Große Töchter
Vincent-Immanuel Herr über männliche Verbündete

Beatrice Frasl
Hallo und herzlich willkommen bei Große Töchter. Schön, dass ihr wieder mit dabei seid. Schön, dass ihr wieder eingeschaltet habt.
Und wie immer möchte ich zu Beginn meinen neuen Supporter innen auf Steady danken. Danke Birgit, danke Eva, danke Svantje, danke Jelena, danke Marlena, danke Theresa, danke Nora Magdalena Julia und Lisa Victoria. Vielen lieben Dank euch. Dank euch kannst diesen Podcast geben und weitergeben. Und wenn ihr große Töchter auch supporten wollt, dann könnt ihr das am besten unter steadyhq.com/grossetoechterpodcast Der Link ist in den Shownotes. In der heutigen Folge ist Vincent Immanuel Herr zu Gast.
Vincent Immanuel Herr hat gemeinsam mit seinem Kollegen Martin Speer, mit dem er auch gemeinsam Workshops mit Männern macht, das Buch wenn die letzte Frau den Raum verlässt. Was Männer wirklich über Frauen denken geschrieben. Es ist im Ullstein Verlag erschienen. Ja, und in dem Buch geht es darum, wie Männer über Frauen sprechen in reinen Männerrunden, was sie über Sexismus denken, über Geschlechtergerechtigkeit. Und genau darüber unterhalten wir uns in dieser Folge. Und wir unterhalten uns auch darüber, welche Rolle Männer in feministischen Bewegungen haben können oder vielmehr, wie sie Verbündete sein können für feministische Kämpfe. Ich wünsche euch viel Freude mit der heutigen Folge.

Hallo lieber Vincent, vielen lieben Dank, dass du dir Zeit genommen hast heute für Große Töchter. Ich beginne alle meine Folgen mit der wer bist du und was machst du? Magst du dich vielleicht auch mal kurz vorstellen meinen Zuhörer innen gegenüber?

Vincent-Immanuel Herr
Sehr gerne, Beatrice, ich freue mich, hier zu sein. Ich habe von einem Podcast viel gehört. Eine Ehre und Freude, hier zu Gast zu sein. Genau, mein Name ist Vincent Immanuel Herr. Ich bin ursprünglich aus Berlin, Berater, Autor. Ich sehe mich auch selber als Feminist. Meine großen Themen sind Male Allyship, für Geschlechtergerechtigkeit, wie können Männer Verbündete für Frauen und gegen Sexismus werden.
Ich habe ansonsten auch noch gearbeitet im Bereich europäische Integration. Ich schreibe Bücher, ich berate Unternehmen. Und aktuell bin ich tatsächlich in Elternzeit ich habe Zwillinge und das beschäftigt mich ganz gut. Aber natürlich, das hängt auch mit dem Thema natürlich Geschlechtergerechtigkeit, Sorge, Arbeit. Diese ganzen Themen finde ich privat interessant. Ich finde sie aber auch für mein für meinen Beruf sozusagen spannend.

Beatrice Frasl
Du hast ja gemeinsam mit Martin Speer das Buch wenn die letzte Frau den Raum verlässt, was Männer wirklich über Frauen denken beschrieben. Das ist jetzt vor kurzem rausgekommen. Wie kam es denn zu diesem Buch?

Vincent-Immanuel Herr
Genau, Also Martin und ich arbeiten seit 2000. 1819 bieten wir Formate an, die nennen wir Safe Spaces, wo wir in Unternehmen, in Organisationen meistens nur mit rein Männergruppen sprechen und schauen, wo drückt bei Männern der Schuh, was Geschlechtergerechtigkeits und Gleichstellungsfragen angeht? Was sind die Sorgen, was sind die Perspektiven von Männern auf diese Fragen? Und wir haben halt in diesen mittlerweile Dutzenden von Gesprächsrunden und wir haben mit hunderten von Männern über die Jahre gesprochen, viele Trends feststellen können, dass Männer sehr ähnlich auf diese Fragen reagieren, sehr ähnliche Ausreden benutzen, sehr ähnliche Sorgen teilen. Und in dem Buch wollen wir das eigentlich protokollieren, dass wir mal aufzeigen, was sind die typischen Ausreden, Aussagen, Vorteile, die uns begegnen, wenn wir in reinen Männerrunden unterwegs sind. Und wir haben natürlich jetzt nicht mit allen Männern Deutschlands oder Österreichs oder der Schweiz gesprochen, aber schon mit einer recht großen Gruppe, auch einer relativ diversen Gruppe, auch jüngere Männer, ältere, mit und ohne Hochschulabschluss, kleine und große Unternehmen, teilweise in Behörden, im Militär, in Banken, an Universitäten und trotzdem feststellen können, dass die Vorurteile erstaunlich homogen in vielen Fällen sind. Und ich habe der konkrete Auslöser war, dass uns über die Jahre immer mal wieder auch Journalistinnen gefragt haben zu diesen Gesprächsrunden und auch gefragt haben, wie reden denn Männer über uns Frauen, wenn wir Frauen nicht mit dabei sind?

Und diese wiederkehrende Frage war auch Inspiration für das Buch, das einfach mal zusammenzufassen. Und auch so hoffen wir oder das war unsere Intention, einen ehrlichen, aber auch ein ungeschönten Blick zu ermöglichen, wo wir wirklich auch noch große Stellschrauben haben, wo wir große Problemfelder haben, was Männer und ihre Einstellung gegenüber Geschlechtergerechtigkeit und Frauen angeht.

Beatrice Frasl
Wie reden denn Männer über Frauen, wenn die letzte Frau den Raum verlassen hat?

Vincent-Immanuel Herr
Also grundsätzlich beschreiben wir es als mit weniger Filter. Also ich glaube, sie sind ehrlicher auf eine Weise, was diese Themen angeht. Sie sind auch kritischer, was Gleichstellungsmaßnahmen angeht, also teilweise sehr häufig ein fehlendes Verständnis z.b. gegenüber Frauenquoten als ein Beispiel, aber auch nur ein Beispiel. Da gibt es verschiedene Sachen, wo einfach Männer das Gefühl haben, es werde aktuell übertrieben, was diese Maßnahmen angeht. Es kommt häufig diese Sorge zu oder zeigt sich, dass Männer das Gefühl haben, sie wären als Männer benachteiligt, Frauen würden übervorteilt werden. Vorteile wie man wird bei uns nicht mehr befördert als Mann, sind sehr häufig generelle Sorgen, was die aktuelle Entwicklung sozusagen rund um Geschlechtergerechtigkeit, was das für das Männlichkeitsbild bedeutet, was das für Männer bedeutet.
Teilweise aber auch einfach typische männliche Vorurteile gegenüber Frauen, was Biologie angeht, dass Frauen angeblich die besseren Elternteile seien, aber auch, dass Frauen zu emotional seien für Führungspositionen. Also recht breites Spektrum, aber es lässt sich auch irgendwie gliedern in so bestimmte Vorurteilskategorien. Und wir nennen das in unserem Buch die eins plus drei Alibis. Das sind so die großen Ausrede Kategorien, sage ich mal, oder Entschuldigungskategorien, weshalb sich Männer bei dem Thema auch nicht besser engagieren.

Beatrice Frasl

Warum eins drei Alibis?

Vincent-Immanuel Herr
Wir hatten ursprünglich nur die drei Alibis. Das sind genau Frauen sind doch schon gleichberechtigt. Das ist ein reines Frauenthema und wir haben größere Probleme. Und dann ist uns aufgefallen, wir vergessen oder haben ein großes noch nicht erwähnt. Und das ist, es gibt auch einen Anteil von Männern, die wirklich Frauen eine Gleichberechtigung direkt oder in vielen Fällen indirekt absprechen. Also das Gefühl haben, Frauen gehören eigentlich nicht in Führungspositionen und Frauen hätten sich primär um Kinder und Haushalt zu kümmern und haben eigentlich in der Politik nichts zu suchen oder im Berufsleben. Das ist halt klassischer Sexismus.
Die gibt es auch. Und das ist halt für uns das Plus Eins oder das Alibi Nr. Null, wie wir das nennen.
Frauen verdienen keine Gleichberechtigung. Das wird ganz selten genauso gesagt. Also selbst in reinen Männerrunden sagen das Männer ganz selten so. Sie sagen aber so Stellvertreter Sachen wie naja, Frauen sind nicht geborene Führungskräfte. Oder teilweise wird auch eine Überraschung geteilt, wenn Frauen sich kompetent zeigen. Also jedem Fall schwingt da immer so eine Überzeugung mit, dass Frauen im Zweifelsfall etwas weniger kompetent, etwas weniger leistungsfähig sein als Männer, gerade wenn es um Führungspositionen geht.

