Die Dunkelkammer
Der Fall Pilnacek #14: Der Laptop & die rote Festplatte

- hochgeladen von Michael Nikbakhsh
Die 202. Ausgabe der Dunkelkammer beschäftigt sich wieder mit dem Fall Pilnacek, genauer: mit dem Verbleib von Daten und Datenträgern. Die WKStA hat Hinweise darauf, dass auf Pilnaceks Laptop jedenfalls vorübergehend auch Daten aus dem Kabinett des früheren Innenministers Wolfgang Sobotka abgelegt wurden, die nach dem Tod des Sektionschefs wieder gelöscht wurden.
Michael Nikbakhsh
Herzlich willkommen zu einer weiteren Ausgabe der Dunkelkammer.
Mein Name ist Michael Nikbakhsh und der Fall Pilnacek lässt mich nicht los.
Heute beschäftige ich mich einmal mehr mit Pilnaceks Laptop, also mit Daten, die darauf gespeichert waren. Es geht um tausende Dateien aus dem Kabinett des früheren ÖVP-Innenministers Wolfgang Sobotka, die offenbar auf dem Laptop von Pilnacek abgelegt waren, von da aber nach seinem Tod wieder verschwanden. Tatsächlich ging das Gerät durch einige Hände, ehe es im Juni 2024 bei der damaligen Pilnacek-Untersuchungskommission landete und von da an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft übergeben wurde. Die WKStA selbst hat mittlerweile forensische Auffälligkeiten festgestellt und geht von einer posthumen Modifikation des Datenbestands aus. Wann, warum und vor allem durch wen, das ist derzeit noch völlig unklar.
In diesem Kontext spielt auch eine kürzlich aufgetauchte externe Festplatte eine Rolle, die Peter Pilz zugespielt wurde – die sogenannte rote Festplatte. Auf dieser sind unter anderem tausende Dateien aus dem Kabinett des früheren Innenministers Wolfgang Sobotka gespeichert. Auch diese Festplatte liegt mittlerweile bei der WKStA; Peter Pilz hat den Datenträger kürzlich zur Staatsanwaltschaft getragen. Wie das alles zusammenhängt, das will ich versuchen zu entwirren, wobei ich voraus schicken muss, dass einige Fragen vorerst unbeantwortet bleiben. Aber das ist ja irgendwie auch der Soundtrack dieser Causa.
Der Laptop im Haus
Christian Pilnaceks privater Laptop, ein Gerät des Herstellers Lenovo, angeschafft im Jahr 2021: Als Pilnacek am Morgen des 20. Oktober 2023 tot aufgefunden wurde, lag der Laptop zusammen mit einigen USB-Sticks verstaut in einer schwarzen Ledertasche in einem Haus in Rossatz, das damals Pilnaceks Freundin Karin Wurm angemietet hatte. Sie hatte eine Mitbewohnerin, Anna P., eine langjährige Mitarbeiterin Sobotkas. Anna P. war im Februar 2023 in das Haus eingezogen, im Juni 2023 begannen Karin Wurm und Christian Pilnacek eine Liaison, ab da war auch der Sektionschef mit seinem Laptop immer wieder in Rossatz zugegen. Eine der für mich ganz zentralen Fragen in dieser Geschichte ist, warum die beiden Frauen diesen Laptop am Nachmittag des 20. Oktober 2023 nicht an die Polizei übergeben haben.
Wir erinnern uns: Anna P. übergab damals Pilnaceks Handy, die Brieftasche und ein paar weitere Habseligkeiten in einem Plastiksackerl an das LKA Niederösterreich, das anschließend dafür sorgte, dass das Handy bei Pilnaceks Witwe Caroline List landete. Der Laptop blieb vorerst im Haus, ungeachtet der Tatsache, dass sowohl das LKA als auch Caroline List sich bei Karin Wurm und Anna P. mehrfach nach dem Verbleib des Geräts erkundigt hatten. Wurm und P. werden mittlerweile als Beschuldigte in einem Falschaussageverfahren der WKStA geführt und haben bei Einvernahmen aufeinander gezeigt. Wurm sagt, Anna P. habe den Laptop an sich genommen und sich in weiterer Folge darum gekümmert, weil sie Kontakte hatte. Anna P. hingegen sagt, sie sei Karin Wurms Lakai gewesen und habe bezüglich des Laptops immer nur die Anweisungen von Wurm befolgt. Karin Wurm habe das Gerät als ihre Lebensversicherung betrachtet.
