Ist das wichtig?
. . . und die Regierung redet über Afrika!!1!

Die Bundesregierung aus ÖVP, SPÖ und Neos hat heute eine "Afrikastrategie" angekündigt - während die Statistik Austria abermals die hohe Teuerungsrate festgestellt hat. Opposition und einzelne Medien die Regierung kritisieren, sie vernachlässige aktuelle Probleme - aber hat vielleicht doch es etwas für sich, eine Strategie für den am schnellsten wachsenden Kontinent bereit zu halten?

Die Bundesregierung aus ÖVP, SPÖ und Neos hat heute eine "Afrikastrategie" angekündigt. Wollt Ihr mehr wissen?

  • Das Dokument aus dem Ministerrat findet ihr hier:
    https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:5be1b6b5-86de-4729-9384-03459fc3a70f/24_10_mrv.pdf
  • Hier die Statistik Austria mit der aktuellen Inflationsschätzung:
    https://www.statistik.at/fileadmin/announcement/2025/09/20251001VPIFlashEstimateSeptember2025.pdf
  • "Heute" verknüpft beides miteinander . . .
    https://www.heute.at/s/inflation-brutal-regierung-redet-ueber-afrika-strategie-120134455
  • . . . und die FPÖ ebenso:
    https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20251001_OTS0131/fpoe-fuerst-afrika-strategie-als-neues-selbstverwirklichungsprojekt-der-neos-aussenministerin

Transkript:

Hi, grüß euch und herzlich willkommen bei "Ist das wichtig?" am 1. Oktober.
"Absurder Ministerrat - Inflation brutal: Regierung redet über Afrika-Strategie." Dieser leicht passiv-aggressive Titel stammt von der Digital-Zeitung "Heute" und bringt ein bisschen das Spannungsverhältnis auf den Punkt, das zwischen den Ereignissen in der realen Welt und dem Ministerrat heute zutage getreten ist. Denn während die Statistik Austria eine sehr, sehr hohe Inflation im September festgestellt hat, hat die Regierung heute über eine neue Afrika-Strategie beraten.
Das hat unmittelbar nichts miteinander zu tun, bietet Kritikerinnen und Kritikern aus Opposition und Medien aber eine breite Angriffsfläche, um auf die Afrika-Strategie loszugehen und so zu tun, als ob das völlig sinnlos wäre. Warum ich finde, dass das nicht so ist, was diese Afrika-Strategie werden soll und wie sie vielleicht am Ende sogar mit der Inflation zu tun hat - das werden wir in den nächsten paar Minuten besprechen.
Mein Name ist Georg Renner, ich bin seit 18 Jahren politischer Journalist und das hier ist "Ist das wichtig?" - Politik für Einsteiger. Ein Podcast, in dem wir fast täglich aktuelle politische Entwicklungen so besprechen, dass man sie auch gut nebenbei verstehen kann.

"Also Georg, was ist passiert?"
Unsere Bundesregierung hat heute im Ministerrat beschlossen, eine Afrika-Strategie auszuarbeiten. Das klingt jetzt nach einem dieser typischen Regierungspapiere, bei denen man sich fragt: Braucht's das wirklich? Und es kommt natürlich auch mit einem Afrika-Beauftragten, der im Außenministerium arbeiten soll. Aber ich finde, dahinter steckt durchaus mehr.
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger, unsere oberste Vertreterin im Ausland und gleichzeitig NEOS-Parteichefin, hat das Projekt heute nach dem Ministerrat vorgestellt und gleich einmal zugegeben, dass es eigentlich ein Versäumnis ist, dass Österreich so etwas bisher noch nicht hat.
Die Grundidee: Österreich soll enger mit afrikanischen Ländern zusammenarbeiten - wirtschaftlich, bei der Migrationsprävention und auch sicherheitspolitisch. Afrika sei nämlich ein "Chancenkontinent", wie Meinl-Reisinger das nennt. Das Wirtschaftspotenzial schätzt sie in Billionen-Euro-Höhe über Jahre und Jahrzehnte.
Und tatsächlich sind schon etliche österreichische Unternehmen auf dem Kontinent aktiv: die voestalpine zum Beispiel, der Verbund, die OMV - das ist das Who's Who der großen österreichischen Unternehmen. Die sollen durch diese Afrika-Strategie Unterstützung bekommen. Und auch andere Unternehmerinnen und Unternehmer, die in Afrika investieren, Rohstoffe einkaufen oder dorthin exportieren wollen, sollen künftig bessere Unterstützung seitens des Staates bekommen.
Bemerkenswert ist aber eben das Timing. Die Statistik Austria hat heute - wie immer am Monatsersten - die Inflation im Vormonat gemeldet. Und im September war sie nach wie vor sehr hoch: vier Prozent Geldentwertung von September 2024 bis September 2025. Das ist auf allen politischen und persönlichen Ebenen ein veritables Problem. Besonders die Energiepreise sind stark gestiegen, um acht Prozent. Und derweil diskutiert die Regierung über Afrika.

