Ist das wichtig?
Wöginger und Postenschacher: nicht schuldig, aber verantwortlich

- hochgeladen von Georg Renner
Der Prozess gegen August Wöginger und zwei Finanzbeamte wegen Postenschachers ist heute überraschend schnell zu Ende gegangen - mit einer "Diversion": Der ÖVP-Klubobmann erkennt zwar an, dass die Vorwürfe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im Wesentlichen zutreffen und zahlt eine Geldbuße von 44.000 Euro, gilt aber nicht als vorbestraft.
Wollt Ihr mehr wissen?
- Hier der "Standard"-Ticker vom Prozess zum Nachlesen:
https://www.derstandard.at/jetzt/livebericht/3000000290722/prozess-gegen-oevp-klubchef-woeginger-und-finanzamt-chef-beginnt?responsive=false - "Falter"-Kollegin Eva Konzett hat den Prozess ebenfalls beobachtet:
https://bsky.app/profile/evakonzett.bsky.social - Von ihr stammt auch der beste Artikel zum Thema:
https://www.falter.at/zeitung/20250805/eine-gegen-den-postenschacher - Im "profil" kommentiert die übergangene Bewerberin Christa Scharf den Ausgang:
https://www.profil.at/oesterreich/woeginger-prozess-diversion-statt-urteil-fuer-alle-angeklagten/403091173 - Hier mein DATUM-Kommentar zu der Angelegenheit:
https://mailings.datum.at/u/archive/jIzyHLD1obGP0s5Ap53XVw
Transkript:
Hi, grüß euch. Herzlich willkommen bei "Ist das wichtig?" am 7. Oktober.
Heute war ein spannender, ein besonderer Tag für Österreichs Innenpolitik und für Österreichs Justiz. Ein sehr prominenter Politiker, der ÖVP-Klubobmann August Wöginger, ist in Oberösterreich vor Gericht gestanden. Aber nur ganz kurz, denn das ist sehr, sehr schnell gegangen. Viel schneller als Beobachterinnen, Beobachter und auch ich erwartet haben.
Heute Vormittag habe ich noch den Kolleginnen und Kollegen vom Datum-Magazin, für das ich einen wöchentlichen Politik-Newsletter schreibe, einen kurzen Kommentar darüber geschrieben, wie wichtig dieser eigentlich für elf Tage angesetzte Prozess in Linz für die österreichische Polithygiene sein könnte. Und als die Kollegen dann den Newsletter um zwei am Nachmittag ausgeschickt haben, war er schon wieder überholt, denn Wögingers Prozess ist heute schon zu Ende gegangen – mit einer sogenannten Diversion.
Was das genau ist, was Wöginger eigentlich vorgeworfen wird und welche Auswirkungen das jetzt für die österreichische Polithygiene hat – oder eben nicht –, das werden wir jetzt in den nächsten paar Minuten besprechen.
Mein Name ist Georg Renner, ich bin seit 18 Jahren politischer Journalist und das hier ist "Ist das wichtig?", Politik für Einsteiger. Ein Podcast, in dem wir aktuelle politische Entwicklungen so besprechen, dass man sie auch nebenbei ganz entspannt, ganz ruhig, ohne Aufregung gut verstehen kann.
## Also Georg, was ist passiert?
Heute Vormittag ist August Wöginger gemeinsam mit zwei Finanzbeamten vor Gericht gestanden. Und zwar wegen Amtsmissbrauchs beziehungsweise Anstiftung zum Amtsmissbrauch.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, WKStA, hat Wöginger vorgeworfen, er habe 2017 dafür gesorgt, dass ein Parteifreund von ihm – ein ÖVP-Bürgermeister aus einer kleinen Gemeinde in Oberösterreich – Leiter des Finanzamts Braunau wird. Und das, obwohl es eine deutlich und ganz klar qualifiziertere Bewerberin gab: Christa Scharf, die zu diesem Zeitpunkt schon interimistische, also vorübergehende Leiterin dieses Finanzamtes war und im Gegensatz zu dem ÖVP-Politiker, der erst seit Kurzem dort gearbeitet hat, schon 35 Jahre Berufserfahrung in eben diesem Finanzamt hatte. Und eine ganz ausgezeichnete Beamtin mit einer beeindruckenden Berufslaufbahn war.
