Die Dunkelkammer
Die schattige Vergangenheit des Kitzbüheler Ehrenbürgers Julius Bueb
Der deutsche Julius Bueb (1865 bis 1944) war ein Industrieller, der geschäftlich von Beziehungen zum NS-Regime profitierte. Bueb war auch ein Kitzbühel-Fan, der sich in den 1930er Jahren große Verdienste um den örtlichen Tourismus erworben hatte.
1942 erhob ihn Kitzbühel zum Ehrenbürger. Der Industrielle stiftete der Stadtgemeinde damals auch ein Vermögen, das bis heute fortbesteht.
Bueb war nicht direkt an NS-Gräueltaten beteiligt, er war mehr ein geschäftlicher Opportunist - dennoch ist sein Erbe belastet. Wie geht Kitzbühel damit um? Eine Spurensuche am Hahnenkamm.
Celeste Ilkanaev
Hallo und herzlich willkommen zur Dunkelkammer. Mein Name ist Celeste Ilkanaev und ich bin Journalistin. Ich nehme euch heute mit auf eine Reise in die Vergangenheit, genauer auf eine Spurensuche. Heute beschäftige ich mich mit den Fragen: Ist wirtschaftlicher Opportunismus im Nationalsozialismus gleichzusetzen mit Schuld? Was bedeutet moralische Verantwortung in NS Zeit Und was bedeutet die Ehrung ehemaliger Wirtschaftsbosse heute für die Erinnerungskultur? Diesen Fragen gehe ich anhand zweier Gesichter nach, die uns an der Talstation der berühmten Hahnenkammbahn in den Tiroler Alpen in Bronze eingraviert anblicken: Dr. Julius Bueb und Josef Herold, zwei Männer, die als Initiator und Förderer der Bergbahn gelten, die den Traum der berühmten Skipiste am Hahnenkamm Wirklichkeit werden ließen. Ihre Namen sind mit diesem Ort verbunden. Aber wer waren eigentlich diese zwei Männer wirklich? Die offizielle Geschichte, die Kitzbühel erzählt, enthält einige Lücken. Und genau diese Lücken möchte ich heute mit euch gemeinsam füllen und die verborgenen Teile ihrer Geschichten ans Licht bringen.
Meine Recherche startet diesmal nicht im Internet, sondern in der Bibliothek der Zeitgeschichte der Universität Wien. Am Schalter sitzt eine konzentrierte Bibliothekarin und scannt Bücher. Ich begrüße sie und merke, wie laut meine Stimme in einem ruhigen Raum wirkt. Ich frage nach einem Buch, das mich diese Recherche begleiten wird: „Hakenkreuz am Hahnenkamm Kitzbühel in der NS Zeit“ von Sabine Pitscheider, veröffentlicht im Jahr 2024. Die Bibliothekarin schreibt auf einem Blatt Papier die Kennziffern auf, die mich zu dem Buch führen sollen. Noch zwischen den Regalen öffne ich neugierig das Buch und entdecke eine profunde Auseinandersetzung mit Josef Herolds NS Vergangenheit. Ich stelle Josef Herold nur kurz vor. Ich beschäftige mich in dieser Recherche vor allem mit der ungeschriebenen Geschichte von Dr. Julius Bueb.
Bueb und Herold haben viele Verbindungen und deswegen solltet ihr auch erfahren, wer Herold war. Herold war nicht nur, wie die Ehrentafel verrät, Vater der Bergbahn, sondern auch Bürgermeister von Kitzbühel von 1933 bis 1934. Erst nach seiner Amtsenthebung wurde klar, wie NS freundlich er abgerutscht war und wie sehr er illegale Nationalsozialisten insgeheim geschützt hat, hatte. Josef Herold starb am 4. November 1938. Sein langjähriger Freund und Geschäftspartner Dr. Julius Bueb veranlasste daraufhin eine Ehrentafel für Herold. Da waren die Nationalsozialisten in Österreich schon an der Macht.
