IchKraft. WirKraft. FührungsKraft.
Paul Ivic, Sternekoch

- hochgeladen von Stefan Lassnig
Daniela Zeller und Stefan Lassnig sprechen in Folge 5 mit Paul Ivic, Sternekoch und Küchenchef des vegetarischen Restaurants TIAN in Wien, das seit 2014 als einziges vegetarisches Restaurant in Österreich über einen Michelin-Stern verfügt. Ivic spricht mit den Hosts über den Wandel von Führungsstilen in der Gastronomie und schildert, wie sich Arbeitsklima, Selbstführung und Wertschätzung auf den Alltag im Restaurant auswirken. Dabei geht es auch um persönliche Erfahrungen mit Stress, Distanz und Veränderung.
Daniela Zeller
Willkommen zu Folge 5 von IchKraft WirKraft FührungsKraft. Wir sprechen in dieser Folge mit Paul Ivic und fragen Wie führt man eines der besten vegetarischen Restaurants in Europa? Und ist der Ton in einer Küche wirklich so rau? Und was können wir alle von ihm lernen? Und davor sprechen Stefan und ich darüber, was uns gerade bewegt.
Stefan Lassnig
Genau. Daniela was bewegt dich gerade derzeit?
Daniela Zeller
Mich bewegt gerade, dass ich wenig schlafe. Ganz ehrlich, ich habe gerade Hochzeit im Geschäft und wirklich viel vor der Brust und vielleicht auch ein bisschen zu viel selbst verschuldet. Und das äußert sich so, dass ich im Bett liege und meine Termine durchgehe und vorbereite und arbeite und meine Gedanken nicht zur Ruhe kommen. Und heute in der Nacht zwischen 2 und 4 habe ich ein Rezept gefunden und zwar wirklich Affirmationen und Mantren. Ich kenne das schon länger und habe mir immer gedacht ja, was soll das bewirken? Und heute bin ich wieder gelegen und hatte so dieses Gedankenkarussell. Und dann habe ich mir Na, ich muss jetzt an irgendwas denken, das mich von dem Weg bringt.
Oh Gott, was soll ich denken? Und dann sind mir zwei Sätze eingefallen, die für mich sehr hilfreich sind. Und diese beiden Sätze habe ich mir in Gedanken immer wieder vorgesagt. Und immer, wenn meine Gedanken wieder weggegangen wären, oh, dieses E Mail muss ich noch schreiben, habe ich das in Gedanken wiederholt, diese beiden Sätze. Und ich habe gemerkt, wie ich wirklich ruhiger geworden bin und wirklich wieder müde geworden bin und eingeschlafen bin. Denn unsere Gedanken, wenn wir stressige Phasen haben, brauchen ja irgendwas, woran sie sich festhalten können. Und so ein Mantra wirkt tatsächlich.
Also das werde ich jetzt anwenden. Und jetzt könnte ich diesen heutigen Tag als halb leer erzählen. Ich will ihn aber als halb voll erzählen, weil es ist so toll, dass ich so ein Tool kenne und das anwenden kann. Und es ist auch toll, dass ich so viele Projekte habe und das alles machen kann, weil das auch bedeutet, dass gerade so vieles aufgeht, an dem ich 20 Jahre gearbeitet habe und das ist ganz wundervoll.
Stefan Lassnig
Ja, Schlaf ist halt extrem wichtig. Wenn man viel macht, viel tut, ist guter Schlaf extrem wichtig. Also ich kann das voll nachvollziehen. Mich beschäftigt gerade was Ähnliches, weil als Unternehmer oder Unternehmerin hat man ja meistens entweder zu viel oder zu wenig zu tun. Wir haben auch schon mal darüber gesprochen, wenn man jetzt gerade zu wenig zu tun hat, kriegt man ja voll die Panik. Ich habe keine Aufträge mehr, mein Unternehmen geht den Bach runter. Dann macht man meistens extrem viel Akquise, meistens natürlich, logischerweise.
Und dann, wenn die Sachen dann alle aufgehen, hat man dann wieder zu viel Arbeit, weil dann kriegt man wieder, muss man wieder das abwickeln, was man angeboten hat. Und diese Balance zu finden, ist echte Herausforderung. Und ich habe momentan eher das Problem, dass ich sehr euphorisch bin und mich selber ab und zu wieder ein bisschen einbremsen muss, weil das ja die große Gefahr ist, dass man als Unternehmerinnen und Unternehmer entweder zu euphorisch ist oder zu panisch. Zumindest ist es bei mir so, bei mir auch. Und diese mitzufinden ist echt schwierig.
Daniela Zeller
Aber das ist wirklich, was ich immer oft gedacht Das bin nur ich. Und mittlerweile, ich habe mit so vielen Menschen geredet aus den unterschiedlichsten Branchen und alle sagen ja, ja, das habe ich auch. Und auch Menschen, von denen ich mir das niemals gedacht hätte, weil die wirklich dauerhaft so scheint, zumindest erfolgreich sind und auch so in sich ruhen, die erzählen mir das auch. Und ja, vielleicht gibt es diese Balance nicht. Vielleicht. Vielleicht muss man akzeptieren, dass es diese Balance nicht gibt. Und vielleicht ist man auch Unternehmerin oder Unternehmer, weil man mit dieser Balance gar nicht leben könnte, weil man das braucht.
Stefan Lassnig
Das könnte durchaus sein, dass man das braucht, weil es ist ja auch was Tolles. Also gerade die Tiefen sind jetzt vielleicht nicht, ich würde jetzt nicht sagen toll, aber wie du jetzt sagst, dieses Ziel, wenn es mal nicht so gut läuft, da wieder rauszukommen und damit eine Aufgabe zu haben, das kann ich jetzt von mir. Eigentlich mag ich das schon, weil noch schlimmer wäre, keine Aufgabe zu haben.
Daniela Zeller
Na, ich mag das total, ich liebe das, eine Millionenaufgabe zu haben und du kennst mich, ich entwickle auch immer gleich wieder neue. Und das Fantastische ist, ich bin ja immer davon überzeugt, dass die Wellen kommen und gehen ganz von allein und dass sich auch Organisationen von alleine entwickeln. Und man kann so eine Entwicklung nie forcieren. Man kann das nur gut begleiten und auch eine Entwicklung muss sich aufdrängen. Und in meiner Organisation drängt sich gerade so viel Entwicklung auf. Es ist gerade wirklich wie so eine so ein Tsunami, der kommt und ich könnte es jetzt gar nicht stoppen. Es ist ein total positiver Tsunami und ich möchte auch überhaupt nicht stoppen.
