Die Dunkelkammer
Der Benko-Prozess: Ein Schuldspruch, ein Freispruch

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Von Michael Nikbakhsh. Der Strafprozess gegen René Benko wegen betrügerischer Krida ist in erster Instanz entschieden. Ein Schöffensenat des Landesgerichts Innsbruck sprach Benko in einem Anklagepunkt frei, in einem zweiten schuldig. Benko bekam zwei Jahre unbedingter Haft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Weder die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft noch Benkos Verteidiger Norbert Wess gaben Erklärungen über Rechtsmittel ab – dafür haben sie nun bis 20. Oktober Zeit. Warum am zweiten Prozesstag viel über Hangrutschungen und wenig über Geldgeschenke gesprochen wurde, die Geldgeschenke dann aber für die Verurteilung maßgeblich waren – darüber berichtet Stefan Lassnig aus Innsbruck.
Michael Nikbakhsh
Herzlich willkommen zu einer weiteren Ausgabe der Dunkelkammer. Mein Name ist Michael Nikbakhsh und heute geht es ein weiteres Mal um den Strafprozess gegen René Benko am Landesgericht Innsbruck. Am 15. Oktober war Prozesstag Nummer 2 und dieser hat ein Urteil erster Instanz gebracht. Benko wurde in einem Anklagepunkt für schuldig befunden und zu zwei Jahren unbedingter Haft verurteilt. In einem zweiten Anklagepunkt erfolgte ein Freispruch. Mehr dazu hören wir gleich von unserem Gerichtsreporter der Herzen, Stefan Lassnig. Stefan hat den Prozess für die Dunkelkammer in Innsbruck beobachtet.
Ja Stefan Lassnig in Innsbruck, wir haben den Schuldspurch gegen Benko in erster Instanz. Fangen wir vielleicht gleich von hinten an. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die WKStA und Benkos Verteidiger Norbert Wess haben im Anschluss an die mündliche Urteilsverkündung keine Erklärungen zu Rechtsmitteln abgegeben. Dafür haben sie jetzt jeweils drei volle Werktage Zeit, also bis einschließlich Montag, den 20. Oktober. Norbert Wess hat im Anschluss an den Prozess ein Statement vor der Presse abgegeben.
Hast du da irgendwas herausgehört?
Stefan Lassnig
Ich hätte bei dem Statement von Norbert Wess nach der Urteilsverkündung herausgehört, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Verteidigung des Urteils beeinspruchen wird, größer ist, als dass sie das Urteil nicht beeinspruchen wird. Er hat aber ganz klar und dezidiert gesagt und festgelegt, dass das die Entscheidung des Mandanten ist, mit dem er sich erst besprechen muss in Ruhe.
Michael Nikbakhsh
Tatsächlich könnten ja beide Seiten anfechten. Also die WKStA könnte den Freispruch in einem Anklagepunkt anfechten und Benko logischerweise die Verurteilung im anderen. Wie gesagt, bis dahin ist von Rechtskraft einmal nicht zu sprechen. Ein paar Tage wird es noch dauern und dann wird sich das entschieden haben.
Reden wir zunächst über den Freispruch, Stefan. Da ging es ja ein Anklagevorwurf war ja eine Mietzinsvorauszahlung über ein bisschen mehr als 360.000 Euro auf vier Jahre inklusive Betriebskosten. Es wurde heute viel über die Bewohnbarkeit dieser Villa auf der Hungerburg gesprochen, die mittlerweile als die sogenannte "Hangrutschvilla" bezeichnet werden kann.
Stefan Lassnig
Also die Anklage und die Punkte, die in der Anklage in diesem Punkt zu erörtern waren, die haben wir in der gestrigen Folge geschildert. Wer diese Folge noch nicht gehört hat, hört bitte gerne rein. Da haben wir genau noch einmal aufgearbeitet, was eigentlich angeklagt wird.
Und jetzt zu deiner Frage, was das Urteil betrifft im Punkt Mietvorauszahlung: Also ganz entscheidend in diesem Punkt war für das Gericht die Frage war diese Mietzinsvorauszahlung oder ist dieser Mietzinsvorauszahlung ein Gegenwert gegenübergestanden? Also das eine ist das Geld, das geleistet worden ist für die Miete und das andere ist diesem Geld ein Wert gegenübergestanden. Und wäre die Wohnung, wie die Staatsanwaltschaft ausgeführt hat, nicht bewohnbar gewesen, dann wäre die Vermutung nahegelegen, dass da Geld für etwas überwiesen worden ist, wo keine realer Gegenwart bestanden hat.