Eine große Anzahl der Kitzbüheler Bevölkerung, die gesamte NS Formationen sowie die Spitzen der Behörden waren nach einem Bericht in der Kitzbüheler Lokalzeitung angetreten. Kreisleiter Harnack habe die Anwesenden angefeuert im nationalsozialistischen Geist, um zu Ehren Herolds den Ort zum führenden Wintersportplatz des Dritten Reiches zu machen. Und so kam es dann auch. Die Stadtgemeinde Kitzbühel profitierte in der NS Zeit massiv vom Tourismus. Josef Herold und Dr. Julius Bueb hatten durch Investitionen und Engagement in die Bergbahn AG wesentlich dazu beigetragen.
Und nun zu Dr. Julius Bueb, der die Ehrentafel für Herold veranlasst hatte und heute selbst Ehrenbürger der Gemeinde Kitzbühel ist. Je mehr ich über Julius Bueb recherchierte, umso verstrickter schienen mir seine Tätigkeiten und die Konzerne, in denen er eine Rolle spielte, in den er eine Rolle spielte. In den 1890ern erfand Julius Bueb ein Verfahren zur Gewinnung von Blausäure aus Schlempe, ein Nebenprodukt bei der Alkoholproduktion. Das war ein Durchbruch, weil dadurch Zyklon B günstig und in großen Mengen hergestellt werden konnte. Zyklon B, ein Mittel zur Schädlingsbekämpfung, leider bekannt geworden wegen des Holocaust. Zyklon B wurde von der NS-Führung zur Tötung von einer Million Menschen missbraucht. Bueb war an der Firma beteiligt, die das Verfahren entwickelte, die Schlempe GmbH, die zur Hälfte der Degussa AG gehörte, die 1933 ihre jüdischen Vorstandsmitglieder hinauswarf, sich an das neue Regime anpasste und von Arisierungen profitierte. Bei der Degussa AG saß Bueb von 1919 bis 1944 im Aufsichtsrat. 1929 wurde Bueb als Generaldirektor der IG Faben AG und als Mitglied der Geschäftsleitung, der Stickstoff Syndikat GmbH, pensioniert. Bis zu seinem Tod 1944 hatte er jedoch die Funktion des Vorsitzenden des Verwaltungsrates dieses Syndikats. Die IG Faben, die Degussa und das Stickstoffsyndikat waren wirtschaftlich eng miteinander verflochten. Auch durch die Überkreuzung von Managern, Verwaltung, Vorständen und Aufsichtsräten.
All die Unternehmen, in denen Bueb tätig war, profitierten vom NS Regime durch Arisierung, Zwangsarbeit und Zwangsausbeutung. Julius Bueb scheint ein Tausendsassa gewesen zu sein. Immer wieder taucht sein Name auf als Vorstandsmitglied, Aufsichtsrat, Direktor oder Industrieller. Bis 1933 sind seine Tätigkeiten gut dokumentiert. Ab 1933 wird es schwierig herauszufinden, welche Entscheidungsmacht Bueb tatsächlich hatte und wo er beteiligt war. Was ich in den verschiedenen Protokollen gefunden habe, ist widersprüchlich. Ein Bericht des Vorstands und Jahresabschluss der IG Faben dokumentiert, Bueb hätte ab seiner Pensionierung 1929 nichts mehr mit IG Faben zu tun gehabt. Allerdings tauchte er in einem Protokoll des Aufsichtsrats im Jahr 1933 als Vertreter der IG Faben auf. 1942 zwei Jahre vor seinem Tod, spendete Bueb 15.000 Reichsmark in Form von Aktien der IG Faben an die Stadtgemeinde. Kitzbühel. Das war sein Dankeschön an die Gemeinde, die ihn 1942 zum Ehrenbürger gemacht hat. Laut Bueb sollte der jährliche Ertrag aus einer Spende für begabte und bedürftige Kitzbüheler Kinder verwendet werden. Mittlerweile beträgt das Stiftungsvermögen eine Million Euro und läuft bis heute unter seinem Namen.
