Die Dunkelkammer
Der Fall Pilnacek #15: "Eigentlich eine schöne Leiche"

Ausgabe 214 behandelt wieder den Fall Christian Pilnacek. Am 6. August wurde am Wiener Straflandesgericht das Medienverfahren gegen den Verlag Zack Media fortgesetzt. Drei Polizeibeamte und eine -beamtin wollen Peter Pilz' Pilnacek-Buch verbieten lassen - sie fühlen sich verunglimpft. Befragt wurde unter anderem eine Polizistin. Sie tritt einerseits als Klägerin auf, andererseits,war sie an Pilnaceks Todestag an den ersten polizeilichen Amtshandlungen beteiligt. Die Beamtin gewährte vor Gericht Einblicke in die polizeiliche Ermittlungsarbeit am Fundort.

Michael Nikbakhsh
Herzlich willkommen zur 214. Ausgabe der Dunkelkammer. Mein Name ist Michael Nikbakhsh und heute geht es wieder um den Fall Christian Pilnacek. Ganz konkret geht es um die Umstände der Auffindung seines Leichnams am Morgen des 20. Oktober 2023. Dazu gibt es neue Informationen und Aussagen seitens der niederösterreichischen Polizei und die helfen uns dabei, das Bild zu ergänzen, wenngleich es weiterhin nicht vollständig erscheint. Inhaltlich geht es heute um eingebildete Zigarettenstummel, es geht um eine zunächst angenommene Vergiftung und es geht auch um eine vermeintlich nachtragende Gemeindeärztin.

Ich beschäftige mich ja nun auch schon einige Zeit mit dem Ableben des Sektionschefs am 20. Oktober 2023 und nach wie vor gibt es da einige Widersprüche und offene Fragen, auch und gerade in Bezug auf die Vorgänge rund um die Auffindung des Leichnams in einem Seitenarm der Donau nahe Rossatz im Bezirk Kremsland. Da wäre mal die Todeszeit. Bis heute vermag niemand auch nur ungefähr zu sagen, wann Christian Pilnacek gestorben ist. Viel mehr als ein Zeitfenster von rund 7 Stunden gibt es nicht. Der Leiter des Landeskriminalamts Niederösterreich, Stefan Pfandler, hat zuletzt in Interviews gesagt, Pilnacek sei irgendwann zwischen dem Verlassen des Hauses in Norosatz, das war nach Aussage seiner damaligen Freundin Karin Wurm kurz vor 1 Uhr nachts und der Sichtung durch einen Baggerfahrer, der via Donau kurz vor 8 Uhr in der Früh gestorben, dass sich dieses Zeitfenster nicht weiter eingrenzen lässt. Das hat auch damit zu tun, dass wesentliche Parameter nicht erhoben worden. Bei Pilnaceks Leichnam wurde weder die Körpertemperatur gemessen noch die sogenannte Körperkerntemperatur. Das wäre eigentlich die Kompetenz der herbeigerufenen Gemeinde und Notärztin Dagmar W. Gewesen. Es ist aber nicht passiert.

Wenn es doch passiert ist, dann wurde es nicht protokolliert. Seitens der Polizei wurde zwar die Umgebungstemperatur gemessen, aber abgelesen im Polizeiwagen. Die Wassertemperatur hingegen, die wurde nicht erhoben. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass Christian Pilnacek noch nicht allzu lange tot war. Einer ist die Totenstarre, die war zum Zeitpunkt der Bergung des Leichnams nach Aussage eines beteiligten Feuerwehrmanns nicht eingetreten, ganz im Gegenteil, er sei noch weich gewesen. Auch bei der Leichenbeschau dann um Uhr, da war die Totenstarre immer noch nicht eingetreten. Und als Pilnacek dann um Uhr noch einmal von der Polizei in der Aufbahrungshalle Rossatz untersucht wurde, da war sie im Kieferbereich voll ausgeprägt, aber darüber hinaus erst beginnend.

