Ist das wichtig?
WTF Defizit?!?
Die Statistik Austria hat am Montag Österreich gesamtstaatliches Defizit beziffert - mit 4,7 Prozent des BIP weit über allen Erwartungen. Was das heißt, wer da aller Schulden macht und welche Konsequenzen das für uns alle haben wird, besprechen wir in dieser Folge "Ist das wichtig?".
Georg Renner
Hi, Georg hier. Herzlich willkommen zur 33. Folge ist das wichtig? Was um Himmels willen ist da mit unserem Budget passiert? 4,7 % des BIP macht das Budgetdefizit der Republik 2024 aus. Was das konkret heißt, wie sowas berechnet wird, und wieso jetzt alle Expertinnen und Experten aus allen Wolken fallen, das werden wir in den nächsten paar Minuten besprechen. Mein Name ist Georg Renner, ich bin seit 17 Jahren politischer Journalist. Und das hier ist das wichtig?
Politik für Einsteiger, ein Podcast, in dem wir aktuelle politische Nachrichten für Menschen einordnen, die bisher noch nicht jeden Tag mit Politik befasst waren.
Frage
Also Georg, was ist passiert?
Georg Renner
Die Statistik Austria hat am Montag bekannt gegeben, wie hoch das Budgetdefizit allerdings politischen Institutionen in Österreich ist, also von Bund, Ländern, Gemeinden und den Sozialversicherungen. Und dieses Defizit, das ist die Differenz zwischen dem, was sie einnehmen und ausgeben, dieses Defizit ist deutlich höher als erwartet. 4,7 % des Bruttoinlandsprodukts. Die Republik hat also einfach viel mehr Geld ausgegeben, als sie eingenommen hat. Diese 4,7 % beziehen sich auf das BIP, das Bruttoinlandsprodukt. Das ist die Summe aller Waren und Dienstleistungen, die in Österreich in einem Jahr erwirtschaftet werden. Damit liegt das Defizit deutlich über der EU Grenze von 3 %, und das könnte für Österreich gravierende Folgen haben.
Frage
Und wer sind die alle, wenn wir.
Georg Renner
Alle Akteurinnen und Akteure in diesem Theater einordnen? Da haben wir zunächst einmal die Statistik austria. Das ist eine öffentliche Agentur, eine Anstalt der Republik, die Österreich eingerichtet hat, um Statistiken zu erstellen. Sie messen alles, was in Österreich produziert wird, was eingenommen wird, was ausgegeben wird. Sie machen z.B.
befragungen in der Bevölkerung, z.B. für den sogenannten Mikrozensus. Da sammeln sie Daten, wie es den einzelnen Haushalten, wie es den Menschen in Österreich geht, wie viel sie verdienen, wie sie wohnen und so weiter. Sie sammeln aber auch Zahlen aus allen Teilen der Republik und den öffentlichen Institutionen. Diese Daten werden dann zusammengeführt und eben in Statistiken gegossen. Das sind große Rechnungen, an denen man ablesen kann, in welchem Zustand sich Österreich momentan befindet. Und manche dieser Statistiken werden dann auch nach Brüssel weitergemeldet.
Das ist das Zentrum der europäischen Union, eines Zusammenschlusses von 27 Staaten, Österreich darunter. Und die vergleichen eben, wie die einzelnen Staaten so momentan stehen. Und eine der Statistiken, die sie erstellen, ist eine über die öffentlichen Finanzen, also das Geld, die Budgets, sagt man, die diesen öffentlichen Institutionen zur Verfügung stehen. Die Ebenen, die für dieses Budget relevant sind, sind zum einen die drei politischen Ebenen in der Republik, die Gemeinden, etwa 2100 in ganz Österreich, wo Gemeinderäte und Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gemeinsam entscheiden darüber, was bei ihnen im Ort passiert. Die neuen Bundesländer, die Entscheidungen für alle Landesbürgerinnen und Landesbürger treffen, in den Landtagen und von den Landeshauptregierungen und den Bund, wo Nationalrat und Bundesregierung gemeinsam Entscheidungen für alle Menschen treffen, die hier in Österreich leben. Zusätzlich zu diesen drei politischen Ebenen gibt es noch die Sozialversicherungen. Das sind zwar auch öffentliche Institutionen, aber von der klassischen Politik, was man normalerweise unter Politik versteht, getrennt und selbstverwaltet.