Doch belastende Zusammenhänge von Bueb und den NS-Konzernen spielen in der offiziellen Erinnerungskultur von Kitzbühel kaum eine Rolle. Hier wird er nur als Förderer der Bergbahn und großzügiger Gönner der Kitzbüheler gesehen. Alles andere ist ausgeblendet, als habe man doch irgendwie ein schlechtes Gewissen. Seit 20 Jahren entscheidet Kitzbühels Bürgermeister Klaus Winkler über die Stipendianten. Ich bat Winkler um Aufklärung, wer für ein Stipendium in Frage käme und was das Auswahlverfahren dahinter ist. Seine Antwort, ich zitiere: Dr. Bueb war Aufsichtsratsvorsitzender der Bergbahn AG Kitzbühel und hat als solcher die sogenannte Bueb Stiftung initiiert. Er hat den Kreis der Stipendianten festgelegt und dem jeweiligen Bürgermeister die Zuerkennung ohne Einschränkung, aber mit besonderer Berücksichtigung von Kriegsweisen übertragen. Zitat Ende. Zwei Stipendianten dieser Stiftung kenne ich persönlich, so kam ich auch auf diese merkwürdige Geschichte. Einer von ihnen ist Historiker und Buebs Name kam ihm bekannt vor. Er sagt: Hätte ich gewusst, woher das Geld kommt, dann hätte ich es nicht genommen. Für ihn ist die moralische Verantwortung klar.
Woher stammt Buebs Geld? Im Landesrechnungshof steht in Form von Aktien. In Winklers Stellungnahme heißt es: Es liegt nahe, dass das Stiftungskapital der sogenannten Bueb Stiftung aus dem Aktienkapital der Bergbahn AG stammt. Das ist aber strittig. In einem Artikel im Stadtmagazin Kitzbühel, also dem offiziellen Medium der Stadt, heißt es nämlich die Aktien stammen von IG Faben aus dem Jahr 1939. Das bestätigt sich nochmals bei den Kitzbüheler Nachrichten aus dem Jahr 1942. Auf Nachfrage, warum Bürgermeister Winkler anders behauptet, bekam ich keine Antwort.
Ich wollte von Bürgermeister Winkler auch wissen, ob er eine moralische Verantwortung für die Herkunft der Stiftung sieht. Seine Antwort, ich zitiere wieder: Dr. Julius Bueb war in den Anfangsjahren der Bergbahn AG Kitzbühel Ende der er Jahre ein großer Förderer und Unterstützer bei der Errichtung der Hahnenkammbahn. Dr. Bueb war zu dieser Zeit bereits seit einigen Jahren in Kitzbühel tätig und hat hier auch mehrere Immobilien und Grundstücke erworben. Dies fällt also in eine Zeit, in die der Nationalsozialismus noch kaum bis gar keine Rolle gespielt hat, vor allem nicht in Kitzbühel. Zitat Ende.
Schauen wir uns eines der Grundstücke an, die Bueb erworben hat, eine luxuriöse Ferienresidenz, heute als Berghof Sonnbühl bekannt. Auf der Website von Sonnbühl findet sich eine kurze Biografie Buebs, die seine Bedeutung für Kitzbühel hervorhebt und die Erwähnung, dass sich früher die Mitglieder des elitären Berliner Golfclubs am traumhaften Ausblick und der Lage erfreuten. Bis 1933 waren nur Deutsche dort Mitglied gewesen und Bürgermeister Herold, was für mich den Verdacht nahelegt, dass dies eine NS affine Elite gewesen sein könnte. Nach dem Ausschluss jüdischer Mitglieder 1933 übernahm Bueb höchstpersönlich die Verwaltung des Clubs. Zu diesem Zeitpunkt war die NSDAP in Österreich noch illegal und judenfreie Zonen hätte es nicht geben dürfen. Doch der Antisemitismus war im Anschwellen, das Parlament bereits ausgeschaltet. Ich nahm mit den jetzigen Besitzern des Berggasthofs Sonnbühl Kontakt auf, doch ich bekam keine Antwort.
