GANZ OFFEN GESAGT
Wie erreicht Journalismus junge migrantische Männer? - mit Anna Jandrisevits und Simon Bardini

Celeste Ilkanaev spricht mit Anna Jandrisevits, stellvertretender Chefredakteurin, und Simon Bardini, Redakteur beim Online-Medium Die Chefredaktion, über die Frage, wie journalistische Medien junge, migrantische Männer besser erreichen können – und welche Verantwortung Journalismus im Umgang mit jungen Zielgruppen trägt.

Celeste Ilkanaev
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von ganz offen gesagt the Podcast für Politik interessierte. Mein Name ist Celeste Ilkanaev und heute beschäftigen wir uns mit den wie erreichen journalistische Medien junge migrantische Männer?
Und warum ist es gerade jetzt so wichtig? Um über diese Fragen zu reden, habe ich heute zu Gast im Studio Anna Jandresewitz, stellvertretende Chefredakteurin und Simon Bardini, Redakteur beim Online Medium die Chefredaktion eingeladen. Die Chefredaktion ist ein Online Medium, das postkulturelle, gesellschafts und sozialpolitische Themen, die junge und diverse Menschen beschäftigt, anspricht.
Das junge Projekt ist ein großer Erfolg, aber nur 22 % der Follower waren männlich. Warum ist das so und was lässt sich dagegen tun? Lieber Simon, liebe Anna, danke, dass ihr euch heute Zeit für mich nehmt. Ein Grundmotiv bei unserem politischen Podcast transparency is a new objectivity. In diesem Sinne beginnen wir immer mit einer Transparenzpassage, also woher wir uns kennen und ob ihr aktuell für Parteien oder Vorfeldorganisationen tätig seid. Zu der ersten Frage, woher wir uns kennen. Die Anna kenne ich jetzt seit ein paar Jahren, weil ich freiberuflich für die Chefredaktion gearbeitet habe.
Und den Simon kenne ich durch einen Workshop. Genau. Und zur zweiten wart oder seid ihr für Parteien tätig?

Anna Jandrisevits
Nein, nein, das habe ich Simon beim Bewerbungsgespräch auch gefragt.

Simon Bardini
Nein, nein.

Celeste Ilkanaev
Sehr gut. Dann beginnen wir gleich mit der ersten Frage. Aber zuerst erkläre ich mal kurz, was die Chefredaktion ist. Und zwar die Chefredaktion ist ein Online Medium und sie erreichen mittlerweile mit fast insgesamt Abonnenten und Abonnentinnen auf Instagram und TikTok vor allem junge und diverse Gruppen. Aber nur rund 22 % eurer Follower sind ja männlich. Anna, wann habt ihr das eigentlich gemerkt und warum glaubst du, hat sich das so entwickelt?

Anna Jandrisevits
Als erstes ist uns aufgefallen in der Redaktion selbst, immer wenn wir Stellenausschreibungen hatten oder auch wenn sich Leute bei uns gemeldet haben, die eben freie Mitarbeit machen wollten, so wie du damals, das waren eigentlich fast immer nicht männliche Personen. Und wenn es junge Männer waren, dann hatten sie entweder keinen Migrationshintergrund oder was ich auch spannend finde, es waren queere Männer, aber Heterosexuelle Männer mit Migrationshintergrund hatten wir eigentlich fast nie. Und zuerst hat die Chefredaktion trotzdem ganz gut funktioniert, weil wir sehr, sehr viele unterschiedliche gesellschaftsrelevante und politische Themen abdecken konnten. Aber irgendwann sind wir an einem Punkt angekommen, wo wir uns bewusst geworden sind, okay, wenn wir sagen, wir wollen als Online Medium alle jungen Menschen erreichen und eine einen sehr relevanten Teil davon nicht erreichen, dann machen wir uns irgendwie was vor. Und das ist etwas, was nicht nur uns betrifft, sondern auch andere Medien. Und wir dachten, wir wollen das ändern. Wir wollten wir wollen sie in unseren Redaktionen haben, junge migrantische Männer und wir wollen sie auch ansprechen.
Das geht halt nur wirklich so, wenn du diese zwei Teile abdeckst. Also es reicht jetzt nicht, dass z.B. ich sage, ich erreiche jetzt junge migrantische Männer, das werde ich nicht schaffen. Es braucht andere junge migrantische Männer im Team und genau das wollten wir dann machen.

Celeste Ilkanaev
Und warum glaubst du, holt ja eigentlich der österreichische Journalismus vor allem junge Männer nicht ab?

Anna Jandrisevits
Ja, einerseits, weil sie nicht in den Redaktionen sitzen. Es sitzen zwar viele Männer in journalistischen Redaktionen, aber halt eher nicht Arbeiterkinder und eher auch nicht junge migrantische Männer. Und die andere Sache ist, und das ist auch ein Resultat davon, die Berichterstattung über junge Männer mit Migrationshintergrund eigentlich überwiegend negativ ist. Also wenn wir was über sie lesen, dann ist ist eigentlich immer negativ behaftet, auch sehr stereotypisch, teilweise auch rassistisch. Und dann braucht man sich nicht wundern, wenn sich ein junger Migrant sorry, aber diese Inhalte interessieren mich nicht, die sprechen mich nicht an, da arbeitet niemand, der so ist, wie ich, der meine Lebensrealität kennt. Ich bin sowieso nur ein Feindbild für euch, ich lese keine Medien. Also ich verstehe das komplett, ehrlich gesagt.

Celeste Ilkanaev
Das heißt, es gibt nicht genug einen differenzierten Blick auf junge migrantische Männer.

Anna Jandrisevits
So ist es, genau. Voll.

Celeste Ilkanaev
Simon, du bist ja eigentlich fast sozusagen die Zielgruppe, die die Chefredaktion ansprechen möchte. Mit 26, fast zu alt. Wie hast du damals die Chefredaktion für dich entdeckt?

