Ist das wichtig?
Präsident Mahrers Glück (und Ende?)

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (ÖVP) steht vor dem Rücktritt - oder zumindest inmitten der schwersten politischen Krise seiner Karriere. Wie es dazu gekommen ist, warum die Kammer ein wichtiger Player der österreichischen Politiklandschaft ist und was Journalistinnen und Journalisten damit zu tun haben, erklären wir in dieser Folge.

Wollt Ihr mehr wissen?

Transkript:

Georg Renner: Hi, grüß euch, herzlich willkommen bei "Ist das wichtig?" am 12. November – oder besser gesagt vom 12. November. Der Unterschied ist diesmal besonders wichtig, denn spannende Sache: Ihr wisst sehr wahrscheinlich mehr darüber, wie die Sache ausgeht, über die wir heute reden wollen, als ich, während ich die Folge hier aufnehme. Im Raum steht nämlich, ob Harald Mahrer als Wirtschaftskammerpräsident aus einer der mächtigsten Positionen in der österreichischen Politiklandschaft zurücktritt oder ob er wider Erwarten doch im Amt bleiben wird. Warum er – wenn er zurücktritt – zurücktritt, was die Wirtschaftskammer eigentlich ist und warum das ein sehr, sehr spannendes, ja sogar entscheidendes Thema für die österreichische Politik sein kann, darüber reden wir in den nächsten paar Minuten in unserem bewährten Sieben-Fragen-Schema.

Mein Name ist Georg Renner, ich bin seit 18 Jahren politischer Journalist und das hier ist Politik für Einsteiger, ein Podcast, in dem wir aktuelle politische Ereignisse so einordnen, dass man sie auch nebenbei gut verstehen kann.

Maria Renner: Also Georg, was ist passiert?

Georg Renner: Fangen wir am Anfang an. Rolle der Medien – ganz wichtig in diesem Szenario. Ein Kollege von mir, Gerhard Hofer, stellvertretender Chefredakteur der Tageszeitung "Die Presse", hat in seinem Newsletter am Montag, dem 3. November, von einer Gehaltserhöhung berichtet, die für Aufsehen gesorgt hat. Die Wirtschaftskammer-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sollen ab 2026 eine Gehaltserhöhung von 4,2 Prozent bekommen. Das klingt jetzt für sich nicht dramatisch, aber hat dann doch unter Unternehmerinnen und Unternehmern – Pflichtmitglieder der Wirtschaftskammer, dazu kommen wir noch – für Aufregung gesorgt.

Denn die Inflation in Österreich, also unsere Geldentwertung – Geld wird Jahr für Jahr weniger wert – und normalerweise ziehen da die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer mit mit Gehaltserhöhungen, damit die Gehälter zumindest dasselbe wert bleiben. Das verhandeln Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter jedes Jahr aus. Nur dieses Jahr ist es in den meisten Branchen nicht so. Die Metaller, die üblicherweise die Höhe für solche Gehaltsverhandlungen vorgeben, die bekommen zum Beispiel nur eine Gehaltserhöhung von 3,41 Prozent. Ganz einfach, weil die Wirtschaftslage momentan nicht gut ist und viele Unternehmen Probleme bekommen würden.

Das heißt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Metaller zum Beispiel nehmen de facto ein Lohn-Minus hin, weil das Geld schneller an Wert verliert als die Gehälter steigen. Die steigen einfach weniger als die Geldentwertung. Nicht so dagegen eben in der Wirtschaftskammer, wo die Gehälter um 4,2 Prozent steigen sollen, deutlich über dem Inflationswert von circa dreieinhalb Prozent.

Das heißt in der Wirtschaftskammer, wo die Jobs sehr, sehr sicher sind – weil sich die Wirtschaftskammer, auch das müssen wir noch besprechen, durch Zwangsbeiträge finanziert wird, also Beiträge, die fix hereinkommen, die müssen keine Kunden suchen, sondern die bekommen per Gesetz einfach Beiträge von allen Unternehmerinnen und Unternehmern in Österreich bezahlt – dort steigen die Gehälter deutlich über der Inflation.