Am Ende meiner Recherche stieß ich im Netz auf eine Diplomarbeit über den berühmten Kitzbüheler Künstler und Architekten Alfons Walde. Ich war kurz davor, das PDF wieder zu schließen, aber dann kam ich zu der Stelle, an der Herold und Bueb und Walde gemeinsam erwähnt werden. Alle drei saßen im Aufsichtsrat der Bergbahn AG. Bis 1935 schien die Zusammenarbeit gut zu laufen. Doch 1935 wurde Walde entlassen, unter anderem wegen seiner Ablehnung der Nationalsozialisten. In einem Brief schrieb Alfons Walde später: Nach dem Wille des Aufsichtsrats hätte er 1938 nach Dachau gebracht werden sollen. Bueb habe zwar bei seiner Kaltstellung mitgemacht, sich aber zumindest seiner Verdienste als Künstler erinnert. Buebs Wort wurde in der NSDAP gehört. Walde saß zwei Monate in Haft, wurde aber wieder ausgestellt. War Bueb nun ein Nazi oder ein Opportunist mit Einfluss? 1947 wurde Bueb in einem Volksgerichtsprozess in Innsbruck erwähnt. Die Aussage eines NS Widerstandskämpfers, Bueb sei in Kitzbühel schon vor dem Anschluss eine bekannte Nazi-Größe gewesen und habe an einer Liste von Personen mitgewirkt, die verhaftet werden sollten.
Wenn es um die Aufarbeitung der NS Zeit in Kitzbühel geht, ist die historische Aufarbeitung von Sabine Pitscheider hatte tatsächlich ein Meilenstein. Organisatorisch begleitet hat das Projekt auch Wido Sieberer, Leiter des Stadtarchivs Kitzbühel, und hat sich ernsthaft mit den braunen Flecken in Kitzbühel beschäftigt. Ihrem Buch entnehme ich, dass Bueb in der illegalen Zeit namhafte Summen an die NSDAP spendete. 1934 dem Jahr, als die Nazis in Österreich einen Putschversuch unternahmen 10.000 Schilling. Dr. Julius Bueb war also nicht nur ein Förderer der Bergbahn und Stiftungsgründer. Bueb war vielleicht kein NSDAP Mitglied, aber jemand, der wirtschaftlich maßgeblich von der NS Zeit profitierte.
Trotz seiner wirtschaftlichen Verstrickungen wurde 1988 eine Ehrentafel für Julius Bueb mit der Aufschrift Förderer der Bergbahn errichtet. Sie hängt nun neben Josef Herolds an der Hahnenkamm Talstation. Ich fragte bei der Stadtgemeinde Kitzbühel an, ob sie vorhaben, die Rolle Buebs in den Konzernen und seine NSDAP-Nähe in deren Erinnerungskultur. Zu ergänzen. Die Antwort, die ich erhalten habe, lautet so: Dr. Bueb war offensichtlich Aufsichtsrat bei IG Faben und Degussa. Hier ist anzumerken, dass Aufsichtsräte keinen Einfluss auf die Produktion und den Vertrieb von Produkten haben. Zu den Tätigkeiten von Dr. Bueb bei IG. Faben und Degussa gibt es in Kitzbühel keine Unterlagen.
Das ist eine ziemlich dürre Antwort. Für mich bleiben Fragen offen. Wie gehen wir mit wirtschaftlichen Profiteuren der NS-Zeit um? Nehmen wir ihr Geld, ohne zu fragen, woher es kommt? Darf eine Stadt stolz sein auf so einen Ehrenbürger?
Autor:in:Redaktion Die Dunkelkammer |