Die kassieren Sozialversicherungsbeiträge ein von allen Menschen, die in Österreich arbeiten und zahlen damit Krankenversicherung, Pensionen und Unfallversicherung. Und das geben sie eben für Gesundheitsbehandlungen aus, für Pensionen und so weiter. Und das Budget all dieser vier Institutionen, die Einnahmen, die vor allem aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen kommen, und eben die diversen Ausgaben, die Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen zu machen, die rechnet man für dieses gesamtstaatliche Defizit zusammen.
Frage
Und warum diskutieren die darüber?
Georg Renner
Zum einen, weil Österreich über all diese vier Ebenen hinweg sehr viel mehr Geld ausgibt als es einnimmt. Um es in der groben Größenordnung zu 2024 haben Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen zusammen etwa €271 Milliarden ausgegeben, also Millionen. Auf der anderen Seite sind durch Steuern, Abgaben und so weiter etwa 248 €249 Milliarden hereingekommen. Die Differenz, der Unterschied zwischen diesen Beiträgen, den Fehlbetrag, das ist ein Budgetloch von etwa €22,5 Milliarden, sehr, sehr, sehr viel Geld. Das müssen eben diese Institutionen jetzt an Schulden ausnehmen. Also sie müssen sich das Geld anderswo herleihen und dann über die nächsten Jahre und Jahrzehnte zurückzahlen. Das ist jetzt keine unmittelbare Katastrophe, weil Ö Österreich sich eben dieses Geld borgen kann, aber langfristig hat das in dieser Höhe natürlich große Nachteile.
Wenn ein Land ständig mehr Schulden macht, ohne Aussicht darauf, diese Schulden zurückzahlen zu können, dann würden Kreditgeber irgendwann einmal höhere Zinsen verlangen. Also man muss mehr Geld zurückzahlen sowieso als man sich ausborgt. Und der Betrag, den derjenige, der einem das Geld borgt, dafür verlangt, die Zinsen, der wird steigen, je unsicherer es ist, man das zurückzahlt. Bisher war Österreich immer ein sehr, sehr sicherer Schuldner und hat wenig Zinsen gezahlt. Aber sollte das so weitergehen und die Schulden weiterhin so hoch bleiben, bei einer niedrigen Steuer und Wirtschaftsleistung, dann könnte es durchaus sein, dass wir einmal mehr Zinsen zahlen müssen, um uns weiter Geld borgen zu können. Und das wiederum schränkt dann den Spielraum der Politik in den kommenden Jahren ein und belastet natürlich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die nachkommen, also letzten Endes unsere Kinder. Und unsere Nachkommen, weil die dann mehr zurückzahlen müssen, weniger Geld haben, mit dem sie das Land gestalten können.
An sich gibt es deswegen auch regeln, möglichst wenig Schulden zu machen. In der EU haben sich die Mitgliedstaaten Österreich darunter darauf geeinigt, maximal 3 % des Bruttoinlandsprodukts an Schulden aufnehmen zu können pro Jahr. Das hat den Grund, dass man das am Bruttoinlandsprodukt misst. Ein Land, in dem die Wirtschaft gut läuft, und das misst man eben im Bruttoinlandsprodukt, hat wahrscheinlich mehr Steuereinnahmen und kann sich leichter tun, Schulden zurückzuzahlen. Und diese 3 % Grenze, 3 % des Bruttoinlandsprodukts darf ein Staat pro Jahr Schulden machen, hat Österreich letztes Jahr eben jetzt ganz, ganz deutlich überschritten. Und das hat die Statistik austria festgestellt. Diese 4,7 % sind eine massive Überschreitung der EU Regeln.
