Die Dunkelkammer
Der Fall Pilnacek #18 "Gravierende Fehleinschätzung"

Teil 18 unserer Serie zum Fall Pilnacek. Heute gibt es Antworten auf zwei Fragen:

1) Wer hat Sebastian Kurz am Vormittag des 20. Oktober 2023 über den angeblichen Suizid von Christian Pilnacek informiert? Spoiler: Der Anwalt war’s. Sagt zumindest der Anwalt.

2) Was steht nun genau in den Privatgutachten, die Peter Pilz und Anwalt Volkert Sackmann zum Todesfall Pilnacek in Auftrag gegeben haben? Ein erstes Gutachten wurde jetzt via Zackzack öffentlich: Demnach ist für den Berliner Rechtsmediziner Michael Tsokos der Ertrinkungstod Pilnaceks alles andere als erwiesen.

Michael Nikbakhsh
Herzlich willkommen zu einer weiteren Ausgabe der Dunkelkammer. Mein Name ist Michael Nikbakhsh und in dieser Folge geht es wieder um den Fall Christian Pilnacek. Es ist der mittlerweile 18. Teil dieser Serie. Im Zentrum dieser Episode steht die Antwort auf zwei Fragen. Erstens, wer hatte Sebastian Kurz eigentlich am Vormittag des 20. Oktober 2023 über einen Suizid des Sektionschefs informiert? Kleiner Spoiler: Der Anwalt war's, sagt zumindest der Anwalt. Und zweitens, was steht in den Privatgutachten von Peter Pilz zu den Todesumständen des Sektionschefs? Es gibt ja Leute, die glauben, da stünde gar nichts drin, weshalb Peter Pilz sie bisher nicht herausgeben wollte. Nun, auch darauf gibt es heute eine Antwort. Auf Zackzack wurde jetzt ein erstes Gutachten, also konkret eine Stellungnahme eines Sachverständigen veröffentlicht. Vorneweg noch ein kleiner Hinweis in eigener Sache.

Am 20. September erscheinen Peter Hocheggers Memoiren Die Schattenrepublik im Verlag Edition A. Wir begleiten das mit einer Podcast Serie mit Videos und Theaterauftritten. Und da wird dann neben Peter Hochegger auch der Journalist und Autor Stefan Kaltenbrunner zu hören und zu sehen sein, der mit Peter Hochegger an dem Buch gearbeitet hat. Ich habe Stefan um eine Wortspende zu dem Projekt gebeten und die spielen wir jetzt ein.

Stefan Kaltenbrunner
Hallo liebe Dunkelkammer Zuhörerinnen, hier spricht Stefan Kaltenbrunner mit einer kleinen Werbeeinschaltung. Michael Nikbakhsh und meine Wenigkeit haben eine sechsteilige Podcast Serie produziert mit dem Titel Geld, Macht und Gier. Und dabei haben wir einen sehr besonderen Gast, und zwar Peter Hochegger. Genau, das ist jener Peter Hochegger, den wir ja alle aus den Buwog und Telekom Prozessen kennen und der bekanntlich gemeinsam mit Karl-Heinz Grasser und Walter Meischberger von der Republik viele Millionen Euro ergaunerte. Peter Hochegger war über Jahrzehnte der mächtigste PR-Apparat in diesem Land. Und jetzt hat er seine Biografie geschrieben, Die Schattenrepublik – Ein Lobbyist packt aus. Und ohne dass ich jetzt groß spoilern möchte, Hochegger packt wirklich aus und erzählt abseits von Buwog und Telekom, bei welchen dubiosen Geschäften er noch alle seine Fin mit im Spiel hatte. Und ich sage mal, Opfer seiner Machenschaften waren wir alle. Den Podcast gibt es ab 22. September nicht nur auf diesem Kanal zu hören, sondern ab 29. September auch in der Kulisse in Wien zu sehen. Dort werden wir gemeinsam mit Peter Hochegger auf der Bühne die letzten 40 Jahre. Österreichische Korruptionsgeschichte vermessen. Schalten Sie ein oder kommen Sie vorbei, es würde uns sehr freuen.

