flöte, man baut Programme. Das ist sozusagen schon zwei Dinge, die selbstverständlich miteinander sind. Es hat mich dann sozusagen im Studium, im Heranwachsen und im beruflichen Finden schon sehr beschäftigt, in welcher Disziplin bewege ich mich jetzt einfach. Und da wird es dann schwierig, wenn ich darüber nachdenke. Ich bin ja immer der, der ich bin, ganz egal in welchem Aggregatzustand ich bin. Der kreative Vorgang, der künstlerische ist ja auch sozusagen ein systemisches, hierarchisches, veranstalterisches Problem zu lösen, erfordert mich ja auch oft als kreativen Menschen, der genau schaut, wie man halt genau in einer Partitur schaut, um die umzusetzen. Ich kann es nicht genau sagen.
Also ich bin froh, dass ich darüber nicht mehr zu viel nachdenke. Da würde ich auch zu viel über mich nachdenken. Und dieses Nachdenken in diesem Sinne interessiert mich herzlich wenig. Ich kann sehr gut über mich lachen und ich will das auch weiterhin tun und ich will auch weiterhin an mir manchmal gelegentlich verzweifeln und auch über mich lachen und mit mir lachen und vor allem mit Menschen lachen, in Stimmungen sein. Das kann ich nicht genau sagen. Es hat sich so entwickelt in meinem beruflichen Dasein. Ich mache keinen Unterschied, auch wenn natürlich ein Unterschied ist, ob ich ins Büro gehe oder ob ich ins Übezimmer gehe oder welche ein Konzert spiele oder veranstalte.
Letztendlich treibt mich und das ist schon sozusagen, wenn die Managementaufgaben überhand nehmen und sozusagen die Tage sind lang und die Nächte sind kurz und die letzten Jahre waren überhaupt sehr herausfordernd mit dem Erster, mit der Expo, der ja riesig geworden ist, darüber nicht zu vergessen, warum man das eigentlich macht. Und da bin ich dann gelegentlich froh, wenn ich am Abend vielleicht auch hundemüde im Konzert zu sitzen komme und mir ja, jetzt weiß ich wieder warum, weil dieser Zauber, diese Magie. Und wenn sich das sozusagen ein Stück entfacht und mich ergreift, dann weiß ich, warum ich das sozusagen von allen möglichen Seiten, die sich halt bei mir entwickelt haben, vielleicht auch meiner Talentlage, meinen Interessenlage, sie sind nur von außen unterschiedlich, aber ich bin die Spinne und das ist mein Netz und manchmal bin ich dort und bin ich dort und gleichzeitig bin ich mit allem anderen verbunden. Und wenn ich bin ich auch immer Flötenspieler und als Flötenspieler bin ich auch irgendwie Manager und Kommunikator und Vermittler und die Vermittlung sozusagen darüber zu sprechen und begeistert zu sein, ist sowieso immanent. Das ist auch eine gewisse Typsache.

Fabian Burstein
Ich kann das gut nachvollziehen. Mich 2023 für das Kulturprogramm der Buga 23 zuständig war, was auch mit Fernsehübertragungen alle möglichen gekoppelt war, gab es für mich auch so einen Moment gab es viele Tage, wo viele Dinge sehr kompliziert gelaufen sind. Unter anderem, weil wir ein Orchester im April haben spielen lassen, aus allen genannten Problemen. Viel zu kalt, Regen, unter 18 Grad geht es nicht. Ja, ja. Also es war wirklich ein Grenzgang. Und als dann am Eröffnungstag war Sonic und als dann, das war eine Auftragskomposition von einer sehr bekannten Band, von Getwell Soon, die sie für das Orchester gemacht haben.
Als dann erstmals das aufgegangen ist, als das gespielt wurde, die ersten Takte, es war ein Weinmoment, hat man gewusst, dafür lohnt sich der Wahnsinn. Aber ganz ehrlich, geht auch der Chef Norbert Dravöger manchmal dann in eine Probe, hört das, was da jetzt fabriziert wurde, denkt sich, das kann doch jetzt nicht wahr sein und flippt aus.