Dazu kommt noch, dass sich die Wirtschaftslage verschlechtert hat. Österreichs Wirtschaft wächst seit drei Jahren nicht mehr. Und eine stagnierende oder sogar schrumpfende Wirtschaft bedeutet letzten Endes auch weniger Steuereinnahmen, was das Defizit noch schwieriger zu bewältigen macht, weil es eben schwieriger wird, mit niedrigeren Steuern dieses Geld zurückzuzahlen. Und als i Tüpfelchen kommt noch drauf, drittens, dass bisher kaum jemand mit so einem hohen Defizit gerechnet hat. Die Prognosen lagen zuletzt zwischen 3,3 3,6 %, dass jetzt 4,7 % des BIP geworden sind. Das Defizit gemessen am BIP, das hat viele Expertinnen und Experten überrascht. Das liegt eben daran, dass vor allem Länder und Gemeinden weit höhere Defizite eingemeldet haben als erwartet, und dass man das eben nicht schon langfristig vorhergesehen hat und gegengesteuert hat.
Das wirft einfach ein sehr schlechtes Licht auf die österreichische Finanzplanung.
Frage
Okay, und wie betrifft das uns?
Georg Renner
Das betrifft uns insofern, als der Staat jetzt alles unternehmen muss, um von diesem Defizit trieb, diesem Schuldentrieb wieder herunterzukommen. Die Zahl an sich betrifft uns jetzt nicht direkt, aber die Konsequenzen daraus werden ganz, ganz massiv sein. Die Regierung hat bereits angekündigt, in Krisengipfel neue Maßnahmen beschließen zu wollen, um das Budget wieder unter Kontrolle zu bringen. Wenn es keine neuen Steuern geben soll, und das ist momentan die Ansage der Bundesregierung, dann wird der Staat seine Leistungen auf allen Ebenen ein bisschen zurückschrauben müssen. Die Leistungen, das sind z.B. in den Gemeinden die Kinderbetreuung, in den Ländern Spitäler und Pflegeinstitutionen, auf Bundesebene diverse Förderungen und, und, und vieles mehr, was der Staat eben an uns auszahlt wieder. Die ersten Sparmaßnahmen sind bereits in Kraft getreten. Z.B. hat man im Bund ja mit 1. Apr. Die Bildungsgrenze abgeschafft und die Förderung auf Photovoltaikanlagen gestrichen.
Es werden aber, und das wird uns dann sehr, sehr intensiv direkt betreffen, viele weitere Maßnahmen kommen müssen, um die Ausgaben des Staates wieder unter Kontrolle zu bringen.
Frage
Und ist das schon fix?
Georg Renner
Nein, da ist sehr, sehr viel in Bewegung. Welche Einsparungsmaßnahmen konkret kommen sollen, das werden die verschiedenen politischen Ebenen in den nächsten Wochen und Monaten entscheiden. Und das hängt auch sehr stark davon ab, welche Regierungen wo gerade an der Macht sind. Manchen Parteien ist es vielleicht wichtiger, Förderungen zurückzustutzen, anderen die Kinderbetreuung trotzdem auszubauen, obwohl weniger Geld da ist und so weiter. Das heißt, da kommt es einfach tatsächlich darauf an, welche Partei an der Macht ist und welchen Weg die gehen wollen, um das Budget wieder unter Kontrolle zu bringen. Aber Tatsache ist, und das ist allen Ebenen gemein, dass mit diesem Defizit von 4,7 % ein gesamtstaatliches Defizitverfahren durch die EU viel wahrscheinlicher geworden ist. Defizitverfahren, das bedeutet, dass Österreich Brüssel, wo die EU Kommission sitzt, die Regierung, die quasi auf alle europäischen Staaten gemeinsam achtet, dieser Regierung, der EU Kommission, wird Österreich regelmäßig jetzt einen Plan vorlegen müssen, wie es denn gedenkt, sein Budget wieder einigermaßen in den EU Rahmen zu bringen.
