Stets bereit
Trumps Grönland-Vision
Der Podcast untersucht die Überlegungen des kommenden US-Präsidenten Trump bezüglich Grönland, Kanada und den Panama-Kanal. Ist es eine geniale Vision oder eine besondere Verrücktheit?
Grüß Gott und einen guten Tag, heute möchte ich der Frage nachgehen, ob Trump´s Idee, Grönland und Kanada einzuverleiben, eine geniale Vision oder ein Verrücktheit ist. Dazu lade ich Sie ein mit mir einmal vor Ort nach Grönland zu gehen, zu einer Spezialeinheit der Dänischen Streitkräfte. Die eisige Stille des grönländischen Winters wird nur vom Keuchen der Schlittenhunde und dem Knirschen der Kufen unterbrochen. Eine Sirius-Patrouille aus zwei Männern und zwölf Huskys gleitet durch das weiße Nichts. Der Horizont schimmert blassblau, der Wind ist eiskalt.
Plötzlich hebt der vordere Mann die Hand. Die Hunde stoppen, heben die Köpfe, die Ohren zucken. Durch das Fernglas erkennt er ein Schlauchboot, das geräuschlos durch eine Lücke im Meereis gleitet, bemannt mit bewaffneten Männern in Wintertarnung. Dahinter taucht ein U-Boot auf.
"Das ist keine Übung," flüstert der zweite Mann und greift zum Gewehr, das eigentlich für Eisbären gedacht ist. Der vordere beobachtet weiter. "Sie landen an." Lautlos ziehen sich beide zurück, während die Hunde geduckt verharren. "Wir müssen melden, was wir gesehen haben," sagt der erste, unsicher, ob es ein chinesisches, russisches oder amerikanisches U-Boot war.
Nun die Sirius-Schlittenpatrouillen sind eine spezialisierte Einheit der dänischen Streitkräfte, die seit 1950 im Nordosten Grönlands operiert. Ihr Hauptauftrag ist die Überwachung und Durchsetzung der dänischen Souveränität über diese abgelegene Region, insbesondere durch Patrouillen mit Hundeschlitten. Sie wurden während des Kalten Krieges gegründet, um die strategisch wichtige Arktis gegen potenzielle ausländische Aktivitäten zu sichern.
Während des Zweiten Weltkriegs entdeckte die Vorgängerorganisation der Sirius-Patrouillen 1943 eine geheime deutsche Wetterstation, genannt Unternehmen Holzauge, die maritim in Grönland angelandet war. Beim Schusswechsel wurde ein Mitglied der Patrouille tödlich verwundet, zwei wurden gefangen genommen, einer entkam. Die Wetterstation, die für deutsche militärische Operationen essenziell war, wurde später von den Alliierten zerstört.
Dieses Ereignis zeigt die strategische Bedeutung der Region und ihrer Überwachung.
Grönlands Potential
Warum könnte Grönland nun also interessant für die USA sein? Nun ein Unternehmer, und ein solcher ist Donald Trump sicher, zeichnet sich u.a. durch eine klare Vision aus und verfolgt ambitionierte Ziele, die das Unternehmen, in diesem Fall die USA, voranbringen können.
Wenn Trump Grönland und auch Kanada in die USA integrieren könnte, wobei ich hier vorerst einmal nicht auf die Machbarkeit eingehe, sondern die geopolitische Option beurteilen möchte, wäre eine kraftvolle Vision von geopolitischer und wirtschaftlicher Stärke. Die strategische Lage Grönlands in der Arktis, einer Region von wachsender Bedeutung wegen des Klimawandels, würde den USA eine herausragende Position in einem der dynamischsten Gebiete der Welt sichern. Mit der auf Grönland gebauten Thule Air Base – die seit 2023 Pituffik Space Base – heißt und weiteren potenziellen militärischen Einrichtungen könnte die USA ihre Verteidigungs- und Überwachungsfähigkeit enorm ausbauen und die Kontrolle über arktische Schifffahrtsrouten sichern.
Grönlands reiche Vorkommen an seltenen Erden bieten eine einzigartige Chance, die strategische Unabhängigkeit der USA von globalen Lieferketten, insbesondere von China, zu stärken. Ergänzt durch potenzielle Öl- und Gasreserven würde Grönland einen bedeutenden Beitrag zur Energieunabhängigkeit leisten.