Jetzt hat das Ganze technische Gründe. Es gibt eine Formel, die immer die Inflation des vorletzten Jahres eigentlich nachzieht. Trotzdem, die Signalwirkung war in Reaktion auf diesen Pressebericht fatal. Ganz viele Unternehmerinnen und Unternehmer, die gerade ums Überleben kämpfen, fühlen sich von ihrer Vertretung, die die Wirtschaftskammer eigentlich sein sollte, da vor den Kopf gestoßen. Vor allem, weil Kammerpräsident Harald Mahrer in den letzten Monaten in Interviews immer und immer wieder Sparsamkeit eingefordert hat, betont hat, wie wichtig es ist, jetzt niedrige Gehaltsabschlüsse zu machen. Also es war einfach eine ganz fatale Signalwirkung.

Mahrer hat dann zwei Tage später auf diesen Bericht reagiert und gesagt: Okay, wir halbieren das und machen nur 2,1 Prozent Gehaltserhöhung. Aber ein paar Stunden später hat sich herausgestellt, dass das, sagen wir mal, eine Mogelpackung war. Die Erhöhung von 4,2 Prozent wird nur um sechs Monate verschoben, tritt also Mitte 2026 in Kraft. Und auch wenn das ein bisschen eine Ersparnis bedeutet für die Wirtschaftskammer, weil sie die Gehälter eben erst später erhöht – aufs Jahr gerechnet macht das eben die 2,1 Prozent – haben sich dann sehr, sehr viele, vor allem in den Medien und in der Politik, vor den Kopf gestoßen gefühlt.

Weil sie gesagt haben: Na ja, okay, hey, die Metaller haben gerade eine sehr, sehr bescheidene Gehaltserhöhung verhandelt, auch die öffentlich Bediensteten schließen jetzt deutlich unter der Inflation ab, und die Kammer macht nur diese sechs Monate und sagt das nicht, verkauft das, als ob sie es halbiert hätten. Mahrer hat das inszeniert, als hätte er da ein großes Machtwort gesprochen.

Und das war alles noch nicht alles. Es ist dann später durch Recherchen anderer Kolleginnen und Kollegen herausgekommen, dass manche Landeskammerpräsidenten ihre Entschädigungen massiv erhöht haben, in Tirol zum Beispiel von 5.000 auf 10.000 Euro im Monat und und und. Das sind wichtige Funktionen, aber diese Gehaltserhöhungen mitten in einer Wirtschaftskrise, wo man alle anderen zum Sparen aufruft, ist natürlich eben wieder kein gutes Signal.

Und dann ist zuletzt auch noch bekannt worden, dass Mahrer durch seine verschiedenen Funktionen, die er bekleidet – als Wirtschaftskammerpräsident, Präsident des Wirtschaftsbundes in der ÖVP (kriegt er auch was dafür gezahlt) und als Nationalbankpräsident – auf ein monatliches Einkommen von irgendwo knapp um die 50.000 Euro kommt. Also ein sehr, sehr fürstliches Gehalt, weit über dem des Bundeskanzlers und anderer wichtiger Funktionäre.

Letzte Woche am Montag – pardon, diese Woche am Montag, 10. November, also eine Woche nach Beginn dieser ganzen Aufregung – hat Mahrer dann seinen Rücktritt als Nationalbankpräsident angekündigt und gesagt, er möchte sich jetzt ganz auf die Wirtschaftskammer konzentrieren und die Kammer würde vollkommen und ständig hinter ihm stehen. Aber das hat den Sturm nur zeitweise kurz beruhigt. Jetzt kommen eben – und das ist das Neue – immer mehr Leute heraus in der ÖVP, in der Wirtschaftskammer, die mehr oder weniger offen auch seinen Rücktritt als Kammerpräsident fordern.

Maria Renner: Und wer sind die alle?

Georg Renner: Harald Mahrer, 51 Jahre alt, ist seit ein paar Jahren Präsident der Wirtschaftskammer Österreich. Mahrer war zuvor Wirtschaftsminister und war davor Geschäftsführer einer PR-Agentur und gilt als einer der letzten Vertrauten des ehemaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz, der noch im Amt ist. Er selber stellt übrigens in Abrede, dass er ein Vertrauter von Sebastian Kurz gewesen wäre, aber man kann problemlos sagen: Er ist im Windschatten Sebastian Kurz', eines sehr erfolgreichen ÖVP-Bundeskanzlers und ÖVP-Chefs, in seine vielen Ämter gekommen – eben als Wirtschaftskammerpräsident, Wirtschaftsbund-Präsident, damit Mitglied der obersten Parteiebene der Österreichischen Volkspartei, einer der größten Parteien des Landes, und auch in die Nationalbank.