Es ist gerade so ein Schwung da und ich bin echt gerade sehr damit befasst, diesen guten Schwung zu organisieren, zu entwickeln, gleichzeitig auch aktiv meine Dinge zu machen. Und das ist schon eine Herausforderung, die. Und eben ich könnte es jetzt halb voll oder halb leer erzählen und ich möchte es aber halb voll erzählen, denn das ist ein Geschenk und das ist fantastisch, dass es so ist, wie es ist.
Stefan Lassnig
Und du hast jetzt in deiner Einmoderation bereits ein Wort erwähnt, das ich gern als plumpe Überleitung zu unserem heutigen Gast verwenden würde. Ich habe es da im Vorgespräch schon.
Daniela Zeller
Angekündigt, aber ich habe dir die Erlaubnis gegeben.
Stefan Lassnig
Wir haben jetzt vereinbart, dass ich heute mal eine plumpe Überleitung machen darf, nämlich wir suchen in unserem Podcast immer nach Rezepten für gute Führung. Und Rezept ist auch ein super Stichwort für unseren heutigen Gast. Gehen wir rein ins Gespräch mit Paul Ivic.
Daniela Zeller
Wir haben alles schon gesagt, leider war das Mikro nicht an. Nö, wir starten jetzt. Zu Gast ist nämlich heute Paul Ivic, vegetarischer und veganer Küchenchef, Haubenkoch und der bekannteste vegetarische und vegane Koch im deutschsprachigen Raum. Sein Restaurant Tian in Wien führt seit 2014 einen Michelin Stern. Er ist der einzige rein vegetarische Koch Österreichs, der das geschafft hat. Außerdem ist Paul Ivic Bestsellerautor und Vordenker. Und so wollen wir heute gemeinsam mit ihm über die Themen Selbstführung und Führung nachdenken.Paul, wir freuen uns unglaublich, dass du da bist.
Paul Ivic
Hallo.
Daniela Zeller
Wie viele Menschen führst du?
Paul Ivic
Also aktuell darf ich zwischen 50 und 55 im Betrieb führen und dann noch zwei Kleinkinder zu Hause.
Daniela Zeller
Was ist das herausforderndste?
Paul Ivic
Zwischen 7 und 9 und zwischen 21 und 23 die zu Hause.
Daniela Zeller
Das glaube ich. Wenn du so eine 100 Prozent Torte hättest, zu wie viel Prozent bist du jeweils Koch, Unternehmer, Autor und Führungskraft. Und bei Autor würde ich jetzt sagen, Podcast, Fragen, Beantworter, alles, was da so rundherum dazugehört.
Paul Ivic
Als Unternehmer glaube Ich füllt mittlerweile über 60 bis 70 Prozent von meinem ganzen Ablauf aus. Und dann Koch bin im Herzen. Ich bin gerne in der Küche, aber da habe ich nicht mehr so viel Zeit, weil ich einfach auch ein ausgezeichnetes Team habe, die das sensationell umsetzen. Und da geht es auch um Zutrauen. Und vielleicht den Rest, die 10 Prozent habe ich dann für Fragen, Podcasts.
Daniela Zeller
Also zu den 60 Prozent Unternehmer gehört auch Führen dazu.
Paul Ivic
Genau.
Daniela Zeller
Was ist das Besondere am Führen in deiner Situation in einem Restaurantbetrieb, in einer Großküche?
Paul Ivic
Ich führe nicht nur die Küche, sondern in dem Fall auch zwei Betriebe, die nicht nebeneinander sind, sondern wirklich zehn Kilometer getrennt ist. Aber das sind dann wie zwei unterschiedliche Unternehmen. Und was beim Führen sehr spannend ist, du hast es mit vielen Persönlichkeiten und Charakteren zu tun. Rein eine Küche zu führen ist wesentlich einfacher, weil dann hast du nur den Küchenblick. Da musst du nicht alles überblicken, weil es ja dann nicht deine Hauptverantwortung und da kannst du dich auf deinen Raum konzentrieren. Und der Raum in der Küche ist einfach insofern leichter zu überblicken, weil das wirklich ein Raum ist und du verbringst dann mit denen die ganze Zeit. Also da kannst du auch nonverbal kommunizieren, du kannst gut beobachten.
Das ist dann wesentlich vorteilhafter, als wenn du zwei, drei Räume dazwischen hast. Und du kannst die Stimmung eigentlich gar nicht greifen, sondern du kommst in eine Stimmung rein.
Stefan Lassnig
Das ist spannend, weil das ja diese unmittelbare Nähe immer wieder ein Thema ist bei Führung. Wobei Nähe kann ja auch bedeuten, dass man zu nah ist. Und was ich halt so beobachte ist, Küche muss ja wahnsinnig am Punkt arbeiten, oder? Da gibt es ja sicher eine Reibung, wenn es schnell gehen muss, wenn es exakt sein muss und wenn draußen die Gäste warten.
Paul Ivic
Vor 10 Jahren hätte ich das mit Ja beantwortet. Heute ist es Wir sind hochkonzentriert, der Service und auch die Küche. Aber da geht nichts mit Reibung, sondern mit viel Ruhe. Weil wenn du präzise an einem Punkt sein musst, dann brauchst du Ruhe in der Küche. Da darf keine Hektik passieren. Also je stressiger der Moment ist, umso mehr Ruhe musst du in der Küche und im Service bewahren. Ich vergleiche das einfach mit dem Segelboot.
Wenn das Wasser flach ist, musst du ein bisschen Wind machen, damit du weiterkommst. Aber wenn die Wellen eh schon so hoch sind, dass alle ein bisschen in Panik kriegen, dann musst du als Führungskraft die Ruhe ausstrahlen, weil wenn du das nicht machst, dann kann es so hinkippen, dass gar nichts mehr funktioniert.
Da legst du einen Betrieb lahm. Habe ich in meinen jungen Jahren das eine oder andere Mal praktiziert. Würde ich halt niemandem empfehlen, wer professionell sein möchte.
Stefan Lassnig
Glaubst du, das ist jetzt nur bei dir der Fall? Weil ich würde sogar sagen, das ist eine allgemeine Entwicklung. So das Bild des cholerischen Chefs, jetzt bewusst nicht gegendert, der herumschreit, der die Leute umkommentiert. Das glaube ich, hat ja nicht nur in der Küche weniger Bedeutung, Gott sei Dank, sondern vielleicht auch in anderen Managementwirtschaftsbereichen.