Beatrice Frasl
Lässt sich das einschätzen, wie oft ihr mit Selbstreflexion und Empathie gegenüber Frauen oder ihren Anliegen konfrontiert seid und wie oft ihr mit sexistischen oder unverständigen Sprüchen irgendwie konfrontiert seid? Wie ist das Verhältnis?

Vincent-Immanuel Herr
Gute Frage. Also es gibt natürlich, ich will es jetzt auch nicht alle Männer über, einen Kamm scheren, das ist auch klar. Und im Buch fokussieren wir uns explizit auf die problematischen Aussagen. Wir reden also nicht so viel über die Männer, die uns auch begegnen, die durchaus selbstreflektiert unterwegs sind, die auch sagen, das Thema ist wichtig, wir müssen da was machen. Wir Männer haben eine Verantwortung. Diese Männer gibt es, sie sind aber seltener als die Männer, die mit Vorurteilen unterwegs sind. Ich kann es nicht ganz genau quantifizieren, aber in unseren Gesprächen ist der reflektierte Mann noch die Ausnahme.
Es gibt ihn. Und gleichzeitig muss man einfach sagen, wir schauen uns einfach mal die Zahlen an. Wie viele Männer nehmen wirklich eine lange Elternzeit? Wie viele Männer bringen nie sexistische Sprüche? Wie viele Männer arbeiten in Teilzeit, wenn sie kleine Kinder haben? Das sind ganz kleine Prozentsätze von Männern. Und das zeigt ja schon ein bisschen, wo wir eigentlich bei der Debatte stehen.
Das zeigt sich eben auch in unseren Gesprächen, dass selbst der wohlwollende Männer teilweise Vorurteile über Frauen hegen. Gerade was deren oft, wenn es um Sorgearbeit geht, also das Gefühl, naja, Frauen können es eben doch ein bisschen besser oder solche ganzen Geschichten. Also es gibt natürlich den beinharten Sexismus und dann gibt es ein bisschen mehr so den wohlwollenden Sexismus, kann man das vielleicht nennen. Das findet sich dann auch viel bei dem Durchschnittsmann wieder, wie wir ihn nennen. Also die größte Gruppe der Männer, die zwar keine beinharten Sexisten sind, die auch kein Interesse daran haben, wenn es Frauen schlecht geht, aber dennoch bestimmte Vorteile weiter verbreiten oder nicht hinterfragen.

Beatrice Frasl
Was mir ganz oft begegnet, ist so diese Grundannahme, dass man selber nicht gemeint ist, wenn Frauen über Sexismus sprechen und dass man selber irgendwie schon alles richtig macht und die eigene Beziehung ist total gleichberechtigt und so weiter und so fort. Begegnet euch das auch? Also diese Männer, die sich irgendwie als Feministen selber verstehen oder als profeministisch verstehen und die dann aber irgendwie auch ihr eigenes Verhalten gar nicht reflektieren?

Vincent-Immanuel Herr
Tatsächlich, ja, wir haben die Kategorie der Pseudo Feminist und da ist eine der großen Aussagen, ich bin ja selber kein Sexist. Und die ist sehr häufig, insbesondere wenn es um Gewalt an Frauen geht. Dann kommen auch so, ja, ich bin ja selber kein Schläger, ich mache das ja selber nicht, ich weiß gar nicht, wer das macht. Das sind bestimmt nur bedauerliche Einzelfälle. Also das ist sehr häufig auch eine defensive Haltung auch uns gegenüber, wenn wir das Thema ansprechen und auch sagen, Sexismus ein Problem, wo irgendwie alle Männer auch Teil von sind und Teil von Lösungen. Werden müssen, dass wollen viele Männer für sich nicht akzeptieren. Und das zeigt uns ja, dass Männer in erster Linie nicht verstehen, oder ich sage andersrum, wenn Männer das Wort Sexismus hören, denken sie primär und in vielen Fällen exklusiv an physische oder sexuelle Gewalt.
Das heißt, für Männer ist es oft schwer vorstellbar oder nicht Teil des Spektrums, dass Sexismus eben auch nicht physische Formen annehmen kann. Symbolische Gewalt z.B. potenzielle Gewalt, ökonomische Gewalt, sexistische Witze, wer unterbricht wen, welche Ideen werden ernst genommen? Von wem wird erwartet, Kaffee in einem Meeting bereitzustellen? Wer räumt die Geschirrspüler aus, ungefragt?
Wie redet man mit Frauen? Was wird von Kleidung erwartet? Das sind ja alles nicht physische Formen, die sind auch in der Regel nicht strafrechtlich relevant, aber sie sind eben dennoch auf eine Weise sexistisch und problematisch, weil sie eben Frauen in bestimmte Rollen drücken, weniger in bestimmten Bereichen mehr von Frauen erwarten, in anderen weniger von ihnen erwarten. Und diesen ganzen Komplex, gerade was nicht physische Diskriminierung und Sexismus angeht, da tun sich Männer sehr schwer mit. Und das erklärt dann auch diese defensive Haltung, weil man muss ehrlich sein, wenn man sich als Mann wirklich selbst reflektiert, muss eigentlich jedermann zugeben, dass er schon mal sexistisch unterwegs war. Und wie gesagt, nicht alle Männer sind Schläger. Die Mehrheit tut Frauen keine Gewalt an, das ist auch gut so.
Aber eigentlich jeder Mann hat sexistische Witze gemacht, jeder Mann hat sexistische Sprüche gemacht, dabei mitgelacht, Frauen unterbrochen, Stereotype über Frauen verbreitet. Und diese Ehrlichkeit, das ist ein erster Schritt in Richtung Male, weil wir Männer, wir Männer können keinen brauchbaren Beitrag leisten, solange wir davon ausgehen, dass wir persönlich nicht Teil des Problems sind. Wir müssen erst mal verstehen, wie hängen wir als Kerle damit drin und wie kann ich dann ab morgen sozusagen vom Teil des Problems zu Teil der Lösung werden.

Beatrice Frasl
Wie kann man sich denn diese Seminare und Workshops in der Praxis vorstellen, die ihr macht? Also ihr sprecht da mit Männern, bekommt da ganz viele Sexismen zu hören. Wie wird das dann aufgearbeitet oder was passiert dann in der Praxis, in diesen Kontexten?

Vincent-Immanuel Herr
Genau, normalerweise sprechen wir in einer Gruppe von 10 bis 15 oder 16 Männern. Meistens sind die aus Führungsposition mittleres Management sehr häufig, manchmal ein bisschen höher. Genau. Und das kann vor Ort stattfinden, da sitzen wir alle in einem Raum oder es findet auch sehr häufig virtuell statt, also irgendwie über Zoom oder Teams oder irgendwas. Und wir haben eigentlich so drei oder vier Teile am Anfang. Stell Martin jetzt kurz vor, alle Männer stellen sich kurz vor, warum sie hier in dem Raum sind, weshalb sie sich vielleicht auch angemeldet haben, was ihre Interessen sind. Und dann haben wir eine kurze anonyme Umfrage, wo wir einfach Männern fragen, was sind die Themen, die euch am Herzen liegen?
Wie seht ihr das? Und das nutzen wir oft als Grundlage einfach, wollen den Männern ja auch erstmal einen Raum geben, sich ein bisschen auszutoben, Dampf abzulassen, wirklich das Thema zu setzen, auch die Themen anzusprechen, die ihnen wichtig sind. Das sind häufig wiederkehrende Themen. Es geht viel um Geschlechter oder um Frauenquoten, das sind große Themen, Beförderungsfragen, aber auch ein bisschen Miteinander am Arbeitsplatz. Also wie darf ich als Mann überhaupt noch mit einer Frau sprechen? Kann ich noch irgendein Kompliment machen oder ist das dann gleich sexistisch? Solche Fragen kommen auch oft vor.
Und dann kommen wir irgendwann zu einem Punkt, die Männer, also wir reden einfach mit denen relativ locker. Martin Wir halten natürlich auch dagegen, wenn da jetzt irgendwelche krassen Sachen bei rauskommen, was auch vorkommen kann. Also das sehen wir als unsere Aufgabe, das einerseits zu moderieren und auch einen offenen Raum zu geben und andererseits natürlich, wenn Sachen einfach offensichtlich falsche Darstellungen sind, die auch zu korrigieren oder anzusprechen. Aber ein wichtiger Punkt des Safe Spaces ist, das nennen wir den Perspektivwechsel. Und wir sammeln in der Regel vorher in der Organisation, mit der wir arbeiten, anonymisiert Beispiele von Alltagssexismus von Frauen ein. Also was erleben Frauen in dieser Organisation? Nicht irgendwo anders, sondern wirklich in dem Haus.
Und das wird dann auf, das präsentieren wir auf zwei, drei Folien auf einer Präsentation. Die Männer lesen sich das einfach selber mal durch. Und da sind dann halt Beispiele, was Frauen sich anhören müssen, Sprüche, Verhaltensweisen, alle möglichen sehr unschönen Sachen, die Frauen wirklich leider bisher in jedem Unternehmen oder jeder Organisation, mit der wir gearbeitet haben, eben nach wie vor passieren, auch teilweise regelmäßig passieren. Und in dem Moment ändert sich, nicht immer, aber häufig ändert sich bei den Männern da was. Weil vorher haben die sehr locker darüber gesprochen, auch so ein bisschen theoretisch und alles, eine Relativierung findet auch häufig statt. Und plötzlich sehen sie schwarz auf weiß diese Beispiele von Alltagssexismus. Und in dem Moment ist der Raum sehr still und wir spüren bei zumindest vielen Männern schon einen kleinen Schockmoment, dass die sehr überrascht sind.
Es kommen oft so Sprüche ach, ich hätte nicht gedacht, dass es so was noch gibt oder hätte nicht gedacht, dass das heute noch passiert und ich hätte nicht gedacht, dass das bei uns passiert. Und das ist für uns wichtig, weil wir immer wieder feststellen, Männer tun sich schwer, sich bei dem Thema zu engagieren, solange sie denken, das Problem sind nur Einzelfälle, die weit weg passieren. Männer sind leichter zu aktivieren als Verbündete, wenn sie eben verstehen, dass das Thema wirklich Frauen im direkten Umfeld betrifft. Das kann in der Familie sein, das kann aber auch am Arbeitsplatz mit den Kolleginnen sein. Und danach ist der Ton in der Regel im Safe Space dann anders. Die Männer sind offener, sich auch für Lösungen zu engagieren oder zumindest zu überlegen, welchen Beitrag sie leisten können. Im letzten Teil besprechen wir oft diese Beispiele und schauen auch, was könnten Männer in so einer Situation machen?
Oder wie könnten Männer wirklich einen brauchbaren Beitrag leisten, dass es eben in der Firma nicht mehr zu solchen Vorfällen kommt. Genau, das ist so grob der Aufbau, den wir häufig verwenden.