Die Wirtschaftskammer selber – muss man auch kurz erklären – ist Teil der österreichischen Sozialpartnerschaft. Das ist eine von Gesetzes wegen eingerichtete Vertretung für die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer im Land. Die müssen Pflichtbeiträge zahlen, die sogenannte Kammerumlage. So wie die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Beitrag für die Arbeiterkammer zahlen, so wie Ärztinnen und Ärzte für die Ärztekammern zahlen, so wie die Apothekerinnen für die Apothekerkammer zahlen und so weiter, haben die meisten Berufe, die meisten Branchen in Österreich eine gesetzliche Pflichtvertretung.

Das ist weitgehend ein österreichisches Unikum. Diese Pflichtmitgliedschaft, das gibt es fast nirgendwo anders auf der Welt in dieser Breite. Aber in Österreich muss fast jeder Unternehmer eben diese Kammerumlage bezahlen und wird dafür von der Wirtschaftskammer vertreten. Wie gut oder wie schlecht, müssen die Unternehmer selber sagen.

Und die Kammern, die können sich im Wesentlichen selbst verwalten. Die haben ein sehr, sehr intransparentes, sehr, sehr kompliziertes Wahlrecht und entscheiden ihre Angelegenheiten in einer Minipolitik in diesem Universum selber. Das gibt es in der Arbeiterkammer genauso wie in der Wirtschaftskammer, wie in den anderen Kammern in Österreich überall.

Und die Wirtschaftskammer ist neben der Arbeiterkammer eben eine der größten Organisationen im Land, die durch diese Kammerumlagen, die alle Unternehmerinnen und Unternehmer zwangsweise zahlen müssen, auch sehr, sehr gut finanziell abgesichert ist. Hat zum Beispiel, wie in ihren Geschäftsberichten nachzulesen ist, mehr als 2,2 Milliarden Euro Reserve. Das heißt, die könnte ein ganzes Jahr ohne Beiträge überleben. Hat fast 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das heißt, das ist eine Institution, die ziemlich mächtig ist.

Und so wie die Arbeiterkammer der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, einer der anderen größten Parteien Österreichs, nahesteht, ist die Wirtschaftskammer weitgehend ÖVP-dominiert, weil das historisch gewachsen ist, weil die auf den unteren Ebenen, die diese Wahlen entscheiden, sehr viele Unternehmerinnen und Unternehmer hat, die dort eben Stimmen generieren. Der ÖVP-Wirtschaftsbund ist bei weitem die stärkste Fraktion in der Wirtschaftskammer und gibt dort den Ton an.

Und ja, wer sind die anderen Leute? Viele Kritiker und Kritikerinnen Mahrers sind Präsidenten der Landeskammern. Weil natürlich – so wie es eine Bundeswirtschaftskammer gibt, der Mahrer vorsteht – gibt es natürlich neun Landeswirtschaftskammern. Das ist in Österreich sehr, sehr wichtig. Und da sind jetzt etliche Leute, die gerade selber signifikante Gehaltserhöhungen bekommen haben im Zuge dieser Gehaltsreform, die sagen: Na ja, Mahrer ist jetzt nicht mehr tragbar.

Gibt aber auch externe Leute, die Mahrer jetzt nahelegen, dass seine Zeit gekommen sei. Zum Beispiel die Landeshauptleute von Niederösterreich und Oberösterreich, Johanna Mikl-Leitner und Thomas Stelzer, die beide sehr gewichtige Positionen haben. Oder die Tiroler Adlerrunde, das ist eine prominente Vertretung von Unternehmerinnen und Unternehmern in Tirol. Das sind alles Leute, die in der ÖVP durchaus Gewicht haben. Wenn die sagen: Na ja, er sollte sich jetzt überlegen, was er tun soll, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass dieser Rücktritt nur eine Frage von Stunden ist.

Maria Renner: Und warum diskutieren die darüber?