Paul Ivic
Definitiv. Aber da hat sich eine sehr gute Entwicklung gegeben, weil das Wissen besser greifbar und vorhanden ist. Und früher war das ja vor allem in den Küchen. Du musst so führen wie ein Militär. Und ich glaube auch, dass da in der Küche hat sehr viel die Hitze mitgespielt, weil wenn du Gasherd hast und du bist 10, 12, 13 Stunden bei 45 bis 50 Grad drinnen, das macht was mit dir. Also ich erlebte es selber bei uns, wenn mal die Klimaanlage ausfällt, dann merkst du, dass ab 30 Grad es angespannter ist und Hitze macht sehr viel aus, Dann trinkst du sehr viel Wasser, Mineralstoffe werden ausgespült, also da fehlen dir auch die ganzen Mikronährstoffe und dann wirst du auch ungeduldiger. Aber natürlich war das auch quasi sehr lang verhaftet.
Du musst die Leute brechen und dann aufbauen, was eigentlich kompletter Nonsens ist.
Daniela Zeller
War dir das immer klar, dass das Nonsens ist oder hast du dir irgendwann auch Ah OK, so muss ich das machen?
Paul Ivic
Hätte man denken können, dass mir das bewusst war, weil ich in der Schweiz unter einem Soziopathen gearbeitet hab, was unser Leben zur Hölle gemacht hat, tagtäglich.
Paul Ivic
Viele aufgegeben haben, wirklich viele dann mit dem Beruf aufgehört haben. Dann habe ich auch zwei hervorragende Beispiele gehabt, wo ich Chefs gehabt habe, in dem Fall auch Chefs, die extrem besonnen, extrem ruhig waren. Die habe ich am Anfang als schwache Führungskräfte wahrgenommen. Wahnsinn, weil die haben die nicht beleidigt, sondern die haben ganz ruhig reagiert gelassen. Ich habe das immer auf die Spitze provoziert und trotzdem sind sie zurückgeblieben. Also die waren sehr souverän und in der Schweiz war nicht souverän, der war ein schlechterzogenes Kind, aber seine Emotionen immer freien Lauf lassen hat man denken, dass ich das Beispiel von den beiden Küchenchefs genommen hätte, wo ich Küchenchef geworden bin und ich hätte eigentlich schon genug Zeit gehabt zum Reflektieren nach meinem Burnout mit den ganzen Gesprächen mit der Psychiaterin. Aber was ist mir passiert?
Ich bin eigentlich auch in das Hardcore eingekippt, aber viel mehr, weil ich einfach jeden Tag, ich habe um halb sechs in der Früh angefangen, bin um halb nachts raus, sieben Tage die Woche, eineinhalb Jahre durchgehend. Dann nimmst du die natürlich auch als den Mittelpunkt der Erde wahr und alles was du tust, hat eine große Bedeutung. Alles was andere machen und du denkst einfach, du musst dann richtig pushen. Und da war ich nicht sehr zimperlich. Also ich war da teilweise gnadenlos. Ich bin heute noch überrascht, dass viele der Mitarbeiter mit mir noch einen Kontakt pflegen und die haben mal gesagt, ich war zu diesem Zeitpunkt authentisch. Also ich bin mit ihnen durch dick und dünn gegangen, ich hab niemanden liegengelassen oder sonst irgendwas.
Aber heute mit dem ganzen Wissen würde ich anders umgehen. Also mache ich jetzt auch hoffentlich und ein bisschen souveräner, also auch gewisse Dynamiken rausnehmen. Also mit dem Bewusstsein. Ich bin kein Herzchirurg, der was, wenn er einen Fehler macht, die sind abhängig von mir, also Leben oder Tod, sondern ob jetzt der Gast fünf Minuten länger auf das Essen wartet, was soll da passieren? Also wenn wir nicht vergiften, haben wir einfach das beste Arbeitsumfeld, was man haben kann. Man kann Menschen glücklich machen, aber dazu musst du selber auch happy sein. Und früher war halt sehr lang auch die Thematik, dass hinter der Kamera kannst du schreien und schimpfen, vor der Kamera musst du lachen, nur so funktioniert die Welt nicht.
Daniela Zeller
Wann ist dir das klar geworden und wann hast du infolgedessen auch deinen Führungsstil geändert?
Paul Ivic
Mir ist es relativ spät klar geworden und mir ist auch bewusst geworden, dass das gar nicht der Einfluss von schlechten Chefs war, sondern mir ist es mit 32 klar geworden, dass wenn du dich selber nicht magst, du dir selber nichts wert bist, kannst du andere Menschen weder mögen, noch bist du in der Lage, sie zu führen. Ich habe immer in jungen Jahren von Selbstdisziplin gesprochen und man muss alles geben, aber ich habe selbst gerade Disziplin gehabt, weil meine Emotion habe ich zu 100 Prozent weitergeben.
Daniela Zeller
Darum sprechen wir von ich Kraft. Wir Kraft, Führungskraft. Was hat dir da geholfen und dich dabei unterstützt, einen anderen Weg einzuschlagen?
Paul Ivic
Also unterstützt hat mich dabei, dass ich wirklich sehr krank geworden bin, wo man nicht gewusst hat, wird das noch überhaupt was? Also das war wirklich, dass ich kurz vorm Jordan gestanden bin und dann habe ich die richtigen Leute kennengelernt. Also so richtige Aussagen wie Perfektionismus ist eine Krankheit und keine Gabe haben mir schon sehr geholfen, dass man da in die falsche Richtung geht oder dass halt ich vor allem in die falsche Richtung geht. Und dann es zu lernen, sich selber zu verzeihen, sich selber nicht so wichtig zu nehmen, hat man dann die notwendige Souveränität gegeben, das besser zu machen. Das heißt nicht, dass ich nicht konsequent geblieben bin in dem, was sie tun, in dem, was sie machen möchte. Aber es gibt einfach Situationen, wo du dann sofort merkst, das, was jetzt sprechen möchte, ist einfach dein Ego. Und Ego ist ja per se nichts Schlechtes, aber hin und wieder ist einfach das Ego das gekränkte Kind.
Also alles, was da in der Kindheit passiert ist, dass du dann auf Situationen genauso reagierst. Und ich finde das ja dann total spannend, wenn du dir selber oh, warte, wieso triggert mich das? Das war da also gut. Hey, bist erwachsen, kriegst den Griff, mach das.