Und dann wäre da noch eine leere Zigarettenschachtel der Marke Camel. Diese Schachtel wurde bei der vermuteten Einstiegsstelle nahe am Wasser gefunden, zusammen mit Schuhabdrücken, die Pilnaceks Turnschuhen zugerechnet wurden. Pilnacek rauchte tatsächlich Camel und laut dem Tatortbericht war die Packung trocken. Daraus schloss die Polizei, dass sie noch nicht lange dort lag. Die Schachtel wurde zwar fotografiert und protokolliert, aber anscheinend nicht mitgenommen, jedenfalls nicht von der Polizei. Und dann wäre da noch die Geschichte mit den Zigarettenstummeln. 2024 hatte eine an der Amtshandlung damals beteiligte Polizistin bei einer Einvernahme in einem WKStA-Verfahren als Zeugin unter Wahrheitspflicht angegeben, sie habe an der vermutenden Einstiegsstelle neben Schuhabdrücken im Boden auch mehrere Zigarettenstummel im Wasser gesehen und die anwesenden Kriminalbeamten darüber informiert. Mittlerweile ist von diesen Stummeln aber keine Rede mehr. Die Polizistin sagt: „Ich habe mich falsch erinnert, es hat keine Stummel gegeben, es war immer nur die Schachtel gemeint.“ Gesagt hat sie das am 6. August im Rahmen einer Befragung vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien. Da geht es um das Verfahren, das drei Polizeibeamte und auch diese Beamtin gegen Peter Pilz Verlauf angestrengt haben, und zwar im Zusammenhang mit dem Pilnacek Buch von Peter Pilz. Die Kläger wollen das Buch einziehen lassen, weil sie sich von Pilz verunglimpft fühlen.

Das Verfahren war hier schon in der Dunkelkammer Thema. Ich war am 6. August im Publikum und habe mir diese Befragung angehört und dabei einiges mitgenommen. OK, die Polizistin hat also Zigarettenstummel im Wasser mit einer Zigarettenschachtel an Land verwechselt. Das kann passieren. Erstaunlich ist aber, dass sie diese fehlerhafte Aussage in dem damals laufenden Verfahren der WKStA niemals korrigiert hat. Nächster Punkt.

Der nächste Punkt ist eine Frage: Wie war das nun mit der Drucksituation, der sich die Ärztin Dagmar W. Am Morgen des 20. Oktober 23 ausgesetzt sah? Zur Erinnerung: Die Ärztin hat gegenüber der WKStA angegeben, sie sei von männlichen Polizisten unter Druck gesetzt worden, nur ja keine Obduktion anzuregen. Das bestreiten alle Beteiligten, soweit sie sich bisher dazu geäußert haben. Auch die damals anwesende Polizistin gab vor Gericht an, dass niemand Druck auf die Ärztin ausgeübt habe und abgesehen davon sei die Obduktion auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Krems ja dann ohnehin durchgeführt worden. Bei der Befragung der Polizistin durch Richter Daniel Podmesil kam übrigens auch hervor, dass die Beamtin die Gemeindeärztin in der Vergangenheit zweimal wegen Parkvergehen angezeigt hatte, und zwar deshalb, weil sie, wie sie geschildert hat, die Ärztin habe ihre Stellung als Ärztin zum Falschparken genutzt. Die Polizistin wollte damit offenbar den Eindruck erwecken, die Ärztin sei auf die Polizei Niederösterreich irgendwie nicht gut zu sprechen. Bei der Befragung kam übrigens noch etwas Interessantes heraus. Für die Polizei stand offenbar bereits kurz nach der Bergung des Leichnams fest, dass es ein Suizid war.