Georg Renner: Es geht da um ganz, ganz viele Sachen gleichzeitig. Zum einen eben diese schon erklärte Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer. Da fühlen sich viele Unternehmerinnen und Unternehmer, die gerade sparen müssen, die gerade ihren Mitarbeitern sagen müssen: Okay Leute, ich kann euch die Inflation, die Teuerung nicht abgelten, ihr werdet effektiv weniger verdienen – solche Unternehmerinnen und Unternehmer fühlen sich jetzt natürlich auf den Schlips getreten, wenn sie sehen: Okay, die Kammer, die kann ganz locker mit meinen Pflichtbeiträgen um 4,2 Prozent die Gehälter erhöhen. Da leisten sich die Präsidenten auch noch mal höhere Entgelte und so weiter. Etliche Unternehmen haben jetzt auch schon angekündigt, diese Kammerumlage boykottieren zu wollen und dann nichts mehr dafür zahlen zu wollen.

Zweitens geht es natürlich um Kommunikation. In der Politik ist Kommunikation sehr wichtig. Und wenn man sagt, man spricht ein Machtwort und nimmt diese Gehaltserhöhung zumindest teil zurück, dann sollte man auch die ganze Geschichte erzählen und nicht nur so herumdrucksen und sagen "Machtwort" und dann stellt sich heraus, das ist nur eine Verschiebung und die nächsten Gehaltserhöhungen berechnen sich dann eh wieder von diesen 4,2 Prozent. Das ist einfach sehr, sehr ungeschickt kommuniziert. Und für eine Organisation, deren Job eben ist, Interessensvertretung zu machen, Politik zu machen und gut zu kommunizieren, was die Unternehmerinnen und Unternehmer im Land brauchen, ist das einfach kein besonderer Qualitätsausweis, wenn die eine so wichtige Sache, wo sie selber im Spotlight stehen, verhauen.

Drittens muss man halt sagen: Es ist nicht besonders geschickt, wenn man, wie Mahrer das in den letzten Monaten immer wieder gemacht hat, allen anderen sagt, ihr müsst schlanker werden, es gibt zu viel Staat, wir müssen alle sparen und und und. Es gibt da wirklich viele Interviews, wo Mahrer genau das gesagt hat. Wenn dann rauskommt: Hey, okay, aber bei der eigenen Organisation, da drückt man ordentlich auf die Tube und erhöht Gehälter und nimmt sich da nicht so sehr zurück. Und natürlich spielt da auch mit: In der eigenen Partei macht man sich keine Freunde, wenn man dauernd der Regierung, in der die eigene Partei ja vertreten ist, sagt, was sie alles zu tun und lassen haben sollte und was man alles besser wüsste.

Und da hat Mahrer und die Wirtschaftskammer wahrscheinlich natürlich viele offene Rechnungen, die jetzt beglichen werden von Leuten, die jetzt seinen Rücktritt fordern. Und ja, insgesamt geht es halt um die Rolle der Wirtschaftskammer als Ganzes. Vor allem die Liberaleren im Land, die hätten ja gerne ein Ende dieser Pflichtmitgliedschaft – und auch das wird jetzt immer wieder diskutiert.

Maria Renner: Okay, und wie betrifft das uns?

Georg Renner: Direkt betroffen sind eigentlich nur die Unternehmerinnen und Unternehmer im Land, die halt Kammerumlage zahlen und damit Pflichtmitglieder der Wirtschaftskammer sind und deren Präsident das technisch gesehen ist. Die können das halt nicht – und das kritisiere ich zum Beispiel und viele andere auch immer wieder – aber nicht direkt geltend machen, weil eben dieses Wahlrecht so ist, dass man eigentlich nur die unterste Ebene der Wirtschaftskammer, also die Leute, die zum Beispiel, weiß nicht, alle Baufirmen in Niederösterreich vertreten, direkt wählt. Und die wählen dann über etliche Gremien wieder andere Gremien, die dann letzten Endes den Präsidenten bestimmen.