Viele Gespräche, viele Workshops, viele Coachings haben mir sehr geholfen und die helfen mir heute nach wie vor. Es gibt immer wieder Situationen, wo man nicht erlebt hat, wo man dann Menschen um Ratschlag bitten kann. Wie würdest du mit der Situation umgehen? Also dass die einfach da Perspektiven wechseln? Und das ist ganz, ganz wichtig, weil sonst verzettelt man sich auch.
Daniela Zeller
Ich muss noch eine Frage stellen, die mir gerade sehr am Herzen liegt, Paul, weil du wirkst so ruhig und so bei dir. Und ich stelle an mir fest, dass manchmal, wenn was mich ereilt als Führungskraft, ich kann mich fürchterlich ärgern. Also ich nehme das total zu Herzen. Ich rufe dann auch den Stefan an, weil er für mich so in meinem Team ist und wir uns austauschen und ich bin das sehr emotional und das kostet mich sehr, sehr viel Kraft. Es vergeht dann auch schnell wieder, aber es ist schon 12 Stunden und ich habe jetzt gerade das Gefühl, dass du das nicht mehr hast, sondern dass du das für dich schon vorher abstoppen kannst. Wie machst du das?
Paul Ivic
Also ruhig zu bleiben kostet sehr viel Energie, weil das habe ich schon festgestellt, als ich meine Emotion pur weitergegeben hab, war immer energiegeladen. Also das ist einfach, du brauchst dann schon einen Ausgleich. Also die Ruhe zu bewahren in so einer Situation erfordert in meinem Fall extreme Selbstdisziplin und Kontrolle. Und wenn du Kontrolle über irgendwas halten willst, wo eigentlich gerade außer Kontrolle in dir ist, dann kostet dich das Energie. Früher hat es Tage gegegeben, wo ich zwei Tage lang erschöpft war. Das passiert mir nicht. Jetzt ist es so, dass ich nach einer Stunde bin ich wieder fit und manchmal habe ich auch dann den einen oder anderen, wo ich anrufe, wo ich einfach reinbrüllen darf und die sagen OK, passt, alles gut, ja, danke.
Und ich lege wieder auf und ich bin wieder komplett bei mir. Also das braucht man schon auch.
Daniela Zeller
Also du hast auch deinen Stefan, bei mir sind es der Stefan und meine Steuerberaterin. Ich sage immer, du bist mein Coach, da kann ich ja herrlich.
Paul Ivic
Es hat einmal ein Chef zu mir was gesagt. Wenn du der hat das mit dem Bergsteigen verglichen. Je höher der Berg ist, umso weniger sind um dich herum. Und wenn du quasi der Bergführer bist, dann hast du nicht immer die Möglichkeit, immer jedem dein Problem zu erzählen. Also die Luft wird extrem dünn. Das musst du bewusst sein. Wenn du quasi nicht die Führungskraft bist, dann kannst du über alle Probleme reden, kein Thema.
Aber wenn du oben bist, dann erwarten die anderen, dass du mit den Lösungen kommst. Wirst eh nie dem gerecht. Aber das ist schon so, wenn man Alles klar, du kannst nicht immer eins zu eins weitergeben. Du kannst dir deine Sorgen weitergeben, weil dann verunsicherst du Leute und du sollst ja Stabilität ausstrahlen und alles gut, wir kriegen das in den Griff. Das ist dann auch eine Form von Führung.
Stefan Lassnig
Das deckt sich ja mit dem, was wir schon mit anderen Gästen auch besprochen haben, was ich auch immer wieder sage. Führen heißt ab und zu mausalleine sein. Also je weiter oben du bist in der Hierarchie. Das hat viele Vorteile und das hat auch viele Annehmlichkeiten. Aber ein Nachteil davon ist, wenn du dann in die Küche gehst, passt heute am besten eigentlich das Beispiel besitzt, dann verstummen die Gespräche halt am Anfang. Also wenn du zum Beispiel Teil eines Teams warst und dann zur Führungskraft in diesem Team aufsteigst, dann verhalten sich die Leute dir gegenüber plötzlich natürlich ganz anders. Das heißt, wenn du in die Küche kommst und die Leute gerade geplaudert haben, werden sie wahrscheinlich auch für ihn plaudern, wenn du reinkommst.
Paul Ivic
Bei mir nicht. In dem Fall muss ich sagen, das hat sich recht alles geändert. Da merkt man Vertrauen. Die Neuen, ja, die werden ruhig, aber die werden schon länger da sein, die denken sich da nichts dabei. Also da wird auch nicht anders gesprochen wie vorher, weil auch wissen sie eh, was nicht sein darf. Und der Rest ist ein großes Vertrauen.
Stefan Lassnig
Aber bei deinen autoritären Chefs war das sicher anders, oder? Also da hätte man wahrscheinlich nicht vor dem Chef so geredet, wie man mit seinen Kolleginnen und Kollegen geredet.
Paul Ivic
Vor zehn Jahren. Mit mir nicht, Also garantiert nicht.
Stefan Lassnig
Vielleicht bleiben wir da gerade dabei, weil in der Vorbereitung habe ich viel gelesen über dich und dein Out, wie du Teams führst und so. Und was mir da zum Beispiel aufgefallen ist, es mag jetzt sein, dass da manche Leute sagen, es ist nur eine Kleinigkeit, aber ich finde das ein wahnsinnig starkes Signal. Du sagst ja zum Beispiel, das Staff Food, also das Essen, was deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter essen, ist das gleiche wie das, was ihr die Gäste serviert. Es gibt jetzt quasi Abstufungen, wo Man sagt, das gute Essen ist für die Gäste und das, was das Schlecht und Anführungszeichen nicht so gute Essen ist fÜr den Staff. Ich nehme an, das ist ein ganz bewusster Schritt von dir gewesen, das so zu machen.
Paul Ivic
Definitiv, Weil es geht um Wertschätzung. Essen hat für mich immer was mit Wertschätzung zu tun. Wenn ich da irgendwas serviere, was nicht gut ist, dann bist du bedeutungslos für mich. Also das ist auch die größte Form an Kränkung, was du mir antun kannst. Das merke ich heute noch. Wenn irgendwie was von Starfood nicht gut ist, nehme ich es persönlich. Da bin ich ein kleines Kind in dem Moment, Ich weiß noch, wie ich damit umgehe.