Aber dann, als dieser Prozess eigentlich beginnen sollte, hat es eine kleine Überraschung gegeben. Alle drei Angeklagten, also auch Wöginger, haben gleich zu Beginn der Verhandlung "Verantwortung für ihr Handeln" übernommen, wie sie es nennen. Das ist ein juristischer Fachbegriff. Das heißt, man gibt im Wesentlichen zu, dass das, was die Staatsanwaltschaft, die die Anklage schreibt und vor Gericht eigentlich gegen die Angeklagten argumentiert, recht hat mit allem, was sie sagt, und dass man zugesteht: Okay, da ist irgendwas schief gelaufen. Man bekennt sich nicht schuldig, aber man regt eine sogenannte Diversion an.
Wöginger hat da am Vormittag gesagt: "Ich sehe die Sache heute mit ganz anderen Augen. Mit dem heutigen Wissen würde ich das in dieser Form nicht mehr tun. Es tut mir wirklich leid."
Die Richterin und das Schöffengericht – es sind aber noch zwei Laienrichter beteiligt – sowie die Staatsanwaltschaft bieten Wöginger daraufhin eine sogenannte Diversion an. Das ist eine Art Deal: Die Angeklagten zahlen relativ hohe Geldbußen und dafür wird das Verfahren eingestellt und die Angeklagten gelten aber nicht als vorbestraft. Also es ist kein Strafurteil, man kann nicht sagen, die sind des Amtsmissbrauchs schuldig, aber die Angeklagten geben schon zu: Ja, da war was, was nicht in Ordnung war. Aber wir erledigen das jetzt, wir zahlen diese Geldbuße – eine hohe Geldstrafe, in Wögingers Fall 44.000 Euro.
Der Prozess wird nicht fortgeführt, es werden keine Zeugen angehört, sondern die Richter sagen: Okay, ich glaube, Sie machen das nicht mehr, und es hat auch keine über den Prozess hinausgehende präventive Wirkung, dass wir Sie nicht verurteilen. Der Prozess ist damit erledigt und wird gar nicht durchgeführt.
Die beiden Finanzbeamten müssen jeweils 17.000 beziehungsweise 22.000 Euro zahlen und Wöginger selbst 44.000. Das sind schon beträchtliche Summen. Außerdem müssen die drei der übergangenen Finanzbeamtin, gegen die sie sich da verschworen hatten – Christa Scharf – jeweils 500 Euro überweisen als symbolische Summe. Die hat vorher schon eine Entschädigung von der Republik bekommen, weil sie eben diesen Job nicht bekommen hat, weil dieser Parteifreund durch das Handeln der anderen drei Angeklagten vorgezogen worden ist.
Wenn euch der Fall selber interessiert, hört euch Folge 63 an, die ich euch in den Show Notes verlinke. Da ging's schon einmal um diesen Fall der Christa Scharf, die da von ÖVP-Politikern und Finanzbeamten benachteiligt worden ist, indem sich die verschworen haben, eben statt ihr diesen Parteifreund zum Leiter des Finanzamts Braunau zu machen.
Ja, und für Wöginger und die beiden Beamten dürfte das jetzt sehr wahrscheinlich das Ende des Prozesses sein. Gegen die ist zwar ermittelt worden und dieser Fall ist eigentlich ziemlich klar, aber sie sind trotzdem unschuldig, trotzdem unbescholten, haben keine Vorstrafe, behalten voraussichtlich ihre Ämter und ja, das war's damit.
## Und wer sind die alle?
August Wöginger ist Klubobmann der ÖVP im Nationalrat. Das ist eine der wichtigsten Funktionen, die man in einer Partei in Österreich haben kann. Er leitet quasi das Parlamentsteam der ÖVP.