Simon Bardini
Ganz ehrlich, ich habe sie nicht selber entdeckt, also ich kannte die Chefredaktion nicht, das weiß Anna auch, das ist kein Geheimnis. Es war so, dass Freundinnen von mir der Chefredaktion gefolgt sind und ich habe halt manchmal so mitgeschaut und so okay, was bringen die wieder für ein Video und sowas. Hat mich auch gar nicht so angesprochen, muss ich ehrlich sagen. Ja, wir wissen jetzt wieso, aber ich wollte unbedingt in den Journalismus und ich habe es einfach nicht geschafft. Und ich dachte, vielleicht liegt es an mir oder vielleicht bin ich einfach zu. Ja, vielleicht versuche ich es nicht richtig, aber vielleicht ist es auch einfach so, dass eben junge migrantische Männer einfach nicht repräsentiert werden im Journalismus und deswegen eben auch keine eingestellt werden, nicht mal für Praktiker. Und bei der Chefredaktion habe ich es versucht und gleich beim ersten Anlauf eigentlich geschafft.
Also Freundinnen haben mir gesagt, ich soll mich dort bewerben, weil ich verzweifelt wirklich versucht habe, irgendwo ein Praktikum zu bekommen. At least ein Praktikum. Und ja, so bin ich drauf gekommen. Jetzt folgen alle meine Freunde der Chefredaktion.
Sie sagen zumindest, dass sie super finden. Ich hoffe, das ist die Wahrheit. Und ja, die wären auch nie draufgekommen, die ganzen Jungs, mit denen ich befreundet bin, die kannten die Chefredaktion auch nicht. Nur Freundinnen.

Celeste Ilkanaev
Gibt es ein Medium außerhalb der Chefredaktion, wo du findest, okay, die leisten in dem Sinne gute Arbeit, dass sie auch junge migrantische Perspektiven zeigen? Also in Österreich? Oder findest du, das ist eher wirklich ein Einzelfall?

Simon Bardini
Es ist ein Einzelfall, würde ich sagen. Also junge migrantische Perspektiven in Österreich, vor allem männliche nicht? Nein, da ist die Chefredaktion. Ich meine, wir sind ja auch noch nicht fertig. Wir fangen gerade an.

Anna Jandrisevits
Genau. Ja, deshalb, das war uns irgendwie auch wichtig zu sagen, als wir diese Initiative begonnen haben, oder dass wir nicht sagen, wir machen es jetzt besser als alle anderen, sondern wir schaffen es genauso nicht wie alle anderen und wir wollen aber, dass sich irgendwas ändert. Und aus unserer Erfahrung haben wir gemerkt, die anderen jungen Menschen, die wir erreicht haben bisher, das hat schon was auch in der Medienlandschaft verändert. Also ganz viele Leute, die bei uns angefangen haben, sitzen jetzt in anderen Medien, zu denen sie vielleicht keinen Zugang gehabt hätten, weil wir halt z.B. auch im Bewerbungsprozess darauf achten, uns ist nicht wichtig, dass jemand irgendwie studiert hat oder eben schon journalistische Vorerfahrung hat. Das einzige was zählt, ist eine gute Geschichte. Und ich glaube halt auch, dass das bei jungen migrantischen Männern passieren kann, dass wenn sie mal irgendwie bei uns sind, dass sie dann auch vielleicht bei anderen Medien Medien auffallen.
Wir wollen ja gar nicht irgendwie, dass es nur wir machen, sondern eigentlich, dass es alle anderen Medien auch schaffen.

Simon Bardini
Es sind ja auch die Kontakte einfach. Du brauchst in der österreichischen Medienlandschaft einfach Kontakte mit Leuten, die schon im Journalismus arbeiten und das haben einfach migrantische junge Männer nicht, weil es halt auch keine gibt, die dort arbeiten.

Celeste Ilkanaev
Naja, migrantische junge Frauen ja eigentlich auch nicht, aber das habt ihr ja schon erfolgreich irgendwie gemeistert, dass da schon relativ viele Frauen Fuß gefasst haben. Anna, du hast es ja eh schon ein bisschen gesagt, wie Männer, also junge migrantische Männer im Journalismus dargestellt werden. Wie ist das für dich Simon, was fällt dir da auf? Also wie werden da junge migrantische Männer dargestellt? Findest du das irgendwo wahrheitstreu oder hast du das Gefühl, dass da Gesellschaftsbilder entstehen, die gar nicht eigentlich der Realität entsprechen?

Simon Bardini
Also ganz ehrlich, 90 % es wird eigentlich gar nicht berichtet über diese Gruppe an Menschen und wenn über sie berichtet wird, dann schlecht, also negativ behaftet, immer als kriminell, als ich sage jetzt lieber nicht als was noch. Und immer sind wir schuld quasi. Also wenn es einen Sündenbock braucht, dann sind wir schuld. Auch vor allem diese Boulevardmedien, ich mein ganz ehrlich, also wenn es zu irgendwelchen Anschlägen kommt, wenn es zu irgendwelchen Morden kommt oder zu irgendwelchen Einbrüchen, die sind ja immer vorschnell beim Urteilen und immer ist es sicher irgendein Migrant, also ein männlicher Migrant. Also wenn über uns berichtet würde, über unsere Gruppe, dann eben eher negativ und ich muss aber auch sagen, eigentlich kaum. Also das ist eigentlich der einzige Anlass, um über uns zu berichten, sonst sind wir einfach eine übersehene Gruppe, würde ich mal sagen.

Celeste Ilkanaev
Glaubst du das beeinflusst auch generell das gesellschaftliche Bild von migrantischen Männern in Österreich?

Simon Bardini
Ja natürlich, also ich mein die meisten Leute lesen Zeitung, ältere Generationen, jüngere konsumieren Medien halt über Social Media, aber mittlerweile hat ja auch jedes große Medium irgendwie ein Standbein auf Social media. Das heißt quasi alle konsumieren die gleichen Nachrichten, Kurzversion auf Social media, lang auf analog, auf Papier und ja natürlich beeinflusst das eine, wenn man die ganze Zeit liest, ja dies und das ist geschehen und das war natürlich wieder so einer Person und Politiker innen sagen das und die werden auch unkritisch diese Meinungen von Politikerinnen werden auch unkritisch wiedergeben in den Medien. Das heißt ja, natürlich vereinflusst es an.

Celeste Ilkanaev
Du gehst ja auch regelmäßig auf die Straße, also wegen Straßenumfragen und sprichst mit vielen Jugendlichen. Fällt dir da etwas auf? Also haben sie da besondere Anliegen? Ist es etwas, was immer wieder zurückkommt, was du jetzt z.b.
hier berichten könntest? Vielleicht zwei, drei Punkte.