Und mir ist einfach ganz, ganz wichtig, dass wir dieselbe Qualität für uns zubereiten wie für die Gäste. Ich habe das nie verstanden und ich war in Top Häusern, dass wir immer eine mittelmäßige Qualität bekommen haben. Sie verlangen von uns, das Beste zu servieren und zu kochen. Dann muss man mit dem aufwachsen. Das muss eine Selbstverständlichkeit für die werden. Weil wenn ich heute nur als Beispiel Ich nehme jetzt den billigsten Kaffee für meine Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und verlange aber von Ich will jeden Tag den Top Espresso. Wie sollen die diesen Top Espresso machen, wenn sie nicht mal wissen, wie es schmecken sollte? Und ich merke einfach, dass das für sie alle das Normalste der Welt ist, dass unser Geschmack, unser Verständnis von Qualität der Standard ist.
Und dann können sie dem Gast, also unseren Gästen mit Augenhöhe begegnen, weil wir wissen ja, was wir tun, was wir einkaufen und wir essen selber. Und die Herabstufung. Aber deswegen heißt es aber die meisten Personalessen, das ist schon eine Herabstufung, weil Personal sind für mich funktionierende Menschen, die auf Zuruf reagieren. Und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, da stehst du schon rein. Sie arbeiten mit dir, sie denken mit dir. Also geh auch mit denen um. Und das, was noch nebenbei ganz gut ist, das nebenbei ist jetzt sehr provokant gesagt.
Früher, als ich dem Personalessen wenig Beachtung geschenkt habe, haben wir in dem Ressort, wo ich geleitet hab, zwischen 20 und 25 Krankenstände, also Krankenstandstage gehabt pro Mitarbeiter im Durchschnitt. Jetzt haben wir zwischen drei bis fünf. Also ist auch ein wirtschaftlicher Faktor. Und was halt bei uns noch dazu kommt, es freut sich jeder auf das Essen und wir sind in der Gastronomie.
Es geht um Genuss. Also ich muss mich auf irgendwas freuen. Und vom zeitlichen Aufwand macht es keinen Unterschied, ob ich es jetzt gut mache oder schlecht koche. Aber es macht einen Unterschied, ob ich gute Zutaten kaufe, aber zeitlich auch nicht. Und das ist nie in meinem Kopf war das nie logisch. Auch als junger Koch habe ich es nicht verstanden, dass Gäste mehr Ahnung gehabt haben über Essen als ich selber. Das hat mich eher gestört.
Stefan Lassnig
War das etwas, wo du damals gedacht Wenn ich mal ein eigenes Unternehmen habe oder wenn ich mal ein eigenes Lokal habe, dann mache ich das anders?
Paul Ivic
Ja, also es war auch nicht jeder Betrieb so. Ich möchte jetzt nicht, dass das so rüberkommt weil es hat schon einige Betriebe gegeben, die einen großen Stellenwert draufgelegt haben. Aber ich habe es bei vielen mitbekommen und das war für mich immer wichtig. Erstens, ich isse sie gern und ich will was Gescheites. Und gescheit heißt nicht, dass das Fernsehen angerichtet ist oder sonst irgendwas, sondern dass das, was wir da haben, gut schmeckt und ich einfach happy bin mit dem, was wir an Qualität haben. Ich habe es ja eingangs erwähnt, da wo ich mir nichts wert war, habe ich auch keine Beachtung dem Essen geschenkt, aber heute bin ich mir was wert. Deswegen will mir zu 99 Prozent nur Gutes zuführen, damit er die ein Prozent einfach mehr, ohne krass drüber nachzudenken kann.
Das schreibe ich mir zu.
Daniela Zeller
Jetzt hast du begonnen als Koch, als Küchenchef, Du hast dein Unternehmen gebaut, es ist größer geworden, es sind viele Sparten dazugekommen, eben auch das Autorendasein, die öffentliche Person und natürlich, wie du ja auch sagst, stehst du jetzt nicht mehr jeden Tag in der Küche und bist so ganz nah dran. Empfindest du für dich das Gefühl von Distanzierung zu deinem eigenen Unternehmen, zu deinen eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder nicht? Und falls ja, wie gehst du damit um?
Paul Ivic
Ich sehe mich als Teil und das Gute ist, wir sind ja drei Eigentümer. Ich mache quasi, ich leite die ganzen Restaurants, wo ich von der Küche rausgegangen bin, also bewusst den Schritt rausgesetzt habe, um mehr um die Finanzen und alles zu kümmern. Da habe ich schon ein hartes Jahr gehabt, weil die Mitarbeiter in der Küche wollten mir zeigen, dass es ohne mich geht und ich habe so verstanden, sie brauchen mich nicht. Und ich hätte mir gedacht, ich kann mit dem ganz einfach umgehen, aber das war einfach echt die Hölle und ich wollte mir einfach Hey, du hast uns das Rüstzeug gegeben, vertrau uns. Und das war nicht ganz so einfach. Natürlich hat es vielleicht den einen oder anderen gegeben, der mich wirklich tatsächlich ausschließen wollte, aber im Endeffekt ist es unser Unternehmen, das ist uns ganz wichtig. Ich bin jeden Tag da.
Also ich bin ein Teil von dem Team und deswegen fühle mich jetzt nicht ausgeschlossen. Pass gut.
Daniela Zeller
Ist es auch manchmal so, dass du wie so ein Stargast reinkommst, wo man sagt ah schön, also so die echten Probleme, da habe ich eh jetzt den Küchenchef und den und den oder Chefin und jetzt kommt Paul Iwitsch. Ah ja. Und da gibt es gewisse Themen gar nicht dazu, weil du nicht mehr so der unmittelbare Vorgesetzte bist. Oder nehmen Sie sich doch noch als die Nummer 1 Führungskraft wahr.
Paul Ivic
Ich glaube, das könnten jetzt die anderen besser beantworten, weil gerade der andere und der Flo wenn ich was sage, dann hat das ein brutales Gewicht. Und ich habe ja quasi mein Zielsteam um mich herum, weil meine kindlichen Vorstellungen Captain Kirk hat einfach die besten Experten mit sich und dann haben wir eine super Reise. Also kann es noch spannend werden.
Stefan Lassnig
Der hat einen geilen Stuhl immer gehabt mit den ganzen Knöpfen drauf und so rundherum diese ganzen Expertinnen und Experten.
Paul Ivic
Stimmt, Wenn der Fragen gehabt hat, hat er gefragt und dann hat er Entscheidungen getroffen. Ich möchte schon und ich hoffe, dass ich auch den Raum ausreichend gebe, dass sie die Probleme lösen können. Und ich glaube, das gelingt uns auch sehr gut. Für die langjährigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen war es am Anfang sicher schwierig, dass ich nicht mehr der direkte Ansprechpartner bin. Aber ich habe gesagt, wir haben uns weiterentwickelt. Ich habe mich für diese Person entschieden. Ihr könnt nach wie vor, wenn irgendwas ist, zu mir kommen, aber die erste Anlaufstelle ist immer euer direkter Vorgesetzter, weil die will ich weder untergraben noch sonst irgendwas.