Michael Nikbakhsh
Zurück zum Fall Pilnacek. Am 9. September wurde am Landesgericht für Strafsachen in Wien wieder in einer Mediensache gegen den Verlag Zack Media verhandelt. Drei Polizisten und eine Polizistin wollen Peter Pilz' Pilnacek-Buch vom Markt holen lassen, weil sie sich darin verunglimpft fühlen und zu Unrecht in die Nähe von Amtsmissbrauch gerückt sehen. Im bisherigen Verfahrensverlauf wurde viel und teils sehr detailliert über die polizeilichen Amtshandlungen nach dem Auffinden von Pilnaceks Leichnam am Morgen des 20. Oktober 2023 gesprochen, was jetzt allerdings nicht heißt, dass bisher auch alles einen Sinn ergeben hätte.

Gehen wir also zum jüngsten Prozesstag. Da war zunächst der Wiener Anwalt Otto Dietrich als Zeuge dran. Er hatte Sebastian Kurz in dessen Falschaussageprozess vertreten, der ja mit einem Freispruch in zweiter Instanz endete. Otto Dietrich war also gekommen, um als Zeuge und der Wahrheitspflicht darüber auszusagen, wie Sebastian Kurz vom Suizid des Sektionschefs erfahren hatte - und vor allem, wann.

Rufen wir nochmal in Erinnerung, was Sebastian Kurz Am Nachmittag des 20. Oktober nach dem Verlassen des Gerichtssaales gegenüber Medienleuten zum Tod von Christian Pilnacek gesagt hat. Die Nachfolgende Aufnahme vom 20. Oktober 23 stammt von PULS 24.

Sebastian Kurz
Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin froh, dass ich heute vor dem Richter meine Sicht der Dinge darlegen durfte. Aber um ehrlich zu sein, am heutigen Tag ist es vor allem der Tod von Christian Pilnacek, der mich extrem betroffen macht. Ich hab gestern Abend noch mit ihm telefoniert und wenige Stunden später hat er sich das Leben genommen. Ich habe in den letzten Jahren miterlebt, wie mit ihm umgegangen worden ist und ich habe in den letzten Jahren miterlebt, was das auch mit ihm gemacht hat. Ich glaube, jetzt kann das keiner mehr rückgängig machen, aber es ist vielleicht doch ein Moment, um einmal innezuhalten und sich auch bewusst zu machen, wie hier teilweise agiert wird. Ich kannte ihn gut. Es ist für mich nach wie vor irgendwie fast unbeschreiblich, dass ich wenige Stunden vor seinem Tod mit ihm noch telefoniert habe. Und mein Mitgefühl gilt seiner gesamten Familie. Vielen Dank.

Michael Nikbakhsh
Sebastian Kurz und Christian Pilnacek hatten gerade rund um dieses Falschaussageverfahren viel Kontakt. Davon hat einerseits Pilnaceks Freundin Karin Wurm berichtet, andererseits fand sich auf Pilnaceks Laptop auch eine mehrseitige Unterlage, eine Art Prozessstrategie für dieses Verfahren.

Bei der Zeugenbefragung von Rechtsanwalt Otto Dietrich am 9. September kam nun Folgendes heraus:Dietrich war gemeinsam mit Sebastian Kurz bei einem Prozesstag im Falschaussageverfahren im Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts in Wien. Das war der Vormittag des 20. Oktober.

Um exakt 9 Uhr 28 bekam der Anwalt nach eigener Aussage eine kurze Nachricht aufs Handy. Laut Otto Dietrich stand drin: „Pilnacek tot, angeblich Suizid“.Wobei die Nachricht könnte auch andersrum gelautet haben, also „Pilnacek, angeblich tot, Suizid“. Da war der Anwalt unschlüssig, die Nachricht selbst habe er jedenfalls nicht mehr. Die sei gelöscht.

So oder so: Otto Dietrich war es dann auch, der Sebastian Kurz nach eigener Aussage als Erster über diese Todesnachricht informiert hat. Das war allerdings erst in einer Verhandlungspause gegen 11 Uhr. Dietrich versicherte auch, dass Kurz das bis dahin nicht gewusst habe und erschüttert gewesen sei. Ich rekapituliere: Der Anwalt wusste es um 9 Uhr 28, der Klient ab circa 11 Uhr.

Die Frage liegt nahe, von wem der Anwalt die Nachricht hatte  Das hat Otto Dietrich im Zeugenstand nicht verraten, er hat nur gesagt, sie kam aus Medienkreisen.