Beatrice Frasl
Ihr sprecht im Buch ja auch von dem sogenannten zwei Welten Modell. Was ist denn damit gemeint? Kannst du das kurz ausführen?

Vincent-Immanuel Herr
Das ist für uns eigentlich eine Methodik, um männliches Privileg greifbar zu machen. Weil männliches Privileg ist einfach ein großer Begriff. Das fällt vielen Leuten schwer, sich vorzustellen, was das konkret bedeutet. Wir schauen uns also Räume im Alltag an, häufig den öffentlichen Raum, also eine Straße draußen irgendwo in der Stadt, den Meetingraum im Büro und die Küche zu Hause. Und diese drei Räume, das sind alles Räume, in denen die meisten von uns irgendwie täglich oder zumindest regelmäßig unterwegs sind. Wie anders fühlen sich diese Räume an, je nachdem, mit welchem Geschlecht ich in diesem Raum vertreten bin? Und da greifen wir teilweise auf Erfahrungen zurück, die wir gehört haben von Frauen, aber häufig auch auf Studien und Statistiken und schauen uns an, z.B. dass die durchschnittliche Frau sich im öffentlichen Raum deutlich unsicherer fühlt als der durchschnittliche Mann. Dass die durchschnittliche Frau deutlich häufiger verfolgt wird als ein Mann im öffentlichen Raum, dass sie angefasst wird, dass sie sexistisch angesprochen wird. Das sind wirklich erschreckende Zahlen. Wenn man sich die Küche anschaut, da geht es natürlich um Sorgearbeit. Was bedeutet die Küche also auch als physischer Raum? Welche Erwartungen kommen mit diesem physischen Raum? Und die Erwartungen sind unterschiedlich für Frauen, die Erwartungen, die an Männer gestellt werden.
Von Frauen wird erwartet in vielen Fällen, dass Sorgearbeit primär ihre Aufgabe ist. Frauen und Mädchen machen in den meisten Ländern dreimal so viel Sorgearbeit wie Männer. Das hat große Auswirkungen natürlich auf Karrieremöglichkeiten, auf politisches Engagement und so weiter. Und im Meetingraum schauen wir uns auch an, wie fühlt sich ein durchschnittliches Meeting in einem Unternehmen für eine durchschnittliche Frau und einen durchschnittlichen Mann an. Und das sind wieder Unterschiede. Frauen werden deutlich häufiger unterbrochen. Frauen haben in der Regel weniger Sprechzeit, Redezeit, ihre Ideen werden weniger ernst genommen. Von Frauen wird häufig erwartet, dass sie Protokoll führen, dass sie Kaffee machen, dass sie das Licht ausschalten danach.
Das ist oft sehr implizit, das gar nicht so ganz direkt, aber es ist halt irgendwie Teil einer Kultur im Meetingraum. Und wie gesagt, das passiert nicht in jedem Meeting. Es gibt bestimmt Organisationen, die das richtig gut im Griff haben, wo das ordentlich geteilt wird, wo Frauen die gleichen Redeanteile haben, aber im Durchschnitt eben nicht. Und das ist uns wichtig aufzuzeigen. Und das, was wir hier in diesen drei Räumen sehen, und vielen anderen könnte man sich das auch noch anschauen, ist männliches Privileg, dass Männer, wenn die in die Öffentlichkeit gehen, sich weniger Gedanken um ihre Sicherheit machen müssen. Wenn sie in einem Meeting sind, müssen sie sich weniger Gedanken machen, darüber unterbrochen zu werden und weniger Gedanken, nicht ernst genommen zu werden. Sie müssen sich weniger Gedanken darüber machen, was es bedeutet, sich um den Haushalt zu kümmern.
Und das ist männliches Privileg, weil Frauen diese Privilegien oft, nicht alle Frauen, aber viele Frauen haben diese Privilegien nicht im gleichen Maße wie Männer. Und das hilft uns und es hilft, glaube ich, auch den Männern, mit denen wir arbeiten, das zu verstehen. Es ist eben nicht nur ein theoretisches, soziologisches Konzept, mit dem wir es zu tun haben, sondern es hat praktische Auswirkungen darauf, wie ich als Frau oder als Mann oder auch als queere Person meinen Tag gestalten und durchleben kann.

Beatrice Frasl
Du hast vorhin schon gesagt, ein großes Thema ist das Thema Quoten und Beförderung. Das ist wahrscheinlich dem Kontext geschuldet, in dem ihr diese Seminare macht, weil es eben professionelle berufliche Kontexte sind. Aber was sind denn da die Sorgen oder die Anliegen, mit denen Männer kommen, wenn es um das Thema Quote geht oder Beförderungspolitik im Unternehmen?

Vincent-Immanuel Herr

Also grundsätzlich eine große Sorge davor, dass Unternehmen nicht mehr aufgrund von Kompetenz befördern würden, sondern rein aufgrund von weiblichem Geschlecht. Also ganz häufig. Naja, bei uns, der Spruch ist sehr häufig, wir entscheiden nach Kompetenz, nicht nach Geschlecht, deswegen führen wir keine Frauenquoten ein. Das ist ein Beispiel davon. Oder andersrum, wenn eine Frauenquote eingeführt wird, dann bei uns wird man eben nur noch befördert, wenn man eine Frau ist. Das Interessante ist, wenn wir uns die Zahlen anschauen, stimmt das in der Regel nicht. Das heißt, wir haben auch mit Unternehmen gearbeitet, wo Männer uns das immer wieder sagen.
Dann schauen wir uns die tatsächlichen Zahlen an, haben wir uns dann von der HR Abteilung geben lassen und dann zeigt sich, in den letzten zwei, drei Quartalen wurden mehr als Frauen, mehr Männer als Frauen befördert. Das heißt, die Sorge der Männer vor einer nicht Beförderung ist deutlich größer als die tatsächliche Situation vor Ort. Und dennoch ist die Sorge riesig. Das heißt, wir hören auch häufig Anekdoten. Also sehr häufig erzählen uns dann Männer entweder von sich selber, häufiger aber noch von einem Kollegen, den sie irgendwie kennen, der trotz hoher Qualifikation nicht befördert wurde und eine Frau wurde bevorzugt. Also Männer benutzen das Wort nicht so häufig, aber der ganze Komplex rund um die Quoten Frau ist einfach sehr präsent im männlichen Denken. Und hier wird in vielen Fällen wirklich davon ausgegangen, dass es einfach unfair sei, dass Quoten nicht gerecht seien, dass sie Männer benachteiligen würden, dass sie Frauen übervorteilen würden.
Und teilweise entsteht einfach der Ausdruck, dass Frauen auch ohne jegliche Qualifikation befördert werden würden. Das stimmt in fast keinen Fällen. Normalerweise gilt ja, bei gleicher Qualifikation wird die Frau bevorzugt und sowas. Das heißt, die Frauen bringen durchaus Qualifikationen mit, sogar teilweise sehr hohe, teilweise auch höhere als Männer. Aber das Gefühl ist eben ein anderes. Das Gefühl ist, dass wir uns in einem ungerechten Kontext bewegen, in dem einfach aufgrund von politischen Willen, gesellschaftlichen Konsens und so weiter, einfach Männer benachteiligt werden würden. Also generell diese Sorge vor männlicher Benachteiligung ist sehr groß.
Die begegnet uns in verschiedenen Ebenen. Wir hören halt häufig auch, egal eigentlich, über welches Thema wir sprechen, auch wenn selbst beim Thema Gewalt an Frauen, dass irgendein Mann in unseren Vorträgen z.B. dann auch sich zu Wort meldet und na ja, wir müssen aber auch über Gewalt gegen Männer sprechen und all diese Themen gibt es. Aber es ist halt oft auch eine Verschiebung der Fragestellung und auch ein bisschen ein Ablenken natürlich. Von daher, das sind so die großen Sorgen, die wir sehen, dass wir die Probleme der Männer nicht ernst nehmen würden als Gesellschaft, dass Frauen übervorteilt werden würden, dass aktuell Frauen ja schon viel mehr gefördert werden würden, dass Frauen gleichgestellt seien und deswegen alles obendrauf einfach dann auch nicht mehr gerecht sei.