Und sollte jetzt wirklich jemand das Bedürfnis haben mit mir, also man kann nicht jeden Tag mit mir reden, dann sagt Gehen wir auf einen Kaffee und hören wir es an. Aber zeitgleich müssen die ja wissen, dass sie mit deren Vorgesetzten das eins zu eins mich austausche, damit da nie das Gefühl hervorkommen könnte, Wir arbeiten dahinter am Rücken. Aber das ist dann schon mit offenem Visier, weil klingt jetzt bäh, aber das Vertrauen muss einfach da sein. Wer dieses Vertrauen nicht in mein Führung hat, dann hat er mich, glaube ich, auch nicht verstanden.
Stefan Lassnig
Ich finde das eines der schwierigsten Aufgaben, haben wir schon öfters jetzt diskutiert in unserem Podcast, diese Balance zwischen Nähe und Distanz im Sinne von okay, ich bin Vorgesetzter, ich bin Führungskraft, ich muss Sachen durchsetzen oder ich muss Sachen entscheiden. Wie ist es bei dir? Sind deine engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch Freunde bzw. Verbringt man da die Freizeit miteinander oder Trennst du das?
Paul Ivic
Ich war noch nie ein Freund von Trennen, habe ich nie verstanden. Ich verstehe auch Menschen nicht, die bei der Arbeit anders sind wie privat. Mich gibt es ungefiltert.
Stefan Lassnig
Also du hast in deinen Instagram Accounts nicht stehen hier privat, weil da muss ich immer so lachen, wenn manche Leute reinschreiben, ich bin hier privat, dann denke ich mir, okay, und sonst sagst du was anderes.
Paul Ivic
Nein, das funktioniert bei mir nicht. Und ich will ja selber ein Arbeitsumfeld mit Menschen, die ich gern habe. Ich mag nicht reinkommen in den Betrieb und den wieder, sondern ich freue mich jeden Tag auf den einen oder anderen, also eigentlich auf alle. Es gibt schon mal die Situation, wo es wird ein bisschen schwieriger, aber das gehört ja dazu und das ist auch menschlich und es muss menscheln. Ich möchte nicht mit Robotern arbeiten, sondern mit Menschen. Und ich würde sagen, dass Freundschaft ist ein hartes Wort, weil über das denken wir oft nach. Und ich glaube, das, was man als Freundin definiert, ist immer das, was man zwischen 10 bis 16 oder 18 hat, wo man wirklich jemanden braucht, der was einem versteht, auf Augenhöhe begegnet.
Und das Interessante ist, wenn du dann im späteren alter, so mit 40, mit jemandem richtig intensiv dir austauschen tags, den definierst du nicht als Freund, weil du eigentlich ist unabhängig. Also meine Wahrnehmung und ich würde sagen, mit dem Team, was jetzt mein Sales Team ist, das sind meine Freunde und ich mag die Nähe, ich brauche die Nähe, weil ich muss das fühlen. Aber ich kann auch zu jeder Zeit, dann glaube ich, relativ objektive Entscheidungen. Da ist jetzt die Grenze fertig und ihr könnt sie regeln und ich habe auch die Regel mit meiner Frau, weil die im Betrieb arbeitet, sie darf niemals zu mir kommen, wenn sie ein Problem mit irgendjemandem hat. Sie darf sich jemand anderen aussuchen, weil da ist das Einzige, wo ich hundertprozentig nicht objektiv sein kann. Und das muss man einfach auch von Haus aus gleich so sagen und dann auch die Disziplin haben, das einzuhalten. Also auf beiden Seiten.
Stefan Lassnig
Es ist die gleiche Disziplin, die du davor erwähnt hast, weil das ist in mehrstufigen Hierarchien immer ein Thema. Ich habe ja Unternehmen erlebt, speziell Konzerne, wo du genau gemerkt hast, die Führungskräfte sind so weit weg von der Basis, dass sie nur mehr extrem gefilterte Informationen kriegen und eigentlich überhaupt nicht wissen was "ganz unten" passiert.
Paul Ivic
Ich glaube, deswegen muss man das Mittelmanagement einfach entsorgen, so böse es klingt.
Stefan Lassnig
Die Konsequenz war dann also ich habe es dann immer so gemacht, dass ich immer geschaut habe, dass ich auch Leute kenne auf allen Hierarchieebenen, zu denen ein gewisses Vertrauensverhältnis habe ich. Das waren teilweise frühere Kolleginnen und Kollegen oder es waren auch oft fremde Leute, wo ich einfach einen Draht gefunden habe. Aber man muss natürlich extrem aufpassen, weil du bist dann zwar besser informiert und kriegst mehr mit, weil du quasi auf allen Ebenen Informationen kriegst. Auf der anderen Seite ist natürlich die Gefahr, dass jemand versucht, seine Vorgesetzten zu umgehen, auch sehr groß, dass jemand versucht, direkt zu dir zu gehen. Aber es geht in dem Fall, glaube ich, nur so, wie du es geschildert hast, mit totaler Transparenz.
Paul Ivic
Also wir haben jetzt noch nicht die Größe erreicht, dass so das der Fall wäre. Also wir haben schon immer wieder auch Leute, die das versuchen, aber das ist jetzt mittlerweile in der Unternehmenskultur, dass auch die so funktioniert es nicht. Also ich will auch nicht, dass es so funktioniert. Ich will, dass jeder offen darüber reden kann. Also ich habe das Gehör, aber manche Probleme sind einfach zwischenmenschliche Probleme, die relativ schnell gelöst sind. Also macht keine Konflikt draus, wo eigentlich kein Konflikt entsteht. Und ich glaube, da muss man schon sehr nah an den Leuten sein.
Also ich halte von Distanz nichts. Also solange es mir geht, versuche ich die Nähe beizubehalten. Natürlich entsteht irgendwann eine Distanz, wenn du eine Familie hast, weil dann bist du nicht mehr 24 Stunden da wie früher. Du bist auch nicht immer für alles empfänglich, weil du hast ja dann Kinder, wo du okay, das habe ich schon in der Früh gehabt. Aber generell glaube ich, dass alle das Vertrauen haben sollten und müssen, dass sie zu dir kommen können und das gerade in der Gastronomie eher schwierig. Zum Beispiel, wenn sie kündigen wollen. Also wir haben früher den Fall gehabt, dass immer die zwei Wochen Wieso sagst du das nicht früher?