Norbert Trawöger
Naja, es erlaubt mir die Rolle nicht, weil ich bin ja nicht dirigent sozusagen. Ich kann dann schon ausflippen, aber draußen, wenn ich da sozusagen vom Kollektiv ausflippen würde, würden sagen, was will der jetzt? Der hat da überhaupt nichts verloren. Da bin ich in einer anderen Rolle. Sollte man sich auch bewusst sein. Ich kann schon ausflippen, aber dann sollte ich und wenn ich glaube, es ist notwendig, mit den Verantwortlichen, die das sozusagen im Moment verantworten, nachher spreche, weil ich das künstlerisch aber das ist per se nicht meine Aufgabe. Und in der Situation bin ich Gott sei Dank selten, auch in der linzer Situation jetzt nicht das Kollektiv.
Es war so ein perfect match auch zwischen Chefdirigenten und kollektiv zur richtigen Zeit in in einer richtigen Zeit sich gegenseitig zu entwickeln und freizulegen und irgendwie auch qualitativ mit einem Generationenwechsel gepaart auch Quantensprünge der Veränderung zu machen. Und ein sehr offenes, weites und eins ist unverhandelbar. Also da sind wir schon beim die Dringlichkeit höchster Qualität, Verausgabung, Intensität ist unverhandelbar, auch wenn sie im Betrieb nicht immer sozusagen an den Tag gelegt werden kann. Auch. Aber Musik ist was Flüchtiges, kann gegenwärtiger. Nichts kann gegenwärtiger sein als Musik, aber sie ist wahnsinnig flüchtig. Und jeden Abend eine neue Chance, ob Vorstellung oder Konzert, Bruckner vier oder keine Ahnung, welch ein Stück auch immer.
Es ist ja immer wieder vom Neuen. Und das ist auch das Faszinierende für mich an Musik. Es ist eine Gegenwart, sie bringt es zusammen, ist im Idealfall eine Spezialeinheit für Zusammenführung, Zusammengehörigkeit, für einen Klangkörper zu werden heißt Zuhörende und Spielende werden zu einer Gemeinde, werden ein Klangkörper bei aller Unterschiedlichkeit. Das ist so das Bild und macht eine Erfahrung. Und diese Erfahrung lässt uns anders auseinandergehen. Und das meine ich jetzt nicht nur pathetisch, und so. Ich glaube, das ist grundlegend, das wirklich ernst zu nehmen und für möglichst viele Menschen anzubieten und zu erfahren.
Das ist das, was mich auch treibt. Aber mit lauwarmen Aufführungen können wir uns alles mögliche an den Formaten ausfallen. Wenn die Qualität nicht stimmt oder das Bemühen darum nicht stimmt, dann soll man das andere bleiben lassen. Also lauwarm geht nichts.

Fabian Burstein
Lauwarm geht nicht. Das ist ein schöner Satz. Lauwarm geht nicht. Auch glaube ich, bei der eigenen Vermittlerrolle, die du ja sehr selbstverständlich kommunizierst. Die Vermittlung an sich hat im Kulturbetrieb in jüngerer Vergangenheit so das eine oder andere Problem durchlebt. Zum einen, weil es oft als Passwort, wie man so schön sagt, reingeworfen wird und dann nicht mit Lehm gefüllt wird. Und zum anderen, weil in der Vermittlung dann auch oft ein sehr hierarchisches Konzept steckt, nämlich der Gescheiter, der weiß, was gescheite Musik ist oder gescheite Kunst ist, wie in der Schule genau erklärt dem dummen Besucher, wie das geht, was er zu empfinden hat, was das eigentlich bedeutet.
Wie hast du da deinen eigenen Weg entwickelt, das authentisch mit Leben zu fühlen?