"Und... wer sind die alle?"
Fangen wir mit der Hauptakteurin an: Beate Meinl-Reisinger, die NEOS-Außenministerin. Für die NEOS war die Afrika-Strategie schon länger ein Thema. Jetzt kann Meinl-Reisinger das umsetzen, weil die NEOS in der Bundesregierung - gemeinsam mit ÖVP und SPÖ - die Außenministerin stellen.
Mit im Boot ist Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer von der ÖVP. Der sieht das ganz pragmatisch aus wirtschaftlicher Sicht: Sechs von zehn Euro verdienen Österreichs Unternehmerinnen und Unternehmer im Export. Und Afrika könnte da ein wichtiger Zukunftsmarkt sein. Derzeit exportiert Österreich nur etwa 2,2 Milliarden Euro Richtung Afrika - das ist ungefähr so viel wie nach Kroatien. Und ich brauche jetzt, glaube ich, niemandem erklären, dass Afrika doch deutlich größer ist und da noch viel Luft nach oben wäre.
Auf der kritischen Seite steht die FPÖ. Seit der Nationalratswahl 2024 ist sie größte Partei und hält von dieser Ankündigung nicht viel. Die stellvertretende Klubobfrau Susanne Fürst hat die Afrika-Strategie als "Selbstverwirklichungsprojekt" der NEOS-Außenministerin bezeichnet. Sie kritisiert, dass die Regierung österreichisches Steuergeld verteilen wolle, während daheim die Teuerung grassiert und die Wirtschaft schwächelt. Außerdem fordert die FPÖ klare Bedingungen: Afrikanische Länder müssten sich verpflichten, keine Flüchtlingsboote mehr ablegen zu lassen und straffällig gewordene Menschen zurückzunehmen.

"Und warum diskutieren die darüber?"
Da prallen Welten aufeinander. Die Regierung argumentiert vor allem wirtschaftlich: Afrika wächst schneller als jede andere Weltregion. Die Afrikanische Entwicklungsbank prognostiziert für Subsahara-Afrika ein Wachstum von 3,7 Prozent für 2025 - weit mehr als in Europa mit 0,7 Prozent oder den USA mit 1,4 Prozent. Elf der zwanzig am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften liegen in Afrika.
Es geht auch um Rohstoffe. Afrika hat Ressourcen, die für die Energiewende wichtig sein könnten - seltene Erden zum Beispiel, die in Computern, Smartphones und vielen modernen Technologien verwendet werden.
Und dann ist da die demografische Entwicklung: Bis 2050 werden 2,5 Milliarden Menschen in Afrika leben - jeder vierte Mensch weltweit. Das ist ein riesiger Markt.
Es gibt aber auch geopolitische Gründe. China und Russland bauen seit Jahren ihren Einfluss in Afrika gezielt aus. "Wo Inaktivität besteht, entsteht ein Vakuum", sagt Meinl-Reisinger. Wenn Europa nicht präsent ist, füllen andere Mächte diese Lücke - Mächte, die nicht unbedingt unsere Werte teilen.
Die Kritiker sehen das anders. Sie fragen: Warum kümmert sich die Regierung um Afrika, während daheim die Menschen unter der Teuerung leiden? Aber natürlich muss man auch bedenken, dass eine Bundesregierung die Aufgabe hat, nicht nur aktuelle Probleme anzugehen, sondern auch langfristig Weichen zu stellen.
Wirtschaftswachstum ist ein gutes Mittel gegen Inflation. Wenn Österreichs Unternehmen mehr verdienen, können sie auch höhere Löhne zahlen und Wohlstand ins Land bringen. Insofern hat eine Afrika-Strategie langfristig tatsächlich auch mit der Inflation zu tun.