Ja, dann fühlt sich anders. Nein, warum? Also ihr könnt es 6 Monate davor sagen, ein Jahr davor sagen. Wir schätzen euch, weil wenn ich mit ihr unzufrieden wäre, dann wärst du keine zwei Wochen mehr da. Und das Vertrauen könnt ihr haben, weil das Leben besteht zuhauf aus Veränderung und ihr müsst aber wissen, ich kann nicht in eure Gedanken schauen. Ihr müsst mir eure Gedanken mitteilen, ob ihr interne Veränderung braucht, ob ihr generelle Veränderung braucht. Mit der Information kann ich was anfangen.
Ich weiß nicht, ob ich es für die passend gestalten kann. Aber wenn ich es nicht weiß, dann habe ich nicht einmal die Möglichkeit darüber nachzudenken. Dieses Vertrauen ist, glaube ich, in der Gastro eher ungewöhnlich gewesen und da erziehen wir jetzt teilweise die Leute dazu. Es ist absolut okay, wenn ihr euch neu orientiert, sagt es uns einfach früh genug, weil wir tauschen euch auch nicht aus, wenn der erste Bewerber da ist, was eigentlich vielleicht von der Qualifikation her besser ist, sondern wir mögen euch, weil das Wichtigste bei der Einstellung passt die Chemie. Das Fachliche ist erst an dritter Stelle, ist wichtig, aber zuerst muss die Chemie passen, weil es nützt mir nichts, wenn ich den Besten anstelle für diese Position oder die Beste und ich mag ihn zwischenmenschlich nicht. Das würde für mich nicht funktionieren. Ich habe das eher wie die Toten Hosen.
Erfolgreich wird man am besten mit den Freunden, weil da kann man richtig gut feiern.
Daniela Zeller
Was ist für dich das Härteste am Führen?
Paul Ivic
Das Härteste am Führen. Wüsste jetzt gar nicht, was richtig hart ist, weil immer als Herausforderung, dann gibt es wieder neue Dinge. Ich glaube dann immer komplett klar zu sein, also die Aussagen zu treffen, dass das jeder zu 100 Prozent versteht und das nicht zu verpacken, weil manchmal, oder ist mir halt passiert, dass man das so verpackt, so schonend präsentiert und das habe ich gelernt. Das ist der falsche Weg. Du musst es direkt sagen, du kannst es ja trotzdem in einer ganz guten Art und Weise kommunizieren. Aber Führung heißt auch Klarheit zu haben. Klarheit, Wahrheit, Einfachheit.
Das habe ich von einem Stammgast mitgekriegt und das stimmt. Da ist einfach sehr viel Potenzial drin und das sollten alle wissen.
Daniela Zeller
Was tust du für dich? Und da bin ich jetzt bei der Ich Kraft, um für dich selbst klar und ruhig und dir gegenüber selbst gegenüber wahr zu sein und wahrhaftig zu sein.
Paul Ivic
An dem wahrhaftig, da arbeite ich noch dran. Aber ich glaube, ich nehme einfach die notwendigen Pausen und das ist nicht in Form von Auszeit, sondern dass ich ausreichend Espressos trinke und in der Zeit komme ich runter und was tue ich noch für mich. Ich lese sehr gerne und ich höre auch sehr gerne Podcasts und ich tausche mich mit Menschen gerne aus, wo ich ein gutes Feedback erhalte. Also ich mag jetzt keine Floskeln, Gespräche mit dem kannst du mich jagen, aber ein tiefes Gespräch ist für mich meine Auszeit. Das ist, wo ich in dem Fall sehr viel für mich mitnehmen kann und dann auch wieder nachdenken kann. Also ich glaube, da bleibe ich dann klar bei mir, aber ich vermute, dass ich generell sehr nah bei mir bin.
Stefan Lassnig
Und das Thema Ernährung, das finde ich total spannend, dass du sagst, das drückt auch sehr viel Wertschätzung aus, aber nicht nur gegenüber den Gästen, sondern gegenüber sich selber. Also bei jedem Gespräch mit dir wird mir das wieder so bewusst, weil wenn ich dann an mein eigenes Verhalten denke, wie wie schlecht ich das umsetze, also wie wenig ich für mich selber aufs Essen z.B. achte. Ich achte jetzt mehr drauf, aber immer noch nicht genug, glaube ich.
Paul Ivic
Ich war noch viel schlimmer, weil ich hab früher zwar sehr gut gekocht für die Gäste und für mich selber habe ich dann die TK Pizza noch auftauen lassen und gegessen, weil ich selbst nicht in der Lage war, mir die zehn Minuten Zeit zu nehmen, dass die richtig aufpackt. Man kann jetzt von der Theke Pizza erhalten, was man will. Und entsprechend bin ich auch mit mir umgegangen. Und das ist fehlende Wertschätzung für sich selber, weil wenn man ehrlich ist und es geht nicht darum, dass du das 100 Prozent lebst, aber 80 Prozent in dein Leben sollte es schon integrieren, dass du irgendwas zu dir nimmst, was dir auch schmeckt und was dir gut tut. Und ich glaube, Süßigkeiten schmecken den meisten dort, aber einem nicht gut. Für mich war zu viel Fleischkonsum hat mir auch nicht gut getan, vor allem die Wurstwaren und so. Und das musst du alles weglassen.
Das ist ja wie der Ballast, der von dir abfällt. Und wenn du weniger Ballast mit dir nimmst, dann geht es da besser. Und ich denke mir, weil viele dann immer reden, ich mag auf nichts verzichten. Also ich verzichte auf das Schlechte mittlerweile sehr, sehr gerne, aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich auf irgendwas verzicht. Also ich freue mich einfach, wenn ich jetzt eine gute Karotten habe, die was schmeckt und denke mir wow, oder gestern habe ich einen Pfirsich gekriegt, da beißt du ein und denkst, besser geht's nicht. Und ihr seht schon, ich fange an, schon innerlich zu lachen. Und das ist Energie.