Simon Bardini
Besondere Anliegen? Eigentlich gar nichts.
Also schon auch. Aber das sind ja keine Aliens. Also ich meine, das sind ja Leute wie du und ich, die. Die denken auch die ganze Zeit über das Gleiche nach wie wir, einfach über Familie, über Arbeit, Schule, Studium, was auch immer ihnen gerade am Herzen liegt, oder was sie beschäftigt oder was sie auch belästigt oder was auch immer. Also meistens erzählen sie mir, wir haben ja so eine Reihe sogar. Also Bruder, sag ehrlich, da fragen wir sie eigentlich ganz banale Sachen. Wie ist es, so verliebt zu sein?
Vor was hast du Angst? Was sind deine Träume? Das eben, das sind ja keine Aliens. Aber eben in unseren Medien werden sie so behandelt. Also ich weiß, klingt jetzt kitschig, aber es wird immer über sie gesprochen, aber nicht mit ihnen. Und ja, also ich muss sagen, hin und wieder rede ich mit ihnen. Manchmal kommt es quasi zu so Off Camera Gesprächen und die sind dann immer, da geben sie mir halt schon zu verstehen quasi.
Also was so Medien so über sie schreiben und so, das finden sie halt, das ist einfach gelogen. Wenn ich ihnen dann erzähle, was unsere Mission ist quasi jetzt, dann sind sie ziemlich begeistert, muss ich sagen, weil sie meinen, das braucht es einfach, weil eben keiner spricht mit ihnen und es wird immer nur über sie gesprochen.

Celeste Ilkanaev
Anna, ich stelle jetzt an dich diese Frage, weil ich weiß, dass du sehr viel auf TikTok abhängst und auf Instagram. Simon ja eher weniger. Er hat sich ja erst in Instagram gemacht, wo er angefangen hat, für die Chefredaktion zu arbeiten. Deswegen frage ich dich aber, warum glaubst du, dass rechte Influencer eigentlich junge Männer so sehr erreichen, vor allem rechte Influencer, die alles, was woke oder links sein könnte, eher schlecht darstellen? Also warum sind genau junge, vor allem auch junge migrantische Männer für diesen Art von Content so, wie soll man sagen? Also leicht zu haben.

Anna Jandrisevits
Leicht zu haben, ja, ganz einfach, weil sie sie ansprechen und abholen. Also das ist ja das Problem. Ich finde, man braucht sich nicht wundern, wenn man junge migrantischen Männern keine Vorbilder bietet, ob jetzt in Medien, in Politik, generell, gesellschaftlich, dass sie sich dann woanders Vorbilder suchen, die dann eben teilweise extrem problematisch antifeministisch radikal sind. Das ist ganz natürlich und auch verständlich, weil die brauchen Vorbilder und die brauchen Leute, die sie ansprechen. Und wenn das dann halt die sind, dann vertrauen sie denen und hören sie denen eher zu. Das sind dann halt auch oft auch andere junge migrantische Männer, aber müssen nicht unbedingt Migrationshintergrund haben, die ihnen dann diese Message verbreiten, ich höre dir zu, ich zeig dir, wie du erfolgreich auch sein kannst, wie du es schaffen kannst. Das ist ein ganz riesiges Thema, was wir bemerken, dass junge migrantische Männer einen extremen Wunsch haben nach Erfolg und nach etwas schaffen, was ja im Endeffekt auch oft eine Phase ist, wenn man es im Kontext sieht von Integration.
Du erreichst etwas und du bist erfolgreich und dann wirst du akzeptiert. Wissen wir, ist oft leider nicht so, aber danach streben sie extrem. Das heißt, diese männlichen Influencer, die ihnen dann irgendwie das große Geld mit Kryptowährung versprechen oder ihnen sagen, so und so hast du eine Frau zu behandeln, die schaffen das so, einfach weil sie sie halt ansprechen und weil sie ihnen irgendeine Perspektive geben. Und auch wenn es die falsche ist, es ist zumindest eine Perspektive. Wir sehen das auch im Kontext von Liebe ganz oft. Das ist so ein Thema, das wir oft behandeln, Dating, wo wir merken, junge Frauen werden ja immer liberaler und junge Männer immer konservativer. Und junge Frauen lassen sich einfach ganz vieles nicht mehr gefallen.
Sie werden immer feministischer, sie denken sich, sie brauchen eigentlich keinen Mann, sie werden immer unabhängiger. Und für junge Männer ist das furchtbar, weil sie das Gefühl haben, sie werden nicht mehr gebraucht. Und dann suchen sie sich irgendwie andere Wege, wie sie noch gebraucht werden. Und das sind aber dann halt oft die falschen. Anstatt dass man irgendwie ins Gespräch miteinander gibt, wendet man sich immer weiter voneinander ab. Und ich verstehe jede junge Frau, die sich von einem Mann abwendet aus feministischen Gründen. Aber ich glaube halt leider, dass das langfristig gesehen für unsere Gesellschaft extrem schlimm sein wird.

Celeste Ilkanaev
Wie könnten oder was ist die Verantwortung von Medien auf Social Media jetzt per se, dem entgegenzusteuern, also diesem rechten Content entgegenzusteuern und demokratischen Content zu bieten?

Anna Jandrisevits
Ja, genau dorthin zu gehen, wo diese Inhalte sind. Also Simon hat es eh schon gesagt, es gibt natürlich immer mehr traditionelle Medien, die auf Social Media arbeiten. Das Problem ist aber, das machen dann auch trotzdem noch jene Redakteurinnen, die nicht diesen jungen migrantischen Männern entsprechen. Also es sind dann oft eben keine migrantischen Jungs. Ich finde, es bräuchte viel, viel mehr Inhalte noch immer auf TikTok. Es gibt immer noch zu wenige journalistische, unabhängige, gute Berichterstattung, aber auch auf anderen Kanälen. Also wir wollen in Zukunft auch auf andere Kanäle uns ausweiten, wo mehr junge Männer sind.
Weil wenn man ganz stereotypisch denkt, ist Instagram eine weibliche Plattform. Also selbst wenn wir das Ziel haben, junge Männer zu erreichen, erreichen wir nur so viele wieder halt sind. Und das sind gar nicht so viele. Die meisten jungen migrantischen Männer nutzen tatsächlich noch sehr viel YouTube. Das heißt, wir wollen uns da auch ausweiten und ich würde es auch allen anderen Medien empfehlen, auch auf anderen Plattformen sich auszuweiten und auch wirklich migrantische Jungs ins Team zu holen, die dir sagen, das und das interessiert junge Männer, so erreichst du sie. Also wir haben das ja bei Simon z.B. gemerkt, er hat mir so viel Input gegeben, was Jungs überhaupt konsumieren und was sie mögen und wie man sie abholt, von dem ich keine Ahnung hatte, weil das einfach nicht in meinem Algorithmus ist, halt verständlicherweise auch.
Also ich würde mir dahingehend einfach viel, viel mehr Initiative wünschen, auch viel, viel mehr Reflexion in den Redaktionen selbst. Ich habe das Gefühl, es gibt immer noch viel zu viel rassistische Stereotype, viel zu viele Klischees, mit denen man arbeitet, die einfach nicht notwendig sind und dazu führen, dass junge Migranten sich immer weiter von uns abwenden. Wenn wir sie jetzt nicht abholen, dann werden wir sie als Erwachsene auch nicht für uns gewinnen kann.