Kurz gesagt: Wir Bürgerinnen und Bürger wählen ja alle fünf Jahre unsere Abgeordneten zum Nationalrat – 183 Abgeordnete, die dann Gesetze beschließen, die in ganz Österreich gelten, und die auch die Bundesregierung stützen, also die Leute, die die Gesetze dann ausführen. Und jede dieser Parteien wählt im Nationalrat, dem wichtigsten Teil unseres Parlaments, einen Klubobmann oder eine Klubobfrau. Das ist derjenige, der im Wesentlichen dafür verantwortlich ist, dass diese Partei handlungsfähig bleibt im Nationalrat und die Gesetze, die sie mit den anderen Parteien in ihrer Koalition vereinbart hat, auch beschließen kann. Man kann sagen, er ist sowas wie das Bindeglied zwischen der Regierung, der Parteiführung und den Abgeordneten seiner Partei.
Wöginger ist ein langjähriger Abgeordneter zum Nationalrat, seit über 20 Jahren im Parlament vertreten. Er ist Oberösterreicher, gilt als leutselig, freundlich, sehr engagiert in sozialpolitischen Fragen und er ist eben auch in diese Affäre verwickelt, weil er eben derjenige war, der dieses Ansuchen dieses Bürgermeisters, dieses angehenden Finanzbeamten, weitergeleitet hat ans Finanzministerium mit der Bitte: "Kann man denn nicht was machen, um dem zu helfen im Finanzamt Braunau bei seiner Bewerbung?"
Eine andere Schlüsselfigur in diesem Fall – der war heute nicht bei Gericht, wäre eigentlich noch angesetzt gewesen, aber war heute nicht da – ist Thomas Schmid. Der war 2017 im besagten Finanzministerium Generalsekretär und Kabinettschef, also die rechte Hand des damaligen Finanzministers, dem Oberhaupt der Finanzverwaltung in Österreich. Und dieser Thomas Schmid ist mittlerweile Kronzeuge in mehreren Korruptionsverfahren. Das heißt, er hat umfassend ausgesagt und belastet viele andere Politikerinnen und Politiker, dafür wird er selber nicht strafrechtlich verfolgt.
Und der hat eben ausgesagt, dass Wöginger bei ihm damals für diesen ÖVP-Bürgermeister interveniert hat. In sichergestellten Chats schreibt Schmid nach der erfolgreichen Postenbesetzung an Wöginger: "Wir haben es geschafft :-)) Der Bürgermeister schuldet dir was!" Und Wöginger hat dann geantwortet, er sei "total happy".
Das deutet schon sehr stark darauf hin, dass Wöginger sich da wirklich intensiv eingesetzt hat für diesen Bürgermeister. Und das zeigt halt auch dieses heutige Prozessende: Die Diversion heißt ja im Endeffekt, dass man anerkennt, dass der Sachverhalt, den die Staatsanwaltschaft da aus Chats, aus den Aussagen von Schmid, aus den Dokumenten, die Christa Scharf – die da übergangen worden ist – vorgelegt hat, dass dieser Sachverhalt, den die Staatsanwaltschaft aus diesen allen Beweisen zusammengestückelt hat, im Wesentlichen so zutrifft und man eben Verantwortung dafür übernimmt, was damals passiert ist.
## Und warum diskutieren die da darüber?
Dieser Fall ist aus etlichen Gründen interessant. Erstens geht es um ein Grundproblem in der österreichischen Politik: um Postenschacher. Also dass Leute nicht wegen ihrer Qualifikation, nicht wegen guter Arbeit Spitzenjobs bekommen, sondern wegen ihrer Parteizugehörigkeit, weil sie die richtigen Leute kennen und deswegen irgendwo Chefin oder Chef werden.
Das ist natürlich nicht nur ungerecht den besser qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern gegenüber, die gute Leistung gebracht haben und dafür eigentlich auch einen besseren Job verdient hätten, sondern es schadet auch uns allen als Bürgerinnen und Bürger, weil wir eben in unserer Verwaltung dann nicht die besten Köpfe an den besten Plätzen bekommen, sondern Leute, die halt zufällig zur richtigen Partei gehören und da besseren Bewerberinnen und Bewerbern vorgezogen werden.
