Ganz offen gesagt
Wie wird man eine echte Österreicherin? - mit Olga Kosanović

- hochgeladen von Lara Marmsoler
„Die Verwurzelung ist vielleicht das wichtigste und meist verkannte Bedürfnis der menschlichen Seele“, schrieb einmal die französische Philiosophin Simone Weil. Doch, was, wenn der Ort, in dem man verwurzelt ist, einen nicht Wurzeln schlagen lässt? Dem ist die vielfach ausgezeichnete Regisseurin Olga Kosanović in ihrem neuen Film „Noch lange keine Lipizzaner“ nachgegangen. Mit Solmaz Khorsand spricht sie über den Wert der österreichischen Staatsbürgerschaft, was Heimat bedeutet und woher die Angst so vieler kommt, wenn ihre Mitbürger Doppelstaatsbürger sind.
Solmaz Khorsand
Herzlich willkommen bei Ganz offen gesagt. Mein Name ist Solmaz Khorsant und mein heutiger Gast ist die Regisseurin Olga Kosanovic. In ihrem aktuellen Film Noch lange keine Lipizzaner behandelt sie Themen wie Heimat, Staatsbürgerschaft und Identität. Mit ihr spreche ich darüber, was ein echter Österreicher ist und ob der Pass der edelste Teil des Menschen ist, wie Bertolt Brecht einmal behauptet hat. Hallo Olga.
Olga Kosanovic
Hallo.
Solmaz Khorsand
Vielen Dank, dass du Zeit hast für unser Gespräch heute. Bevor wir beginnen, gibt es bei Ganz offen gesagt die Transparenzpassage, woher wir einander kennen und ob du parteipolitisch aktiv warst oder bist. Ich übernehme den ersten Teil. Wir haben uns, glaube ich, vor ungefähr zwei Jahren kennengelernt beim Franz Grabner Preis, wo du in der Jury gesessen bist und ich die Rede gehalten hab. So irgendwie glaube ich war das. Und danach. Genau. Und wir haben uns vor kurzem gesehen, weil wir vor einer Woche ein Gespräch hatten zu deinem aktuellen Film Noch lange keine Lipizzaner.
Den zweiten Teil überlasse ich dir.
Olga Kosanovic
Ich bin nicht parteipolitisch aktiv und war es auch nie.
Solmaz Khorsand
Okay, es ging schnell. Ich stelle dich noch den Zuhörer innen vor, die dich nicht kennen sollten. Du bist eine vielfach ausgezeichnete Regisseurin und Drehbuchautorin. Deine Filme Genosse Tito, Ich erbe und Land der Berge wurden auf zahlreichen Festivals ausgezeichnet und dein erster Langfilm Noch lange keine de Pizzaner, der aktuell in den Kinos läuft, für den hast du den Outstanding Artists Award des Kulturministeriums bekommen, richtig?
Olga Kosanovic
Ja, das stimmt. Wobei diese Preisverleihung hat noch gar nicht stattgefunden. Das ist ein bisschen merkwürdig. Bislang gibt es nur diese E Mail.
Solmaz Khorsand
Ah, okay, gut, okay. Ja, also ich hab's so gesehen und war extrem beeindruckt und war so, okay, wow. Genau. Und ich habe dich, also wegen deinem aktuellen Film habe ich dich auch eingeladen, weil für mich, also für meine Oktoberfolge, weil der Oktober für mich immer so den immer verbinde mit dem Staatsfeiertag und ich finde das immer ganz gut. Ein bisschen vielleicht tiefgründiger über Österreich und Heimat und Patriotismus und Identität und all diese wunderbaren Begriffe, die immer wieder in unserem Diskurs herumschwirren, zu reden. Und im Prinzip geht es ja in deinem aktuellen Film auch darum, also ich fasse das nur kurz zusammen, damit du dann gleich dran schließen kannst mit ganz vielen Interpretationen. In deinem Film geht es im Prinzip um den Prozess der Einbürgerung und vor allem auch anhand einer eigenen persönlichen Geschichte, also wie du österreichische Staatsbürgerin werden kannst, Wobei du ja selbst in Österreich geboren wurdest, hier aufgewachsen bist, hier zur Schule gegangen bist, deine Eltern kommen aus Serbien und du hast dann irgendwann mit Mitte 20 beschlossen, jetzt beantrage ich die Staatsbürgerschaft.
Aber Österreich hat gemeint, nein, sie waren zu lange im Ausland, insgesamt 58 Tage und deswegen müssen sie wieder zurück zum Staat und diese ganze Prozedur von vorne beginnen, die unglaublich viele Hürden hat. Und du hast, das, finde ich, extrem schön im Film gezeigt. Es gibt Interviews mit Beamten, mit Kulturwissenschaftlern, auch mit Österreichern, was sie zu diesem Prozess denken und eben auch denen, die eingebürgert werden sollen und eben deine eigene Geschichte. Und man hatte, glaube ich, damals gesagt, du bist unintegrierbar. Was haben die damit gemeint?
Olga Kosanovic
Ja, oder sie hat zumindest die Beamtin damals hat gesagt, sie müssen jetzt erstmal überprüfen, ob ich überhaupt integrierbar sei. Also sozusagen, weil ich glaube ich, mit so einer Nonchalant da hingegangen bin und mir gedacht habe, ja, die schauen sich jetzt meine Unterlagen an und das ist gleich erledigt. Und dann hat sie, glaube ich, diese Haltung von mir gespürt und hat dann gesagt, na so einfach ist das nicht, wir müssen jetzt mal schauen, ob sie überhaupt integrierbar sind. Das ist ein schwieriger Prozess. Und ich habe mich natürlich gleich gefragt, was soll das heißen? Zu dem Zeitpunkt war ich beim Burgtheater angestellt und habe in einer Schule unterrichtet. Also ich war streng genommen Bedienstete des österreichischen Staates, das steht auf dem Lohnzettel und dann kommt sowas und dann denkt man sich so, worum geht's da?
Und da wusste ich noch lange nicht, dass es um zum Beispiel jetzt in meinem konkreten Fall um die Auslandsaufenthalte geht.
Solmaz Khorsand
Genau, weil du hast ja im Ausland studiert, du warst Erasmus gemacht, du hast auf Urlaub, all das wurde irgendwie zusammen zusammengerechnet, eben weil man, weil du bist, du wurdest ja auch mit deinem, du bist mit deinem Fall dann ja auch publik gegangen, warst in vielen Talkshows und hast darüber gesprochen. Du bist ja auch ein sehr dankbarer Gast, weil du perfekt Deutsch sprichst. Du schaust aus für den Mehrheitsösterreicher wahrscheinlich wie die klassische Österreicherin, wenn sie dich ansehen. Und das hat, glaube ich, sehr viel, das fanden sehr viele sehr absurd. Und es gab, glaube ich, auch sehr viel Kommentare und Hasskommentare auch auf deine Auftritte. Also Hasskommentare, also unter anderem diesen Kommentar von Desert Eagle Online, der gesagt hat, wie war das Zitat noch? Nur weil er eine Katze in der Hofreitschule geworfen hat, sind das noch lange keine Lipizzaner.