Für mich ist das eine insofern verblüffende Wendung, als mir bis jetzt nicht klar war, wie schnell an diesem Morgen vom Suizid des Sektionschefs die Rede war.Otto Dietrich hat ja ausgesagt, dass er die Nachricht um 9 Uhr 28 erhalten hatte.

Das ist deshalb bemerkenswert, weil um 9 Uhr 28 die kriminalpolizeiliche Leichenbeschau im Beisein der Gemeinde- und Notärztin noch gar nicht begonnen hatte.

Wir erinnern uns: Um 7 Uhr 51 meldete ein Baggerfahrer die Sichtung eines im Wasser treibenden leblosen Körpers in einem Seitenarm der Donau bei Rossatz.Gegen Viertel neun waren die ersten Polizeikräfte da, so auch die Feuerwehr, sie barg den am Rücken treibenden Toten aus dem Wasser, wenig später war auch die Ärztin Dagmar W. am Ort des Geschehens.

Der Zeit voraus

Die kriminalpolizeiliche Leichenbeschau fand dann am Ufer des Seitenarms statt – laut dem Polizeiprotokoll war das um 9 Uhr 30.Soll also heißen: Zwei Minuten, bevor die Ärztin überhaupt mit der Leichenbeschau begonnen hatte, hatte der Anwalt von Sebastian Kurz schon aus Medienkreisen die Nachricht vom angeblichen Suizid des Sektionschefs am Handy.

Wenn man es genau nimmt, hatte die Ärztin Christian Pilnacek zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal formell für tot erklärt, weil die Leichenbeschau noch nicht begonnen hatte.

Nun reisen Depeschen ja bekanntlich sehr schnell im digitalen Zeitalter, aber das ging überaus schnell, da war jemand seiner Zeit ziemlich voraus.

Nach Otto Dietrich trat dann Niederösterreichs Landespolizeidirektor Franz Popp in den Zeugenstand, er ist auch einer jener Polizisten, die das Pilnacek-Buch von Peter Pilz verbieten lassen wollen, das er nach eigenem Bekunden zumindest in Auszügen gelesen hat. Auch der Landespolizeidirektor wurde gefragt, wann er erstmals gehört habe, dass bei Pilnacek von einem Suizid ausgegangen werde.
Das sei am 20. Oktober nach zehn Uhr vormittags gewesen, berichtete Popp.
Laut der Aussage des Landespolizeidirektors wurde er zunächst um 8 Uhr 30 von Bundespolizeidirektor Michael Takacs telefonisch über Pilnaceks Ableben informiert,Franz Popp informierte daraufhin den zuständigen Bezirkspolizeikommandanten, nicht aber die Mordermittler des Landeskriminalamts.

Wie das LKA bei der Geschichte ins Spiel kam, das konnte Popps Befragung nicht klären.Auf die Frage, wer damals entschieden habe, das LKA hinzuziehen, entgegnete Popp, das wisse er nicht. Er wusste allerdings noch ungefähr, wann er erstmals vom Suizid des Sektionschefs gehört hatte. Das habe er am 20. 10. nach zehn Uhr erfahren und zwar von seinem Pressesprecher. Der habe ihm am Rande einer Sitzung erzählt, dass bei Pilnacek ein Suizid wahrscheinlich sei und es bereits Presseanfragen gebe. Woher der Pressesprecher die wahrscheinlichen Todesumstände Pilnaceks kannte, das konnte Popp wiederum nicht beantworten.

Wenn das so stimmt, dann ist das aus zweierlei Gründen bemerkenswert. Erstens: Die Nachricht schaffte es vom Ufer des Seitenarms schneller in Medienkreise und dann zum Anwalt von Sebastian Kurz als sie zu Niederösterreichs Landespolizeidirektor Franz Popp gelangte.Wie gesagt: Otto Dietrich bekam den Hinweis um 9 Uhr 28, der niederösterreichische Polizeichef erst mehr als eine halbe Stunde danach.

Vielleicht stimmt da etwas mit den Kommunikationswegen nicht in Niederösterreich. Oder vielleicht gehört das auch so. Man weiß es nicht.