Deswegen ist man heute ziemlich lang auf diesem Thema herumgeritten mit verschiedenen Zeuginnen und Zeugen, weil es eben genau um diese Frage gegangen ist "War die Villa auf der Hungerburg in Innsbruck bewohnbar oder nicht bewohnbar?" Das war noch ein offenes Beweisthema und deswegen ist das heute sehr ausführlich behandelt worden im Gerichtssaal. Und die Zeugen, ich fasse das jetzt einmal ganz grob zusammen, haben überwiegend und relativ klar gesagt, die Wohnung der Benkos war bewohnbar. Den Hangrutsch, den du angesprochen hast, den hat es tatsächlich gegeben. Es hat auch in der Wohnung offenbar Wasserschäden gegeben. Es war sich jetzt nicht alle ganz einig, war es jetzt Renovierung oder Sanierung? Aber es waren Aussagen von Zeugen dabei, die gesagt die Wohnung war bewohnbar. Und diesen Ausführungen ist das Gericht dann auch gefolgt.
Michael Nikbakhsh
Und weil sie eben bewohnbar war, war auch der Wert der Mietzinsvorauszahlung quasi darzustellen oder der Gegenwert. Die Richterin hat, soweit ich das überblicke, auch darauf hingewiesen, dass der Höhe nach sei das angemessen gewesen, weil die Immobilienpreise in Innsbruck ja nun wirklich nicht preiswert seien.
Stefan Lassnig
Genau das war noch ein wichtiger Punkt. Die Richterin hat in einer relativ freien Rede die Urteilsbegründung ja bekannt gegeben zum Abschluss des Prozesses und sie hat eben ausgeführt, warum ihrer Meinung nach oder besser gesagt der Meinung des Schöffengerichts nach - wir kommen vielleicht noch auf das Thema Schöffen zurück - die Entscheidung des Schöffengerichts war, dass der René Benko in diesem Punkt freizusprechen ist, und zwar deswegen, weil eben Mietvorauszahlung und die Gegenleistung in einem Verhältnis gestanden sind. A, weil die Wohnung bewohnbar war, weil das wäre zum Beispiel der Grund gewesen, warum die Gegenleistung nicht im Einklang steht. Und das Zweite war das, was du jetzt angesprochen hast, dass die Miethöhe angemessen war.
Also man muss dazu wissen, das hat die Richterin in ihrer Urteilsbegründung ausgeführt, ich erzähle jetzt, was sie recht flapsig gesagt hat, jeder Keller in Innsbruck kostet auch schon 1.000 Euro, ich weiß nicht, ob ein Keller wirklich 1.000 Euro kostet, aber wo sie sicher recht hat, ist, dass die Immobilienpreise in Innsbruck bekanntermaßen sehr, sehr hoch sind.
Und wenn man jetzt diese Mietzinsfreistellung berücksichtigt für ein Jahr hat die Benko Villa, die hat glaube ich 350 Quadratmeter, wenn ich es richtig Erinnerung habe, ist in einer wunderschönen Hanglage in Innsbruck, wir haben gestern schon darüber geredet, 6.000 Euro Miete im Monat gekostet. Ich würde mal jetzt so als Innsbrucker sagen, das kann man schon verlangen für so eine Lage und für so eine Villa in der Ausstattung. Und damit war für die Richterin und für die Schöffen dieses Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nachvollziehbar.
Michael Nikbakhsh
Dass er zu dem Zeitpunkt keine dringende Wohnungsnot hatte, weil er ja eigentlich die Villa in Igls hatte oder beziehungsweise die Villa in Igls bewohnte, auch in Wien eine Adresse hat, das hat keine Rolle gespielt.
Stefan Lassnig
Das hat insofern keine Rolle gespielt, als für das Gericht offenbar das nachvollziehbar war, dass diese Übersiedlung wirklich geplant war. Es ist im Prozess mehrmals thematisiert, naja, warum seid ihr dann erst so spät von Igls auf die andere Talseite übersiedelt? Und da war die Verteidigung relativ klar und hat gemeint, das sei auch deswegen passiert, weil es so turbulente Zeit war, weil da so viel los war. Und es war ja tatsächlich eine sehr turbulente Zeit, wenn man 2023 und 2024 aus der Sicht von René Benko sich das denkt und daran sei diese schnelle Übersiedlung gescheitert, was aber nichts an diesem Wert und Gegenwertthema ändert.