Genau, quasi der Titel zu deinem aktuellen Film. Wie hast du dich gefühlt mit einer streunenden Katze verglichen zu werden?
Olga Kosanovic
Genau, also ich habe damals eben so eine SOS Mitmensch Kampagne unterstützt, wo es eigentlich nur darum gegangen ist, dass hier geborene Menschen einen erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft haben sollten. Und ich habe dieses Video online gestellt und das war dann wirklich kurzzeitig viral, was genau wahrscheinlich aus den Gründen passiert ist, die du gerade erwähnt hast, nämlich, dass die Leute das Gefühl hatten, hä, bei der kriege ich das quasi jetzt überhaupt nicht zusammen alles Und es liegt sicher auch daran, wie ich Deutsch spreche oder wie ich aussehe oder was ich für Nicht Klischees bediene vielleicht. Und genau, und dann war das in aller Munde und dann gab es eben vor allem in so Tageszeitungen, es waren wirklich sehr viele Tageszeitungen, es war der Standard, die heute. Und da gab es so viele Kommentare und einer davon war der, den du gerade erwähnt hast von Desert Eagle. Und der ist mir so ins Auge geschossen, weil ich so das Gefühl hatte, was ist denn das überhaupt für eine Behauptung?
Also was heißt das überhaupt? Das liest sich so, als wäre das so eine Selbstverständlichkeit, wie dieser Mensch sie da so präsentiert als Regel. Und ich habe sie aber überhaupt nicht verstanden und habe mir gedacht, wo kommt diese Selbstverständlichkeit auch her für dieses, ich will es jetzt nicht Kulturverständnis nennen, weil das ist sehr verteidigend, aber es ist einfach rassistisch natürlich und extrem wertend. Und dass ich dann diese Katze sein soll, die da fälschlicherweise, kann man sagen, in einer Hofreitschule zur Welt kommt, ist natürlich irre dieses Bild. Es hat sich schon sehr eingebrannt.
Solmaz Khorsand
Es zeigt dir halt auch, Menschenverachtung trifft es halt gar nicht, weil es ist ja, also dich herabwürdigen, also als Tier und an sich selbst, aber so aufwerten als so edles Ross.
Olga Kosanovic
Edler geht's nicht. Also edler geht's nicht.
Solmaz Khorsand
Und ich denke mir, was hast du für einen Größenwahn in deinem Hirn? Genau, für mich war es halt so eine, für mich war es eigentlich nur die klassische Umschreibung einer Grundhaltung, die es in Österreich gibt, dass man nie echter oder echt Österreicher oder Österreicherin werden kann. Also egal wie lange du hier gelebt hast, egal wie viele Generationen du schon hier bist. Also es geht irgendwas, irgendwas fehlt irgendwie. Und ich frage mich dann immer, wie sich diese Haltung bei einem Teil der Gesellschaft verändern kann, dass sie jemanden wie dich oder jemanden wie mich als echte Österreicherin wahrnehmen. Und ich muss dazu gleich sagen, mir ist das eigentlich wurscht. Also ich habe diesen Anspruch überhaupt nicht.
Mist, ich sehe da diese, also für mich ist das kein Wert, aber es.
Olga Kosanovic
Ist total interessant, weil ich finde, ich erlebe es genauso. Also es gibt quasi, dieses Ziel ist nicht zu erreichen, dass man echte Österreicherin wird. Und gleichzeitig habe ich jetzt auch mit diesem Film irgendwie so herausgefunden in den vielen Gesprächen, die vermeintlich echten Österreicher sind dann nicht echt. Also die sind dann aus anderen Gründen eigentlich widersprüchlich, was diese Echtheit, die sie von anderen verlangen, irgendwie nicht belegbar ist, oft in der eigenen Biografie oder eben diese Widersprüche gerade einen zum echten Österreicher machen vielleicht. Und das ist ja das, was mit den Lipizzanern auch irgendwie als Beispiel jetzt passiert. Und ich finde, die werden so hochgehalten als österreichische, urösterreichische Hochkultur, als Aushängeschild und als was weiß ich stolz. Und dann sind sie so multikulturell geprägt und kommen aus dieser vielfältigen Geschichte.
Und das finde ich halt spannend, dass das eigentlich so voller Widersprüche ist. Und das wollte ich auch so ein bisschen dekonstruieren. Deswegen hat sich dieser Satz so gut geeignet, den so herzunehmen und sich an dem so heranzuhandeln für die Dramaturgie, weil ich habe das Gefühl, die Österreicher, selbst die Österreicher, wer auch immer die jetzt sein mögen, können das ja gar nicht selber so gut erklären, was es eigentlich heißt, ein echter Österreicher zu sein. Verlangen ist aber trotzdem a priori von allen anderen. Und das ist natürlich ein Ding der Unmöglichkeit. Du kannst es eigentlich gar nicht erbringen dann. Und dieser ja, aber ich würde fast sagen, dieser Sprintmarathon ist schon anstrengend. Und ich glaube wahrscheinlich die Haltung, die du hast, nämlich mir ist es egal und ich kümmere mich darum nicht, ist vielleicht eh die gesündeste, weil es nicht wirklich möglich ist.
Kommt mir vor.
Solmaz Khorsand
Du hast eher einen der Interviewpartner, der sagt ja eh auch, dass sich die Österreicher so unsicher sind in ihrer eigenen Identität. Und das bringt als Begründung an, warum sie es anderen so schwer machen, dadurch die Staatsbürgerschaft zu bekommen.
Olga Kosanovic
Genau. Also es gibt wirklich Theorien, die sind nicht von mir, sondern die gibt es von Expertinnen, die einfach sagen, diese Nationenbildung Österreichs war eine sehr komplizierte und komplexe und man hat eigentlich lange nicht gewusst, worauf man sich beruht in seiner nationalen Selbstverständlichkeit. Und es ging einfach sehr, sehr lange darum zu okay, wir müssen den Leuten verklickern, wir sind keine Deutschen. Und das war bis zu den ERN eigentlich noch ein Ding der Unmöglichkeit. Da gibt es Umfragen von Straßen, wo die Leute einfach wirklich sagen, über 60 Prozent glaube naja, wir sind Deutsche, wir leben in Österreich, aber wir sind Deutsche. Und das wollte der Staat natürlich irgendwie anders herstellen, diese Identität. Das heißt, es ging ganz stark um Abgrenzung.