Beatrice Frasl
Wie denkst du, kommt es denn oder woher kommt diese falsche Wahrnehmung, die Männer da haben?

Vincent-Immanuel Herr
Also unsere Antwort ist da relativ Männer verstehen das Problem nicht, weil die es selber nicht erleben. Und weil die es nicht erleben, gehen die davon aus, dass das Problem entweder nicht existent ist oder überschaubar und eben diese bedauerlichen Einzelfälle sein. Also Männer verstehen nicht die strukturelle Ebene, sondern haben das Gefühl, Sexismus mag vorkommen, das ist aber eher das ist ein Einzelfall, das ist ein schlechter Mann, ein schlechterzogener Mann, der irgendwo was falsch gemacht hat. Aber das hat keine, sozusagen keine, daraus können wir keine Rückschlüsse ziehen auf Männer insgesamt oder System insgesamt. Das heißt, diese systemische Komponente wird einfach übersehen, weil Männer es nicht selber leben. Und ich weiß es bei mir selber, ich bin eben weißer deutscher Kerl, ich erlebe keinerlei Form von Diskriminierung. Und ich beschäftige mich ja irgendwie durch meine Arbeit viel mit dem Thema.
Ich lese viel dazu, ich spreche viel mit Frauen dazu. Und dennoch, ich kann mich intellektuell da reindenken, aber ich kann nicht wirklich verstehen, wie es sich anfühlt. Und das geht eigentlich allen Männern so. Und wenn man, ich glaube, das ist einfach wichtig, dass wir das bei Männern verstehen. Und ich will Männer nicht entschuldigen, aber ich glaube, ein Großteil der Skepsis gegenüber Gleichstellungsmaßnahmen fußt nicht auf einem tatsächlichen Böswilligkeit der Männer, sondern einfach auf Ignoranz dem Thema gegenüber. Dass Männer wirklich nicht verstehen, wie groß das Problem ist, wirklich nicht verstehen, was struktureller Sexismus für Frauen und Mädchen für fast jedes, Jede Frau, für fast jedes Mädchen im Alltag bedeutet, welche Rolle sie spielen könnten, das zu überkommen. Und dieses fehlende Wissen, diese Ignoranz, die sehen wir wirklich als das größte Problem, mit der das aktuell zu tun, mit dem wir es aktuell zu tun haben.

Beatrice Frasl

Welche Verantwortungen oder welche Verantwortung haben denn Männer, wenn es um Gleichberechtigung geht, deiner Meinung nach?

Vincent-Immanuel Herr
Ich glaube, die haben eine große Verantwortung. Ich würde es mal so sagen. Das ist, für mich ist Gleichberechtigung kein Frauenthema. Es ist ein Thema, das uns alle betrifft, von dem wir, wenn wir das lösen würden, auch alle profitieren. Und Frauen haben ihren Anteil an der Lösung mehr als erfüllt und erfüllen den jeden Tag deutlich über das hinaus, was sie eigentlich machen sollten oder den Beitrag, den sie leisten müssten. Wer halt wirklich bisher gar nichts gemacht hat oder sie wenig gemacht hat, sind wir Männer. Und deswegen, es ist in unserer Verantwortung, da einfach wirklich aufs Gaspedal zu treten, wenn man so will, und wirklich sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen.
Und eben insbesondere auch zu verstehen, dass es bei dieser Frage keinen neutralen Boden gibt. Ich kann mich als Mann nicht raushalten ohne Konsequenzen. Wenn ich nichts sage bei dem Thema, dann legitimiere ich das aktuelle System, das eben patriarchal und diskriminierend gegenüber Frauen, Mädchen und queeren Menschen ist. Und deswegen diese Neutralität zu verlassen und zu sagen, ich muss mich entscheiden, ich bin Teil der Lösung oder ich bin Teil des Problems. Ich kann nicht dritte Option wählen. Das ist für Männer aus meiner Sicht nach sehr wichtig. Die Frage müssen wir uns als Männer sehr ernsthaft stellen. Und jetzt ganz persönlich eigentlich kann kein Mann Interesse daran haben, in einem Gesellschaftssystem, einem Wirtschaftssystem zu leben, in dem unsere Schwester, Schwestern, Mütter, Freundinnen, Ehepartnerinnen, Töchter, Kolleginnen dieser strukturellen sexistischen Gewalt ausgesetzt sind.
Deswegen haben wir ein ganz persönliches Interesse, wirklich hier auf Lösungen hinzuarbeiten und uns eben wirklich auch mit Verantwortung einzubringen.

Beatrice Frasl
Ich werde ganz, ganz eine der häufigsten Fragen, die mir gestellt werden, ist Feminismus schon gut so, alles total wichtig, aber es geht halt nicht, weil wir die Männer nicht ins Boot bringen oder die Männer nicht ins Boot holen. Und wie können wir denn die Männer ins Boot holen? Und es ist eine Frage, die mich immer so ein bisschen wütend macht, weil ich mir immer denke so, es ist jetzt nicht irgendwie meine Aufgabe als Feministin, mich auch noch darum zu kümmern, die Männer irgendwie auch dahingehend noch zu erziehen, dass sie sich für Feminismus interessieren. Und ich finde tatsächlich, dass das auch so ein bisschen die Aufgabe von Männern selber ist. Wie kann man denn, also ich stelle die Frage jetzt dir. Also wie können Männer andere Männer zu Verbündeten machen?

Vincent-Immanuel Herr
Ich glaube, das ist ein zentraler Punkt, den du ansprichst. Die Aufgabe von Männern als Verbündeten ist nicht, Frauen irgendwas zu erklären, sondern anderen Männern was zu erklären. Und das ist, das ist sehr wichtig, weil ich glaube, Männer schießen auch manchmal übers Ziel hinaus, haben das Gefühl, die müssen jetzt den Feminismus für Frauen übernehmen. Darum geht es mir nicht. Es geht wirklich darum, diese Arbeit, diese auch Erziehungsarbeit, wie du genannt hast, mit anderen Männern zu machen. Das heißt, die wichtige Aufgabe eines Verbündeten ist wirklich, wir nennen das Brückenbauer oder Türöffner für andere Männer zu sein. Und zwar insbesondere dann, wenn Frauen nicht da sind, also in reinen Männerrunden.
Und ich glaube, eine der wichtigsten Beiträge, die Männer machen können, ist eben eine Normalisierung von Sexismus zu beenden. Als Beispiel, wenn in einer reinen Männerrunde sexistische Sprüche gemacht werden, wenn da nichts dagegen gesagt wird, dann wird der Spruch als normal empfunden. Dann gilt es als männliche oh, wir bringen diese Sprüche, das ist völlig normal, alle lachen mit oder sagen gar nichts. Und damit ist es die Sache irgendwie auch durch. Wenn jetzt ein Mann in so einer Situation was gegen den Spruch sagt und sagt Hey, das gefällt mir nicht, das finde ich irgendwie unangemessen, finde ich respektlos gegenüber Frauen, dann hat das in vielen Fällen tatsächlich eine Wirkung. Also oft haben wir auch viele Berichte gehört, werden dann solche Sprüche nicht mehr gebracht in der Zukunft, weil eben der eigene Kumpel was gesagt hat. Und gleichzeitig unterbindet es eben diese Normalisierung von Sexismus.
Und das ist wichtige Aufgabe von Männern, gerade in Männerrunden für ein neues Normal einzutreten. Ein Normal, in dem es eben, in dem Männer mit Respekt über Frauen sprechen, indem sie genau nicht nur Stereotype bedienen, sondern eben bei sexistischen Witzen was sagen und gleichzeitig irgendwie auch positiv über Frauen sprechen. Das geht ja und Männer machen das ja auch, aber halt noch nicht so häufig, wie wir das gerne hätten. Und deswegen gerade diese reinen Männerrunden, die aufzubrechen durch männliche Verbündete, die da eben die Flagge hochhalten für ein respektvolles Miteinander, das ist wichtige Aufgabe von Verbündeten. Und das ist ja eigentlich kein Hexenwerk. Das ist jetzt auch nicht irgendwie was völlig absurdes oder ganz theoretisches, sondern es geht ja bei Male Ellaship wirklich einfach nur darum zu erkennen, dass wir respektvoll miteinander leben wollen, dass wir irgendwie auf Augenhöhe unterwegs sind, dass wir einander anerkennen und gleiche Chancen und Zugänge haben. Und das ist keine radikale Forderung.
Und wenn Männer dafür einstehen, ist das in erster Linie auch einfach nur eine das Ausleben einer wirklich eines menschlichen Wunsches nach einem guten Miteinander und dafür einzustehen kann auch eine sehr männliche Aufgabe sein.