"Ok, und... wie betrifft das uns?"
Unmittelbar gar nicht. Die Strategie soll erst ausgearbeitet werden - heute war nur der symbolische Startschuss. Nächstes Jahr soll dem Parlament ein Bericht vorgelegt werden, und erst ab 2027 soll die Strategie umsetzungsreif sein.
Wenn es dann soweit ist, könnte das durchaus Auswirkungen haben:
Erstens wirtschaftlich: Wenn mehr österreichische Unternehmen in Afrika investieren oder dorthin exportieren, könnte das Jobs in Österreich schaffen oder sichern. Hattmannsdorfer spricht davon, dass das Exportvolumen kurzfristig verdoppelt werden könnte.
Zweitens bei der Migration: Die Regierung hofft, durch Zusammenarbeit vor Ort Fluchtursachen zu bekämpfen. Ob das funktioniert, steht in den Sternen. Die Erfahrung zeigt, dass wirtschaftliche Entwicklung zunächst sogar mehr Migration ermöglichen kann, weil sich mehr Menschen die Reise leisten können.
Drittens die Kosten: Eine Afrika-Strategie mit Afrika-Beauftragten, Delegationsreisen, Ausbau der Vertretungen - das kostet alles Geld. Das zahlen wir über unsere Steuern. Idealerweise geht die Wette auf und durch neue Geschäftsbeziehungen oder weniger Migration rechnet sich das für den Staat.
Viertens geopolitisch: Österreich spielt im großen Konflikt zwischen Supermächten eine kleine Rolle. Aber als Teil der EU können wir Einfluss gewinnen - bei Rohstofflieferungen, internationalen Abstimmungen. Österreich bewirbt sich ja gerade um einen Sitz im UN-Sicherheitsrat, wo wir auch Stimmen aus Afrika erhoffen.

"Und ist das schon fix?"
Nein, noch lange nicht. Heute war nur der Startschuss. Unter Federführung des Außenministeriums wird die Strategie jetzt erarbeitet, alle Ressorts werden eingebunden. 2026 soll dem Parlament ein Bericht vorgelegt werden, umgesetzt werden soll die Strategie erst 2027.
Interessant noch: Bundespräsident Van der Bellen war vor ein paar Wochen in Südafrika und hat für eine engere Zusammenarbeit geworben. Kein Regierungsmitglied hat ihn begleitet. Van der Bellen meinte damals, es sei "bedauerlich, dass alle unsere Minister gerade unabkömmlich sind". Das zeigt, dass Afrika bisher nicht hoch auf der Prioritätenliste stand.

"Und woher weißt du das eigentlich?"
Ich habe mir heute die Pressekonferenz nach dem Ministerrat angeschaut, wo Meinl-Reisinger, Hattmannsdorfer und Staatssekretärin Schmidt die Afrika-Strategie vorgestellt haben. Den offiziellen Ministerratsvortrag findet ihr beim Bundeskanzleramt - ich verlinke das in den Shownotes.
Die Kritik der Opposition kommt aus einer Aussendung der FPÖ von Susanne Fürst. Und der "Heute"-Artikel, der da polemisch reingerätscht ist - auch das verlinke ich euch.
Die Zahlen zum Wirtschaftswachstum in Afrika stammen von der Afrikanischen Entwicklungsbank. Alles in den Shownotes für alle, die tiefer einsteigen wollen.

"Also: Ist das wichtig?"
Ich würde sagen: Jein. Es ist sicher nicht das drängendste Problem. Da hat die Opposition einen Punkt.
Aber langfristig? Eine Regierung muss auch über den Horizont der akuten Probleme hinausschauen. Was ist in den nächsten 10, 20 Jahren wichtig? Afrika wird eine immer größere Rolle spielen - demografisch, wirtschaftlich, politisch. Wenn Österreich und Europa da den Anschluss verpassen, könnte uns das auf die Füße fallen.
Man sollte der Regierung nicht dafür prügeln, dass sie auch mal langfristig denkt. Natürlich gibt es drängendere Themen - die Inflation zum Beispiel. Aber beides schließt sich nicht aus.
Ob diese Afrika-Strategie jemals wirklich umgesetzt wird oder in einer Schublade verstaubt, werden wir sehen. Wichtiger als die Strategie selbst ist vielleicht die Diskussion, die sie auslöst: Wie viel Geld sollen wir für internationale Zusammenarbeit ausgeben, während zuhause gespart wird? Wie gehen wir mit Migration um? Wie positioniert sich Österreich in einer Welt, in der China und andere neue Player immer wichtiger werden?
Das sind Fragen, die uns alle betreffen - auch wenn Afrika erstmal weit weg scheint.

Autor:in:

Georg Renner

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