Warum sind wir nicht Deutsch? Und was macht uns zu echten Österreichern, zu eigenständigen Österreichern? Was ist unser Merkmal, an das man sich so stützen kann? Und das muss man irgendwie aufbauen als Nation. Und das scheint für Österreich sehr komplex gewesen zu sein, auch aufgrund der sehr, sehr vielfältigen Geschichte, geografisch, Grenzverschiebungen und allen möglichen Dingen, die historisch halt in Österreich passiert sind. Und ich glaube, ich fand die Theorie einfach sehr, sehr spannend, weil ich konnte viel damit anfangen, weil ich auch das Gefühl hatte, das hat sich widergespiegelt in diesen Straßenbefragungen von Nicht Expertinnen, wenn es darum geht, die Frage zu beantworten, was ist denn jetzt sehr österreichisch? Und dann wird entweder auf diese ganz klassischen Klischees zurückgegriffen, die wirklich jeder beantworten könnte und die aber irgendwie ja, oder Mozartkugel oder weiß nicht was und niemand eigentlich sagen kann, was den Österreicher jetzt ausmacht, die Österreicherin.
Und ja, das fand ich, deswegen kann ich mit dieser Theorie schon sehr viel anfangen. Die hat natürlich auch Kritik, diese Theorie ist eh klar. Aber so wie eben der Diplomat Emil Briggs oder ehemalige Diplomat in meinem Film gesagt hat, es scheint so eine Inselhaltung zu haben, dieses Land, obwohl es keine Insel ist. Es ist das Gegenteil von einer Insel.
Solmaz Khorsand
Aber gleichzeitig weiß man irgendwie unausgesprochen doch, was gemeint ist, habe ich immer das Gefühl. Also ich weiß nicht, ob du das Interview gelesen hast vor ungefähr einem Monat im Falter mit Niki Klattauer, dem verstorbenen Publizisten, der sich entschieden hat, assistierten Suizid in Anspruch zu nehmen. Und ich habe mich extrem über dieses Interview geärgert, aus vollkommen anderen Gründen als die meisten, weil mich das Thema, also für mich ist Suizid eine sehr private Sache, Entschuldigung, das ist jetzt ein bisschen Seitenschwenk, aber er hat da drin sehr viele rassistische Aussagen gemacht, die von den Interviewenden nicht in Frage gestellt wurden und auch dann später im Diskurs nicht mehr aufgegriffen worden sind, weil es wahrscheinlich als zu pietätlos galt. Und da war dieser Ausdruck austrifizieren. Und er hat verlangt, dass schon sehr früh diese ausländischen Familien, die nach Österreich kommen, austrifiziert werden müssen, ohne dass dieser Begriff kritisiert worden wäre oder zumindest, dass die Interviewenden verlangt hätten, was er bedeuten soll. Und ich fand, ich habe mir gedacht, ich bin im falschen Film, dass in einer sehr seriösen Qualitätszeitung dieser Ausdruck einfach so stehen kann, weil er für mich durch und durch faschistisch klingt und ich von allen Menschen verlangen würde, dass sie sich von dem distanzieren, weil ich will, wüsste nicht, was es bedeuten soll.
Was heißt es, austrifiziert zu sein? Bin ich austrifiziert? Sind ihre Kinder austrifiziert? Was soll das bedeuten?
Olga Kosanovic
Ja, das ist wirklich ein sehr schwieriger Begriff, den ich jetzt zum Glück im Alltag nicht so oft höre, Aber ich habe auch das Gefühl, dass das eben, da wird ja auch immer so der Unterschied gemacht, kommt mir vor, weil was wäre das Pendant jetzt, wenn ich an Deutschland denke, so germanifiziert, da kommen dann gleich ganz viele Alarmglocken bei allen hoch. Und das ist ja sicherlich einfach das Problem der Österreicherinnen, dass der Austrofaschismus und diese ganze Zeit wahnsinnig unaufgearbeitet immer noch ist. Und jetzt reden wir schon so lange darüber, dass es unaufgearbeitet ist. Es ist schon so langweilig. Und das gehört jetzt schon so zu unserer Identität dazu, zu Ja, wir haben uns damit nicht genug beschäftigt, als wäre es damit abgeschlossen. Und ich habe einfach so das Gefühl, vielleicht ein kleiner Gedanke dazu noch, der mir auch oft auffällt, ist, wenn man den Österreicherinnen vorwirft, sie hätten eine Nazimähe oder sie wären jetzt irgendwie faschistisch, rassistisch, dann ist eigentlich immer erst mal im Boah, das darf man ja nicht sagen. Das ist ja voll beleidigend dem Gegenüber, der sich das jetzt anhören muss.
Und es geht dann voll oft nicht um die Sache, die aber gerade thematisiert wurde und die vielleicht rassistisch oder faschistisch Tendenzen hat, egal ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt, egal ob sie vielleicht nur in der Sprache versteckt sind oder wirklich ein Kalkül hatten. Und das finde ich sehr interessant, dass da so eine Abwehrhaltung sofort ist bei allen Österreicherinnen.
Oh Gott, nein, bitte. Also bring mich damit nicht in Verbindung. Und das macht es natürlich den Dialog darüber auch sehr schwer wahrscheinlich, dass man.
Solmaz Khorsand
Auch so schnell zum Verstummen kommt. Also eben, ich hatte auch Hemmungen, dass man das dann ab und zu, Wobei nein, ich habe nicht so oft Hemmungen, das anzusprechen, merke ich. Nein, eigentlich nicht, aber weniger. Also für mich ist es mehr so eine Klarheit. Also es gibt es in jeder Gesellschaft und ich finde es jetzt nicht so problematisch. Also ich bin eher irritiert, wie du sagst, wenn Leute das dann so von sich abwehren und es wird halt sehr.
Olga Kosanovic
Schnell auf die FPÖ oder den rechten Flügeln abgewiesen.
Solmaz Khorsand
Genau, genau. Das sind die Bösen, die Dämonen, denen.
Olga Kosanovic
Können wir das umhängen. Aber selber wollen wir uns damit nicht auseinandersetzen, wie sehr es ja eben schon salonfähig ist schon längst und wie sehr es einfach schon total in der Mitte ist. Das finde ich eigentlich eher das Gefährliche daran.
Solmaz Khorsand
Ich komme auf deinen Film zurück, weil ich kurz so aufgehorcht habe. Es war relativ am Anfang. Da sagst du, du liest aus diesem Magistratsschreiben vor, das man dir damals geschickt hat und man dich als Fremde bezeichnet. Und du sagst dann, glaube ich, das war das erste Mal, dass ich mich fremdgefühlt habe in Österreich. Und ich habe mir gedacht, wirklich?