Und das steht im Widerspruch zur Gemeindeärztin, die deshalb eine Obduktion wollte, weil für sie die Todesursache nicht erkennbar war und sie an Fremdverschulden nicht ausschließen konnte. Die Polizistin gab bei ihrer Befragung an, dass sie die Staatsanwaltschaft Krems in einem Telefonat um 9:43 Uhr über den Suizid unterrichtet hatte und das eben ungeachtet der Zweifel der Ärztin Dagmar W. Noch ein interessanter Punkt: Die Ärztin hatte gegenüber der WKStA angegeben, der Kopf von Pilnaceks Leichnam sei tiefblau gewesen. Die Polizistin sagte dazu am 6. August vor Gericht aus, den tiefblauen Kopf habe nur die Ärztin wahrgenommen, sonst niemand. Die Polizistin erzählte auch, dass die Ärztin zunächst eine mögliche Vergiftung Pilnaceks angenommen hatte, wenngleich sie dafür aber keine Anzeichen genannt habe, wie überhaupt die Ärztin laut der Polizistin keine Anzeichen für ein Fremdverschulden gefunden hatte. Der blaue Kopf Pilnaceks war übrigens auch ein Thema in einem Standard-Interview mit dem Chef des Landeskriminalamts in Niederösterreich, Stefan Pfandler, das am 15. Juli erschienen ist. Da sagte Pfandler unter anderem die Aussage von Dagmar W. Zum blauen Kopf sei erst Monate später gekommen und nicht direkt am Vorfallsort. Erst bei der WKStA habe die Ärztin von einem auffällig blauen Kopf gesprochen. Nun, so ganz stimmt das jetzt nicht, denn laut der Aktenlage hat die Ärztin noch am Fundort mit der zuständigen Staatsanwältin in Krems telefoniert und diese auch über die bläuliche Färbung informiert. So steht das zumindest im Protokoll einer Einvernahme der Kremser Staatsanwältin in einem mittlerweile geschlossenen Ermittlungsverfahren der WKStA.

Ich zitiere: „Die Polizistin hat mir gesagt, dass Mag. Pilnacek bestimmt ertrunken ist und es keine Hinweise auf Fremdverschulden gibt. Die Polizistin sagte mir, dass man ja, weil er, also Mag. Pilnacek, bekannt sei, nicht unbedingt eine Obduktion brauchen würde. Ich wollte dann auch mit der Gemeindeärztin vor Ort sprechen. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass dies Dr. W. Mit der ich privat befreundet bin, ist. Frau Dr. W. Bestätigte mir in keinster Weise, dass es eine klare Sache sei, wie es die Polizistin mir gegenüber dargestellt hatte. Dr. W. sagte mir, dass Magister Pilnacek mit dem Gesicht nach oben und am Rücken im Wasser treibend aufgefunden worden war. Das Gesicht sei auch blau gewesen. Nach der Schilderung durch Dr. W. habe ich dann die Obduktion zur Feststellung der Todesursache angeordnet.“ Zitat Ende.

Die gerichtsmedizinische Untersuchung, die gab es dann sechs Tage später, weil der Gutachter davor keine Zeit hatte, und da wurde vom Sachverständigen jedenfalls festgestellt, dass Pilnacek ertrunken sei. Eine Vergiftung wurde nicht festgestellt.

Von einem Suizid ist im Gutachten selbst nicht die Rede. Das war die Schlussfolgerung des LKA bzw. der Staatsanwaltschaft Krems. Auffallend bleibt, ich habe es hier schon öfter zitiert, dass der gerichtsmedizinische Sachverständige in der Zusammenfassung seiner Untersuchung eine Unschärfe formuliert hatte, nämlich dass es keine eindeutigen Hinweise auf eine grobe Gewalteinwirkung durch Dritte gebe. Die Adjektive eindeutig und grob erscheinen nicht nur deshalb relevant, weil sie das Ergebnis der Obduktion relativieren. Sie wurden vor allem vom LKA Niederösterreich nicht mit in den Abschlussbericht zu Pilnaceks Tod übernommen. Da hieß es nur: „Es liegen keine Hinweise auf Gewalteinwirkung durch Dritte vor“ und das ist schon viel eindeutiger, als es ursprünglich war.