Beatrice Frasl
Du hast jetzt meine nächste Frage vielleicht schon beantwortet, aber ich stelle sie trotzdem noch. Und wenn du sie schon beantwortet hast und nicht mehr nichts mehr dazu sagen möchtest, dann lassen wir sie einfach raus. Aber was bedeutet das denn für dich, ein männlicher Verbündeter zu sein? Für feministische Kämpfe oder für Gleichberechtigung?

Vincent-Immanuel Herr
Verschiedene Sachen. Ich glaube, das eine ist der erste Schritt, den wir auch im Buch anführen, auch in unserer Arbeit für Männer, die Verbündete sein wollen, ist wirklich zuzuhören. Also von Frauen zu lernen, Bücher von Frauen zu lesen, weiblichen Expertinnen zu folgen, deren Stimmen sozusagen ins eigene Leben zu bringen, aber auch Fragen zu stellen, zuzuhören und gleichzeitig auch nicht immer eine Antwort zu erwarten. Das heißt genau, ich glaube, wie du es gesagt hast, ich höre das häufig von Frauen, ich finde das sehr nachvollziehbar. Ist es jetzt auch nicht die Aufgabe von Frauen, Männer wieder alles zu erklären? Das ist, das ist genau richtig. Also auch als Mann zu wissen, wann ist Fragenstellen gut und wann ist es gut, wenn ich mich auch irgendwie selber weiterbilde.
Man kann auch einfach schön Bücher lesen und Feministinnen folgen. Das ist eben auch die andere Möglichkeit. Zuzuhören, aber in jedem Fall als Mann anzuerkennen, dass wir als Männer Limitierungen haben, was das Verständnis des Problems angeht, weil wir es nicht selber erleben. Und viele Männer gehen ja so rein, so nach dem Motto das da haben wir in dem Buch auch die Kategorie der Statistiker, der ich betrachte das Problem noch objektiv und verstehe das alles, und dass das eigentlich für Männer nicht richtig funktioniert. Das heißt, wir können das Problem immer nur indirekt verstehen. Das heißt, wir müssen von den Personen lernen, die direkt betroffen sind. Das sind Frauen, das sind queere Menschen, und sei das durch direkte Gespräche oder durch das Lesen von Büchern und so weiter.
Aber in jedem Fall erstmal akzeptieren, dass wir bei dem Thema keine Deutungshoheit haben und wirklich regelmäßig lernen müssen. Und das ist auch nicht einmal und dann war es, dann war es das, sondern das ist ein regelmäßiger Prozess, wo wir männer Fragen stellen, auch selbstkritisch sein dürfen, auch Kritik annehmen können. Das fällt mir auch nicht immer so leicht. Ich habe zum Glück starke Frauen um mich herum, die mich auch zurückpfeifen, wenn ich irgendwie mal ein bisschen mit dem Kopf durch die Wand will oder so. Und da dann Kritik anzunehmen, okay, ich habe es zwar gut gemeint, aber irgendwie der Effekt war nicht so, wie es hätte sein sollen. Da dann einfach auch sich als Mann zu sagen, okay, ich nehme die Kritik an und versuche es morgen besser zu machen. Und Der andere Punkt, den ich hier vielleicht noch hinzufügen würde, es gibt keinen Mann als perfekten Verbündeten.
Das heißt, als Mann kann ich nicht einfach morgen anfangen und ich bin der perfekte Kerl, der alles verstanden hat, sondern es ist ein kontinuierlicher Prozess, wo wir uns, wo wir als Männer wirklich mit Freude auch an der Sache sein können und gleichzeitig auch anerkennen, wir werden Fehler machen, wir werden übers Ziel hinausschießen, wir werden Sachen übersehen, einfach weil wir sie selber nicht erleben. Dann aber offen zu sein, das zu reflektieren und es einfach am nächsten Tag ein bisschen besser zu machen. Also dieser kontinuierliche Prozess, der ist für mich wichtig, der hört auch, glaube ich, unser Leben lang nicht auf. Und gleichzeitig macht er eben auch Spaß, weil er wirklich eine, in meiner Erfahrung, eine deutlich vertiefte Beziehung zu Frauen ermöglicht. Wenn ich als Mann diese tiefen Gespräche führe, nicht immer das Gefühl, ich muss Frauen alles erklären oder alles relativieren, sondern wirklich zuhöre, anerkenne, die erleben Sachen, die ich nicht erlebe. Ich habe hier viel zu lernen, ich kann aber auch einen großen Beitrag leisten. Das macht in meiner Erfahrung nach Beziehungen besser, es macht die stärker, es ist ja auch ehrlicher.
Wir reden nicht mehr so aneinander vorbei, sondern wir führen wirklich tiefe Gespräche, wir nehmen einander ernst. Von daher male Eldership ist Arbeit, aber es kommt eben auch wirklich mit vielen Vorteilen, was Beziehungsqualität insbesondere angeht.

Beatrice Frasl
Eine Vorstellung, die Menschen ganz oft haben, wenn es um das Thema Sexismus geht, ist, dass das etwas ist, was sich mit der Zeit von alleine erledigen wird. Also diese Vorstellung von ja, es gibt jetzt vielleicht noch sexistische Männer, aber das sind eben, wie du gesagt hast, Einzelfälle so, aber die werden irgendwann aussterben und die neue Generation ist ja ganz anders und sozusagen sind so wie Dinosaurier, die irgendwann aussterben und dann das ergibt sich alles von alleine. Also hast wie ist dein Eindruck? Müssen wir nur warten, bis die Sexisten ausgestorben sind?

Vincent-Immanuel Herr
Ich glaube, so einfach wird es leider nicht. Also was schon richtig ist, grundsätzlich ist eine jüngere Generation von Männern, auch was z.B. gerechte Sorgearbeitsverteilung angeht, geschlechtergerechte Sprache und so weiter, ist in einigen Fällen etwas moderner oder fortschrittlicher aufgestellt als Männer, die 20, 30 Jahre älter sind. Aber auch nicht in einem so gravierenden Maße, dass wir da uns einfach drauf verlassen können, dass das von selber rauswächst. Wir haben teilweise auch die andere Erfahrung, dass wir mit Männern, wenn wir auch mit verschiedenen Altersgruppen arbeiten, manchmal sind Männer in ihren er Jahren deutlich offener dem Thema gegenüber. Teilweise auch, weil sie ja, die sind schon oben irgendwo in der Führungsposition angekommen. Die haben keine Sorge mehr von einer fehlenden Beförderung.
Teilweise haben die dann Töchter, die sind Anfang 20 und werden von ihren Töchtern teilweise regelrecht erzogen, was das Thema angeht. Und diese Männer sind manchmal feministischer eingestellt als junger Mann mit Ende 20, der das Gefühl hat, er wird nicht mehr befördert. Frauen werden links und rechts übervorteilt und er als Mann bleibt auf der Straße. Von daher die Sorge auch unter jungen Männern ist sehr präsent. Vorteile unter Jungmänner sind sehr präsent. Da gibt es ja auch einige interessante Umfragen, zumindest in Deutschland auch der letzten zwei, drei Jahre, die da auch erschreckende Erkenntnisse geliefert haben. Also wir können, ich glaube, wir können da nicht drauf warten, dass da selber, dass sich das einfach irgendwie klärt, sondern gerade jetzt ist es so wichtig für Männer aller Generation, aber auch insbesondere jüngerer, da mit Selbstverständlichkeit einfach eine neue Form von Männlichkeit vorzuleben, mit Selbstverständlichkeit Elternzeit zu nehmen, in Teilzeit zu arbeiten, mit Kleinkindern, mit Frauen respektvoll umzugehen, Male Allyship zu Leben, dieses Zuhören, dieses Selbstreflektieren zu üben, durchzuführen.
Da kommen wir nicht drumherum. Also Männer machen bisher zu wenig, und das sehen wir eben auch in der Langsamkeit der Veränderung aktuell.