Celeste Ilkanaev
Du hast gemeint, auch andere Medien. Meinst du dann auch vielleicht außerhalb von YouTube, vielleicht auch Twitch oder Discord, weil da ist natürlich schon eine große männliche Gruppe da, die oft auf diesen Medien auch sind. Ist das vielleicht auch ein Plan von der Chefredaktion oder komplett?

Anna Jandrisevits
Ja, also wir wollen unbedingt auf Twitch gehen und da auch Streamers machen, eh schon ein paar Medien in Deutschland oder auch im internationalen Raum. Das ist auf jeden Fall ein Ziel.
Aber auch hier, wer halt z.B. nicht ich das machen, nur weil ich jetzt gerade da bin, sondern da suchen wir auch einen jungen Migranten, der das halt auch wirklich dann vertreten kann und dem die Leute vertrauen. Und würde dann z.b. sagen, der streamt z.B. reaction Videos, die halt auf Twitch urbeliebt sind und reagiert dann aber halt nicht auf irgendwelche komischen antifeministischen Inhalte, sondern, oder vielleicht reagiert er schon darauf, aber er beleuchtet sie halt kritisch. Also dass wir da irgendwie diesen journalistischen Kontext reinbringen. Das muss man nämlich auch sagen.
Wir warten jetzt nicht, wenn wir junge Migranten bei uns einstellen, dass sie irgendwie, dass wir sie zu perfekten Journalisten ausbilden, sondern teilweise wollen wir auch wirklich sie als Hosts haben und ihnen all diese journalistischen Dinge von uns ausgebildeten Journalistinnen weiterbringen. Und sie verbreiten sozusagen dieses kritische Denken und stehen dann vor der Kamera und machen die Inhalte.

Celeste Ilkanaev
Sie sind sozusagen das Gesicht von dem, was dann redaktionell von euch dahinter steht. Bringen ihre Ideen mit rein.

Anna Jandrisevits
Genau, unbedingt.

Celeste Ilkanaev
Okay, sehr spannend.

Anna Jandrisevits
Und sagen es auch in ihrer Sprache. Ich finde, das ist auch ein großer Punkt. Allein Sprache. Ich meine, ich lese manchmal Zeitungsartikel und ich verstehe sie nicht. Und ich bin Journalistin, also ich weiß, dass es genug Jungs gibt, die keine Ahnung haben, was da teilweise drinsteht, weil immer noch viel zu viele Barrieren hinsichtlich Sprache da sind.

Celeste Ilkanaev
Auf YouTube habt ihr auch schon angefangen, euer neues Format auszustrahlen, habe ich gesehen. Das heißt Seiten auf null. Du bist auf die Idee gekommen, einmal in die Woche, einmal, nein, einmal die Woche, Alle drei Wochen sind es, alle drei Wochen im Barbershop junge Männer zu interviewen. Also du interviewst sie nicht, aber ihr habt eben ein Host, wie wir gerade darüber geredet haben. Wie bist du eigentlich auf diese Idee gekommen?

Anna Jandrisevits
Ja, wir haben halt, also wir überlegen ja so seit einem Jahr, wie wir junge Migranten erreichen können, haben mit vielen geredet auch darüber und uns umgehört und haben überlegt, okay, was sind Orte, wo sie sich wohlfühlen, wo sie sicher sind, wo sie immer wieder hingehen. Und ich habe da mit einem Freund von mir geredet, der einen sehr schönen Bart hat und alle zwei bis drei Wochen zum Barbershop geht. Und der meinte, er hilft seinem Barber gerade dabei, die österreichische Staatsbürgerschaft zu bekommen. Und als wir so drüber geredet haben, dachte ich mir, okay, das ist eigentlich voll spannend, weil das ist eigentlich einer der wenigen Orte, wo Jungs immer wieder zurückkehren, wo sie sich wohlfühlen, wo sie auf sich selber auch achtgeben, weil sie auf ihr Aussehen schauen und wo mir alle migrantischen Jungs in meinem Umfeld erzählen, da gibt es die lustigsten Gespräche einfach und die ehrlichsten Gespräche und das ist ein safe space eigentlich für sie. Und dann dachte ich mir, okay, warum gehen wir nicht einfach dahin und interviewen sie? Und dann sind wir tatsächlich einfach, haben bei ein paar Barbershops angefragt, die voll verwirrt waren, was wir wollen und sind dann bei einem, bei dem wir jetzt gerade sind, bei Edos Barbers reingegangen. Ich habe mich vorgestellt, habe meine Idee erzählt und er war so, okay, warum nicht?
Und dann haben wir eigentlich schon begonnen zu filmen.

Celeste Ilkanaev
Und hattet ihr aber am Anfang auch irgendwie Angst, dass ihr irgendwie ein Klischee reproduzieren könntet, indem ihr genau dieses Setting der jungen migrantischen Männer die sich ausgerechnet im Barbershop treffen. Ich meine, das ist so, wie als würde man einen Film schauen, oder? War das so okay, aber das ist halt die Realität.

Anna Jandrisevits
Voll die gute Frage. Ja, natürlich war das auch ein Thema. Ich denke mir halt, solange du bestimmte Klischees nicht rassistisch reproduzierst oder nicht missbrauchst, ist es auch in Ordnung, sie zu nutzen, um eine bestimmte Message zu verbreiten und diese Menschen anzusprechen. Wenn junge Migranten im Barbershop sind, dann gehen wir dort halt hin. Das heißt nicht, dass sie nicht auch in Universitäten sitzen, aber in Universitäten sind sie statistisch eher unterrepräsentiert und sie werden auch nicht so akzeptiert wie in einem Barbershop. Sie fühlen sich nicht so gesehen, nicht so gehört, nicht so sicher wie an Orten, wo sie wirklich auch miteinander in den Austausch kommen. Und deshalb gehen wir dann dorthin und achten halt natürlich darauf, bestimmte Klischees nicht zu reproduzieren oder vielleicht sie genau darauf anzusprechen und dann auf ihre Antwort zu warten.