Michael Nikbakhsh
Also die Villa war bewohnbar, wurde aber zunächst nicht bewohnt, wenn ich das richtig verstanden habe. Also wir reden von einem Geschäft, diese Mietzinsvorauszahlung, die war ja Ende 2023 also in zeitlicher Nähe zum finanziellen Kollaps, aber tatsächlich bewohnt wurde sie dann erst einmal nicht. Jetzt ungeachtet der Frage, wie bewohnbar sie war.
Stefan Lassnig
Ja, richtig.
Michael Nikbakhsh
Gut. Also ich würde sagen, nachdem das jetzt abgehakt ist, in erster Instanz harren wir der Dinge, wie sich das weiterentwickelt und reden wir über den zweiten Anklagepunkt, der auch zu einer Verurteilung geführt hat. Da geht es um ein Geldgeschenk in der Höhe von 300.000 Euro an die Mutter. Und das ist jetzt deshalb interessant, weil dieser Anklagevorwurf in den zwei Tagen im Prozess eigentlich faktisch gar nicht zur Sprache kam. Also es wurde ausführlich über den ersten gesprochen, der zu einem Freispruch führte, über den zweiten faktisch gar nicht, der jetzt zu einer Verurteilung führt. Warum?
Stefan Lassnig
Ja, ich glaube, das hat im Gerichtssaal auch einige überrascht. Ich glaube, die Erwartungshaltung war ja gegenteilig, so laienhaft ausgedrückt, über das man so viel geredet hat, das ist offenbar das interessantere Thema. Ich habe dafür schon eine Erklärung. Also man muss dazu sagen, die Verhandlung vor Gericht hat ja vor allem dazu gedient, den Sachverhalt zu eruieren. Also welche Dinge sind vorgefallen oder auch nicht vorgefallen. Und in der Frage der Mietzinsvorauszahlung hat man dafür eben einige Zeugen aufgeboten, die zu der betreffenden Zeit im Haus waren. Das war eigentlich heute das Hauptthema. Die haben sagen können, ich habe diese und diese Wahrnehmung gehabt, das Haus war bewohnbar, da waren ein paar Wasserflecken, solche Dinge.
Bei der Schenkungsfrage hätte es wahrscheinlich zwei Personen gegeben, die zur Sachverhaltsermittlung was beitragen hätten können, nämlich die Mutter von René Benko und die Schwester von René Benko.
Wir haben gestern bereits erwähnt, dass beide sich der Aussage entschlagen haben, was ihr gutes Recht ist als Angehörige des Angeklagten. Das ist auch nicht zu werten. Sie haben dem Gericht schriftlich bekannt gegeben, dass sie nicht aussagen werden. Daraufhin sind sie auch vom Gericht nicht vorgeladen worden und dadurch war das im Prozess jetzt rein in der Verhandlung kein Thema.
Natürlich hat sich die Richterin im Vorfeld sicher intensiv mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt. Da gibt es am Schluss der Verhandlung viele, viele Ordnungsnummern verlesen, die alle in den Akt gehören, wo eben viele, viele Dinge aufgearbeitet sind. Ich kann mich zum Beispiel erinnern an ein Dokument, wo die ganzen Zahlungsflüsse von der INGBE-Stiftung an René Benko und zurück sehr sehr detailliert dargestellt werden. Also das ist zwar jetzt nicht verhandelt worden, weil es an der Sache gar nicht so viel zu verhandeln gegeben hat bzw. die entsprechenden Zeuginnen nicht da waren, aber natürlich ist der Sachverhalt im Gericht bekannt und wurde auch von beiden Seiten, also sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch von der Verteidigung kommentiert, eingeordnet und dem Gericht zur Verfügung gestellt. Also nur weil das heute nicht verhandelt worden ist oder gestern, bedeutet es nicht, dass sich das Gericht nicht intensiv damit auseinandergesetzt hat und auch die Verteidigung und auch die Staatsanwaltschaft.
Michael Nikbakhsh
Benko wurde also wegen betrügerischer Krida nach § 156 Absatz 1 dazu kommen wir noch, das ist gar nicht unwichtig, zu 24 Monaten unbedingter Haft verurteilt. Wie wurde das Verbrechen begründet?