Und zwischendrin liegt Kanada
Kommen wir zu Kanada. Bitte schauen Sie auf eine Karte oder noch besser auf einen Globus: Kanada verbindet geografisch betrachtet die USA mit Grönland. Kanada, als wirtschaftliches und ressourcenreiches Schwergewicht, würde die USA zur unangefochtenen Supermacht des nordamerikanischen Kontinents machen. Mit enormen Vorkommen an Öl, Gas, Uran und Frischwasser würde Kanada nicht nur die Rohstoffbasis der USA stärken, sondern auch eine langfristige Versorgungssicherheit bieten. Die Einbindung der kanadischen Wirtschaft, der zehntgrößten der Welt, würde die USA zur dominierenden Volkswirtschaft mit noch größerer Innovationskraft und globalem Einfluss machen. Maritime Zugänge zum Atlantik, Pazifik und der Arktis würden die geostrategische Kontrolle der USA über wichtige Handelsrouten weiter ausbauen.
Zusätzlich schafft auch der Klimawandel neue Möglichkeiten: Die Öffnung arktischer Schifffahrtswege wie der Nordwest- und Nordostpassage könnte den USA entsprechende logistische Vorteile verschaffen und die Handelsströme nach Amerika neu definieren. Mit einer gezielten Investition in Häfen und Infrastruktur könnten die USA den gesamten nördlichen Teil des Kontinents für den globalen Handel revolutionieren. Die geopolitischen und wirtschaftlichen Vorteile einer solchen Integration wären enorm. So würde die USA ihre globale Rolle gegenüber dem erwachenden Süden wieder festigen. Grönland und Kanada als Teil der USA wären ein historischer Meilenstein.
Die USA haben in der Vergangenheit zweifellos die strategische Bedeutung der Arktis unterschätzt, insbesondere im Vergleich zu anderen Großmächten wie Russland und China. Erst in den letzten Jahren gab es Anzeichen dafür, dass die USA versuchen, aufzuholen und ihre Präsenz in der Region zu stärken.
2019 hat Trump zum ersten Mal die Kaufabsicht bezüglich Grönland geäußert.
Andere Mächte und ihre Visionen
Aber natürlich haben auch andere Mächte Visionen. Russland, zum Beispiel, verfolgt eine umfassende Strategie zur Sicherung seiner offensichtlich derzeit gegebenen Vormachtstellung in der Arktis, die auf wirtschaftlichen, militärischen und geopolitischen Maßnahmen basiert. Eine zentrale Grundlage bildet eine Weisung von Wladimir Putin, aus dem Jahr 2020, die die strategische Entwicklung der russischen Arktisregion und die nationale Sicherheit bis 2035 regelt. Darin wird die militärische Sicherung der Region durch den Ausbau von Stützpunkten, die Modernisierung der Nordflotte und die Stationierung moderner Verteidigungssysteme betont. Ziel ist es, die russische Kontrolle über den Nördlichen Seeweg und die Nordost-Passage zu festigen und diese als globale Handelsrouten zu etablieren.
Parallel dazu setzt Russland auf die Erschließung der reichen Ressourcen der Arktis, darunter Öl, Gas und seltene Erden, und investiert in die notwendige Infrastruktur wie LNG-Terminals, Verkehrskorridore und Kommunikationssysteme.
Russland besitzt die größte Eisbrecherflotte der Welt. Den 40 russischen Eisbrechern stehen nur 2 US-Eisbrecher und immerhin 3 chinesische gegenüber, allerdings verfügt Kanada mit 18 Schiffen über die zweitgrößte Flotte. Die große russische Flotte ermöglicht die Erschließung der riesigen Rohstoffreserven und die Kontrolle über eine der wichtigsten potenziellen Handelsrouten, den Nördlichen Seeweg. Der größte Eisbrecher der Welt, die russische "Arktika", ist ein mit zwei Reaktoren ausgestattetes nuklearbetriebenes Schiff mit der Fähigkeit, Eis von bis zu 3 Metern Dicke zu durchbrechen.
Auf internationaler Ebene nutzt Russland auch noch Foren wie den Arktischen Rat, um seine Position zu legitimieren und die Einflussnahme von Akteuren wie den USA und Kanada zu begrenzen. Werfen wir auch noch einen Blick auf Russlands LNG-Terminals. Das wichtigste Projekt ist das Jamal-LNG-Terminal auf der Jamal-Halbinsel im nordwestlichen Sibirien, das am speziell errichteten Hafen von Sabetta liegt. Dieses weltweit bedeutende LNG-Projekt dient als strategischer Knotenpunkt für den Export von Flüssigerdgas nach Asien und Europa. Und hier spielt auch China eine Schlüsselrolle, sowohl als wichtiger Investor als auch als strategischer Partner. Über Beteiligungen hält China große Anteile am Jamal-LNG-Projekt und trägt mit Krediten chinesischer Banken maßgeblich zur Finanzierung bei. Zudem ist China ein zentraler Abnehmer des Flüssigerdgases, um seine wachsende Energienachfrage zu decken und seinen Energiemix zu diversifizieren.