Norbert Trawöger
Das war immer da, weil ich habe immer auch nicht nur Freude am Spielen von neuen Stücken oder am erleben von neuen Stücken. Mich hat das sofort interessiert, wer ist die Komponistin, wer ist der Komponist? Das rundherum einfach immer Wahnsinn, wahrscheinlich endlos neugieriger Mensch, der auch irgendwie mehr erfahren will darüber, wie in welchem Kontext steht. Jetzt habe ich mich so exzessiv mit diesem Bruckner beschäftigt und dann spricht man wieder mit jemandem und jede Woche erfährt man eine neue Dimension. Auch gesellschaftlich wird diese Stadt gedickt hat, weil umso unsicherer wird man eigentlich in der Schublade oder eigenen Einordnung dieser Person. Also ich kenne den Bruckner und das ist sozusagen irgendwie auch ein Lebensthema, beschäftige mich quasi vier Jahrzehnte auch mit der Person, mit der Geschichte rundherum und weiß mehr denn je und bin unsicherer denn je, ihn einzuordnen und bin gar nicht mehr, ich will ihn gar nicht einordnen sozusagen. Aber ich will auf der Spur sein auch sozusagen auch in einem wissenschaftlichen Sinne zu verstehen.
Im Zentrum steht natürlich vor allem die Faszination seiner Musik. Aber zurück zur Vermittlung, da hat sich einfach auch viel verändert. Zuerst sind diese Abteilungen gekommen, vielleicht auch aus einer Dringlichkeit, weil man der Publikumsschmund ein Thema war, weil die Musikerinnen, Musiker verlernt haben, darüber zu sprechen. Das ist auch im Ausbildungssystem, du wirst ja nicht angehalten, da irgendwas drüber zu reden. Muss ja auch nicht sein. Zum anderen ist es vielleicht eine Lust und eine Begabung des kommunizierens, die ich immer hatte und die ich auch ausleben wollte. Also es ist gar nicht komplizierter an meiner Person, die ich über die Jahrzehnte natürlich kultiviert, immer wieder analysiert hat und auch bewusster einsetz, weil ich weiß, okay, ich liebe Menschen und ich liebe Vielsprachigkeit, auch in einem einsprachigen Land sozusagen.
Was heißt Vielsprachigkeit? Ich spreche mit Kindern anders. Und das war sozusagen auch immer mein Ziel als Lehrender, nicht denen meine Sprache beizubringen, dass sie mich verstehen, sondern deren Sprache zu lernen, wie mich ein Mensch versteht, um eine Begeisterung zu entfachen. Im Idealfall als Flötenlehrer am Flötenspiel, an der Musik oder auch darauf zu kommen, dass es nicht das Richtige ist, ist ja genauso gut. Dazu muss man oft ein feines Ohr haben und vielleicht einen Sinn dafür, dass es unterschiedliche Sprachen gibt. Tochter spreche ich anders als mit dem Bühnentischler und mit Uniprofessoren, ohne Klischee zu ordnen. Und das ist sozusagen auch eine persönliche Lust und vielleicht auch Begabung und ein Sinn, den ich sehr geschärft habe, dass es unterschiedliche Sprachen braucht.
Wenn ich jemanden adressieren will, muss ich mir bewusst sein, wie mich der unter Umständen verstehen könnte. Oder ich glaube zumindest versuchen. Das ist das eine. Und auch wissen, was man irgendwie auch vermitteln will. Warum. Und das ist am besten immer noch als Begeisterung hat die Studie, große pädagogische Studie, der sozusagen weltweit untersucht hat, was ist die idealste Unterrichtsform? Ist es jetzt die Frontalunterricht im Halbkreis, das Meisterprinzip oder das Diskursive?
Und er sagt halt einfach, es kommt darauf an, wer unterrichtet. Und das finde ich wieder beruhigend, dass man sagt, ja, wenn wir darüber nachdenken, über unsere Lehrer, prägenden Lehrerpersönlichkeiten, die können ja unfurchtbar streng gewesen sein, wenn sie irgendwas faszinierendes hatten, erinnern wir uns nicht nur an sie, sondern auch an den Stoff, den sie uns vielleicht auch neugierig gemacht haben, dass wir bis heute dran sind an diesem Feld.