Das schränkt unsere Souveränität zwar nicht direkt ein, also wir können trotzdem nach wie vor unsere Politik selber entscheiden, aber natürlich ist es eine gewisse Einschränkung, wenn wir alles, was wir machen, jetzt immer mit der Kommission in Brüssel abstimmen müssen und der sagen müssen, okay, wir planen so und so viel Geld hier einzusparen, so und so viel Geld da einzusparen und so weiter. Das ist eine relativ harte Auflage und bedeutet natürlich, dass uns ein bisschen Handlungsspielraum verloren geht.
Frage
Und woher weißt du das eigentlich?
Georg Renner
Die Statistik Austria, die diese gesamtstaatliche Defiziterfassung gemacht hat, das ist eine öffentliche Agentur und veröffentlicht diese Zahlen auch auf ihrer Website statistik at. Und am Montag hat sie eine Pressekonferenz gemacht mit ihrem Direktor, der in seiner Präsentation diese Zahlen ganz klar dargelegt hat und auch klar dargelegt hat, woher diese Zahlen wiederum kommen, nämlich aus den Ländern, Gemeinden, Sozialversicherungen direkt. Den Link zu der Präsentation, die hat viele, viele aufschlussreiche Fakten und Statistiken parat, den stelle ich euch in die Shownotes.
Frage
Also ist das wichtig?
Georg Renner
Ja, absolut. Die Budgetsituation und die Frage, wie groß die Differenz zwischen Steuereinnahmen der Republik ist und ihren Ausgaben ist, die schlägt direkt darauf durch, was sich die Republik leisten kann und will. Dass dieses Defizit jetzt so groß ist, das hat im politischen Betrieb eine echte Alarmstimmung ausgelöst. Das geht jetzt um unser aller Steuergeld und das, was damit gemacht wird. Und durch die Schulden geht es auch um das Steuergeld der kommenden Generation und die Frage, was die Republik dann für die noch tun kann und wie viel Steuern die zahlen werden müssen. Es geht also darum, wie viel Handlungsspielraum die Politik hat. Und dafür ist diese Budgetlage leider ein recht schlechter Indikator.
Und das war's mit dieser Folge ist das Politik für Einsteiger? Die Idee dieses Podcast ist, ein Einsteigerprogramm für Menschen zu bieten, die sich zwar für Politik interessieren, aber sich nicht jeden Tag damit beschäftigen. Ich freue mich über euer Feedback am Podcast das wichtig at oder per Sprachnachricht an die WhatsApp Nr.
In den Shownotes. Und falls ihr in diesem Umfeld Werbung machen wollt, wendet euch bitte an officemissing link media. Wenn ihr euch für Formate für Fortgeschrittene interessiert, möchte ich euch noch meine beiden E Mail Newsletter ans Herz legen. Den Leitfaden, in dem ich immer dienstags aktuelle politische Themen für das Magazin Datum kommentiere und einfach Politik eine sachpolitische Analyse für die WZ, die jeden Donnerstag erscheint. Die Links zur kostenlosen Anmeldung für beide stelle ich euch in die Shownotes. Und falls ihr mehr hören ich gehöre auch zum Team von ganz offen gesagt Österreichs besten Gesprächspodcast für Politikinteressierte ist das wichtig? Ist ein Podcast von mir, Georg Renner, in Kooperation mit Messing Link.
Produziert hat uns Konstantin Kaltenegger, die zusätzliche Audiostimme ist von Maria Renner, Logo und Design von Lilly Panholzer. Danke für Titel und Idee an Andreas Sator, Host des Podcasts "Erklär mir die Welt". Danke fürs Zuhören, bis zum nächsten Mal. Adieu.
Autor:in:Georg Renner |