Stefan Lassnig
Das war auch sehr interessant, finde ich. Die Richterin hat, wie ich finde, eine sehr lebensnahe Begründung abgeliefert und hat einleitend zum zweiten Anklagepunkt gesagt, sie möchte es so einfach wie möglich erklären, auch wenn das natürlich ein komplizierter Sachverhalt ist. Sie hat gesagt im Insolvenzverfahren, also es ist unstrittig, dass es sich bei den 1,5 Millionen um ein Geschenk der Mutter handle, das sei auch von René Benko nicht anders behauptet worden.
Michael Nikbakhsh
Und das ist eine Zahlung die dem vorangegangen ist, weshalb er jetzt verurteilt wurde. Also er hat quasi von der Mama eineinhalb Millionen Euro geschenkt bekommen zunächst mal.
Stefan Lassnig
Und davon hat er dann 300.000, also er hat davon 1,2 Millionen ausgegeben. Die Geschichte dazu ist, dass er in der Zeit bereits Liquiditätsprobleme gehabt hat. Die Verteidigung hat mehrmals ausgeführt, dass seine Mutter ihren Sohn nicht im Stich lassen wollte und ihm deswegen dieses Geld überwiesen hat und entscheidend für heute war, dass er von diesen 1,5 Millionen dann 300.000 wieder an die Mutter zurücküberwiesen hat.
Jetzt gibt es dazu natürlich verschiedene Sichtweisen. Die Sichtweise des Gerichts war, dass er dieses Geld zurücküberwiesen hat, weil er es aus seiner Sphäre wieder in die Sphäre der Stiftung bringen wollte. Und die Richterin hat heute gesagt, im Insolvenz, das reicht schon für diesen Paragrafen 156 wenn diese 300.000 Euro ohne Rechtsgrund, das ist auch noch wichtig, es gab dafür keinen Rechtsgrund, ohne Rechtsgrund an die Mutter bzw. an die Stiftung entschuldigung nicht an die Mutter, sondern an die Stiftung zurücküberwiesen hat.
Michael Nikbakhsh
Verurteilt wurde er nach § v156 Absatz 1, der regelt zwischen 6 Monate und 5 Jahre. Er hätte, wenn der Schaden einen Cent faktisch über den 300.000 gelegen wäre, den höheren Strafrahmen von bis zu zehn Jahren bekommen können. Er liegt jetzt quasi mit den zwei Jahren in der Mitte, also nicht ganz oben, was den Strafrahmen von bis zu fünf Jahren betrifft. Das liegt auch daran, dass er gerichtlich unbescholten ist. Das wurde, glaube ich, auch extra betont. Jetzt werden sich natürlich einige Hörerinnen und Hörer denken Moment einmal, was heißt denn gerichtlich unbescholten? Da war doch mal was.
Ja, stimmt, da war tatsächlich was 2014. Das ist aber eine Geschichte, die mittlerweile getilgt ist oder abgetan. Das bedeutet, sie darf ihm nicht mehr vorgehalten werden und zwar weder in einem Gerichtsverfahren noch medial, was sich hiermit natürlich auch ausdrücklich nicht tue. Aber nur um das auch ein bisschen präzisiert zu haben.
Vielleicht noch ein Hinweis: Wir haben ja eine kleine nette Website aufgezogen, zusammen mit anderen Podcasts und Medienschaffenden www.podcastradio.at und das hat uns in die Lage versetzt, auch eine Bildebene zu bekommen. Und der Stefan Lassnig berichtet aus Innsbruck, also nicht nur hier im Podcast, sondern ihr könnt dann auch auf Podcastradio die Transkripts dieser Episoden und die Fotos aus dem großen Schwurgerichtssaal am Landesgericht Innsbruck sehen.
Wie hat Stefan man sieht das natürlich jetzt wahrscheinlich nicht so gut von der Beobachterposition aus, aber sieht man, wie Benko reagiert hat auf das Urteil. Hast du es gesehen?
Stefan Lassnig
Ja, ich würde gerne davor noch was sagen, weil ich natürlich den René Benko immer wieder beobachtet habe. Ich habe einen relativ guten Blick auf ihn gehabt. Was mir besonders aufgefallen ist, in seinem Abschlussplädoyer hat sich der Verteidiger von ihm, Norbert Wess, beim Gericht bedankt, bei den Schöffen bedankt, beim Publikum bedankt, bei den Medien bedankt für die gute und sachliche Atmosphäre und für dieses, wie er es genannt hat, faire Verfahren. Er hat sich übrigens nicht bei der WKStA bedankt. Das hat er dann auch begründet, weil er hat eigentlich keine Gelegenheit ausgelassen, die WKSta anzugreifen. Aber was ich eigentlich sagen wollte, ist, er hat sich bedankt für das faire Verfahren für das sachlich geführte Verfahren.