Olga Kosanovic
Ja, naja, genau. Also das ist sicher ein bisschen widersprüchlich, dieser Gedanke. Vielleicht hat so was mit so einer behördlichen Fremdheit tatsächlich zu tun. Also ich habe schon in meinem Alltag natürlich, ich meine, ich bin in einem sehr österreichischen Umfeld aufgewachsen, muss ich schon dazu sagen, aber natürlich gab es total viele Momente, wo ich das Gefühl hatte, jetzt werde ich hier natürlich fremdgemacht, auch von außen aufgrund meines Namens oder aufgrund meiner Reisepassfarbe bei Klassenreisen und so weiter. Das gab es alles. Aber ich hatte immer so das Gefühl, solange ich mich hier zugehörig fühle und solange ich jetzt hier auch das als meine Heimat sehe und kein Problem damit habe ich, dass, dass ich andere Eltern hab, aber hier geboren bin, genauso wie meine Mitkollegen und Freundinnen, dann geht das schon, dann geht sich das schon irgendwie aus. So bin ich aufgewachsen als Kind einfach.
Ich habe darüber nicht weiter nachgedacht. Und dann als dieser Stempel sozusagen von außen kam und dieses Bum, die Fremde, da habe ich dann so das Gefühl, ach so, also es war wirklich total naiv, aber es war wirklich so, die fühlen sich überhaupt nicht zuständig für mich und die sehen mich total nicht als Teil, sondern als geduldeter Gast oder was auch immer dann die Definition ist. Und das fand ich tatsächlich sehr schwierig. Und da gab es auch zum ersten Mal so das Gefühl einer nicht Resignation, sondern eigentlich so mehr so einer Lust, einer Rebellion. Also da gab es zum ersten Mal so das Gefühl, boah, wenn ihr mich nicht wollt, dann will ich vielleicht auch nicht oder so. Das hatte ich davor eigentlich gar nicht. Und das ist ja auch irgendwie so, das zeigt ja auch irgendwie, wie kontraproduktiv das letztlich ist für beide Seiten.
Solmaz Khorsand
Weil es erzeugt dann eben so einen Widerwillen. Also das, was man eigentlich haben möchte, die Identifikation mit einer Gesellschaft oder einem Staat sogar, dass die dann irgendwie verwehrt. Also das kann man dann nicht, also es ist Kindergartenlogik, du willst mich nicht, ich will dich nicht.
Olga Kosanovic
Es ist Kindergartenlogik, die glaube ich extrem menschlich ist und die in meinem Fall ja wirklich, ich dachte, dass sie da ist und dann plötzlich ist sie nicht da und dann merke ich, aha, was heißt das jetzt eigentlich für mein Leben und was ändert das jetzt auch für den Blick auf das Ganze? Und dann plötzlich finde ich es irgendwie auch nicht mehr so cool, wenn ich einen Preis in Deutschland gewinne und dann in der österreichischen Zeitung steht, das ist unser Nachwuchs und so weiter, mit keinem Wort erwähnt bin, dass ich Serbin bin. Und also das ist halt schon, das ist so diese Doppelmoral, wo ich dann plötzlich angefangen habe, ein Problem damit zu haben.
Solmaz Khorsand
Du hast auch einen, also ich habe mich auch gefragt, inwieweit es dein Unsicherheitsgefühl vergrößert hat, weil es gab einen, glaube ich, jungen Mann im Film, der auch gesagt hat, ich kann mir gewisse Dinge einfach nicht leisten, Dass man halt, es kann halt alles passieren. Und ich meine, wir sehen die Weltlage und dieser Deportationshorror, den man eigentlich, also manche haben das immer, unabhängig jetzt von den USA und Trump, aber dass man halt weiß, dass wenn sich die politische Lage in einem Land ändert, sind wir die Ersten, die sie raushauen. Genau, also die, die noch dazu nicht einen Pass haben. Und ich frage mich halt, ob du deinen Eltern je Vorwürfe gemacht hast, warum sie das nicht früher beantragt haben.
Olga Kosanovic
Ja, Vorwürfe nicht, aber ich habe natürlich, ich habe ja mit 18 schon das Gefühl gehabt, ich will das eigentlich machen, diese Einbürgerung und habe dann relativ schnell gemerkt, so mit 18 ist es deswegen kompliziert, weil ich dann ganz viele Sachen von meinen Eltern verlangen muss, von meiner Mutter eigentlich ihre Gehaltsnachweise, weil ich nichts verdiene, mit 18 ihre Mietverträge, weil ich bei ihr wohne. Das heißt, eigentlich muss sie diesen ganzen bürokratischen Wahnsinn machen für mich. Und ich stelle dann diesen Antrag. Und das fand ich wahnsinnig unfair, weil ich das Gefühl hatte, meine Mutter hat wirklich für unseren Daueraufenthalt schon so einen Kampf hinlegen müssen, als ich ein Kind war. Und da war es so, ich kann mich erinnern, dass sie, das hat sie mir erst später erzählt, also als Kind hat sie mich davor bewahrt, glaube ich, aber später hat sie mir erzählt, dass sie eben nur noch zum Abholen von dem fertigen Daueraufenthalt gegangen ist, sie zur Behörde. Also es war schon erledigt. Und die Beamtin hat zu ihr Schweren Herzens gebe ich ihnen das jetzt.
Und das hat sie mir erzählt später, als ich eben schon volljährig war. Und dann habe ich mir so boah, was für ein Scheiß schon wieder so was, wo ich ganz naiv in meiner heilen Welt mich mit solchen Dingen auch nicht beschäftigt habe, als ich Kind war, und Heranwachsende und dann aber so gemerkt habe, das ist so eine Realitätswatschen auch in Österreich, weil was soll das? Und natürlich verstehe ich dann auch meine Mutter, die dann Ich will einfach nie wieder zur Emma 35 fertig. Ich habe das jetzt einfach erledigt mit diesem Daueraufenthalt. Hoffentlich ändert sich eben über Nacht sozusagen nichts, dass es für uns dann auch schwierig ist. Aber ich mache das nicht noch mal. Und deswegen hatte ich auch so die Verantwortung mehr so umgekehrt.
Ich will nicht, dass sie da mit reingezogen wird in meinen Antrag, sondern ich will genug verdienen selber und selber einen Wohnsitz haben, damit ich für mich diesen Antrag stellen kann für die Einbürgerung. Es muss mit ihr nichts zu tun haben und ich möchte sie nicht mit hineinziehen. Das war so ein bisschen der Grund. Aber auf der anderen Seite, was du vorher meintest, gerade so in dieser ersten Corona Zeit, die sehr crazy war, gab es voll oft diese Unsicherheit, dass ich so das Gefühl hatte, also damals war Sebastian Kurz Kanzler und er hat immer nur von Österreicherinnen und Österreichern gesprochen in jeder Fernsehansprache, die wir uns alle immer angeschaut haben. Und er hat gesprochen von einer Ausnahmesituation, wo Gesetze quasi nicht mehr so gelten. Und dann habe ich mir schon so gedacht, was heißt das eigentlich, wenn die jetzt über Nacht aus diesen Gründen, jetzt sagen wir mal nur praktisch pandemisch eindämmenden Gründen entscheiden würden, alle, die nicht Staatsbürger sind, sollen jetzt mal bitte zurück in ihre Heimat. Und was bedeutet das?