Und das ist in diesem Fall wirklich evident. Die ganze Aktenlage, diese Geschichte, die auch vom Verwaltungsgericht bereits bestätigt ist, von dieser Christa Scharf, die zeigt eben: Die wäre eindeutig besser qualifiziert gewesen als dieser ÖVP-Bürgermeister, der halt wegen seiner Parteizugehörigkeit zum Zug gekommen ist.
Ein Staatsanwalt hat das heute da vor Gericht sehr treffend formuliert: "Postenschacher ist ein verharmlosender Begriff", hat er gesagt. "Es handelt sich hier um eine Spielart der Korruption." Und er hat auch gesagt, dass es zwar schon viele Ermittlungsverfahren in solchen Fällen gegeben hat, aber bisher eben keine Gerichtsverfahren, keine Verurteilungen, weil eine Besetzungskommission, beeinflusst von einem Politiker, tatsächlich einen weniger qualifizierten Kandidaten vorgezogen hätte. Und deswegen sei das heute ein Präzedenzfall.
Die Diversion, mit der die Angeklagten jetzt mit solchen Geldbußen davongekommen sind, die ist halt ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist es schon ein Eingeständnis, dass da eindeutig was falsch gelaufen ist. Die Richterin hat auch sehr, sehr deutlich gesagt: "Ein solches System hat keinen Platz in unserer Rechtsordnung", und das heute sei eben kein Freispruch. Aber es ist halt auch keine Verurteilung.
Christa Scharf, das Opfer dieser Verschwörung zum Postenschacher, die kritisiert die Entscheidung. Sie sagt, das sei eine "Aufforderung, so weiterzumachen", weil die Strafen zwar für uns als Normalsterbliche hoch sind, aber für einen gut verdienenden Politiker ist es durchaus verkraftbar. Und weil niemand vorbestraft ist, glauben jetzt alle, sie könnten so weitermachen wie bisher.
Die ÖVP, Wögingers Partei, sieht das offensichtlich so. Ihr Parteichef, der Bundeskanzler Christian Stocker, hat in einer Aussendung gesagt, die Sache ist damit erledigt. Wöginger ist unbescholten – was ja auch stimmt rechtlich. Obwohl er zwar die Verantwortung übernommen hat für diesen Fall, ist er nach wie vor nicht rechtskräftig verurteilt. Und damit ist für ihn und die ÖVP die Sache erledigt, sagt Stocker, selbst gelernter und praktizierender Anwalt.
## Wie betrifft das uns?
Naja, unmittelbar jetzt nicht wirklich, aber Österreich hat halt einen großen und im Wesentlichen gut arbeitenden öffentlichen Dienst. Lehrerinnen, Polizisten, Finanzbeamtinnen und, und, und arbeiten alle für den Staat, also letzten Endes für uns. Und wenn dort die Führungspositionen nicht nach Qualifikation, sondern nach Parteibuch vergeben werden, dann bekommen wir halt schlechtere Qualität, als wir eigentlich bekommen könnten.
Stellt's euch vor, ihr geht's aufs Finanzamt und der Chef dort hat keine Ahnung von Steuerrecht, weil er halt nur wegen seinen Parteifreunden dort sitzt und es gäbe eigentlich jemanden, der besser qualifiziert wäre, um Entscheidungen über eure Steuerangelegenheiten zu treffen. Oder die Direktorin in eurer Schule ist nicht pädagogisch die Beste, hat nicht die besten Erfahrungen, die beste Führungsqualität und könnte die Lehrer nicht am besten managen, sondern ist halt der Freund von irgendeinem Parteimenschen, der ihn dorthin gehievt hat. Das macht alles – unser ganzes System, unsere öffentliche Verwaltung – kaputt.