Beatrice Frasl
Nehmt ihr wahr, dass sich auch sexistische Überzeugungen verändern? Also nicht nur im Sinne von sie werden weniger, sondern auch, sie haben vielleicht ein anderes Gewand. Ist das etwas, was ihr wahrnehmt oder eher nicht so?

Vincent-Immanuel Herr
Nicht jetzt im großen Maß, tatsächlich in dem Sinne. Vorteil von Männern gegenüber Frauen erstaunlich unkreativ. Also es sind sehr ähnliche Muster, das haben wir im Buch häufiger gesprochen, die sich irgendwie immer wiederholen und von jüngeren Männern ähnlich teilweise gehabt oder sich da zeigen wie bei älteren Männern. Was schon in der jüngeren Generation vorkommt, da bin ich jetzt kein Experte zu. Wir sprechen es im Buch auch relativ kurz an. Wir nennen das der Wolf im Feministenpelz ist. Das hat auch teilweise über der Pickup Artist Szene ist unter jungen Männern eine Art Überlegung, welche psychologischen Tricks kann ich anwenden, um jetzt ganz salopp gesagt Frauen ins Bett zu kriegen.
Teilweise auch kann ich mich sensibel möglicherweise sogar als Feminist präsentieren, mit dem Ziel, eigene Vorteile rauszuziehen. Meiner Erfahrung nach ist das keine große Gruppe an jungen Männern, die so vorgeht, aber sie gibt es schon. Ich bin auch kein großer Experte wirklich zur Pick up Artist Szene. Ich weiß aber, dass das Übereinschneidung mit diesem Typus Mann hat. Das gibt es durchaus. Das vermute ich, gab es in der Art jetzt noch nicht bei älteren Generationen. Aber grundsätzlich sind die Vorurteile verhältnismäßig homogen über die Generation hinweg, würde ich sagen.

Beatrice Frasl
Kannst du vielleicht noch mal zusammenfassen, was so die häufigsten Vorurteile sind, die immer wieder auftauchen? Das eine war schon die Übervorteilung von Frauen. Das ist etwas, was scheinbar oft kommt. Was sind noch so die wichtigsten Punkte?

Vincent-Immanuel Herr
Also generell die Übervorteilung von Frauen, dahinter steckt ja diese Überzeugung, Frauen seien schon gleichberechtigt. Das ist eigentlich das häufigste Vorteil. Da gibt es tausend Variationen von. Aber die Grundüberzeugung, dass das Problem eigentlich erledigt sei und alles, was wir hier machen, ist irgendwie Schabernack und hat eigentlich nichts mehr, ist eigentlich nicht nötig. Da kommen dann Verweise auf das Grundgesetz oder Verfassungen, auf Gesetz Gesetzgebungen, häufig auch auf Frauen in hohen Führungspositionen, Angela Merkel, Christine Lagarde, Ursula von der Leyen. Da so ein bisschen naja, schaut es euch doch an, die Frauen sind doch irgendwie ganz oben angekommen und so weiter. Also wirklich ein fehlendes Verständnis, dass das Problem überhaupt noch existiert.
Das ist das häufigste Vorteil, dem wir begegnen. Alibi Nr. Zwei ist ja das Delegieren der Lösung an Frauen. Das ist sehr häufig, also dass sie mit Unternehmenskontexten, dass Männer sagen, naja, das Dei Team kümmert sich darum, Die Gleichstellungsbeauftragte kümmert sich darum, HR kümmert sich darum. Das sind ja alles Abteilungen, die meistens Großteils oder exklusiv von Frauen geführt werden. Also ganz häufig eine Art Verschieben der Lösung. Ich als Mann habe damit nichts zu tun, können sich andere gerne drum kümmern, gerne auch nur mit einem kleinen Budget.
Also das ist sehr häufig. Und das dritte ist ja die Relativierung des Problems. Also wir haben größere Probleme, da wird das dann verglichen mit anderen Problemen, gerade jetzt natürlich auch in Zeiten, wo die Wirtschaft vielleicht nicht ganz so, nicht ganz so rund und ganz so sauber läuft, wird dann gern auch der Rotstift wieder bei Geschlechterfragen oder Geschlechtermassnahmen angesetzt. Das wird dann häufig als reines Luxus Thema verstanden, das man gerne machen kann, wenn alles gut läuft, aber wenn es ein bisschen schwieriger ist, dann wird da gerne zuerst gekürzt. Und gleichzeitig übersehen ja Männer hinter diesem Vorurteil auch die wirklich volkswirtschaftlichen und auch betriebswirtschaftlichen Vorteile von geschlechtergerecht, dass wir eben, wenn wir mehr Frauen in Führung haben, Unternehmen in der Regel, die sind resilienter, sind kreativer, die sind anpassungsfähiger, auch gerade in Krisenzeiten. Also da verpassen Männer auch einfach viel Potenzial und Chance. Es geht ja nicht nur darum, Frauen gefallen zu tun, sondern auch zu erkennen, gerade als Führungspersonal in wirtschaftlichen Kontexten, welche Chance auch in Geschlechtergerechtigkeit am Arbeitsplatz steckt.
Und das übersehen viele Männer auch fundamental.

Beatrice Frasl
Ich finde ja, also diese Idee, dass Frauen schon gleichberechtigt wären, das finde ich so spannend, weil es gibt wahrscheinlich keinen Mann, der nicht in irgendeiner Weise in Beziehung zu einer Frau steht. Sei es die Mutter, sei es die Schwester, sei es eine Freundin, sei es die eigene Partnerin, Arbeitskolleginnen. Also es ist so, ich verstehe nicht ganz, wie Männer denn überhaupt zu dieser Annahme kommen, weil man braucht ja nur mit Frauen sprechen, um zu erfahren, dass es nicht so ist. Also.

Vincent-Immanuel Herr
Ja, aber das ist ein großes wenn, also ein großes aber dieses man muss ja nur mit Frauen sprechen. Ich würde es mal postulieren, also Männer sprechen mit Frauen, aber ich bin mir nicht sicher, wie häufig sie kritisch über diese Fragen sprechen und zuhören. Richtig. Also ich weiß es selbst bei mir, dass mit meiner Frau ich manchmal ihr auch diese Fragen stelle und teilweise immer noch überraschendes höre, was sie mir erzählt, was sie im öffentlichen Leben erlebt, oder ich weiß das von anderen Männern, den werde ich einen Tipp geben, such dir mal eine Frau aus, mit der du eine vertrauensvolle Beziehung hast. Frag sie mal, wie sie das Thema lebt, wie sie Sexismus erlebt. Und da kommt der junge Mann am nächsten Tag zu uns zurück und sagt, boah, ich hatte ja keine Ahnung, was das, was alles noch los ist. Also viele Männer sind wirklich überrascht, wenn sie mir ernsthaft diese Fragen stellen und zuhören.
Selbst bei Frauen, mit denen sie teilweise schon langjährig zusammenleben. Und das sagt ja auch, wie gesagt, das ist, mag nicht in jeder Beziehung zu sein, aber ich glaube, es sagt auch ein bisschen was aus über wirklich fehlende Kommunikation und möglicherweise auch fehlende Bereitschaft bei vielen Männern, wirklich da unvoreingenommen zuzuhören. Es ist halt interessant, wir haben wirklich auch viele Frauen gefragt, was wünscht ihr euch am meisten von Männern? Die häufigste Antwort ist, hört uns zu. Und das ist eigentlich ein Armutszeugnis gegenüber Männern. Teilweise machen wir das, viele von uns lange nicht gut genug und lange nicht häufig genug. Von daher, es klingt einfach und ist in der Praxis auch nicht schwierig.
Zuhören ist jetzt keine Meisterleistung und gleichzeitig scheinen selbst da wir Männer häufig das nicht gut zu praktizieren oder häufig genug zu praktizieren. Von daher, ich glaube, wenn Männer zuhören, lernen sie viel. Aber ob die das immer aktuell tun, stelle ich mal in Frage.