Der Fall Pilnacek #17 "~$xlsxReport_Gelöschten Daten. xlsx"

Auch das Gerichtsmedizinische Gutachten kam im Medienverfahren am 6. August zur Sprache. Volker Zackmann, das ist der Anwalt von Zack Zack, der wollte von der Polizistin unter anderem wissen, ob sie eine Erklärung für die zahlreichen blauen Flecke an Pilnaceks Körper habe und insbesondere diesen 12 mal 10 Zentimeter großen und sehr tiefen Bluterguss hinten am rechten Oberschenkel. Die Polizistin gab an, blaue Flecken zwar gesehen zu haben, sie wollte diese aber nicht interpretieren. Das galt auch für andere Fragen des Anwalts, etwa warum bei Pilnacek Graswerk an einem Sprunggelenk gefunden wurde bzw. Erde an einer der Fußsohlen oder weshalb bei Pilnacek kein Schaumpilz dokumentiert wurde. Das wäre ein typisches Ertrinkungsmerkmal.

Die Polizistin verwies dabei immer wieder nur auf die Arbeit der Ärztin des Landeskriminalamts Niederösterreich und des gerichtsmedizinischen Gutachters. Zum Zustand Pilnaceks sagte sie dann, ich zitiere: „Eigentlich war er eine schöne Leiche.“ Auch zur Tatortarbeit am 20. Oktober 2023 liegen mittlerweile neue Erkenntnisse vor. Der Fundort war nicht mittels Absperrband gesichert worden. Dazu hätte es laut der Polizistin nämlich mehrere Kilometer Absperrband gebraucht. Warum auch immer. Und offenbar ist rund um den Fundort ein Bagger, der via Donau unterwegs gewesen und das auch kurz bevor der Leichnam geborgen wurde.

Um Uhr hatte ein Baggerfahrer, der am Seitenarm der Donau mit Böschungsarbeiten beschäftigt war, einen im Wasser treibenden Mann erblickt und die Polizei verständigt. In der Gerichtsverhandlung am 6. August sagte die Polizistin aus, dass der Bagger dann extra noch eine Aufschüttung vorgenommen habe, um die Bergung des Leichnams zu erleichtern. Also ob und inwieweit der Fundort da kontaminiert wurde, kann ich nicht beurteilen. Die Polizistin legte bei ihrer Befragung übrigens mehrfach Wert auf die Feststellung, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben und zu keinem Zeitpunkt eine Intervention von einem Vorgesetzten gleich wem bekommen zu haben, und schon gar nicht sei sie Teil eines ÖVP-Netzwerks, ginge jetzt schwer. Sie ist nach eigenen Angaben zwar tatsächlich ein Parteimitglied, allerdings der SPÖ. Am Nachmittag dieses Gerichtstages, am 6. August war dann auch Pilnaceks Witwe Caroline List als Zeugin da. Ihre Befragung drehte sich um Pilnaceks Handy und dessen Vernichtung. Mittels Bunsenbrenner. Das werde ich demnächst gesondert aufgreifen. Das würde sonst den Rahmen sprengen. Auch vor dem Hintergrund, dass ich Caroline List schon vor Wochen in die Dunkelkammer eingeladen habe, und zwar über ihren Medienanwalt Peter Zöchbau. Bis heute habe ich dazu aber weder eine Zu- noch eine Absage bekommen. Vielleicht wird das noch.

Was das Medienverfahren am Landesgericht für Strafsachen betrifft, Das wird am 9. September fortgesetzt. Da wird die Ärztin Dagmar W. erwartet und ich denke, sie könnte einiges zur Wahrheitsfindung beitragen. Und auch ich werde in diesem Verfahren wohl alsbald aus der Rolle des Beobachters in die des Zeugen wechseln müssen.

Ich habe am 6. August im Gerichtssaal erfahren, dass ich als Zeuge in dem Verfahren beantragt wurde und demnächst geladen werde. Fahrt wird's also nicht. Fortsetzung folgt.

Autor:in:

Michael Nikbakhsh

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