Und was ist überhaupt dann meine Heimat? Und solche Dinge sind schon mit so einem Unbehagen verbunden, die ich eben meine, wenn ich so sage, ich hätte gerne von einem Staat, von dem ich, bei dem ich mich so zugehörig fühle, dass ich Steuern zahle und in den ich sozusagen mitarbeite auch, dass der sich für mich auch zuständig fühlt, diplomatisch nämlich und nicht nur aus der Identitätssache heraus, sondern wirklich rechtlich. Der soll quasi wie ein Vertrag, wie eine Heirat, dass man Du bist auch für mich zuständig als Staat und du musst mich sehen und ich möchte gesehen werden und ich habe auch meine Rechte und für die musst du dich auch kümmern. Und wenn ich im Ausland bin und ein Problem habe, dann will ich, dass die österreichische Botschaft mich nach Hause bringt, nach Wien und nicht irgendeine andere zuständige Stelle, die sich vielleicht für mich nicht zuständig fühlt. Weil sie gar nicht weiß, dass ich existiere oder who knows. Und das sind so Sachen, die kommen sicher auch aus einer Sozialisierung von meiner Familie heraus, die jugoslawisch ist, wo sich alles über Nacht ändert und jeder mit dem Gefühl aufgewachsen ist, dass nichts für immer ist durch diesen Bruch, dass ich weiß, dass das so ist und dass ich deswegen auch die Sicherheit haben möchte.
Solmaz Khorsand
Diese Geschichte, die du über deine Mama erzählt hast, dieser gesamte Einbürgerungsprozess, ist ja eigentlich auch ein Prozess der Demütigung, der permanenten Demütigung. Leider ja, Also man sieht das sehr schön in deinem Film, also was man alles erbringen muss. Da geht es ja nicht nur um die Deutschkenntnisse, um ein gewisses Einkommen, um eben, dass man mindestens 10 Jahre Österreich gelebt haben muss, sondern auch, dass man straffrei ist. Das heißt also Verwaltungsstrafen wie falsch parken oder bei Rot über die Straße gehen, das kann schon deine Staatsbürgerschaft verhindern. Wie hat das dich in deinem täglichen Handeln beeinflusst, dass du jetzt sagst, ich muss jetzt einfach aufpassen, was ich tue?
Olga Kosanovic
Ja, ich glaube auch, dass das vielleicht, wie soll ich sagen, ich will nicht das Wort schikanös in den Mund nehmen, weil dann geht es immer so sehr um die Behördenarbeit an sich. Aber es ist dieser Prozess vom Gesetz her schon so wahnsinnig erniedrigend, weil man so viel zusammensammeln muss und sich so nackt machen muss vor diesen Beamtinnen, wo ich mir so denke. Also ich meine, wer hat denn bitte alle seine Schulzeugnisse noch? Das sind so Sachen, zum Glück hatte meine Mutter alle meine Schulzeugnisse noch, aber das ist doch total absurd, worum geht es da? Und deswegen, es ist wirklich, das ist ja das, was von sozusagen, sagen wir jetzt Mal, der Mitte rechts fraktion IrGendwie so hochgehalten wird, zu sagen, das ist ein hohes Gut, das muss man sich verdienen. Wenn damit gemeint ist, dass man diesen Prozess überleben soll, dann von mir aus. Ich verdiene es mir, indem ich jetzt hier auf allen vier zu dieser Behörde krieche, mich zwei Jahre damit rumschlage und dann habe ich es geschafft.
Wenn das gemeint ist, okay, dann verstehe ich jetzt, warum die Gesetze so sind, Aber das ist ja nicht gemeint. Und die Frage ist einfach so, was es auch mit den Menschen in diesem Prozess macht. Also gar nicht, jetzt vergessen wir das Leben davor und wann dieser Zeitpunkt ist, aber wie draining dieser Prozess ist und wie verunsichernd und wie teuer und wie eben all das, was das mit den Menschen einfach derweil macht, wird überhaupt nicht besprochen. Also da gibt's, das ist eher so die Selbstverständlichkeit, naja, wenn du das willst, dann musst du halt das erbringen, ist doch eh klar, das wird einem doch nicht nachgeschmissen und das ist doch blablabla. Aber das macht auch was mit dem, ich nehme das Wort jetzt in den Mund, Integrationsprozess und auch mit dem Gefühl dazuzugehören oder nicht dazuzugehören. Es macht auch was mit Leuten, dass sie am halben Weg sagen, das ist mir zu wild, ich gehe jetzt wieder. Ich finde mich damit ab, niemals Österreicherin zu werden aus verständlichen Gründen.
Und das meine ich eben auch. Alles ist so kontraproduktiv für einen Staat, der Menschen braucht und der sich überlegen muss, wer oder welche Leute die Wählerschaft ausmachen bald. Also ich finde, es ist, ach ja, es ist einfach so, wenn wir, vielleicht sollten wir mehr über Kindergartenlogik in dem Zusammenhang sprechen, weil es ist so nachvollziehbar. Und wenn ich mit Österreicherinnen, autochthonen Österreicherinnen spreche, die auch von sich aus sagen, boah, das ist aber ganz schön arg oder ich würde meine ja nie abgeben, meine österreichische Staatsbürgerschaft oder ich habe ein ganz anderes Selbstverständnis zu, was mir zusteht. Und man schafft aber diesen Switch nicht, diesen Empathie Switch, diesen Kurzen, sich in die andere Person hineinzuversetzen. Das ist eben so das Ermüdende an dieser Debatte auch.
Solmaz Khorsand
Aber das, was mir mal erzählt, ist allein, dass man, wenn alle auf Matura Reise fahren und dann plötzlich beim Grenzübergang vielleicht einige den Pass vergessen und gar nicht checken, dass sie immer den Pass mithaben müssen, während du permanent deinen Pass mit hast, weil du weißt, du musst dich immer ausweisen.
Olga Kosanovic
Richtig.