Beatrice Frasl
Du hast schon gesagt, dass ihr zu Beginn oder für die Vorbereitung dieser Workshops und Seminare auch Frauen immer fragt, was sie in den Betrieben und Unternehmen erleben an Sexismen. Was sind so da die häufigsten Dinge, die Frauen erleben?

Vincent-Immanuel Herr
Es sind also im weitesten Sinne, würde ich sagen, Situationen, wo Kompetenz von Frauen unterschätzt wird. Also alles mögliche. Das kann von so vermeintlich sehr unauffälligen Sachen wie eine Überraschung sein. Ach, Frau Müller, das haben sie ja gut gemacht. Sowas hören Männer nicht. Also dieses, man ist überrascht, wenn eine Frau sich kompetent zeigt, bis hin zu etwas gröberen Sachen natürlich irgendwie, sie gehören nicht in die Führungsetage, ihre Kernkompetenz ist der Haushalt, solche Geschichten, das hören Frauen auch häufiger. Einfach generell das Gefühl oft bei Terminen mit Kunden, dass sie als Frau nicht ernst genommen werden.
Also das z.B. dass wenn Leute Expertise suchen, immer der männliche Kollege angesprochen wird, sie als Frau übersehen werden. Das ist ein relativ häufiges Muster. Da gibt es natürlich alle möglichen sexistischen Sprüche, die sich Frauen anhören müssen. Aber ich würde sagen, generell eine Abschätzung oder Abwertung von weiblicher Kompetenz am Arbeitsplatz, das ist, würde ich sagen, wenn man zusammenfassen würde, ist das das häufigste, was wir lesen.

Beatrice Frasl
Lieber Vincent, ich habe jetzt meine Fragen alle gestellt. Gibt es noch irgendetwas, was ich nicht gefragt habe, was dir noch wichtig wäre, das du gerne noch sagen würdest?

Vincent-Immanuel Herr

Ich hatte schon angesprochen, aber ich möchte es noch mal ansprechen, weil das, glaube ich, auch für Männer wichtig ist. Es geht bei Male Allyship nicht darum, dass wir als Männer Arbeit für Frauen machen oder Frauen retten in irgendeiner Weise, sondern dass wir unsere Arbeit leisten, unsere männliche Arbeit als Teil für gesellschaftliche Veränderung, von der wir auch profitieren. Frauen machen ihre Arbeit oder seit Jahrzehnten sind Frauen an diesem Thema dran und fordern und machen Vorschläge und bitten manchmal nett, manchmal energischer und sind da wirklich mit erstaunlicher auch Konsistenz am Ball geblieben. Und wir Männer haben die Aufgabe, da wirklich unseren Beitrag zu leisten. Ist aber nicht für Frauen zu machen oder auch nicht besser als Frauen zu machen. Ich sehe schon, oder andersrum, ich glaube, als männlicher Verbündeter muss man da auch an das Thema sensibel rangehen. Frauen haben die Deutungshoheit, was Geschlechtergerechtigkeit angeht, was Feminismus angeht.
Und wir Männer haben wichtigen Beitrag zu leisten. Aber es passiert ihnen, glaube ich, auch schnell, dass wir Männer unseren eigenen Beitrag überschätzen. Und da sind wir wieder in der Pseudo Feministen Falle, wie wir das vielleicht auch im Buch manchmal nennen. Und das ist mir einfach wichtig, als Männer wirklich darauf zu achten oder dass wir Männer darauf achten, sensibel ranzugehen, immer wieder zu fragen, offen zu sein für Kritik und zu verstehen. In erster Linie ist unsere Aufgabe, von Frauen zu lernen und dann auf Männer einzuwirken, diese Brückenbauer für andere Männer zu sein. Das ist unsere Aufgabe. Genau. Von daher, das ist ein wichtiger Punkt, der häufig übersehen wird von Männern, die dann einfach auch mit sehr viel männlicher Energie reinkommen und auch das Gefühl haben, sie können, oder vielleicht nochmal im Buch haben wir diesen Typus der Statistiker, also auch Männer, die das Gefühl haben, sie würden das Problem objektiv verstehen und dabei auch weibliche Perspektiven nicht berücksichtigen.
Das mag gut gemeint sein, aber gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Und also diese Sensibilität dafür zu haben, ist sehr wichtig.

Beatrice Frasl
Es ist etwas, was ich in online, also auch auf Social Media und so oft wahrnehme, sind so Männer, die feministischen Content machen und da auch sehr viel Reichweite haben und sehr, sehr viel geteilt werden und so weiter. Und die Wahrheit ist, dass, glaube ich, der Großteil der Zuseherinnenschaft dieser Männer auch Frauen sind. Und ich denke mir dann immer so, also ich sehe das immer sehr kritisch, weil ich mir denke so, also es ist braucht keine Frau da jetzt irgendwie noch einen Mann, der Feminismus erklärt. Und das ist auch eine Reichweite, die Frauen haben könnten. Und man könnte auch Frauen teilen. Frauen freuen sich immer so total online, wenn dann Männer irgendwie was feministisches sagen, vervielfältigen das dann so. Und ich verstehe es auch total, aber ich denke mir dann, das ist eine Reichweite, die man eigentlich jetzt einer Frau zukommen hätte lassen können.
Und die Aufgabe von Männern wäre eigentlich, auf Männer einzuwirken. Und ich bin aber ziemlich sicher, dass die meisten öffentlichen oder Social Media Feministen eben hauptsächlich eine weibliche Zuseherinnenschaft haben.

Vincent-Immanuel Herr
Ich stimme ja total zu. Ich sehe es ja bei mir selber. Also ich poste dazu auch, die meisten Kommentare kommen von Frauen. Ich habe keine konkreten Zahlen. Ich würde aber vermuten, zumindest anekdotenhaft, wer unser Buch kauft, sind auch primär Frauen. Aktuell sind häufig Frauen, die sagen, ich kaufe das Buch und schenke es meinem Mann. Ich schenke es meinem Kollegen, ich schenke es meinem Bruder.
Das ist ganz lustig, das so zu sehen. Aber ich stimme dir total zu. Und deswegen ist es, glaube ich, als Männer, die sich engagieren, da eben auch so wichtig, dieses Privileg nicht zu vergessen, dass wir Männer kriegen in der Regel mehr Aufmerksamkeit, auch bei dem Thema. Selbst wenn die Sachen sagen, die Frauen schon seit Jahrzehnten sagen, teilweise auch viel besser, viel eloquenter sagen, trotzdem kriegen wir Männer mehr Aufmerksamkeit dafür. Das dürfen wir nicht vergessen. Ich glaube, wir können es als Männer auch nicht sofort lösen, weil wir haben dieses männliche Privileg. Wir können das auch nicht abstellen, aber wir können es mit Verantwortung nutzen und vor allem mit einem Bewusstsein dafür, dass wir dieses Privileg haben und also auch nicht selber überschätzen, was unseren Beitrag angeht.
Von daher stimme ich dir total zu. Und in dem Sinne ist Male Ehlers teilweise paradox, weil wir Männer auf eine Weise ja eine Bühne einnehmen, um dafür zu werben, Bühnen abzugeben. Es ist ein Widerspruch an sich. Wir nutzen männliches Privileg, das wir als Männer aktuell haben, um eigentlich für eine Gesellschaft zu werben, in der es dieses männliche Privileg nicht mehr gibt. Und es erfordert eben diese Gratwanderung, finde ich, zwischen wann ist es richtig für mich als Mann, was zu sagen, mich einzubringen, mir Gehör zu verschaffen, das ich als Mann auch häufig kriege, und wann ist es richtig, mich zurückzuhalten mich rauszuhalten und Frauen die Bühne zu gehen. Und da gibt es, glaube ich, nicht die perfekte Antwort. Aber sie brauchen jedenfalls irgendwie ein sensibles Herangehen, eine Feinfühligkeit.
Und ich bin da übers Ziel hinausgeschossen. Das kommt mir vor, dass ich irgendwie, ich meine es gut und dann stelle ich mich auf irgendeine Bühne und kriege im Nachhinein das dann von meinen feministischen Freundinnen um die Ohren gehauen, die sagen, hey, das ist eigentlich die Bühne für uns Frauen. Und die haben recht. Also das ist mir auch schon passiert. Und ich glaube, da müssen wir Männer einfach sehr, sehr vorsichtig uns an das Thema rantasten und einfach verstehen, wir kriegen diese Aufmerksamkeit nicht primär, weil wir gute Inhalte bringen, sondern weil wir Männer sind. Ja, ich beantworte das noch ein bisschen, dein Gedanke, oder ist das ein guter Beitrag?