Celeste Ilkanaev
Simon, du machst ja viel redaktionelle Arbeit für Seiten auf null und ich glaube, viele unserer Zuhörer und Zuhörerinnen haben noch nie was von diesem Format wahrscheinlich gehört. Kannst du mal kurz so erklären, über was redet ihr eigentlich miteinander? Was sind die Fragen?
Was sind die Themen? Ist jedes, keine Ahnung, ist jedes Video vielleicht ein anderes Thema, das ihr bespricht? Oder genau, was passiert da eigentlich? Und wie lange dauert eigentlich so ein Video?

Simon Bardini
Ja, also erstmal, ich glaube gar nicht, wegen dem Klischee würde ich gerne noch was sagen. Ich glaube gar nicht, dass das so ein Klischee ist. Ich glaube, den meisten weißen Leuten, autochthonen Österreichern, ist gar nicht bewusst, dass das jetzt ein safe Space Shit ist. Die würden das eher so mit so einem. Ich glaube, die denken, die hocken alle in der Shisha Bar. Ich glaube, das ist eher so deren Klischee, dieses Stereotyp.

Anna Jandrisevits
Aber, und sorry, bei schwarzen Menschen kommt ja auch noch hinzu, dass Haare eine extrem tiefgründige politische Bedeutung hat, die in Jahrhunderte zurückgeht, was ich auch noch mal wieder urspannend finde. Was eben auch viele weiße Menschen nicht wissen.

Simon Bardini
Exakt. Ja, steckt schon viel dahinter. Also es ist gut, wir haben jetzt mal einen Host, also das ist das Wichtigste. Wir hatten da zwei Runden an Bewerbungsgespräch. Darf ich das erzählen?

Celeste Ilkanaev
Ja, klar.

Simon Bardini
An Bewerbungsgesprächen. Und das waren eigentlich gar keine Bewerbungsgespräche. Wir haben da sie TikToks drehen lassen, dann haben wir sie auf Straßenumfrage geschickt. Also ich war eh da nicht alleine, keine Sorge. Und dann haben wir geschaut, wer einfach am besten passt und am wenigsten schüchtern ist. Und das ist unser jetziger Host dann Kameramänner. War easy eigentlich, ganz ehrlich.
Und ja, dann haben wir eigentlich so das Grundteam assembled. Also dann ging es halt, dann fängt die Arbeit eigentlich an, weil dann musst du halt die Leute suchen, die sich dann da hinsetzen und mit unserem Host sprechen. Und das ist halt, das ist nicht so einfach, wie man sich das vorstellt, weil wir haben es versucht am Anfang, dass wir quasi einfach da sitzen im Barbershop und warten, bis jemand reinkommt. Dann haben wir die Person einfach einen jungen migrantischen Mann, willst du dich da hinsetzen und mit unserem Host reden? Hat aber eigentlich ganz gut geklappt, muss ich sagen. Also das ist so die Arbeit eigentlich, die ich mache. Also ich betreue eigentlich das Ganze und Termine machen wir uns gemeinsam aus.
Aber das Wichtigste ist bei dem Ganzen, dass wir zuverlässige Leute haben. Und das ist unser Host einfach und unsere Kameramänner und unser Edus Barbers.

Celeste Ilkanaev
Aber über was spricht ihr dann in den Videos? Also was sind so die Themen, die dann angerissen werden? Ist das dann so ein Alltagsgespräch? Du musst mir vorstellen, ich habe das schon gesehen, aber für die Zuhörer und Zuhörerinnen, viele haben das gar nicht gesehen. Also was können sie sich darunter vorstellen, was da eigentlich passiert? Also.

Simon Bardini
Also eben, ich führe das Gespräch ja gar nicht, das macht unser Host und er denkt sich halt Fragen grobe aus am Anfang. Es geht wirklich um Gott und die Welt. Es geht was machst du gerade?
Woher kommst du gerade? Also vorm Barbershop. Was arbeitest du, studierst du? Wohin gehst du zur Schule oder was willst du werden? Einfach? Also wirklich alles. Wie hältst du es mit Heimat?
Wie hältst du es mit Familie, mit Freunden, mit Beziehungen auch, also romantischen Beziehungen? Und ganz ehrlich, da haben wir eigentlich gar nicht so viel Vorbereitung.

Anna Jandrisevits
Das würde ich vielleicht nicht sagen. Findest du nicht?
Also bei Nabl z.B. kann ich ergänzen.

Celeste Ilkanaev
Sicher, bitte.

Anna Jandrisevits
Also das Ding ist ja, Seiten auf null ist ja ein Interviewformat, wo wir junge Migranten interviewen, während sie einen Haarschnitt bekommen. Und dieser Haarschnitt dauert dann meistens so dreiig bis 40 Minuten. Das heißt, man muss eigentlich wirklich schon ein längeres Gespräch führen mit den Jungs, weil man ja auch bedenken muss, die öffnen sich jetzt nicht innerhalb von 5 Minuten. Also es hilft schon mal natürlich, dass der Host ein junger Migrant ist, der sie anspricht und der so ist wie sie. Aber es dauert natürlich, wir merken das auch beim Dreh, dass sie schon so 10 Minuten mal brauchen, um sich so zurechtzufinden und ehrlicher zu sprechen und uns war wichtig bei den Fragen auch, das ist jetzt nicht, wie man es irgendwie im Journalismus dann auch oft gewohnt ist, komplett sofort tiefgründig wird und so urspezielle, komplexe Fragen macht, sondern wirklich einfach über das redet, was sie beschäftigt, ihre Lebensrealität und das kann eben von Lehre, Schule, zu Hause, Familie, Heimat, Ängste, Probleme, was auch immer kann das alles sein.
Wir wollen da gar nicht irgendwie ihnen was vorschreiben und wenn sie bei bestimmten Themen sagen, dazu habe ich nichts zu sagen, dann ist das auch vollkommen in Ordnung. Wir wollen auch nicht irgendwie und ich finde das z.B. ist ein Klischee, dieses Bild verbreiten, entweder von dem armen jungen Migranten, der so viel Rassismus erlebt und das war's, weil ein junger Migrant ist mehr als das, als nur seine rassistischen, diskriminierenden Erfahrungen. Und dann wollen wir eben auch nicht nur positiv junge Männer darstellen, weil wie wir geredet haben, es gibt halt auch sehr, sehr viele, die problematische Inhalte konsumieren, die auch queer feindlich z.B. sind, weil jetzt Pride Monat ist. Auch das. Also wir wollen schon auch auf die Problematik hinweisen, die viele junge Männer einfach mit sich rumtragen und das ergibt sich eigentlich im Gespräch, finde ich sehr gut, dass wir da unterschiedliche Dinge ansprechen können.
Und dann ist der Haarschnitt auch schon vorbei und dann schneiden wir das zusammen. Das sind meisten wir haben eine Kurzversion für Instagram und TikTok, die nicht länger als 4 Minuten dauert circa. Und eine lange Version für YouTube, die so rund 10 Minuten dauert, wenn man sich die XL Version anschauen will.