Solmaz Khorsand
Dass nicht mal diese Kleinigkeiten begriffen werden und dieses auch mit der Staatsbürgerschaft abgeben. Also ich war bei einer Zeremonie dabei und habe dann mit Leuten geredet, weil ich für sie, natürlich war das ein Feiertag für sie, dass sie die österreichische Staatsbürgerschaft bekommt, aber ich habe schon die Trauer gespürt, dass sie das auch ab, dass sie was anderes, weil du darfst ja nicht Doppelstaatsbürger sein. Also die waren nicht alle glücklich darüber, dass sie das abgeben müssen, weil man irgendwie verlangt, dass du einen Teil deiner Identität aufgibst und weil sie halt, weil irgendwie, ich weiß nicht, was da in den Köpfen vorgeht, dass man halt immer denkt, dass Menschen, die vielleicht auch andere Pässe haben, vielleicht irgendwie trojanische Pferde sind in dieser Gesellschaft und wenn es mal hart auf hart kommt, kämpfen sie für die falsche Seite, oder? Also ich habe das Gefühl, es ist so ein diffuses Angstgefühl, dass wenn du, weil auch wenn ich den Pass hab oder nicht, also das wird dich, also wie viele Menschen, österreichische Staatsbürger, deutsche Staatsbürger, französische Staatsbürger, haben sich radikalisiert und sind in irgendwelchen Terrorstaaten zum Kämpfen gegangen. Der Pass ist oder die Staatsbürgerschaft sagt gar nichts aus.
Olga Kosanovic
Ja, ich meine, ich glaube, es ist einfach so, auch das gehört zu dieser Sozialisierung dazu in Österreich, dass eben nur eine Staatsbürgerschaft geht, wobei man eben sagen muss, dass die Ausnahme die Regel bestätigt, wie so oft in Österreich. Und das ist wahnsinnig zermürbend für Menschen, die ihren Pass abgeben müssen, weil es nicht so gut argumentierbar ist. Warum eigentlich? Und es wird aber sofort dieser vermeintliche Loyalitätskonflikt, den du gerade angesprochen hast, in den Raum gestellt. Also da geht es dann plötzlich um ganz persönliche Gefühle und das merke ich eben auch in diesen ganzen Foren und in diesen ganzen Diskussionen darüber, also wirklich im öffentlichen Diskurs, man soll nur eine haben und was soll das, wenn man zwei hat? Weil das bedeutet automatisch, man steht weniger zu Österreich. Und das ist so ein Irrglaube, weil das eine schließt das andere überhaupt nicht aus.
Es macht keinen Unterschied, ob ich das jetzt auf Papier wo stehen hab, weil es ist eh schon Fakt und es ist diese Mehrfachzugehörigkeit bei vielen, vielen Biografien einfach Fakt, ohne sie sich auszusuchen. Und warum muss ich sie dann nachher irgendwie negieren, damit ich woanders ein Papier bekomme? Und das ist schmerzhaft und das verstehe ich. Und das ist genauso, um noch mal auf diesen, auf diesen Begriff feiern zurückzukommen, das finde ich ja auch schon nach so einem Prozess hat das schon auch bisschen was Zynisches, was schwer auszuhalten ist, weil ich werde jetzt auch oft gefragt, wenn es dann soweit ist und ah ja, wie wirst du das dann, was machst du dann, wie wirst du das dann feiern und so. Und ich denke mir so auf der einen Seite. Ich werde unglaublich froh sein, dass dieser Prozess und dieses Thema, das mich jetzt seit 5 Jahren begleitet, unfreiwillig zu Ende ist und dass ich wirklich sagen kann, ich muss nie wieder zu Emma-35. Natürlich, das möchte ich schon feiern, aber gleichzeitig ist dieses wieder eine Selbstverständlichkeit zu sagen, jeder wird das feiern wollen, eine Zumutung auch, weil vielleicht habe ich was verloren dadurch, vielleicht ging es mir währenddessen überhaupt nicht gut, vielleicht habe ich wahnsinnig viel Geld zahlen müssen, also nicht vielleicht, sondern ganz sicher.
Jetzt soll ich auch noch feiern, Also das ist irgendwie schon. Und dann auch noch stolz sein und österreichisch, also Österreich bejahen in jeder Pore meines Daseins und am 26. Oktober auf den Heldenplatz gehen, das machst du nicht.
Solmaz Khorsand
Was meinst Du?
Olga Kosanovic
Also am 26. Oktober gibt es eine Vorstellung im Filmcasino, möchte ich hinweisen, aber das meine ich so. Das ist, finde ich, das ist dann so ganz am Schluss auch noch mal so eine ganz kleine Watschen, weißt du, Und auch so diese Einladung ins Rathaus, dass man dann die neuen Österreicherinnen, diesen Begriff kann ich auch überhaupt nicht ausstehen, Neoösterreicherinnen, wie sie dann genannt werden wieder, man ist nie ganz Österreicherin, die dann irgendwie beglückwünscht werden im Rathaus. Man kann diese Feier weglassen, finde ich, wenn man den Prozess erleichtert. Also dann fühlt sich es auch nicht so an, dass man nach zwei Jahren auch wirklich mal anstoßen muss, sondern wenn das Ganze vereinfacht und pragmatisch und faktischer wäre, dann hätte es auch diese Emotionalisierung nicht so stark und dann müsste man nicht auch sagen, wir müssen den roten Teppich im Rathaus auslegen, den dann eh nicht viele wollen. So und dann gehe ich dahin und ich stelle mir dann so vor, wie ich dann irgendwie von irgendwem beglückwünscht werde und denke mir, ja danke, aber ich weiß nicht wofür eigentlich danke.
Solmaz Khorsand
Ja, wobei, also ich meine, ich würde, also das Feiern wäre dann halt ganz oft bei Rot über die Straße zu gehen und eben, na, das mache ich auf jeden Fall.
Olga Kosanovic
Also ich stelle sofort meine Schuhe wieder auf den Gang und ich werde mir die ein oder andere falsch parken mit meinem Moped gönnen.
Solmaz Khorsand
Gönnen, Nein, weil wir haben da auch bei unserem Gespräch im Votivkino drüber gesprochen, dieses, ich habe ganz vergessen, dass es Ja, dieses komische Gelöbnis gibt, Also dass man das Ansehen Schwur.
Olga Kosanovic
Genau, schwur.
Solmaz Khorsand
Also das klingt ja wie so eine. Also es ist, also ja, ich meine gut, vielleicht bin ich da einfach zu pathosfeindlich, dass man dem Ansehen und den Interessen der Republik nicht schadet. Und gerade glaube ich, eben als Künstlerin ist das ja dein Job irgendwie.
Olga Kosanovic
Ja, oder zumindest ist es, glaube ich, unmöglich, das zu versprechen, sag ich mal. Aber wie soll ich sagen, das ist. Ich changiere ja immer so hin und her zwischen, zwischen. Eigentlich finde ich diese Emotionalisierung lehne ich ab und ich finde sie nicht richtig, weil sie ganz viele Dinge dann plötzlich in ihren Begriffen vermischt und diese Debatte dann auch so hochkocht, weil die Emotionen alle viel zu hoch sind und die Fakten und die Sachlage zu niedrig geschraubt. Und gleichzeitig merke ich ja natürlich, dass es für den Staat irgendwie diese Emotionalisierung des Moments der Einbürgerung scheinbar ein wichtiger Punkt ist, weil sie Hey, du bist jetzt Österreicherin, wir spielen die Hymne ab, wir machen für dich hier die Fahne, du leistest den Schwur Und dann ist das Ganze irgendwie noch offizieller als einfach nur eine Unterschrift und ein Stempel. Also ich finde das sehr interessant, dass das von ganz offizieller gesetzlicher Seite so gehandhabt wird. Es hat mich extrem überrascht eigentlich, dass das so emotionalisiert.