Fabian Burstein
Ich möchte zum Abschluss noch einmal auf das bruckner Jahr zurückkommen, also auf 2024, wo du ja wirklich von einem sehr großen Apparat der Chef warst. Wien ächzt gerade ein wenig unter einem Strauß gedenk ich. Ächzen sage ich deshalb, weil da natürlich einige wirklich schöne Impulse sind. Also da gibt es überhaupt nichts schlecht zu reden. Zum anderen wird aber natürlich auch viel inspirierter Kitsch geboten, das muss man auch klipp und klar so sagen. Du hast jetzt selbst eine Ikone gefeiert und ich habe mich im Vorfeld von unserem Gespräch, das mache ich ja dann immer, mich ein bisschen unter meinen linzer Kulturmenschen umgehört und habe festgestellt, dass das, oder gar nicht nur in Linz, sondern in Oberösterreich, dass das relativ unumstritten war, dass man diese Millionen da reinsteckt. Wie hast du das gemacht, dass dieses Leuchtturmprojekt so eine Akzeptanz genossen hat?

Norbert Trawöger
Große Frage, die ich relativ knapp zu Antworten noch dazu haben wir 1/3 des Budgets, das man in Wien hat, das möchte ich voranstellen, hatten wir 1/3 von Budget. Zum anderen war dieses Projekt sozusagen, ich wurde ja nicht Chef einfach eines großen Apparats, den Apparat gab es gar nicht. Es war sozusagen Transformation. Man macht keine Landesausstellungen, man macht jetzt eine Kulturexpo. Aber was das produktionstechnisch und vom Team her heißt, waren wir auf dem weißen Blatt und war ich sozusagen auch mit ein Treiber, was wir brauchen. Wir haben das sozusagen auch am Weg relativ knapp, gute zwei Jahre sozusagen auch das Team entwickelt, Menschen gefunden, was auch viele schlaflose Nächte natürlich, weil du brauchst ja eine Struktur dafür, du brauchst ein System, sowas kannst du nicht allein machen. Zum zweiten habe ich mir relativ früh und sozusagen mein Konzept stammt von 2020 und wurde eigentlich zufällig, ich wurde dann gerufen und ich dachte, ja okay, dann lege ich das am Tisch.
Erstens einmal diese bruckner Figur aufzumachen, nicht nur an ihr hängen zu bleiben oder an seiner Musik, weil das ja zu wissen, dass es eine sehr ambivalente, widersprüchliche, krisengeschüttelte Figur war, eine oberösterreichische Biografie mit vielen Klischees, vom Musikant Gottes bis da sind keine Frauen und die Symphonien sind urlang und katholisch und Weihrauch und so und Pathos und Kitsch und Anekdoten und Geschichten, Ende nie. Wenn man da ein bisschen kratzt, und da wird es ja dann gleich politisch, sehen wir, dass die Schubladisierungen nicht funktionieren und dass dieses tradierte Bild, das ganz stark ist, hinter uns vorn, nicht stimmt oder nur teilweise stimmt. Und da bin ich auch glücklich, weil 2020, was willst du mit diesem alten Sack Bruckner? Das ist ja nicht zu verkaufen. Es gibt keine spannendere Figur als diese disparate Figur in unseren Tagen, der die Krise sozusagen, der den Zweifel liebt, aber Selbstgewissheit hat, der mit 40 erst anfängt sozusagen Symphonien zu schreiben, für das letztlich Bedeutungen der Musikgeschichte erlangt und, und, und. Und gleichzeitig oberösterreichische Lehrerbiografie, der vom Land kommt, der am Land unterrichtet, der Sozialaufsteiger ist, ein halbweise so viele Andockpunkte und so vieles, was uns auch an die Wurzeln in Oberösterreich führt. Mit einem zentralen Punkt, und das habe ich von vornherein gesagt, also ich stehe nicht zur Verfügung, ein Gedenke abzuhalten oder jetzt sozusagen oberösterreichischen Patriotismus zu beschwören und zu feiern.
Mir San Miguel fände ich furchtbar, weil sie nur implodierend und ausgrenzend, sondern wie der Bruckner sozusagen mit seinem Werk hat er die Türen und die Fenster in die Welt geöffnet, neue Dimensionen erreicht, die alles andere wie oberösterreichisch sind. Aber in diesem quasi philosophischen Ansatz habe ich auch im Konzept schon sehr konkret, ob das jetzt über Kohls war, über ganz konkrete Zusammenarbeit, also mit den Museen. Ich habe da das Bild, das machen alle mit. Wir gehen raus und sagen sozusagen, dann gibt es diese fünf und dreiig bruckner Orte, wo er unterwegs ist, sozusagen als Kernfeld und ihr macht draußen was und wir kommen was dazu. Mit dem Spielgerät, mit unserem riesen Vermittlungsprogramm, mit unserem Portfolio, das riesig ist, auch über den Call von fast 20 Projekten und mehr, wo wir angedockt haben. Und dann war es viel Kommunikation und sein Gespür, wo passt was hin. Die Kunstuni sagt, wir können mit dem Bogner nichts anfangen, sage bitte darf ich kommen, Direktorin?