Zweitens und das ist noch bemerkenswerter:Als Franz Popp vom angenommenen Suizid erfuhr, da hatte die Ärztin Dagmar Wee die Leichenbeschau bereits abgeschlossen. Und sie war zu folgendem Befund gelangt: Todesursache nicht feststellbar, Fremdverschulden nicht auszuschließen, Obduktion erforderlich. Das war am Vormittag des 20. Oktober tatsächlich die einzige valide medizinische Aussage zum Ableben von Christian Pilnacek.

Und es ist schon erstaunlich, dass die Feststellungen der Ärztin zu den unklaren Todesumständen weder zum Pressesprecher der Polizei noch zum Landespolizeidirektor in Niederösterreich durchdrangen, von den Medien ganz zu schweigen. Da wie dort blieb nur der Suizid hängen.

All das passierte übrigens sechs Tage vor der Obduktion, die dann auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft Krems erst am 26. Oktober 2023 vorgenommen wurde. Der gerichtsmedizinische Gutachter machte zu den Todesumständen oder den Absichten in seinem Gutachten keine Angaben. Er stellte er Tod durch Ertrinken fest, wobei er in seiner Zusammenfassung darauf hinwies, dass sich bei der Obduktion keine "eindeutigen" Hinweise auf eine "grobe" Gewalteinwirkung durch Dritte ergeben hätten.

Keine eindeutigen Hinweise auf grobe Gewalteinwirkung.

Ich betone das deshalb, und habs auch schon in der Vergangenheit getan, weil das Landeskriminalamt NÖ in seinem Abschlussbericht für die Staatsanwaltschaft Krems dann eine andere Formulierung verwendet hat.

Dort hieß es unter Bezugnahme auf den gerichtsmedizinischen Gutachter lediglich: Keine Hinweise auf Gewalteinwirkung durch Dritte.

So deutlich hatte der das der Gerichtsmediziner, ich kürze ihn mit Dr. M. ab, nicht geschrieben, beim LKA hat man schlicht die Adjektive "eindeutig" und "grob" weglassen.

Eine inhaltliche Zuspitzung für die Staatsanwaltschaft Krems also.

Apropos Staatsanwaltschaft Krems: Sie ist des Falles Pilnacek mittlerweile entbunden,
die Oberstaatsanwaltschaft Wien hat verfügt, dass nunmehr die Staatsanwaltschaft Eisenstadt zu prüfen hat, ob die Todesnacht des Sektionschefs neu aufgerollt wird. Dadurch soll die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in diesem Fall gewährleistet und jeder Anschein einer Befangenheit hintangehalten werden. Die StA Krems hat sich in dieser Sache nicht mit Ruhm bekleckert, schauen wir mal, was Eisenstadt macht.

Ein Anfang wäre es zum Beispiel, jene medizinischen Privatgutachten zu beschaffen, die Peter Pilz beziehungsweise dessen Anwalt Volkert Sackmann in Auftrag gegeben haben. Diese sind geeignet, die Feststellungen des gerichtsmedizinischen Gutachters Doktor M im Fall Pilnacek auf mehreren Ebenen zu erschüttern.

Ich habe dazu in den vergangenen Wochen mehrfach Zuschriften bekommen, mit der Frage, wieso Peter Pilz die Gutachten nicht einfach herausgibt. Hörerin Martina schrieb mir dazu: "Hat Peter Pilz da etwas zu verstecken? Sind die Gutachten vielleicht gar nichts wert?" Hörer Wolfgang schrieb: "Handelt es sich vielleicht um sachlich unhaltbare Gefälligkeitsgutachten? Welche anderen nachvollziehbaren Gründe könnte es dafür geben? Auch hier könnte man viel spekulieren. Was sagt die Dunkelkammer und Peter Pilz dazu? Ich habe dazu nichts gehört."

Tatsächlich hat die Staatsanwaltschaft Krems ja versucht, die Gutachten bei den Sachverständigen einzufordern, die haben das aber abgelehnt und auf die Auftraggeber verwiesen. In einem Fall hat die Staatsanwaltschaft Krems deshalb dann sogar den deutschen Rechtsweg beschritten, was umständlicher auch nicht mehr geht. Denn bei Peter Pilz oder Volkert Sackmann in Wien hat die Staatsanwaltschaft Krems über Monate nicht ein einziges Mal angeklopft. Hätte sie angeklopft, wären die Gutachten längst übermittelt worden. Ich zitiere jetzt Peter Pilz, den ich auf die Anfrage meiner Hörerinnen und Hörer angesprochen habe, er sagt: "Die hätten mich nur zu fragen gebraucht."