Während Russland also Chinas Finanzmittel und Technologie nutzt, um westliche Sanktionen zu umgehen, sichert sich China im Gegenzug langfristigen Zugang zu strategischen Ressourcen in der Arktis. Im Rahmen seiner „Belt and Road“-Initiative stärkt China so seine globale wirtschaftliche und geopolitische Präsenz. Die Kooperation zeigt, wie eng wirtschaftliche und geopolitische Interessen beider Länder in der Arktis miteinander verwoben sind.
China mischt mit
Also neben den übrigen Arktis-Anrainern, wie Dänemark via Grönland und Norwegen und Kanada mischt China ganz gehörig mit, obwohl es gar kein Arktis-Anrainer ist, jedoch die großen Chancen sieht, die die Erderwärmung und die daraus resultierende Eisschmelze für die Rohstoffgewinnung, die Schifffahrt und den Handel bringen wird.
Obwohl es also geografisch kein direkter Anrainerstaat ist, ist die Arktis für China von strategischer, wirtschaftlicher und geopolitischer Bedeutung. Bereits 1999 erregte das chinesische Eisbrecherschiff „Xue Long“ Aufmerksamkeit, als es unerwartet in der kanadischen Küstengemeinde Tuktoyaktuk anlegte. Der Vorfall offenbarte Schwächen in der Überwachung der kanadischen Arktis und wurde zu einem symbolischen Ereignis, das Chinas wachsende Ambitionen in der Region verdeutlichte.
Chinas hat auch Beobachterstatus im Arktischen Rat. Dieser Status ermöglichte es China, seine Position bei der Entscheidungsfindung in arktischen Angelegenheiten zu festigen. 2016 begann China, verstärkt in russische Infrastrukturprojekte zu investieren, wie den Ausbau eines Kohleterminals in Murmansk und eines Tiefseehafens in Archangelsk oder – wie wir bereits gehört haben - eine Beteiligung am Flüssiggasprojekt auf der Jamal-Halbinsel. Im Jahr 2017 durchquerte der Eisbrecher „Xue Long“ die Nordwestpassage entlang der kanadische Küste, was Chinas Interesse an arktischen Schifffahrtsrouten erneut unterstrich. Parallel dazu begann China, seine Belt-and-Road-Initiative auf die Arktis auszuweiten und die sogenannte „Polare Seidenstraße“ zu entwickeln. Diese umfasst den Ausbau von Schifffahrtsrouten entlang der Nordostpassage, die durch russische Gewässer verläuft und die Transportzeit zwischen Asien und Europa erheblich verkürzt. Im Juli und August 2024 entsandte China erstmals gleich drei Eisbrecher gleichzeitig in die arktischen Gewässer, um seine wissenschaftliche und strategische Präsenz zu demonstrieren. Ebenso 2024 führte die chinesische Küstenwache sogar gemeinsam mit Russland Patrouillen im Arktischen Ozean durch, was die sicherheitspolitische Kooperation beider Länder verdeutlichte.
Forschungsstationen
Auch auf wissenschaftlicher Ebene verstärkt China seine Aktivitäten, z.B. betreibt es Forschungsstationen wie die „Yellow River Station“ auf Spitzbergen und beteiligt sich an internationalen Forschungsprojekten, um die Auswirkungen des Klimawandels in der Arktis zu untersuchen. Diese wissenschaftliche Präsenz dient aber nicht nur der Forschung, sondern auch der Festigung Chinas Rolle in der Region.
Natürlich stößt dieses Engagement auf Skepsis. Länder wie die USA und Kanada sehen den wachsenden Einfluss Chinas kritisch und befürchten, dass wirtschaftliche Aktivitäten als Vorwand für militärische und geopolitische Ziele genutzt werden könnten.
Jetzt aber zurück zur Eingangsfrage: Ist Trump´s Idee, Grönland und Kanada einzuverleiben, eine geniale geopolitische Vision oder ein Verrücktheit?