Celeste Ilkanaev
Genau, das heißt die Idee von dem Format ist einfach die Vielfältigkeit von verschiedenen Personen zu zeigen, eine gewisse Repräsentation in der Medienberichterstattung und eben der Barbershop passt in dem Sinne gut, wenn man sich wohlfühlt und voll, also so können wir das mal so in einem Satz zusammenfassen. Aber das ist ja eigentlich nur ein Format. Du hast es vorhin eh schon gesagt, dieses Bruder sag ehrlich ist ja ein neues, auch anderes Format, aber es ist ja auch ganz viel anderes auch noch im Hintergrund passiert. Magst du das vielleicht kurz erzählen, Anna, was da noch alles dahintersteckt, damit ihr mehr junge Männer erreicht?

Anna Jandrisevits
Also begonnen haben wir einfach mit Recherche. Wir sind in ganz viele unterschiedliche Social Media Kanäle gegangen, haben uns angesehen, was junge Männer konsumieren. Also ich habe das eh schon vor Jahren gemacht, als ich das erste Mal über Andrew Tate berichtet habe, dass ich so ein Zweit TikTok Kanal hatte, wo ich wirklich in die Rolle von einem jungen Mann schlüpfe und dann nur solche Inhalte konsumiere, um immer so auf dem neuesten Stand zu sein. Wir haben mit ganz, ganz vielen jungen Männern geredet, Zielgruppenbefragungen gemacht in unserem Umfeld. Auch alle jungen migrantischen Männer, die wir kennen, jeden Tag genervt eigentlich schon damit, was sie so beschäftigt und was sie wollen. Mir ist aufgefallen, dass nicht nur unsere Redaktion zu weiblich ist, sondern auch unser Layout dadurch und unsere Farben. Wir hatten die klassischen Farben blau und rosa, was eh okay war, aber ich hatte das Gefühl, wenn man so ganz stereotypisch ist, dass ein junger Mann jetzt vielleicht nicht unbedingt einen Text von uns teilt mit pinken Layout vielleicht schon, aber ich möchte, ich wollte einfach irgendwie mehr Vielfalt haben in unseren Farben.
Deshalb haben wir auch unser Design geändert, auch da 100 Überarbeitungen gemacht und allen Jungs in unserem Umfeld und auch, also nicht nur Leute, die wir kannten, geschickt und sie gefragt, was für Farben möchtest du? Also so ganz banale Dinge einfach, welche Farben gefallen dir? Und auch thematisch geschaut, wie wir uns irgendwie auch an junge Männer mehr ausrichten können. Und dann haben wir auch einen Bewerbungsprozess gestartet und wirklich gezielt nur junge migrantische Männer für unsere Praktika stellen dieses Jahr besetzt.

Celeste Ilkanaev
Bewerben sich jetzt mehr junge Männer als zuvor?

Anna Jandrisevits
Ja, tatsächlich. Und urwitzig, dass du meintest, Simon, dass du uns ja nicht kanntest nur durch Freundinnen. Fast alle Jungs, die sich beworben haben, die ich gefragt habe, dann hebe bist auf uns gestoßen, haben gesagt, meine Schwester hat es mir geschickt, meine Freundin hat es mir geschickt. Also ganz oft kommen sie tatsächlich dann über weibliche Personen zu uns, was okay ist für mich. Ich glaube, es braucht, es gibt auch Studien zu TikTok dazu, es braucht statistisch so fünf TikToks, bis zu einem Kanal folgst, die dir gefallen. Ich glaube, es braucht noch ein paar, bis sie auch uns von selber kennen. Aber mittlerweile, ich finde, auf der Straße sprechen uns schon auch viele Jungs an und sagen, sie kennen ein Video von uns oder TikTok.

Simon Bardini
Ja, sie kennen unsere TikToks.

Celeste Ilkanaev
Lustig, weil eigentlich seid ihr auf Instagram viel bekannter von der Reichweite aus als auf TikTok. Das heißt, mehr Männer schauen auf TikTok als auf Instagram.

Simon Bardini
Okay, das fast die Hälfte mittlerweile, glaube ich.

Anna Jandrisevits
Genau, auf Instagram ist noch immer viel, weil einfach, weil es einfach eine weibliche Plattform ist. Also man sieht es ja auch an den Fotos. Du siehst viel mehr junge Frauen auf Instagram als junge Männer.

Celeste Ilkanaev
Und auf TikTok ist es etwas ausgeglichener.

Anna Jandrisevits
Das ist ausgeglichener, genau.

Celeste Ilkanaev
Und Simon, auf welche Herausforderungen seid ihr dann als Medium gestoßen, als ihr euch eben diese ganzen Gedanken gemacht habt? Wie könnt ihr jetzt junge Männer erreichen? Was wurde viel diskutiert, was wurde weniger diskutiert? Weil es ist schon ziemlich viel passiert bei der Chefredaktion. Wie viel Arbeit war das eigentlich? War das sehr zeitintensiv?

Simon Bardini
Ja, also ich glaube, wir haben angefangen, also ich, vielleicht habt ihr schon vor mir angefangen, also ich weiß es gar nicht, aber als ich dazu gestoßen bin eigentlich, da hat das eigentlich alles angefangen.

Anna Jandrisevits
Wann war das?

Simon Bardini
Das war September. Da habe ich noch als Freier, also Freier für euch, also da haben wir schon eigentlich, da haben wir auch unser beliebtestes, jetzt nicht mehr, aber es war unser beliebtestes Video, das Ängste und Träume junger Männer. Das war im Oktober. Also da haben wir uns schon extrem Gedanken drüber gemacht.

Anna Jandrisevits
Ja, und wir schon davor, also ich würde sagen so ab März 2024 eigentlich schon.

Simon Bardini
Ich weiß, sie haben mich die ganze Zeit gefragt, so ja, was schaust du eigentlich so und was liest du so, Simon?

Celeste Ilkanaev
Der Recherchefall oder.

Anna Jandrisevits
Wirklich das Experiment?