Mittlerweile ist aber eh alles anders, denn zeitgleich mit der Aufzeichnung dieser Episode veröffentlicht Peter Pilz auf Zackzack den ersten Teil der Privatgutachten, es ist eine Stellungnahme vom Berliner Rechtsmediziner Michael Tsokos.

Tsokos hatte von Anwalt Volkert Sackmann das gerichtsmedizinische Gutachten von Doktor M und dazu auch die ergänzenden chemisch-toxikologischen beziehungsweise die histologischen Auswertungen aus Wien zur Stellungnahme vorgelegt bekommen, wenn auch keine Fotos der Obduktion. Damit hatte Tsokos zwar keinen vollständigen Überblick, was sicher eine Einschränkung ist.

Jedenfalls ist für Michael Tsokos ist der Ertrinkungstod von Christian Pilnacek schon anhand der zur Verfügung gestellten Gutachten alles anders als erwiesen. Ich zitiere mal einige Passagen aus der Stellungnahme von Tsokos, die Zackzack in einem Dokument zusammengefasst hat.

Massive Hirnschwellung 1790 Gramm - Nicht typisch für Ertrinken. Rechtsmedizinisch spricht massive Hirnschwellung für Intoxikation, die labormäßig bei Christian Pilnacek nicht nachgewiesen wurde) oder ein Schädel-Hirn-Trauma

Keine Mittllinienüberlagerung der Lungen wie üblich bei Ertrinken, aber Lungen als
voluminös beschrieben

Kein Schaumpilz in Luftröhre oder Bronchien, wie es typisch für Ertrinken wäre

Brustaorta ohne Hämolysezeichen wie nicht ganz selten in Ertrinkungsfällen zu
beobachten

Herz erheblich vergrößert. Massenzunahme, 635 Gramm. Die histologischen Befunde ergeben keinerlei Anhalt für frische Absterbebezirke im Herzmuskel oder sonstige Erkrankungen, die zum Beispiel einen plötzlichen Bewusstseinsverlust mit nachfolgendem Ins-Wasser-Fallen erklären würden.

Beschreibung typischer Ertrinkungslungen mit Paltauf-Flecken, aber eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (im vorliegenden Fall würde man von „Raucheremphysem“ sprechen), sieht makroskopisch und mikroskopisch identisch aus, sodass diese Befunde zwar zu einem Ertrinken passen könnten, es aber keinesfalls belegen oder gar beweisen.

Beschreibung Makroskopie der Milz ist mit einem Ertrinken vereinbar.

Magen: Die Drei-Phasenbildung spricht lediglich dafür, dass der Leichnam sich nach dem Tode im Wasser befand und ist keinesfalls ein Vitalzeichen des Ertrinkens.

Relevante Ertrinkungsbefunde fehlen

Der deutsche Rechtsmediziner hat sich auch mit den zahlreichen Verletzungen am Leichnam von Christian Pilnacek beschäftigt, dabei aber auch darauf hingewiesen, dass er keine Fotos vorliegen hatte. Pilnacek hatte ja teils kräftige Einblutungen und das unter anderem in die Muskulatur von Rücken, Hüfte und Oberschenkel. Der Sachverständige schreibt über diese Verletzungen Folgendes: Eine Entstehung als Widerlagerverletzung (Opfer liegt auf Rücken, während Druck auf den Körper ausgeübt wird) ist genauso wie Entstehung als Erstickungsblutungen (Ertrinken) zu, möglich, aber nicht beweisbar. Die Entscheidung, ob äußere Gewalt oder Ersticken (Ertrinken) ist durch die Prüfung, ob sich auf den Obduktionsfotos Hämatome in den korrespondierenden Hautarealen finden, möglich.

Das und noch einiges mehr führt den Gutachter dann zu folgender Zusammenfassung: Ich lese das wieder auszugsweise vor: Wenn vom Unterzeichnenden die Rede ist, dann ist damit Michael Tsokos gemeint: Die Feststellung im Obduktionsgutachten „Eindeutige Hinweise auf eine Gewalteinwirkung ergaben sich nicht“, bedeutet nicht, dass rechtsmedizinisch eine Fremdeinwirkung ausgeschlossen wurde und kann aus Sicht des Unterzeichnenden nicht als Freibrief zur Einstellung weiterer Ermittlungen durch die zuständigen Ermittlungsbehördengenutzt werden.