Ja komm, mach eine Performance Lecture. Ich habe da irgendwie eineinhalb, 2 Stunden gesprochen, da sind die geilsten Projekte gekommen. E Gitarr, nur Hester, no Five, alles mögliche. Im Klangwald waren wir, ein Spielgerät haben wir bauen lassen sozusagen, um dieses spielerische, und da bin ich wieder bei meinem Urthema, mit Blasbalken Musik zu machen, beim Schaukeln. Mit dem war man im Land unterwegs. Ganz wichtig war der erste Schritt Vermittlungsabteilung. Ich wusste auch relativ schnell, das haben wir am schnellsten, weil die Figur setzen, eine Vermittlerinnen Runde zusammenzufinden.
Lydia zachbauer ist auch eine zentrale Figur, die sofort irgendwie mehr als ein dutzend Projekte entwickelt haben, für alle Altersschichten und geniale Sachen in einer Tiefe, Schulmaterialien. Das war relativ schnell am Weg und das hat uns sozusagen programmatisch auch freigespielt, weil da war schon was unterwegs. Und so haben wir halt gemeinsam, vieles ist wieder sehr persönlich, vieles reden, viele Krisensituationen, wo ich gehört habe, habe ich sofort telefoniert und bin da hingefahren und wollte nachfragen, was es gibt, was es oft waren es Missverständnisse, oft sind aus den Missverständnissen ganz tolle Projekte geworden, weil man sozusagen wir kriegen kein Geld dafür oder so irgendwas. Und das ist halt immer so, jeder will dann zurecht am Kuchen. Aber was uns auch gelungen ist, ist dieses Auflösen der institutionellen Grenzen in gewisser Weise. Die Institution fährt raus und macht dann den Zirkus Toni und wir spielen euch was vor und wir schauen, dass ihr mit Marketing reinkommt und dann habt was gelernt, das ist mir fremd, sondern ich wollte einfach mit den Blasmusiken. Aber ich habe einfach auch gesagt, so als Eckpfeiler, ich will nicht nur mit den Blasmusiken, sondern ich will sozusagen mit der industriellen Vereinigung genauso wie mit den Goldhauben was machen, als Eckpfeiler.
Das war in Wirklichkeit dann nicht ganz so, aber um aufzumachen, da musste das Thema auch aufgemacht werden, weil dieser Bruckner steht für Tradition und Avantgarde gleichzeitig, ohne Tradition zu sein und Avantgardist, ein Traditions Avantgardist. Und da sind wir vielleicht ein bisschen so in dieser oberösterreichischen Mentalität, sehr bodenständig und trotzdem ein gewisser Hang für das Neue, für das Randständige und da auch anzudocken auf einer Metaebene und zu befeuern. Viel persönliche Gespräche, Calls, viel Kommunikation und vor allem ein leidenschaftliches Thema. Also das kann man nicht alleine, es war auch nie meine Absicht, das kann man nur im Team und im Anstecken. Im Team und im Team, das ansteckt. Und dann war es halt Glück, offensichtlich auch das Richtige zur richtigen Zeit, das sozusagen einfach Fahrt aufgenommen hat während des Jahres und sich ausgebreitet hat. Und relativ unumstritten, es freut mich sozusagen auch von außen zu hören, ich teil, wir waren ja auch medial relativ unumstritten, was bei so Großprojekten ja schnell mal ist, dass du irgendeinen Skandal oder Scheinskandal oder sonstiges hast, der hat nichts bekommen.
Und da müssen wir genau anschauen, warum. Da sind wir eigentlich mehr oder weniger fast nur mit sehr durchaus kritischer, aber positiver Resonanz versorgt worden. Aber es liegt wahrscheinlich in der offenen Natur, in dem aufeinander zugehen, über den Geist auch hochzuhalten, um was geht es, warum machen wir das? Und dieses warum ist sozusagen für mich persönlich immer eine zentrale Frage im Tun, lange vor dem zu klären, welchen Einfluss hätte ich dann, welche Position hätte ich persönlich dann, was könnten wir, wir müssen warum aus einer Leidenschaft, aus dem Herz, das dann analysieren, durchdenken, offen sein und vor allem auf die du's nicht zu vergessen, weil die Stärke liegt ja sozusagen in den Lösungen, die oft andere hereinspielen, die selber auch irritieren, was will der jetzt sozusagen, die ihn aber letztlich weiterbringen, auch im Diskurs, auch in der Disharmonie. Ich liebe das auch sozusagen, wohin geführt zu werden, wo ich eigentlich vielleicht nicht sein möchte und sage ich am Tisch und sage, ich bin der Chef, wir machen das so. Manchmal muss man das auch, aber sehr oft nicht, weil dann wird es ja spannend, wenn es unbequem wird, wo man dann wirklich landet, wenn es nicht nur um ein pures Machtspielchen geht, sondern um.