Solmaz Khorsand
Ja, stimmt. Weil ich fand das sehr witzig, auch im Film, dass sie immer mit diesem süßen Kassettenrekorder dann die Hymne abgespielt. Wobei ich weiß gar nicht, ob das war das War das wirklich so oder war das gespielt?
Olga Kosanovic
Das ist wirklich so. Also das ist nicht was, was wir für den Film erfunden haben, was ich oft gefragt wird. Also das ist einfach was, wo das Gesetz das Drehbuch schreibt schon geschrieben hat.
Solmaz Khorsand
Nämlich auch so altertümlich. Dieser Kassettenrekorder ist großartig und diese glückliche Beamtin, die dir dann die Hand schüttelt. Es ist fantastisch. Also ich fand das sehr schön. Du hast mir erzählt, dass ihr zum Film, weil er diese Thematisierung der Einbürgerung ja schon in unserem Diskurs präsent ist, alle politischen Parteien eingeladen hat und keine einzige gekommen, also kein Vertreter von keiner.
Olga Kosanovic
Einzigen gekommen ist zur Premiere jetzt genau. Mit welcher Begründung, Das weiß ich nicht so genau. Wir haben in erster Linie den Bundespräsidenten natürlich eingeladen der hat aus zeitlichen Gründen abgesagt. Er wird sich aber den Film anschauen, meinte er und alle anderen, keine Ahnung, weißt du eh, wie das dann immer ist. Da kriegt man dann oft gar keine Antwort oder wird weitergeleitet und dann kommt es nicht und so. Aber es ist schade, weil ich denke mir, die sind jetzt an der Reihe. Also ich finde, ich werde ja jetzt auch oft nach den Lösungen gefragt und nach den von den Journalistinnen, wie man es denn jetzt machen soll.
Und ich denke mir einerseits, es gibt schon seit vielen, vielen Jahren in Österreich leider unter Anführungszeichen auch dieselben Expertinnen, die sich den Mund fusselig reden und die Lösungen erarbeitet haben. Die gibt es, also die muss man nicht lang recherchieren, was jetzt das rein Pragmatische betrifft. Und auf der anderen Seite sind die Entscheidungsträgerinnen am Zug. Also ich habe ja nicht einmal die Staatsbürgerschaft.
Wieso ich etwas ändern?
Solmaz Khorsand
Du musst leisten, Olga, Olga, du musst leisten.
Olga Kosanovic
Das ist halt schon irgendwie so. Ja, ich habe jetzt auch genug gearbeitet für dieses Thema und ich würde mir einfach wünschen, dass die Politik dazu mal Stellung bezieht, nämlich wirklich Stellung und nicht versucht, da jetzt wieder irgend so einen emotionalen wie fischig nach WLAN Twist hineinzubringen, den irgendwen berühren soll, sondern what's the facts?
Solmaz Khorsand
Ja, wir sind eine alternde, sterbende Gesellschaft.
Olga Kosanovic
Wir brauchen die Leute richtig, ganz emotionslos.
Solmaz Khorsand
Also auch sehr kalkulierend und eigentlich auch menschenfeindlich, weil ich finde, man sollte Menschen nicht als Ressource sehen und das ist nicht den Wert, den sie haben, dass sie hier Leistung bringen und diese Gesellschaft aufrechterhalten. Aber wenn man ganz kalt, sachlich, pragmatisch sein möchte. Sterbender Kontinent.
Olga Kosanovic
Genau, sterbender Kontinent und immer mehr junge Menschen, die keine Staatsbürgerschaft und damit kein Wahlrecht haben.
Solmaz Khorsand
That's it. Ich komme schon ein bisschen zum Ende unseres Gesprächs. Also eben jetzt haben wir gar nicht so sehr über den staatsfeiertag gesprochen am 26. Also du, feierst du den grundsätzlich?
Was machst du? Gibt es irgendein Ritual, das du absolvierst an dem Tag?
Olga Kosanovic
Nein, überhaupt nicht. Ich oute mich hier als wahnsinnig unpatriotisch, aber ich weiß, dass es um die Neutralität geht und ich weiß, dass am Heldenplatz immer diese Panzer rumstehen und frage mich immer, warum. Ich freue mich immer, dass frei ist.
Solmaz Khorsand
Gibt es einen, gäbe es einen Wunsch, wie man so einen Tag feiern sollte? Ich weiß nicht, ich finde halt in den USA oder in Frankreich wird das, hat das eine ganz andere, wird es einen ganz anderen Wert. Also ich kriege, also man kriegt das, man kriegt richtig Lust zu feiern, also Barbecue und Feuerwerk und so weiter. Und bei uns ist es halt eben wirklich nur Panzer am Heldenplatz.
Olga Kosanovic
Und das finde ich auch interessant in diesem Land, in dem wir leben, dass dieser, ich nenne es jetzt wirklich mal Patriotismus oder dieses Staatsbejahende, was man auch einmal im Jahr vielleicht feiern könnte. Man könnte ja sagen, wir feiern unsere Demokratie oder wir feiern unsere Verfassung vielleicht oder dass das gar nicht so viel Raum bekommt und auch nicht bekommen darf, weil es dann sofort vielleicht auch so einen Beigeschmack bekommt von, wir dürfen ja eh nicht zu patriotisch sein, weil das ist nicht so gern gesehen. Und in anderen Ländern eben so wie du gerade gesagt hast, in den USA oder in Frankreich, wo es diese Paraden gibt und wo das einfach nach einer unglaublich tollen Party auch immer aussieht, warum nicht, Das schweißt ja zusammen und ich habe überhaupt nichts dagegen. Und ich kann mich erinnern, in meiner Jugend habe ich mich oft nach so einem Zugehörigkeitsgefühl gesehnt, dass man so sagt, da weiß ich keine Ahnung, so wie dieses St. Patrick's Day, was es dann bei uns auch manchmal gibt, wo man die Leute sieht mit den grünen Hütten und das grüne Bier und so. Und ich denke mir so, wow, das ist irgendwie, wenn man da das Gefühl hat, dass man richtig dazugehört und das jetzt feiern möchte, fühlt sich irgendwie cooler an wie so ein Club, den man halt befeuert und dann dabei ist und dann das nicht in Frage stellt. Und ich kannte das eher so von Erzählungen, auch wieder von meinen Eltern, die sagen, bei Tito und in Jugoslawien, da war das, da gab es diese Paraden und es war irgendwie unheimlich schön, weil alle haben mitgemacht und so.