Simon Bardini
Voll. Und ja, also dass ich quasi, dann habe ich meinen guy friends, also meinen männlichen Freunden davon erzählt und habe sie auch was haltet ihr eigentlich von der Chefredaktion?
Am Anfang natürlich nichts. Also sie kannten uns halt einfach gar nicht. Als ich gesagt habe, ich arbeite dort, waren ah cool, wirklich, wir folgen euch sofort. Und dann haben sie natürlich ein bisschen geschaut und finden uns eigentlich klasse. Und das Hauptproblem ist natürlich, dass wir einfach, dass ich der einzige Mann war einfach. Und durch unsere, durch Seiten auf null haben wir jetzt einen Host. Alle drei Wochen kommt das Format und dadurch haben wir jetzt noch mehr Männer quasi, die wir auch interviewen alle drei Wochen.
Und das ist glaube ich das Hauptproblem einfach so, dass es einfach zu wenige Jungs in den Medien gibt und also mit Migrationshintergrund. Und ja, ich glaube, das war eigentlich unser Hauptproblem, würde ich sagen. Oder dass wir einfach keine erreicht haben einfach. Und dadurch, dass wir jetzt einen haben, also mich quasi, ist es halt easier, welche zu erreichen, weil sie sehen, ah schau, das ist einer wie ich quasi auf TikTok oder auf YouTube und dann schauen sie uns vermehrt und dann bewerben sie sich auch vermehrt bei uns.

Anna Jandrisevits
Ich finde thematisch war auch eine Herausforderung, diesen schmalen Grat zwischen mit dem Finger auf sie zeigen und es einfach ignorieren, wie problematisch viele teilweise denken. Also es gab viele Videos, die ich redigiert habe, wo ich zu Simon meinte, ich möchte, dass du diese Aussage rausschneidest, weil sie sehr z.B. eine sehr schlimme Aussage war, wo ich dann meinte, ich möchte diesen jungen Mann nicht bloßstellen dafür, dass er etwas Ehrliches sagt in einem Gespräch, wo er dir vertraut und sich dir anvertraut und sich sicher fühlt und sich vielleicht nicht bewusst ist, dass dieses Video im für uns besten Fall, für ihn schlimmsten Fall, Millionen Menschen sehen können und dann ihn vielleicht auch mit Hass konfrontieren, weil wir natürlich schon eine sehr große Reichweite haben und sehr viele eben junge Menschen, denen sehr wichtig ist, dass wir politisch korrekte Inhalte machen. Und wenn dann mal ein junger migrantischer Mann etwas sagt, was nicht politisch korrekt ist, dann denke ich mir, ist das okay? Weil er in einem Umfeld vielleicht aufwächst oder halt eben ist, wo politisch nicht korrekte Dinge gesagt werden, wie wir alle und von niemandem beigebracht bekommt, dass das nicht okay ist, was er sagt. Wir hatten das z.B. bei einem Thema mit Andrew Tate, wo unsere Kollegin Alena einen Strassenfall gemacht hat und mit jungen Männern über die mögliche Parteigründung von Andrew Tate gesprochen hat.
Für alle, die ihn nicht kennen, er ist ein Antifeminist und mittlerweile, glaube ich, auch sogar verurteilt für diverse Sexualstraftaten. Und viele Jungs, die Alena angesprochen hat, haben gesagt, ja, ich finde den eigentlich cool und ich finde es cool, wie viel Geld der hat und wie erfolgreich der ist. Und anstatt dass Alena dann irgendwie so war, OK, passt, danke, tschüss, hat sie gesagt, ja, aber wusstest du eigentlich, dass er das und das gesagt hat? Und viele hatten keine Ahnung. Also viele haben einfach wirklich nur so diese Standarddinge von ihm gewusst, aber jetzt nicht wirklich was tiefgründigeres und sind dann so richtig irgendwie in die Reflexion gegangen und waren so, naja, eigentlich, das finde ich auch nicht so cool. Und mitten in diesem Gespräch, was vielleicht 5 Minuten gedauert hat auf der Mariahilferstrasse, haben ganz viele Jungs ihre Meinung geändert. Und damit sage ich jetzt nicht, dass es das war und dass es nur das brauchten für nötiges Gespräch, aber ich habe das Gefühl, wenn man sie nicht von Grund auf verurteilt dafür, dass sie irgendwas, so wie wir alle mal was sagen, was einfach ein Blödsinn ist, sondern sagt, hey, wusstest du eigentlich, dass es nicht so cool ist?
Oder ich verstehe, warum du das denkst, aber ich kann dir auch eine andere Perspektive dazu geben, aber ich höre dir zu. Allein das, finde ich, war schon was, was wir thematisch ganz oft behandelt haben, oder dass wir so überlegt haben, okay, ist es jetzt okay, dass er das sagt oder sollen wir es rausschneiden zu seinem Schutz? Wir wollen sie auch nicht irgendwie, wir wollen nicht mit dem Finger auf sie zeigen, wir wollen, dass sie uns vertrauen und wir ihnen beibringen, was richtig ist und was falsch ist. Was halt eben ganz viele von diesen radikalen Influencern nicht machen, die missbrauchen dieses Vertrauen und das wollen wir halt nicht.

Simon Bardini
Ich muss aber auch sagen, irgendwie nicht, dass ihr denkt, dass die Jungs da irgendwie problematische Meinungen haben. Also jeder von denen.
Das stimmt nicht. Also ganz ehrlich, ich merke auch gar keinen Unterschied zwischen irgendeiner Gruppe, die ich interviewe, die aber ja, jede fünfte Person hat eine Meinung, die jetzt nicht politisch korrekt ist. Aber ich merke da jetzt keinen Überhang bei den jungen migrantischen Jungs. Also so ist es nicht, finde ich.

Anna Jandrisevits
Ja, auf jeden Fall, da stimme ich zu. Es war jetzt auch gar nicht so gemeint so. Nein, aber gut, dass du sagst, auf jeden Fall. Ja, das stimmt.

Celeste Ilkanaev
Ich glaube, das ist ja auch die Aufgabe vom Journalismus, niemanden vorzuführen. Also das ist ja auch etwas, wenn man sich wohlfühlt und dann sagt man halt manchmal Sachen, die man so jetzt wahrscheinlich. Also man hat ja nicht, manchmal weiß man nicht, dass da Millionen von Menschen zuschauen könnten, sondern man sieht nur zwei Personen. Und das kann bei jungen Männern wie auch Frauen und bei allen möglichen Menschen passieren. Weil das ist mir dann aufgefallen, weil ich habe, als ich der Chefredaktion angefangen habe zu folgen, habe ich mich als junge migrantische Frau sehr vom Content repräsentiert gefühlt. Und ich habe mich dann gefragt, glaubst du, Anna, weil du jetzt schon auch so lange dabei bist auch, glaubst du, dass dann halt weniger junge Frauen irgendwann mal anfangen werden, die Chefredaktion zu schauen?
Wenn ihr das jetzt, natürlich jetzt in ein paar Monaten freut sich jeder, aber wenn ihr das jetzt vielleicht zwei, drei Jahre durchzieht, dass ihr da vielleicht andere Gruppen dadurch verliert?