Was aus Sicht des Unterzeichnenden jedoch eine gravierende Fehleinschätzung des Rechtsmediziners Dr M. ist, ist überhaupt die Einschätzung, dass es keine „eindeutigen Hinweise auf eine Gewalteinwirkung“ am Leichnam gab. Dies ist nicht nachzuvollziehen (es sei denn Herr Dr. M hatte detaillierte Schilderungen zur Bergung des Leichnams von Christian Pilnacek vorliegen sowie entsprechendes Fotomaterial von der Bergung, so dass er alle im Sektionsprotokoll näher beschriebenen Verletzungen als Folge einer forcierten Bergung des Leichnams interpretiert hat).

Bis zur Klärung dieses Punktes und Einsichtnahme in die Fotodokumentation von Leichenauffindung und Obduktion sind die im Obduktionsprotokoll näher beschriebenen Verletzungen am Kopf (Stirn/Augenbraue) rechtsseitig und in der Halsmuskulatur linksseitig als Folge stumpfer äußerer Gewalt, sehr wahrscheinlich durch Schläge, zu interpretieren. Hierzu würden die möglichen Abwehrverletzungen („Parierverletzungen“) an linkem Unterarm und rechter Hand passen.

Natürlich kommt auch ein mehrfaches – allerdings nicht zu erklärendes – Sturzgeschehen in Betracht für die zahlreichen im Obduktionsprotokoll dokumentierten Verletzungen.

Grundsätzlich handelt es sich um ein solides Obduktionsprotokoll, in dem die relevanten Befunde nachvollziehbar und manierlich beschrieben sind. Allerdings vermisst der Unterzeichner die dann doch aufgrund der Gesamtkonstellation ganz entscheidende Frage: wie gelangte Christian Pilnacek ins Wasser?

Was die von Dr. M festgestellte Todesursache „Ertrinken“ anbelangt: Für ein Ertrinken liegen keinerlei wirklich überzeugende Obduktionsbefunde vor, im Gegenteil, die für ein Ertrinken typischen Befunde fehlen fast gänzlich, die von Dr. M als Ertrinkungsbefunde eingestuften Obduktionsbefunde sind unspezifisch, um nicht zu sagen: relevante Ertrinkungsbefunde fehlen. Die Feststellung des Rechtsmediziners Dr. M in seinem Obduktions-Gutachten „Auch fanden sich keine Verletzungen an für ein gewaltsames Unter-Wasser-Drücken typischen Lokalisationen“ ist in zweierlei Hinsicht unhaltbar: rechtsmedizinisch gibt es keine“ typischen“ Lokalisationen für ein gewaltsames Unter-Wasser-Drücken und ein solches kann natürlich gerade bei der von Christian Pilnacek zum Todeszeitpunkt getragenen Kleidung völlig spurenarm ablaufen.

Dr. M schreibt „keine Einschränkung der Handlungsfähigkeit“ wäre durch die Obduktionsbefunde und nachfolgende Toxikologie festzustellen gewesen. Also wieso ist CP dann ins Wasser gelangt? Ursächlich können Unfall, Suizid oder Tötungsdelikt sein und eine
Einschätzung ist, basierend auf den bisher dem Unterzeichner vorliegenden Unterlagen und in Ermangelung von Fotos, bisher nicht weiter möglich.

So. Zweifel wären also von fachkundiger Stelle angemeldet. Möglicherweise ergibt sich auch bald die Gelegenheit, die Argumente des Wiener Gerichtsmediziners Dr M zu hören, er im Medienverfahren gegen Zack Media mittlerweile als Zeuge beantragt.

Und abgesehen davon gibt es noch ein weiteres ergänzendes Gutachten von Michael Tsokos, dazu noch eines vom Tiroler Sachverständigen Stefano Longato und auch eine Stellungnahme eines Wiener Unfallchirurgen, die alsbald alle öffentlich zugänglich sein sollten. Das wird also nicht die letzte Ausgabe der Dunkelkammer dazu gewesen sein.

Autor:in:

Michael Nikbakhsh

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