Es gab auch heute tatsächlich nur einen kleinen Hickup, wo die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft einmal kurz aneinandergeraten sind, wo es kurz unsachlich wurde, aber das hat die Richterin gleich beendet. Also es war tatsächlich auch nach meinem Eindruck ein sauberes, faires und sachliches Verfahren.
Und wo der Wess es mit dem sachlichen Verfahren gesagt hat und dass er total auf die Gerichtsbarkeit zählt, hat Benko sehr, sehr merkbar genickt. Also offenbar auch seinem Eindruck nach war das ein sachliches und wie es der Wess genannt hat, faires Verfahren.
Bei der Urteilsverkündung selber ist René Benko nach dem, was ich beobachtet habe, mit einem versteinerten Gesicht dagesessen. Wenig verwunderlich. Es war für ihn ja, teils Freispruch, teils Verurteilung und er hat sich aber da zumindest was ich beobachtet habe, nichts anmerken lassen.
Michael Nikbakhsh
Die Beratungen im Vorfeld der Urteilsverkündung haben ja nicht wahnsinnig lange gedauert. Knapp eine Stunde war das und dann war das Urteil schon da. Wieso ist das so schnell gegangen? Ich meine, die Schöffen haben ja da sicher auch ein Wörtchen mitreden wollen.
Stefan Lassnig
Ja, das ist eine spannende Frage, weil das haben wir im Gerichtssaal auch ein paar Kolleginnen und Kollegen besprochen. Also das Verfahren war jetzt nicht unkompliziert, war von der Aktenlage her, obwohl es nur unter Anführungszeichen zwei Punkte zu klären waren, doch recht umfangreich. Aber natürlich passiert in so einem Verfahren ja schon viel im Vorfeld, also speziell die Richterin und so wie die die Richterin jetzt im Verfahren kennengelernt habe, hat die den Akt sehr, sehr gut gekannt, sehr genau gekannt, alle Aktenstücke gewusst, was da drinnen steht und man bereitet sich auf so eine Verhandlung ja vor. Also als Richterin geht man ja nicht in den ersten Verhandlungstag, der gestern war und denkt sich, jetzt hör ich mir mal an, was die so erzählen und dann bilde ich mir da ein Urteil, sondern ich habe ja das Gerichtsjahr in Innsbruck gemacht. Also die betreffende Richterin kenne ich jetzt nicht, aber ich habe dort einige Richterinnen und Richterinnen erlebt und die bereiten sich in der Regel akribisch auf sowas vor. Die wissen bereits im Vorfeld ganz genau, was im Akt drinnen steht.
Und in den seltensten Fällen werden die von den Zeugenaussagen dann überrascht oder beziehungsweise denken sich das ist jetzt aber ganz anders, wie sich das bis jetzt aus den Akten ergeben hat. Das passiert eigentlich relativ selten.
Das bedeutet, die Richterin gehe ich davon aus, war jetzt nicht besonders überrascht von dem, was jetzt an diesen zwei Tagen an Aussagen der Zeuginnen und Zeugen getroffen worden ist. Und wahrscheinlich war sie ja nicht überrascht von den Plädoyers, nehme ich jetzt einmal an.
Und wenn man das weiß, dann braucht die Richterin jetzt nicht den ganzen Tag lang, um das alles zu reflektieren, sondern die hat sich davor schon Gedanken gemacht. Und speziell wenn jetzt bei den Zeugenaussagen - und das Gefühl habe ich nicht gehabt - dass da was Überraschendes dabei war. Wenn dort keine großen Überraschungen auftreten, kann die Richterin gut vorbereitet in die Urteils-Überlegung reingehen.