Und es demotiviert natürlich qualifizierte Beamtinnen und Beamte, die sagen: "Okay, ich mache meinen Job gut und vielleicht schaut deswegen irgendwann einmal eine Führungsposition heraus." Wenn die dann irgendeinen Parteigünstling vorgesetzt bekommen, statt eben dem Qualifizierten, der da gut gearbeitet hätte, das demotiviert den öffentlichen Dienst und verhindert, dass wir dort nicht nur die beste Qualität, sondern auch die besten Leute bekommen. Weil das natürlich den öffentlichen Dienst nicht attraktiver macht, wenn da solche Partei-Protektionskinder überall hingesetzt werden.
Und ja, auch wenn das Gericht sagt, "Naja, wir heißen diese Praxis natürlich nicht gut", und das ist kein Freispruch – eben, eine Diversion ist eben auch keine Verurteilung. Muss man sagen: Okay, Verurteilung wäre auch nicht hundertprozentig fix gewesen, aber die Staatsanwaltschaft hat da schon sehr substanzielle Vorwürfe erhoben. Die Beweise waren durchaus beträchtlich und man hätte durchaus damit rechnen müssen, dass das ein Schuldspruch hätte werden können. Wissen tut man es nie, weil darüber entscheidet dann eben das Gericht und Gerichte beurteilen Tatbestandsmäßigkeit, Vorsatz und eben die Schuld der Angeklagten.
Das ist eben nicht passiert in diesem Fall, sondern man hat sich mit so einer Diversion zufrieden gegeben und daran gibt es eben Kritik. Das sei kein stark genug Signal, vor allem in Bezug auf die sogenannte Generalprävention.
Also es gibt hier in der Prävention – also in der Vorbeugung weiterer Verbrechen – zwei Varianten: Die Spezialprävention, die soll verhindern, dass der Angeklagte selber noch einmal straffällig wird und das noch einmal tut. Und es gibt die Generalprävention, dass Gerichtsurteile eben auch eine Signalwirkung an uns alle, an alle Bürgerinnen und Bürger, alle Menschen in Österreich aussenden: "Sowas geht bei uns hier eben nicht." Und das ist halt bei der Diversion, die eben nicht dieselbe Wirkung hat wie eine ordentliche strafrechtliche Verurteilung, nur eingeschränkt so. Es ist ein – ich würde sagen – wesentlich schwächeres Signal.
## Und ist das schon fix?
Diese Diversion ist noch nicht rechtskräftig. Die Vorgesetzten der Staatsanwaltschaft, der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, könnten theoretisch noch Einspruch einlegen binnen zwei Wochen. Das ist unwahrscheinlich, nachdem die Staatsanwältinnen, die an dem Fall gearbeitet haben die letzten Monate, zugestimmt haben. Die haben gesagt, das ist ein Grenzfall der Diversion, aber gerade noch möglich aus ihrer Sicht, und damit haben sie quasi schon ihren Sanktus gegeben. Theoretisch könnten ihre Vorgesetzten sie noch "overrulen", wirklich wahrscheinlich finde ich das aber nicht mehr.
Wenn die Angeklagten – oder jetzt eben nicht mehr Angeklagten – ihre Geldbußen bezahlen, ist die Angelegenheit juristisch erledigt. Politisch ist eine andere Frage.
Das eine, was wir jetzt besprochen haben, ist eben diese rechtliche Dimension. Die wäre mit dieser Diversion dann erledigt. Politisch ist es grundsätzlich eine andere Frage. Die Opposition wird das Thema jedenfalls weiter am Kochen halten. Und die Frage bleibt schon: Kann jemand, der da vor acht Jahren interveniert hat zugunsten eines Beamten – auch wenn Wöginger selber sagt, er hat nur ein Bürgeranliegen weitergeleitet, aber er hat mit dieser heutigen Diversion eben anerkannt: "Okay, das ist im Wesentlichen so passiert, wie es die Staatsanwaltschaft da schildert" – kann so jemand in einem sehr, sehr wichtigen zentralen Amt bleiben?