Wer jetzt den Präsidenten Mahrer und den Wirtschaftsbund der ÖVP, den er leitet, nicht an der Spitze der Wirtschaftskammer haben will, müsste jetzt eigentlich seine Vertretung, seine ÖVP-Vertreter in zum Beispiel der Bauvertretung, der Vertretung der Baufirmen in Niederösterreich abwählen. Und dann würde sich das theoretisch sehr, sehr weitgehend fortpflanzen bis auf Bundesebene. Das ist ein sehr kompliziertes Wahlsystem, das natürlich nicht leicht macht, da politische Rechenschaft herzustellen.

Indirekt betrifft diese ganze Sache aber auch uns alle. Die Wirtschaftskammer ist ein wichtiger Player in der österreichischen Politik und ja, auch in der Wirtschaft. Denn die Kollektivverträge, die die Gehälter der meisten Berufe in Österreich regeln, die werden weitgehend von der Wirtschaftskammer verhandelt auf Arbeitgeberseite. Das heißt, wer dort an der Spitze sitzt, der hat natürlich direkt und indirekt ein tatsächliches Gestaltungsrecht.

Die Wirtschaftskammer hat auch signifikanten Einfluss in der ÖVP, so wie die ÖVP Einfluss auf die Wirtschaftskammer hat. Das sind weitgehend kommunizierende Gefäße, weil die Wirtschaftskammer bei der ÖVP, einer der wichtigsten Parteien im Land, die auch die Regierung führt, immer auf ein offenes Ohr stößt und da teilweise auch Ministerinnen und Minister direkt entsendet, teilweise Mitarbeiter in Ministerbüros verleiht und so weiter. Das ist einfach eine sehr, sehr zentrale, wichtige Organisation in unserem Staat.

Letzten Endes geht es um die ganze Sozialpartnerschaft, eben dieses Zusammenwirken von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern in Österreich, die zum Beispiel diese Kollektivverträge beschließen und gerade in Krisenfällen immer wieder als die Erwachsenen im Raum gegolten haben. Und deren Rolle, besonders die Rolle der Wirtschaftskammer, steht natürlich jetzt im Fokus. Wie geht es mit denen weiter und was passiert da?

Maria Renner: Und ist das schon fix?

Georg Renner: Zur Stunde, wie ich das aufnehme, ist noch nichts fix. Am vergangenen Sonntag hat es einen Krisengipfel der WKO-, also Wirtschaftskammer-Spitzen gegeben, bei dem Mahrer noch geschlossen und einstimmig das Vertrauen ausgesprochen worden ist. Das dürfte sich seither gedreht haben. Und sehr, sehr viele in Österreich und vor allem sehr viele in der ÖVP, was entscheidender ist, haben den Eindruck, dass Mahrer da überhaupt nicht mehr Herr des Krisenmanagements ist und da völlig falsch reagiert hat und in Interviews danach auch falsch aufgetreten ist.

Und ob Mahrer zurücktritt oder nicht, das werden die nächsten Stunden oder Tage zeigen. Er hat jetzt Reformen in der Wirtschaftskammer mal angekündigt und ist als Nationalbankpräsident zurückgetreten oder hat angekündigt, zeitnah zurückzutreten. Aber dadurch, dass jetzt so viele seiner Parteifreunde rausgehen und öffentlich sagen: Na, eigentlich ist er nicht mehr tragbar – dürfte das wahrscheinlich auch an der Spitze der Wirtschaftskammer gezählt sein. Ich vermute, dass Harald Mahrer sich sehr bald nach einem neuen Job umschauen wird müssen.

Maria Renner: Und woher weißt du das eigentlich?

Georg Renner: Nun, die ganze Geschichte ist sehr, sehr umfassend dokumentiert. Angefangen hat es, wie gesagt, mit diesen Berichten in der "Presse". Der ORF hat diese Gehälterkumulierung von Mahrer recherchiert und so weiter. Ich stelle euch ein paar Links in die Show Notes. Die aktuellen Ereignisse, wo unterschiedliche ÖVP-Granden, hohe Vertreter der Partei, Mahrer direkt oder indirekt zum Rücktritt auffordern, die haben über unterschiedliche Medien stattgefunden – über die "Kronen Zeitung", den "Kurier" und so weiter – in einer ziemlich offensichtlich akkordierten Aktion von ÖVP-Spitzenfunktionären.