Und zu den Schöffen muss man sagen, Schöffengericht bedeutet ja, dass es eine Berufsrichterin und zwei Laienrichter gibt. In dem Fall brauche ich es nicht gendern, weil es waren zwei Männer. Und diese Laienrichter entscheiden gemeinsam mit der Richterin, mit der Berufsrichterin in dem Fall über Schuldhöhe, also über die Schuldfrage an sich und auch über die Strafhöhe. Sie haben alle drei die gleiche Stimme und es kann gegen die Stimme der Berufsrichterin kann kein Schuldspruch gefällt werden. Also so funktioniert Laiengericht, also ein Schöffengericht. Und das dient ja dazu, dass die Mitwirkung von den Laienrichtern soll eine lebensnahe, gerechte und in der Bevölkerung verankerte Rechtsprechung sicherstellen. Ich sage immer, die Schöffinnen und Schöffen sind praktisch der Hausverstand im Richtergremium.Ich will aber damit natürlich nicht den Richterinnen und Richtern den Hausverstand absprechen. Aber das ist halt so quasi der das ist so die gängige Erklärung.
Und ich habe in meiner Zeit, ich war selten, aber doch bei Schöffenbesprechungen dabei, in der Regel ist es so, speziell was die rechtliche Beurteilung betrifft, verlassen sich die Schöffen natürlich zu Recht auf die Berufsrichterin, weil das sind jetzt keine Juristinnen und Juristen, schon gar keine Richterinnen oder Richter. Und deswegen glaube ich, war die Urteils- also die Nachdenkpause vor der Urteilsfällung, sie glaube ich war rund 50 Minuten, was tatsächlich relativ schnell ist für die Wichtigkeit von so einem Verfahren. Aber wie gesagt, man sieht ja in so einem Prozess oder auch in dem Fall an zwei Prozesstagen nur die Spitze vom Eisberg. Wir haben in Wahrheit nur ein Beweisthema gesehen, nämlich die Frage, war die Wohnung bewohnbar oder nicht und der Rest spielt sich woanders ab. Was aber nicht bedeutet, dass es nicht im Verfahren und vor allem bei der Berufsrichterin eine sehr, sehr große Rolle gespielt hat.
Michael Nikbakhsh
Benko ist nicht rechtskräftig verurteilt, das heißt, meine Verständnis ist er nach wie vor U-Häftling. Also da wurde er jetzt auch quasi zurückgebracht vorerst in Innsbruck. Keine Ahnung, ob er dann nach Wien zurücküberstellt wird, aber würde aus der Verurteilung eine rechtskräftige, dann würde aus der U-Haft eine Strafhaft und aus dieser würde er dann alsbald ja wohl wieder in Innsbruck einen Auftritt haben, denn es gibt eine weitere Anklage, die in Innsbruck verhandelt werden wird. Da geht es abermals um Vermögenstransfers, Stichwort eben Luxusgegenstände, die in zeitlicher Nähe zur Zahlungsunfähigkeit verschoben worden sein sollen. Wirst du da wieder für uns in Innsbruck sein?
Stefan Lassnig
Also noch ein Wort zum Unterbringungsort von René Benko. Der Verteidiger Norbert Wess hat im Anschluss in der Pressekonferenz angedeutet, dass er ohnehin der Meinung wäre, dass der Benko eigentlich in Innsbruck sitzen sollte und nicht in Wien. Und das wird jetzt dann zu klären sein. Die Frage, ob U-Haft oder weiterhin U-Haft, ist ja unabhängig davon, wie das Urteil ausgeht, immer Thema gewesen in den letzten Monaten. Da hat es ja auch einige Einbringungen gegeben von Seiten der Verteidigung. Da werden wir sehen.
Also erster Schritt abwarten, ob Rechtskraft erwächst und dann werden wir weitersehen.
Ich habe mir fest vorgenommen, dass ich auch den nächsten Prozess, den zweiten Prozess, der wieder in Innsbruck stattfinden wird, begleiten würde gerne. Das muss aber der Host der Dunkelkammer entscheiden und das bist ja du.
Michael Nikbakhsh
Ich werde in mich gehen. Schauen wir mal, wie die Reaktionen ausfallen und dann werden wir das ganz opportunistisch entscheiden, oder?
Stefan Lassnig
Ist eine gute Idee.
Michael Nikbakhsh
Ja, lieber, lieber Stefan, vielen Dank für deinen Einsatz. Vielen Dank für die fundierten Berichte aus Innsbruck.
Hat großen Spaß gemacht. Ich sehe dich hoffentlich bald wieder persönlich.
Stefan Lassnig
Danke gleichfalls. Morgen geht es wieder zurück nach Wien. Danke dir.



Autor:in:Michael Nikbakhsh |