Und das heißt auch, ich tu was für mich, weil ich zuerst gesagt Der Espresso ist meine Zeit. Wenn ich ein Espresso kriege, was mir nicht schmeckt, da wäre ich richtig grantig. Und wenn ich einen guten krieg, dann bin ich sofort so. Das ist wie meine Yogastunde. Also ich mach kein Yoga, weil mich das nervös macht. Aber so glaube ich, dass sich Yoga anfühlt eine ganze Stunde, wenn ich mein Espresso in der Hand habe und den trinke und denke ja, die Welt ist einfach nur in Ordnung.
Stefan Lassnig
Du wirst lachen heute, Wir haben ja heute ausgemacht, du kommst zu uns ins Studio und heute in der Früh habe ich mir gedacht, ich muss jetzt die besten Kaffeekapseln mitnehmen, die ich hab, weil ich eben weiß, dass du großen Wert auf Kaffee legst und auf einen guten Kaffee legst. Und jetzt kann jetzt der Kaffee, den ich dir heute gegeben habe, nicht mit dem mithalten, was ich seinerzeit bei dir im Lokal gekriegt habe. Aber du hast schon soweit ich sie getrunken, also dürfte nicht ganz grausig gewesen sein, bin ich froh. Aber das habe ich den Gedanken heute in der Früh wirklich gehabt. Scheiße, heute kommt der Paul Ivic, muss einen gescheiten Kaffee hertun.
Paul Ivic
Ich hab ihn angeschaut und denk mir das drück jetzt durch.
Daniela Zeller
Aber ich hatte einen Gedanken, als ich dir zugehört habe. Denn wenn man Menschen führt, das bedeutet ja, man sollte die Menschen ja auch in irgendeiner Form nähern, geistig und sehen. Und wenn man sich selbst nicht gut nährt, auf allen Ebenen, wird es nicht gelingen. Von daher diesen Impuls, sich die Zeit zu nehmen, sich selbst gut zu nähren, auch mit Lebensmitteln, auch mit guten Gedanken, mit Inspiration, um das dann wieder weitergeben zu können, ist ein Aspekt, den ich mir so noch nie überlegt habe.
Paul Ivic
Ich glaube, dass das ganz wichtige Aspekt ist hier bei einem langjährigen Mitarbeiter, den Alex Immer wenn ich was negativ sehe, hat der sofort was Positives, oder Also in jeder Situation filtert er irgendwas Positives raus. Nicht weil er so optimistisch, sondern weil er das so sieht. Und da denke ich mir, sei ein bisschen mehr wie Alex und das ist auch, wenn du permanent nur mit schlechten Gedanken gefüttert wirst und allzu negativ siehst, wie willst du dann irgendwas positiv sehen? Wie willst du optimistisch durchs Leben gehen? Also es gibt einfach gewisse Situationen, die kannst du nicht schönreden, aber die kann man akzeptieren. Und dann, sobald du es akzeptiert hast, Arbeit daran, dass du es veränderst. Und Veränderung ist auch was, was für mich einfach irrsinnig wichtig ist, weil ich muss in Bewegung bleiben und ich suche so lange nach Lösungen, bis ich eine gefunden habe.
Das mag dann für den einen oder anderen die andere dann so nach außen in die Wirkung haben. Der ist sich unsicher. Ich bin mir überhaupt nicht unsicher, sondern ich schaue einfach, wo ist der optimale Weg. Ich bin auch nicht der Freund, dass man Plan B ist die Schwäche. Ich finde Plan B und Plan C ist nochmal durchdacht wie Plan A. Also die Freiheit sollte man sich auch haben. Perfektionismus ist eine Krankheit, keine Gabe, weil wenn es schon perfekt ist, dann überlegst du dir, gab es vielleicht noch Möglichkeit, was anderes zu tun?
Daniela Zeller
Paul, ich möchte damit unser Gespräch gerne beschließen. Das ist ein guter, schöner Gedanke, den ich mitnehme. Ich danke dir von Herzen.
Stefan Lassnig
Danke fürs Kommen und danke für die Zeit.
Paul Ivic
Danke für eure Zeit.
Stefan Lassnig
Ja, Daniela, es war heute wieder ein extrem inspirierendes Gespräch mit dem Paul Ivic. Was sind denn deine wichtigsten Learnings aus dem Gespräch?
Daniela Zeller
Ich habe es vorhin schon gesagt, für mich war das Gespräch wie eine Yogastunde und ich bin jetzt im Shavasana, aber ich bin so runtergekommen beim Zuhören, weil der Paul Ivic so eine Ruhe hat und ausstrahlt. Und das ist auch das, was ich mitnehme, wie wichtig die Ruhe ist und wie wichtig das ist, dass man als Führungskraft Ruhe bewahrt, Ruhe ausstrahlt, immer wieder.
Stefan Lassnig
Zur Ruhe findet, Wobei, wie er richtig gesagt hat, zur Ruhe finden heißt auf sich selbst schauen. Das ist für mich auch schon wieder so ein Ansporn gewesen, wieder mehr auf mich zu schauen, weil du ja sonst gar keine Ruhe ausstrahlen kannst, wenn du selber unruhig bist.
Daniela Zeller
Ja, eben. Und daher auch die Ich Kraft, da ist so ein Konnex. Und auch nämlich gerade dann, wenn so die Wogen hochgehen und es viel Stress gibt, Nicht zu okay, diesen einen Termin schaffe ich noch, ja, wurscht jetzt die Woche, sondern gerade da. Nein, jetzt wird einmal alles verschoben, denn ich muss wieder zu mir finden, zu meiner Ruhe finden, denn sonst kann ich das nicht weitergeben, ausstrahlen und auch keine guten Entscheidungen treffen.
Stefan Lassnig
Was ich noch mitgenommen habe und deswegen habe ich mir diese Frage gestellt, weil ich das in der Vor gefunden habe, diese Wertschätzung gegenüber seinen Mitarbeiterinnen, die er zum Beispiel dadurch ausdrückt, dass die das gleich gute Essen kriegen und eben nicht dieses so wie er es bezeichnet hat, Personalessen wie die Gäste. Das ist, finde ich, gerade jetzt in seinem Fall so plastisch und beschreibt aber gut auf einer Metaebene den Umgang, wie man Wertschätzung ausdrücken kann.
Daniela Zeller
Ja, und da verbinden sich die Ich und die Wir Kraft so wunderschön in dem Näherenden.
Stefan Lassnig
Gut, dann wir hoffen, liebe Hörerinnen und Hörer, euch hat das Gespräch auch so viel gegeben wie uns.
Daniela Zeller
Danke fürs Zuhören.
Stefan Lassnig
Danke fürs Zuhören. Ciao!
Daniela Zeller
Ciao.!
Autor:in:Stefan Lassnig |