Beatrice Frasl
Ja, total. Ja, ja, also ich glaube, es gibt auch keine, wie soll ich sagen, es gibt keine ganz klare Antwort auf diese Frage, weil es, glaube ich, wirklich tatsächlich eine Gratwanderung ist. Also was ich für sehr wichtig halte, ist tatsächlich auch so diese feministische Arbeit mit Männern hinter den Kulissen, die ihr ja auch macht. Also das ist das, was mir dann. Deshalb wollte ich euch einladen oder dich einladen, weil ich das eben so spannend finde, dass ihr eben tatsächlich mit Männern arbeitet. Und da ist es eben nicht, dass sich auf Bühnen stellen und Frauen irgendwie die Bühne wegnehmen, sondern es ist ein in einem Space sein, wo eine Frau ja auch wahrscheinlich gar nicht sein könnte und auch nicht die Arbeit machen könnte. Also das wäre auch nicht möglich von Männern dann in diesem Ausmaß ehrliche Antworten zu kriegen als Frau.
Und ich glaube, genau das ist es eigentlich. Also genau das ist die Arbeit von männlichen Verbündeten, die notwendig ist, weil das können wir gar nicht machen.

Vincent-Immanuel Herr
Ja, ein guter Punkt. Ich würde da vollkommen zustimmen.
Und diese Arbeit, ich will nicht sagen, sie macht Spaß im eigentlich Sinn, aber sie sie ist eben auch für uns Männer irgendwie wichtig, weil ich glaube, auch wir Männer sind nicht immer gut darin, auch unter Männern ehrlich miteinander zu sprechen. Und ich sehe da auch eine Chance für uns Kerle auf eine Weise drin, eine neue Gesprächskultur auch unter Männer zu etablieren, die eben nicht darauf fußt, Stereotype über Frauen zu verbreiten, wie sie es lange getan hat. Also irgendwie eine Männlichkeit wurde auch einfach lange schon vom Schulhof an etabliert, darüber über Frauen Witze zu machen, sondern eben auch eine Männlichkeit zu etablieren, wo wir vielleicht ehrlicher miteinander auch als Kerle umgehen können, irgendwie auch uns gegenseitig hinweisen können, wenn Sachen nicht so gut laufen, das aber irgendwie nicht persönlich nehmen müssen. Also auch ein bisschen entspanntere Männlichkeit. Das sehe ich eben auch als Chance in diesem Male Ansatz. Vielleicht ist das auch zu idealistisch gedacht, aber ich glaube generell, ob unter Männern oder Frauen und Männer und queere Menschen zusammen ehrliche Gespräche zu führen, auch dieses Vulnerable zu sein, auch zuzugeben, wenn was nicht so gut gelaufen ist, das würde uns allen total weiterhelfen und auch als Gesellschaft weiterhelfen. Ich glaube, zu oft haben wir irgendwie unsere Masken auf, haben wir unsere Rollen, reden aneinander vorbei, gerade wir Männer.
Von daher, das Buch kann man auch verstehen als wirklich Plädoyer für ehrliche Gespräche, für tiefe Gespräche, für konstruktive Gespräche, die wir aktuell, so unsere Beobachtung, einfach viel zu selten führen, sei es privat, aber insbesondere auch in Organisationskontexten.

Beatrice Frasl
Ist auch ein gutes Vatertagsgeschenk. Der kommt ja jetzt dann auch irgendwann in Deutschland an einem anderen Termin als in Österreich. Ich weiß jetzt nicht genau, wie unterschiedlich ist, aber in Deutschland wird es immer.

Vincent-Immanuel Herr

Anders gefeiert als in Österreich im Juni oder so.

Beatrice Frasl
Ja, was ich noch, also so eine Sache, die mich sehr umtreibt, ist auch die Frage, es gab ja jetzt schon viele feministische Wellen und feministische Bewegungen und Frauenbewegungswellen und und seine erfolgreichsten Menschenrechtsbewegungen eigentlich der Menschheitsgeschichte. Warum gibt es denn keine große emanzipatorische Männerbewegung?

Vincent-Immanuel Herr
Gute Frage. Also ich würde jetzt vermuten, ich bin ja kein Wissenschaftler, ich kann es nicht ganz fundiert beantworten, aber das erste Problem ist, ich meine, Männer leben aktuell in einer privilegierten Situation. Das ist nicht der beste Auslöser, um sich nachhaltig zu engagieren. Also ich glaube, Männer leiden auch im Patriarchat, aber lange nicht so doll wie Frauen, lange nicht so intensiv, auch nicht so spürbar sichtbar wie Frauen. Das heißt, ich glaube, der Anreiz, sich zu engagieren für Männer ist geringer, das muss man ganz ehrlich sagen. Und gleichzeitig fehlt Männer, glaube ich, einfach auch vielfach das Verständnis für die Größe des Problems. Und wir hoffen eben, dass wir das mit diesem Ansatz, auch dieses Zuhörens wirklich ändern können, dass sobald Männer anfangen zu verstehen, da sehen wir gute Erfolge mit, wie präsent dieses Problem von Sexismus für Frauen ist, aber auch teilweise für sie als Männer einfach eine größere Bereitschaft ist, sich zu engagieren.
Es wäre total schön, wenn Männer da mehr für auf die Straße gehen würden, aber eben immer mit dieser Feinfühligkeit, nicht auf die Straße zu gehen, weil wir Männer werden unterdrückt, sondern wir wollen das System ändern. Also also diese. Wir haben ja auch den Männerrechtler im Buch oder den Antifeministen der dann wirklich sagt, oh, wir müssen uns um die Männersorgen kümmern. Also da ist auch die, da ist der Grat auch relativ schmal zwischen sich für den Feminismus engagieren und plötzlich Männer Rechtsarbeit zu machen. Von der zweiten Sache halte ich weniger.

Beatrice Frasl
Liebe Vincent, magst du vielleicht unseren Zuhörer innen sagen, wo sie dich im Internet finden und genau alles, wo sie irgendwie hingehen sollen, nachdem sie das hören?

Vincent-Immanuel Herr
Ach so, gerne. Also wenn ihr wollt. Genau, mein Name ist Vincent Immanuel Herr. Ich habe eine Website mit meinem Kollegen zusammen, die ist Herr und Speer de. Ansonsten findet ihr mich in den sozialen Medien, auf Instagram, finde ich ganz spannend, LinkedIn, einfach mit meinem Namen, da sollte ich schon auftauchen. Aber genau, ich freue mich gerne, vernetzt euch gerne, das würde mich immer sehr freuen.

Beatrice Frasl
Werde ich denn alles in den Shownotes auch verlinken? Können die Leute einfach draufklicken? Wolltest du gerade noch was sagen oder habe ich dich jetzt unterbrochen?

Vincent-Immanuel Herr

Ich freue mich auch, von dir und den Leuten, die dir folgen, zu lernen, weil ich genau das Schöne an dieser Arbeit ist, ich mache die Arbeit gerne und ich mache sie eben auch gerne, weil ich viel daraus lerne. Es macht mir richtig Spaß und es ist nicht immer ganz einfach und gleichzeitig, es ist irgendwie eine schöne Gelegenheit, einfach zu sehen, wie sich Menschen bei dem Thema anstehen, was die Perspektiven. Es gibt ja auch nicht immer nur richtig und falsche Perspektiven, es gibt einfach sehr viele Perspektiven darauf. Von daher, ich freue mich immer über neue Perspektiven.

Beatrice Frasl
Und jetzt hat die jetzt die Arbeiter in deinem Haus wieder begonnen zu bohren. Dann sage ich dir vielen lieben Dank dir, dass du dir Zeit genommen hast.

Vincent-Immanuel Herr
Sehr gerne, Beatrice, danke für die Einladung.

Beatrice Frasl
Vielen lieben Dank, Vincent-Immanuel, für das sehr schöne Gespräch und danke an euch fürs Zuhören. Alle relevanten Links, über die wir heute gesprochen haben, unter anderem den Link zu Vincent Emanuels Homepage und dem Buch, findet ihr in den Shownotes. Da findet ihr auch Möglichkeiten, große Töchter zu kontaktieren oder einen Link zu Merch. Und wenn ihr große Töchter supporten wollt, könnt ihr das am besten auf Steady und mittlerweile auch auf Apple Podcast. Also alle, die über Apple Podcasts hören, da könnt ihr große Töchter auch unterstützen. Auch sehr hilfreich ist, wenn ihr diesen Podcast mit fünf Sternen bewertet, wo ihr gerade hört, und wenn ihr diese Folge mit Freundinnen und Freunden teilt. Und wenn ihr diesen Podcast weiterempfehlt, empfehlt wir hören einander wieder in zwei Wochen. Und bis dahin: nicht klein kriegen lassen.

Autor:in:

Beatrice Frasl

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