Die ÖVP sagt offensichtlich ja, die Angelegenheit ist erledigt. Und auch Wöginger sagt, er wird natürlich Klubobmann der ÖVP bleiben. Ich gehe davon aus, dass vor allem die Opposition, aber zum Beispiel auch in der Bundesregierung die Neos, die immer auf saubere Politik bedacht waren, das durchaus noch weiter kritisieren könnten. Aber vorerst ändert sich einmal nichts. Auch die Vorsitzende des ÖVP-Ethikrats hat in einer Stellungnahme an den Standard gesagt: Nein, das ist kein Problem, weil Wöginger habe ja eben nur ein Bürgeranliegen weitergeleitet und er kann im Amt bleiben.
## Und woher weißt du das eigentlich?
Ich war heute selber nicht im Gericht, habe das aber sehr, sehr aufmerksam verfolgt, was dort alles passiert ist. Ich habe auch diesen Akt der Anklage vor mir liegen und den Sachverhalt eh schon in einem vorigen Podcast geschildert, den ich euch in den Show Notes verlinke.
Gut berichtet haben die Kolleginnen und Kollegen vom Standard, die immer exzellente Live-Ticker machen, und auch Kollegin Eva Konzett vom Falter, die diesen Fall seit langem sehr, sehr intensiv verfolgt und berichtet hat. Ich verlinke euch beides in den Show Notes. Ganz besonders empfehlen möchte ich euch eben diesen schon einmal erwähnten Bericht im Falter, in dem Eva Konzett die Christa Scharf porträtiert hat – diese Beamtin, die da übergangen worden ist und dieses Urteil jetzt auch kritisiert.
## Also: Ist das wichtig?
Ich finde schon, ja. Ich meine, es ist ein Einzelfall natürlich, aber ich hätte mir erwartet, dass dieser Fall – das schreibe ich auch in meinem Datum-Kommentar, der schon wieder überholt ist, wie gesagt – dass dieser Fall ein bisschen mehr Signalwirkung entfaltet als diese Diversion.
Das Gericht sagt, und das kann man ja durchaus argumentieren: Die Diversion ist eben kein "Weiter wie bisher". Die Angeklagten müssen alle Geldbußen zahlen und erst damit ist die Sache erledigt. Es ist eben kein Freispruch, dass die alle nichts falsch gemacht hätten. Aber natürlich: Ein ordentliches Verfahren, in dem das alles nochmal im Detail in der Öffentlichkeit aufgerollt worden wäre und dann vielleicht mit Schuldsprüchen, vielleicht mit Freisprüchen geendet hätte, wäre noch einmal ein stärkeres Signal gewesen, zu zeigen: "Okay, Postenschacher ist kein Kavaliersdelikt, das ist eigentlich etwas, was es in Österreich aus den genannten Gründen nicht geben sollte."
Und so oder so: Es ist jedenfalls ein Signal, ob es das Richtige ist oder nicht, liegt im Auge des Betrachters. Für die ÖVP ist die Angelegenheit damit erledigt, aber man kann natürlich darüber diskutieren, ob eine Diversion hier angemessen ist oder ob es nicht doch den vollen Prozess, die angesetzten elf Verhandlungstage und danach ein ordentliches Urteil gebraucht hätte, um diesen Fall abschließend zu klären.
Das ist jetzt nicht passiert. Das ist zu akzeptieren, ist Sache der Justiz. Aber interessant, spannend und ich glaube für Österreichs Polithygiene wichtig – ob gut oder schlecht – ist es auf alle Fälle.
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Und das war's mit dieser Folge "Ist das wichtig?", Politik für Einsteiger. Die Idee dieses Podcasts ist, ein Einsteigerprogramm für Menschen zu bieten, die sich zwar für Politik interessieren, aber sich nicht jeden Tag damit beschäftigen.
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"Ist das wichtig?" ist ein Podcast von mir, Georg Renner, in Kooperation mit Missing Link. Produziert hat uns Konstantin Kaltenegger. Die zusätzliche Audiostimme ist von Maria Renner. Logo und Design von Lilli Panholzer. Danke für Titel und Idee an Andreas Sator, Host des Podcasts "Erklär mir die Welt".
Danke fürs Zuhören. Bis zum nächsten Mal.
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Autor:in:Georg Renner |