Anna Jandrisevits
Das ist voll die wichtige und richtige Frage. Ich glaube tatsächlich nicht oder ich hoffe nicht, dass. Wir hatten schon auch Kommentare von verschiedenen Personen, die meinten, ich finde das nicht cool, dass ihr jetzt so einen Fokus habt auf junge Männer, weil ganz ehrlich, Männer interessieren sich auch nicht für uns. Warum sollen wir jetzt diese Arbeit machen? So wie ich am Anfang meinte, es sind ja dann auch oft Frauen, die eben jungen Männern sagen he, folgt meiner Chefredaktion z.b. die machen Inhalte für dich. Was ja auch eine berechtigte Kritik ist, über die wir auch viel in der Redaktion gesprochen haben.
Eigentlich muss ich aber sagen, dass das Feedback vor allem sehr positiv ist, dass uns auch viele junge Frauen schreiben, ich finde das richtig toll, dass ihr das macht. Und ich habe selber auch eigentlich keinen Schimmer von Lebensrealitäten von jungen Migranten. Ich finde es wichtig, dass die mal Gehör finden. Und das sehen wir eigentlich auch in den Kommentaren, falls jetzt ein paar bestimmte Leute irgendwie das Gefühl haben, sie fühlen sich nicht mehr angesprochen, versuchen wir das natürlich trotzdem immer noch in unseren Inhalten, dass wir die unterschiedlichsten Perspektiven abbilden, weil es gibt natürlich nicht den einen jungen Menschen und es gibt auch nicht den einen jungen Migranten, der irgendwie, den wir jetzt irgendwie abbilden können, sondern es gibt ganz viele unterschiedliche Lebensrealitäten und wir versuchen so viele wie möglich abzubilden, was uns eben in unserem kleinen Team möglich ist.

Celeste Ilkanaev
Ihr habt das jetzt seit Anfang Jänner das Ganze und mit Simon seit ungefähr Oktober, dass ihr mehr eben Wert legt auf junge migrantische Männer bzw. Die Perspektiven dahinter. Was sind jetzt eure nächsten Schritte? Also habt ihr, also eben, wir haben schon darüber geredet, YouTube, Twitch, aber wird noch etwas anderes passieren, oder?

Anna Jandrisevits
Ja, also wir wollen auf Twitch gehen und da livestreamen und Reaction Videos machen, die journalistisch sind, aber die auch junge Migranten ansprechen. In den nächsten Monaten werden ganz viele unterschiedliche junge Migranten bei uns arbeiten, worauf ich mich schon sehr freue, einfach unterschiedliche Perspektiven zu haben. Wir wollen unser Abo System ein bisschen ausbauen. Wir haben ja einmal im Monat einen Newsletter, der exklusiv ist für alle, die bei uns ein Abo abschließen, wo wir unterschiedliche Lebensrealitäten von der Gen sie abbilden. So eine Art Generationenvermittlung, weil natürlich die Zielgruppe, die für uns zahlt, eher nicht die ist, die auch uns primär konsumiert. Also viele junge Menschen können sich natürlich kein Abo leisten und das wollen wir auch nicht. Und wir wollen, dass der Zugang für sie frei zugänglich bleibt.
Und deshalb sind es halt vor allem dann ältere Menschen, die bei uns ein Abo haben. Damit die aber nicht vernachlässigt werden, wollen wir halt auch mehr Newsletter und Inhalte für sie machen, exklusive, was aber dann eben auch von jungen Migranten ist, wo ich mir auch vorstellen kann, dass das sehr gut ankommt, weil dann eine Art Generationvermittlung stattfindet.

Celeste Ilkanaev
Habt ihr jetzt schon gemerkt, dass eure Followerschaft sich geändert hat? Also wirkt das eigentlich?

Anna Jandrisevits
Kurz gesagt ja, langsam, aber doch. Ich habe wirklich das Gefühl, ich meine Simon, du wirst es auf der Straße mehr mitkriegen, dass uns immer mehr Jungs kennen. Ich frage natürlich auch immer, ich bin fast schon peinlich, ich stehe einfach beim Dönerstand und schreibe und vor mir stehen so zwei Jungs und ich so hallo, kennt ihr die Chefredaktion? Und manchmal sagen sie ja.

Simon Bardini
Also bei der Millennium City kennt mich jeder mittlerweile. Und die Chefredaktion, also TikTok mäßig sind sie wirklich. Da wird viel von uns reingespült, sonst wäre das ja nicht möglich, dass jeder zweite hey, ich kenne euch, wir gehen.

Anna Jandrisevits
Ja auch oft an Schulen und da frage ich dann auch immer kennt ihr uns schon? Und sie kennen zumindest ein Video von uns eigentlich, sie folgen uns vielleicht noch nicht, aber sie kennen uns schon.

Celeste Ilkanaev
Aber auch österreichweit, dass das so sehr Wien fokussiert, also seht ihr das auch irgendwie österreichweit sich was tut?

Anna Jandrisevits
Wir sehen das in der Statistik, Leute aus Graz folgen uns vor allem auch und St. Pölten und tatsächlich auch viele aus Deutschland. Berlin ist eine sehr beliebte Stadt in unserer Statistik, da fragen uns viele, viele denken auch, dass wir in Deutschland sitzen und schreiben uns dann hey, könnt ihr da und da was dazu machen und herkommen und wir so wir sind in Wien, hoffentlich irgendwann auch in Deutschland.

Simon Bardini
Aber geschrieben was was heißt heuer?

Anna Jandrisevits
Ja, viele verstehen die österreichischen Begriffe nicht. Das stimmt.

Simon Bardini
Was ist das?

Celeste Ilkanaev
Ja, sehr cool, dass das Wirkung zeigt, damit auch unsere Zuhörer und Zuhörerinnen wissen, wann erscheint denn die nächste Folge?

Simon Bardini
Seiten auf null Simon nächste Woche am zwölfter Juni.

Celeste Ilkanaev
Anna, Simon, danke euch für das tolle Gespräch und ich freue mich schon auf die nächste Folge. Bis bald. Das war die heutige Folge von ganz offen gesagt. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal!

Autor:in:

Redaktion Ganz offen gesagt

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