Das ist eigentlich so, wie die ÖVP, große Partei im ganzen Land verankert, in vielen Bundesländern stark verankert, seit Jahrzehnten agiert: Wenn sie einen der ihren nicht mehr in einem Amt sehen will, dann richten irgendwann hohe Landeshauptleute mal aus: Hey, okay, langsam wäre es Zeit zurückzutreten. Und üblicherweise passiert das dann auch. Ist ein spannender Modus, wenn man sich für Politik interessiert, eine Partei zu organisieren, sich da gegenseitig auszurichten, was nicht mehr geht. Aber spannend zu beobachten von außen auf alle Fälle.

Maria Renner: Also, ist das wichtig?

Georg Renner: Ich finde, die Rolle der Kammern in Österreich ist sehr, sehr essentiell. Ich glaube, man muss sich jetzt nicht an der Person Harald Mahrer aufhängen. Tatsache ist aber, dass diese Sozialpartnerschaft einerseits hohe Verdienste um die Stabilität in Österreich, um den sozialen Frieden – dass keine Streiks gibt, dass Gehälter in der Regel immer Jahr für Jahr angepasst werden und so weiter – hohe Verdienste erworben hat. Das sollte man jetzt nicht von heute auf morgen über Bord schmeißen. Dazu wird die Causa Mahrer sicher auch nicht führen.

Aber das kann man natürlich auch sagen: Die Kammern und vor allem Wirtschafts- und Arbeiterkammer sind natürlich Machtbastionen der beiden ehemaligen Großparteien in Österreich, ÖVP und SPÖ. Und diese Machtposition wird sich auf Dauer nicht mehr halten lassen, weil halt diese beiden Parteien auch einer gewissen Schrumpfung unterworfen sind, in den letzten 30, 40 Jahren auf eher die Größe von Mittelparteien geschrumpft sind.

Und die Kammern bräuchten da tatsächlich auch einmal eine Frischzellenkur. Und diese politische Dynamik, die im Rest der Republik inzwischen Einzug gehalten hat, mit vielen neuen Parteien, mit Machtwechseln an der Spitze der Bundesländer, teilweise im Bund – langsam auch mithalten zu können... Dass diese beiden Kammern so monolithische Institutionen sind, in denen man eigentlich tun und lassen kann, was man will, weil das Wahlrecht einen Machtwechsel extrem schwierig macht, das wird sich, glaube ich, auf Dauer nicht mehr halten lassen.

Und insgesamt – ich persönlich finde diese Causa Mahrer jetzt weniger für sich interessant und spannend als symptomatisch für diese Verkrustung in den Kammern, die halt nach und nach behoben gehörte.

Georg Renner: Und das war's mit dieser Folge "Ist das wichtig? Politik für Einsteiger". Die Idee dieses Podcasts ist, ein Einsteigerprogramm für Menschen zu bieten, die sich zwar für Politik interessieren, aber sich nicht jeden Tag damit beschäftigen. Ich freue mich über euer Feedback an podcast@istdaswichtig.at oder per Sprachnachricht an die WhatsApp-Nummer in den Show Notes. Und falls ihr in diesem Umfeld Werbung machen wollt, wendet euch bitte an office@missinglink.media.

Wenn ihr euch für Formate für Fortgeschrittene interessiert, möchte ich euch noch meine beiden E-Mail-Newsletter ans Herz legen: den "Leitfaden", in dem ich immer dienstags aktuelle politische Themen für das Magazin "Datum" kommentiere, und "Einfach Politik", eine sachpolitische Analyse für die "WZ", die jeden Donnerstag erscheint. Die Links zur kostenlosen Anmeldung für beide stelle ich euch in die Show Notes.

Und falls ihr mehr hören wollt: Ich gehöre auch zum Team von "Ganz offen gesagt", Österreichs bestem Gesprächspodcast für Politikinteressierte. "Ist das wichtig?" ist ein Podcast von mir, Georg Renner, in Kooperation mit Missing Link. Produziert hat uns Konstantin Kaltenegger. Die zusätzliche Audiostimme ist von Maria Renner, Logo und Design von Lilly Panholzer. Danke für Titel und Idee an Andreas Sator, Host des Podcasts "Erklär mir die Welt".

Danke fürs Zuhören. Bis zum nächsten Mal!

Georg Renner: Adieu!

Maria Renner: Missing Link.

Autor:in:

Georg Renner

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