Wenige Tage nach Pilnaceks Tod organisierte Anna P. einen Termin bei einem IT-Techniker namens Harald Monschein. Dieser erstellte für Anna P. eine Sicherungskopie aller Daten auf Pilnaceks Laptop und den USB-Sticks (abgesehen vom ominösen silberfarbenen Stick, von dem Karin Wurm spricht, der nach wie vor verschollen ist, falls es ihn überhaupt gab). Monschein kopierte also nach eigener Aussage alle Pilnacek-Daten und übergab das Material wieder an Anna P. Er hat ausgesagt, dass der Laptop zu seiner Überraschung kein Passwort hatte. Demgegenüber hat zuletzt der Zeuge Ulrich Wüllenweber in der Dunkelkammer erzählt, dass das Gerät seiner Erinnerung nach sehr wohl passwortgeschützt gewesen sei.
Am 7. November, nicht ganz drei Wochen nach Pilnaceks Tod, übergab Anna P. Pilnaceks Datenträger an Christian Mattura, offenbar im Auftrag des deutschen Unternehmers Wolfgang Rauball. Mattura legte den Laptop zunächst in ein Lager, einen Tag später übergab er ihn an Rauball persönlich. Was Rauball anschließend mit dem Laptop machen ließ, kann ich derzeit nicht beantworten, er selbst ist mittlerweile auch verstorben. Tatsache ist, dass der Laptop mit den Sticks im Frühjahr 2024 beim Krone-Journalisten Erich Vogl abgegeben wurde, der trug ihn zur Pilnacek-Untersuchungskommission und die übergab ihn schlussendlich der WKStA.
Irgendwann im Frühjahr 2024 bin auch ich mit Pilnaceks Daten in Berührung gekommen. Den Laptop habe ich allerdings nie gesehen. Ich habe über einen Informanten einen Online-Link mit Passwort erhalten, heute weiß ich, dass auch einige andere Leute damals diesen Zugang bekommen haben. Es hieß, die online zugängliche Datensammlung sei eine Kopie von Pilnaceks Laptop. Ob das Material vollständig und unverfälscht war, war für mich nicht erkennbar. Wir, die wir das bekommen haben, haben es natürlich angeschaut. Es gab interessante Inhalte, etwa Aktenteile zu Ermittlungsverfahren, die Pilnacek gar nicht hätte besitzen dürfen, politische Dokumente oder Aufzeichnungen zu vermeintlichen ÖVP-Interventionen waren allerdings nicht enthalten. Auch Dokumente aus dem Kabinett des Innenministers Sobotka waren in der Datensammlung nicht vorhanden – jedenfalls nicht mehr.
„Sobotka Kabi“
Die WKStA hat kürzlich damit begonnen, Pilnaceks Datenträger forensisch zu untersuchen. Im Kern geht es um die Frage, wann auf den Laptop zugegriffen wurde und was mit Datensätzen passiert ist. Das Ganze steht nach meinem Wissen noch ziemlich am Anfang, aber man hat unter anderem bereits eine Dateistruktur rekonstruiert. Laut erster Untersuchung waren auf Pilnaceks Laptop irgendwann mehrere Ordner mit ÖVP-Bezug abgelegt, darunter „Daten Anna“ und „Sobotka Kabi“. Die WKStA geht davon aus, dass diese Daten ursprünglich von Sobotkas Mitarbeiterin Anna P. stammten. Auf Pilnaceks Laptop wären demnach Dokumente aus dem Kabinett Sobotka von Anna P. gespeichert gewesen – sie waren erst da und dann plötzlich nicht mehr.