Und das war für mich was Unvorstellbares. Also diese Sozialisierung gab es auch in der österreichischen Schule für mich gar nicht.
Solmaz Khorsand
Ja, aber wie du gesagt hast, ich glaube auch, es ist auch eine Frage, wie man Patriotismus konnotiert. Also wenn wir sagen, wir sind stolz auf die Demokratie, auf die Rechtsstaatlichkeit, dass wir uns als eines der wenigen Länder dieser Welt an Menschenrechte halten und diese Konventionen geil finden und nicht permanent in Frage stellen, dazu eine Party zu machen.
Olga Kosanovic
Auf jeden Fall. Es ist nur immer anders ausgelegt und dann stehen wieder die Panzer am Heldenplatz, da kann ich jetzt wieder nicht Party machen.
Solmaz Khorsand
Ja, ich habe da ein Zitat, ich meine, es passt jetzt nicht eigentlich ganz zum Ende, aber ich fand es so schön und ich wollte es irgendwie teilen und fragen, ob du damit was anfangen kannst. Ich habe es also von Maya Angelou, sie hat gesagt, die schmerzhafte Sehnsucht nach einem Zuhause steckt in jedem von uns. Es ist die Sehnsucht nach dem Ort, zu dem wir gehen können, wie wir sind und an dem wir nicht in Frage gestellt werden. Dieses, dass man Ruhe hat irgendwie, dass man, dass das, also ich erinnere mich, ich erinnere mich, also in den USA, also ich habe zwei Jahre dort gelebt und es wurde nie, vielleicht war es auch einfach Desinteresse und Gleichgültigkeit oder Unwissen, aber dieses eben nicht in Frage gestellt zu werden. Ich fand das irgendwie ein starker Gedanke irgendwie total.
Olga Kosanovic
Also ich kann super viel damit anfangen. Ich kenne es selber jetzt nur von, sagen wir, meinem eigenen Zuhause mit meiner Partnerschaft, dass es sowas ist, was man sich wünscht. Und nach außen ist es aber nie so. Also nach außen ist es immer so, jetzt konkret in Österreich eben immer, man muss immer erklären, man muss immer, wenn man halt Lust hat drauf, man muss immer Zusätze dazu sagen, man muss immer sich einordnen, weil man wird die ganze Zeit in Frage gestellt. Und vielleicht hatte ich das Gefühl, weil du jetzt gerade von den USA gesprochen hast, am wenigsten noch, als ich in Deutschland gelebt habe, da war es halt klar, okay, ich bin hier fürs Studium, aber ich bin Österreicherin oder Wienerin für die, also für die war das, niemand hat das in Frage gestellt und es war so angenehm, mal so das Gefühl zu haben, wenn ich sage, wenn mich jemand fragt, wo kommst du her? Und ich sage aus Wien und es kommt keine andere Gegenfrage, endlich mal kann ich da in Ruhe gelassen werden. Also ich glaube, das ist eine sehr, sehr treffende Definition vielleicht von dem Gefühl Heimat.
Ich frage mich aber, ob das jene Menschen, die dieses Privileg hatten, das immer schon zu haben, auch so sehen würden oder so spüren. Aber es ist für mich trifft es.
Solmaz Khorsand
Total, stimmt eigentlich müsste ich jetzt noch fragen, wie steht es derzeit mit deinem Einbürgerungsprozess aus. Wo stehst du?
Olga Kosanovic
Genau, ich habe jetzt eben mittlerweile eine Zusicherung von Österreich bekommen, das ist ein Schreiben, wo drinsteht, derweil alles passt, ich muss aber eben noch die serbische zurückgeben. Und mit dieser Entlassung aus dem serbischen Staat, nennt sie wirklich so, wird dann eingebürgert, sofern ich an diesem Tag dann weiterhin alle Kriterien erfülle, also eben auch die Straffreiheit. Das heißt, so richtig entspannt ist es noch nicht. Und das wirklich Unangenehme daran ist eigentlich, dass man sich halt kurzzeitig staatenlos machen muss, muss. Also man muss zuerst austreten, hat nur eine Zusicherung von Österreich, die keine Garantie ist. Und das ist irgendwie so ein kontraintuitives Gefühl oder auch so ein kontraintuitiver Move. Wer macht sowas?
Wer macht sich staatenlos? Und das will das Gesetz. Aber bei Drittstaatsangehörigen, also bei EU Staatsbürgern ist es nicht so, aber bei Drittstaat wird das so gehandhabt.
Solmaz Khorsand
Aber gut, du hast gesagt, dass dich die Serben, wenn du, falls du zu oft bei Rot über die Straße gegangen bist, sie würden dich wieder zurücknehmen.
Olga Kosanovic
Ja, also zumindest hat man mir diese sehr nette Dame im serbischen Amt, hat mir das so ausgerichtet, dass man jederzeit zurückkommen kann. Und die Serben sind da ja auch, was Doppelstaatsbürgerschaft betrifft oder sonstige Dinge, nicht so wahnsinnig rigoros. Das heißt, das beruhigt ein bisschen, dass man das Gefühl hat, man verliert seinen Platz nicht so ganz, wenn man geht. Und sie sind jetzt auch nicht beleidigt. Naja, sie haben einfach eine riesige Diaspora und sie wissen und kennen dieses Problem und sind da sehr viel pragmatischer. Aber trotzdem am Ende des Tages, wenn du in diesem Zwischenraum bist und dann plötzlich musst du dich wirklich um eine Staatsbürgerschaft kümmern, das stelle ich mir sehr unangenehm vor.
Solmaz Khorsand
Berthold Brecht hat ja mal gesagt, der Pass ist der edelste Teil des Menschen. Glaubst du, wird sich das je ändern?
Olga Kosanovic
Ach Gott, ich weiß nicht, da kann ich nicht so hundertprozentig mitgehen, glaube ich. Aber es macht schon sehr viel. Und ich glaube, das würde ich mir auch wünschen vom Diskurs und von Menschen, die sich nie über ihre Staatsbürgerschaft Gedanken gemacht haben, dass sie das nicht verkennen wie groß das Privileg ist, sowas zu besitzen oder nicht zu besitzen. Also das finde ich schon, dass es einfach mehr ist als nur so ein nerviges Dokument, was man irgendwie zu Hause eh nicht finden kann und alle zehn Jahre erneuern muss. Oh Gott, wie nervig, dass man da vielleicht ein anderes Gefühl oder nach außen hin eine andere Verantwortung spüren kann. Das wäre irgendwie toll.
Solmaz Khorsand
Okay, vielen Dank, Olga, für das Gespräch. Ich habe mich extrem gefreut. Danke dir.
Olga Kosanovic
Danke für die Einladung.
Autor:in:Solmaz Khorsand |