Nun in der bedeutenden Vision der geopolitischen Heartland-Theorie aus dem Jahr 1904, formuliert Halford Mackinder, dass die Kontrolle über das zentrale Eurasien – das sogenannte „Heartland“ – entscheidend für die Weltmacht sei. Dieses Heartland erstreckt sich über Osteuropa, Russland und Zentralasien und galt aufgrund seiner geographischen Isolation (Schutz vor Seeangriffen) sowie seiner potenziellen Ressourcen als strategisches Rückgrat der globalen Macht. Amerika spielte in dieser Theorie keine direkte Rolle, da der geopolitische Fokus auf Eurasien lag. Als alternative Idee dazu steht nun – mehr als hundert Jahre später - Trumps Vision, Grönland und Kanada in die USA zu integrieren, mit einer völlig anderen geopolitischen Ausrichtung, die die strategische Bedeutung der Polarregion erkennt. Während Mackinder die zentralen Landmassen Eurasiens ins Zentrum rückte, verschiebt Trumps Ansatz den Fokus auf die Arktis. Dort liegt der strategische Wert in Ressourcenreichtum, neuen Schifffahrtswegen und der Nähe zu Russland. Grönland würde dabei nicht nur eine geographische Erweiterung darstellen, sondern ein strategisches Drehkreuz für militärische, wirtschaftliche und geopolitische Ziele sein. Die USA könnten durch Grönland ihre militärische Präsenz in der Arktis ausbauen, auf seltene Erden und potenzielle Öl- und Gasvorkommen zugreifen und durch die Nordwest- und Nordostpassage neue Handelsrouten dominieren.
Maritime Dominanz
Zusätzlich könnte Trumps Überlegung, die Kontrolle auch über den Panamakanal zu stärken, die maritime Dominanz der USA vervollständigen. Der Panamakanal ist eine kritische Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik, die den Handel mit Südamerika und Asien revolutioniert hat.
Natürlich gibt es erhebliche, vielleicht sogar unüberwindbare Hindernisse bei der Umsetzung dieser Vision. Grönland strebt nach mehr Autonomie, nicht nach einer Annexion durch die USA. Dänemark, das souveräne Kontrollmacht über Grönland ist, hat bereits abgewunken und Kanada wiederum hat eine starke nationale Identität und würde natürlich politisch sowie gesellschaftlich eine Integration in die USA ablehnen. Auch der Versuch, die Kontrolle über den Panamakanal zurückzugewinnen, würde nicht nur in Lateinamerika starken Widerstand auslösen. Russland und China würden eine solche Expansion als Bedrohung wahrnehmen und entsprechend reagieren.
Trotz dieser Herausforderungen ist Trumps Ansatz bemerkenswert visionär. Die Idee, die Arktis als strategisches Zentrum der Zukunft zu erkennen, stellt eine kreative und innovative Weiterentwicklung klassischer geopolitischer Theorien dar. Sie ist auch eindeutig eine mögliche Antwort auf die Entwicklungen im sogenannten globalen Süden und der BRICS-Konstellation mit der Annäherung Russlands und Chinas. Sie verbindet Mackinders Heartland-Logik mit der Kontrolle der maritimen Handelswege, wie sie in der Rimland-Theorie von Spykman zum Ausdruck kommt. Die Vision zeigt eine langfristige Perspektive, die nicht auf sofortige Realisierung abzielen muss, sondern auf eine schrittweise Annäherung durch wirtschaftliche Investitionen, militärische Präsenz und diplomatische Einflussnahme.
Insgesamt lässt sich Trumps Vision als eine geopolitische Strategie von bemerkenswerter Brillanz bewerten. Sie erweitert die klassischen Theorien, indem sie die Polarregion als neues Zentrum der globalen Macht interpretiert. Auch wenn die praktische Umsetzung derzeit nahezu unmöglich erscheint, bietet sie eine außergewöhnliche Weitsicht, die die USA in einer sich verändernden Weltordnung neu positionieren könnte. Für Europa habe ich allerdings noch keine visionäre Perspektive entdeckt.
WEITERFÜHRENDE LINKS
Stets bereit #10 - Heimlicher Krieg in der Arktis
Указ Президента Российской Федерации от 05.03.2020 г. № 164
The Snow Dragon: China’s Strategies in the Arctic
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Fataler Irrtum – Wie die Erderwärmung die Schifffahrt ausbremst
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Heartland-Theorie
Rimland-Theorie
Panamakanal
BRICS – Wikipedia
Arktis
Autor:in:Herbert Bauer |