Anna P. wurde am 8. Mai 2025 von der WKStA als Beschuldigte einvernommen. Sie wurde gefragt, ob sich auf Pilnaceks Laptop auch Daten aus ihrer Zeit im Kabinett befanden. Anna P. verneinte das und gab an, Pilnacek keine Daten übergeben zu haben. An diesem Punkt würde die Geschichte jetzt feststecken, wäre nicht die erwähnte rote Festplatte aufgetaucht. Diese enthält Daten, die eindeutig Anna P. zugerechnet werden können, darunter Privates und Berufliches. Soweit sich das bisher rekonstruieren lässt, lag diese Festplatte im Haus in Rossatz, als Anna P. dort wohnte. Sie zog Ende 2023 aus und dürfte die Festplatte schlicht vergessen haben. Später zog auch Karin Wurm aus dem Haus aus und entdeckte dabei offenbar die rote Festplatte, die mittlerweile via Peter Pilz ebenfalls bei der WKStA gelandet ist.
Besonders an der roten Festplatte: Die Daten aus dem Kabinett Sobotka, die laut WKStA vorübergehend auf Pilnaceks Laptop abgelegt waren, finden sich auch dort wieder. Der Ordner „Sobotka Kabi“ enthält mehr als 5000 Dateien mit über zwei Gigabyte Daten. Peter Pilz hat Fabian Schmid vom Standard und mir Zugang verschafft. Die Berichterstattung des Standard ist für 28. Juni geplant, auch Zackzack hat bereits berichtet.
Vorneweg: Auf der roten Festplatte liegen diverse Dokumente, die den Tagesbetrieb eines Ministerkabinetts abbilden – Memos, Aktenvermerke, politische Wordings, Studien, Pressebeobachtungen, Analysen politischer Mitbewerber, Ministerbriefings, Vorbereitungsmaterialien, Vorlagen für Dankes- und Kondolenzschreiben. Die Daten stammen überwiegend aus Sobotkas Zeit als Innenminister 2016/2017, ein paar davon sind älter. Es gibt auch interessantere Dateien, unter anderem Interventionslisten, die protokollieren, wer bei Innenminister Sobotka weshalb und wofür interveniert hat. Viel Banales, beispielsweise ein Bürgermeister, der den Zivildienst seines Sohnes aufschieben lässt, Anliegen zu Kuranstalten, Ausstellungseröffnungen oder ein Orden für Sigi Wolf.
Dann gibt es auch Dossiers zu bestimmten Leuten, allesamt politische Gegenspieler, u.a. Matthias Strolz, Hans Peter Haselsteiner, Journalistinnen und Journalisten des Standard, und zu Peter Pilz: Die Informationen stammen aus öffentlich verfügbaren Quellen und sind eine Sammlung aus Medienberichten. Im Dokument „Info Pilz Grüne“ kann man etwa nachlesen, dass Peter Pilz 1996 wegen „Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze“ zu einem Monat Haft auf Bewährung verurteilt wurde oder längere Zeit in Kuba war. Das Dossier zu Haselsteiner ist 47 Seiten lang, behandelt u.a. Freimaurerei, unternehmerische Misserfolge und Verflechtungen mit Benko und Gusenbauer, aber auch hier nur Ausschnitte aus Medienberichten.
Dass im Kabinett Sobotka politische Konkurrenzbeobachtung betrieben wurde, hat mich nicht weiter erstaunt. Relevant wird das Ganze erst dadurch, dass diese Datensammlung irgendwann auf Pilnaceks Laptop war. Warum? Welchen Nutzen hätten diese Dokumente für Pilnacek gehabt? Und wer sorgte dafür, dass sie wieder verschwanden, ungeachtet ihres politischen Gewichts? Beim Laptop-Zugang, den ich erhielt, waren diese Datensätze nicht mehr vorhanden.
Dritte Frage: Wurden nach Pilnaceks Tod womöglich brisantere Daten gelöscht? Frage an IT-Fachleute: Was bzw. wie viel lässt sich nach Löschung wiederherstellen? Zuschriften gerne an redaktion at die dunkelkammer punkt at.
Wie gesagt: Das Rätsel um Pilnaceks Laptop beginnt schon bei der Frage, warum Karin Wurm und Anna P. den Laptop an jenem Tag nicht an die Polizei übergeben haben. Anna P. hat erzählt, Bundespolizeidirektor Michael Takacs habe ihr empfohlen, den Laptop verschwinden zu lassen – was Takacs bestreitet. Zumindest ist der Laptop nicht verschwunden.
Das war’s für heute. Mehr dazu bald.
Autor:in:Michael Nikbakhsh |