Fabian Burstein
Die Sache Kultur als Kommunikationsaufgabe, Kultur als leidenschaftliches Anliegen, Kultur als Netzwerk. Ich glaube, wir haben eine Ahnung davon bekommen, was dich antreibt. Lieber Norbert Trawöger, herzlichen Dank für den Besuch hier in Wien und ich hoffe, wir begegnen uns mal wieder.

Norbert Trawöger
Das hoffe ich auch sehr und ich bin immer dankbar im Gespräch und in Resonanz zu sein. Man muss Dinge ausformulieren. Es ist auch ein Bewusstseinsprozess im Gespräch zu sein, nachzuhaken, nachdenken zu müssen und überhaupt in Resonanz zu sein und Dialog zu sein. Was gibt es Schöneres?
Vielen dank Fabian.

Fabian Burstein

Danke, dass ihr beim Bühneneingang vorbeigeschaut habt. Ich würde mich freuen, wenn ihr den Podcast abonniert, in euren Netzwerk teilt und auf der Plattform eures Vertrauens mit fünf Sternen bewertet. Feedback und Geschichten aus dem Inneren des Kulturbetriebs sind natürlich herzlich willkommen. Schreibt mir am besten eine e Mail. Die Adresse findet ihr auf Bühneneingang at Bühneneingang mit ue. Alle Nachrichten werden natürlich streng vertraut behandelt. Dort auf gibts auch einen Link zu steady.
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Fabian Burstein

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